Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Wurzer, die Hofrätin Mag. Malesich und den Hofrat Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1) M*****, und 2) H*****, beide vertreten durch Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, wegen Grundbuchseintragungen in EZ ***** KG *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 25. September 2020, AZ 53 R 56/20d, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 15. Juli 2020, TZ 1575/2020, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss lautet:
Urkunde: Kaufvertrag 4. 5. 2020
„Bewilligt wird:
1 in EZ ***** KG *****
in C-LNR 1
1 a Stand 1867 56/1929 1808/1978 2597/1992 555/1993 1342/2020
Dienstbarkeit des Fischens auf GSt 1603 1620 gem
Kaufvertrag 1860-10-13, fol. 70/1867, für
M***** zu 1/2-Anteil
H***** zu 1/2-Anteil
Einverleibung des Vorkaufsrechts am Fischereirecht des M***** gemäß Punkt VI) des Kaufvertrags vom 4. 5. 2020
für H*****
2 in EZ ***** KG *****
in C-LNR 1
1 a Stand 1867 56/1929 1808/1978 2597/1992 555/1993 1342/2020
Dienstbarkeit des Fischens auf GSt 1603 1620 gem
Kaufvertrag 1860-10-13, fol. 70/1867, für
M***** zu 1/2-Anteil
H***** zu 1/2-Anteil
Einverleibung des Vorkaufsrechts am Fischereirecht des H***** gemäß Punkt VI) des Kaufvertrags vom 4. 5. 2020
für M*****
Verständigt werden:
1. Dr. Christian Margreiter, Rechtsanwalt, *****, 6060 Hall in Tirol
2. Bezirkshauptmannschaft *****
3. Entwässerungsgenossenschaft R*****.“
Vollzug und Verständigung obliegen dem Erstgericht.
Text
Begründung:
[1] Auf Grundlage des Kaufvertrags vom 22. 4./4. 5. 2020 wurde im Grundbuch ob zwei Grundstücken (Gewässer) einer Liegenschaft in Tirol das Fischereirecht je zur Hälfte zugunsten der beiden Antragsteller (Käufer) eingetragen. In Punkt VI (Vorkaufsrecht) dieses Kaufvertrags räumten sich die Antragsteller wechselseitig das Vorkaufsrecht am erworbenen Anteil am Fischereirecht ein und erklärten jeweils ihre Einwilligung in die Einverleibung des Vorkaufsrechts.
[2] Unter Vorlage dieses Kaufvertrags begehrten die Antragsteller die Eintragung des wechselseitigen Vorkaufsrechts am jeweiligen anteiligen Fischereirecht.
[3] Das Erstgericht wies das Grundbuchgesuch ab. An der Dienstbarkeit eines Fischereirechts könne kein Vorkaufsrecht einverleibt werden.
[4] Das Rekursgericht teilte diese Rechtsansicht und gab den Rekursen der beiden Antragsteller nicht Folge. Seiner rechtlichen Beurteilung nach kann ein Vorkaufsrecht an einem Fischereirecht zwar vereinbart, nicht jedoch einverleibt werden, weil es sich bei dem Fischereirecht um keine unbewegliche Sache handle. Der Revisionsrekurs wurde zur Klärung dieser Frage zugelassen.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig und berechtigt.
[6] 1.1 Das Fischereirecht kann als Privatrecht (RIS-Justiz RS0010987 [T3]; § 3 Abs 1 Tiroler Fischereigesetz, LGBl 2002/54) Ausfluss des Eigentumsrechts an einem gutseigenen Gewässer (RS0110447), einem Privatgewässer (RS0103910) oder ein selbständiges dingliches Recht an einem fremden Gewässer gleich einer Dienstbarkeit sein (RS0011675; 1 Ob 119/14b; 1 Ob 221/14b; § 3 Abs 2 Satz 2 Tiroler Fischereigesetz). Ist es in letzterem Fall mit dem Eigentum an einer Liegenschaft verbunden, so ist es eine Grunddienstbarkeit (RS0010970; 1 Ob 119/14b) ansonsten eine frei veräußerliche und vererbbare unregelmäßige persönliche Dienstbarkeit (RS0011000; 1 Ob 119/14b mwN).
[7] 1.2 Im konkreten Fall wurde das Fischereirecht unabhängig vom Eigentum an einer herrschenden Liegenschaft zu Gunsten der beiden Antragsteller im Grundbuch eingetragen. Mit dieser Eintragung haben die Antragsteller die unregelmäßige persönliche Dienstbarkeit des Fischereirechts erworben (RS0011672; RS0016514 [T2]; § 3 Abs 3 Tiroler Fischereigesetz).
