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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des T in S, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 5. November 2020, LVwG 30.30-1744/2020-25, betreffend Übertretungen der StVO und des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochteten Erkenntnis erkannte das Verwaltungsgericht den Revisionswerber schuldig, 1. entgegen § 52 lit. a Z 10a StVO die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 49 km/h überschritten und 2. entgegen § 103 Abs. 2 KFG trotz Aufforderung keine Lenkerauskunft erteilt zu haben.
5 Der Revisionswerber erachtet die Revision zunächst für zulässig, weil die Beweiswürdigung antizipierend und entgegen den Denkgesetzen erfolgt sei.
6 Nach der Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Dem AVG (vgl. zur Anwendbarkeit im vorliegenden Fall § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 45 Abs. 2 AVG) ist eine antizipierende Beweiswürdigung fremd und dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. z.B. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0212, mwN).
7 Soweit die revisionswerbende Partei vorbringt, es seien Beweise zu Unrecht nicht aufgenommen worden, macht sie einen Verfahrensmangel geltend. Die Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel setzt jedoch voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang aufgezeigt wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen. Weiters unterliegt es nach der ständigen hg. Rechtsprechung der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 10.9.2020, Ra 2020/17/0046, mwN).
8 Solches behauptete der Revisionswerber im Zusammenhang mit dem Vorwurf der antizipierenden Beweiswürdigung gar nicht, weshalb insofern keine wesentliche Rechtsfrage aufgeworfen wurde.
9 Dasselbe gilt für das Vorbringen, die Beweiswürdigung widerspreche den Denkgesetzen, weil der Verwaltungsgerichtshof als reine Rechtsinstanz im Allgemeinen zur Überprüfung der Beweiswürdigung nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Die Richtigkeit der Beweiswürdigung ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen (vgl. VwGH 14.1.2021, Ra 2020/02/0289, mwN).
10 Eine unvertretbare Beweiswürdigung zeigt der Revisionswerber mit seinem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung nicht auf.
11 Die weiter gestellte Frage, wo sich bei einer Ausfertigung die Amtssignatur befinden müsse, führt ohne Bezug zum konkreten Sachverhalt zu keiner wesentlichen Rechtsfrage (vgl. zur abstrakten Rechtsfrage VwGH 21.6.2019, Ra 2019/02/0119, mwN).
12 Schließlich verweist der Revisionswerber auf das Urteil des EGMR in der Sache „Krumpholz“ (EGMR 18.3.2010, Krumpholz/Österreich, 13201/05).
13 „Krumpholz“ unterscheidet sich vom vorliegenden Fall jedoch grundlegend dadurch, dass sich das Verwaltungsgericht auf Grund der Vernehmung in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und den Zeugen verschaffen konnte und auf dieser Basis die Beweise frei gewürdigt hat (vgl. VwGH 3.4.2019, Ra 2018/02/0312). Auch insofern liegt kein Verfahrensfehler vor.
14 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. Februar 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020028.L00Im RIS seit
23.03.2021Zuletzt aktualisiert am
23.03.2021