[8] 2.1 Das Vorkaufsrecht ist ein Gestaltungsrecht zum bevorzugten Erwerb einer Sache für den Fall, dass der Vorkaufsverpflichtete diese verkaufen will (5 Ob 223/19h; Apathy/Perner in KBB6 § 1072 ABGB Rz 1). Ein Vorkaufsrecht kann nicht nur anlässlich eines Kaufvertrags zwischen Verkäufer und Käufer, sondern auch in einer Sondervereinbarung – wie hier zwischen den beiden Antragstellern anlässlich des Kaufs des Fischereirechts vom bisherigen Berechtigten – vereinbart werden (RS0020438; Apathy/Perner in KBB6 § 1072 ABGB Rz 1 mwN). Das Vorkaufsrecht kann jede Sache iSd § 285 ABGB, somit auch Rechte zum Gegenstand haben (Mader in Klang3 § 1072 ABGB Rz 5 mwN; Apathy/Perner in KBB6 § 1072 ABGB Rz 2 mwN).
[9] 2.2 Die Vereinbarung des wechselseitigen Vorkaufsrechts in Punkt VI des Kaufvertrags war somit im Sinn von Lehre und Rechtsprechung zulässig. Zu klären bleibt, ob das Vorkaufsrecht im Grundbuch einverleibt werden kann.
[10] 3.1 Nach § 9 GBG können nur dingliche Rechte und Lasten, das Wiederkaufs- und das Vorkaufsrecht sowie das Bestandrecht im Grundbuch eingetragen werden.
[11] 3.2 Das Vorkaufsrecht ist in der Regel ein persönliches Recht. In Rücksicht auf unbewegliche Güter kann es durch Eintragung in die öffentlichen Bücher in ein dingliches verwandelt werden (§ 1073 ABGB).
[12] 3.3 Entgegen dem Wortlaut des zweiten Satzes in § 1073 ABGB wird das Vorkaufsrecht durch die Eintragung ins Grundbuch nicht zu einem dinglichen Recht, es wirkt aber gegenüber Dritten wie ein solches (Apathy/Perner in KBB6 § 1073 Rz 2, § 1079 Rz 3 mwN; Mader in Klang3 § 1073 ABGB Rz 1 und 4). So bildet ein auf einer Liegenschaft einverleibtes Vorkaufsrecht ein Eintragungshindernis: Das Grundbuchgericht darf die Einverleibung des Eigentumsrechts nur bewilligen, wenn a) kein Vorkaufsfall vorliegt, oder b) der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder c) der urkundliche Nachweis erbracht wird, dass die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zum Kauf angeboten wurde und er von seinem Recht nicht Gebrauch machte (5 Ob 28/19g mwN; RS0021839 [T5]).
[13] 4.1 Das Rekursgericht leitet aus § 1073 Satz 2 ABGB ab, dass Vorkaufsrechte nur an „unbeweglichen Gütern“ einverleibt werden dürfen. Die genannte Bestimmung regelt aber vorrangig (iZm § 1079 Satz 2 ABGB) die dingliche Wirkung eines Vorkaufsrechts durch die Eintragung in das Grundbuch („in die öffentlichen Bücher“). Im hier interessierenden Kontext stellt das Gesetz lediglich klar, dass nur eine Eintragung im Grundbuch einem Vorkaufsrecht eine dingliche Wirkung verschafft und deshalb eine Beziehung zu einer Liegenschaft als unbewegliche Sache bestehen muss, weil nur für solche Liegenschaften und die daran erworbenen Rechte das Grundbuch besteht. § 9 GBG selbst schließt nach seinem Wortlaut eine Eintragung der dort aufgezählten Rechte zu Lasten anderer eingetragener Rechte als dem Eigentumsrecht selbst nicht aus. Definiert werden nur jene Rechte, die Gegenstand der Einverleibung oder Vormerkung sein können.
[14] 4.2 Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Einverleibung von Pfandrechten an einem Fruchtgenussrecht (5 Ob 1/07v) oder an sonstigen Dienstbarkeiten und Reallasten, die nicht untrennbar einer bestimmten Liegenschaft zukommen oder ausschließlich dem persönlichen Bedarf des Berechtigten dienen (wie das Wohnungsgebrauchsrecht nach § 521 Satz 1 ABGB), zulässig (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 13 GBG Rz 30 mwN). Wenn demnach ein Pfandrecht an einem Fischereirecht als unregelmäßige persönliche Dienstbarkeit einverleibt werden kann, ist mangels sachlicher Rechtfertigung für eine Differenzierung auch ein Vorkaufsrecht iSd § 9 GBG eintragungsfähig.
[15] 5. Ergebnis: An einem Fischereirecht, das als unregelmäßige persönliche Dienstbarkeit intabuliert ist, kann ein Vorkaufsrecht im Grundbuch eingetragen werden.
Textnummer
E130529European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00211.20W.1210.000Im RIS seit
03.03.2021Zuletzt aktualisiert am
14.07.2021