Kopf
Das Landesgericht Feldkirch als Rekursgericht hat durch die Richterin Dr. Mayrhofer als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Schurig und die Richterin Dr. Vetter als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der Antragstellerin D***** P*****, *****, wegen Bewilligung der Verfahrenshilfe, über den Rekurs des *****, Rechtsanwalt, *****, als bestellter Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 24. August 2020, 10 Nc 203/20p-2, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Rekurs, dessen Kosten der Rekurswerber selbst zu tragen hat, wird zurückgewiesen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
BEGRÜNDUNG:
Text
Die Antragstellerin begehrte mit der am 17.8.2020 beim Erstgericht eingebrachten Eingabe die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts. Im Vermögensbekenntnis führte sie dazu aus, dass sie ein streitiges Scheidungsverfahren gegen ihren Ehegatten anstrengen wolle. Sie habe gegen ihren gewaltbereiten Ehegatten bereits eine Wegweisung erwirkt. Sie kenne sich mit den Gesetzen nicht gut aus, sei überfordert mit dieser Situation und bitte daher auch um Beigebung eines Rechtsbeistandes.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht der Antragstellerin die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit c und f sowie Z 3 ZPO (Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer, Barauslagen sowie Vertretung durch einen Rechtsanwalt) für die Erhebung einer Scheidungsklage und ein allenfalls daran anschließendes einvernehmliches Scheidungsverfahren bewilligt (Spruchpunkt 1.), hingegen das Mehrbegehren auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a, b, d und e sowie Z 2 ZPO (Gerichtsgebühren, Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichts, der notwendigen Verlautbarungen und eines Kurators sowie Sicherheitsleistung für Prozesskosten) abgewiesen (Spruchpunkt 2.).
In seiner Begründung führte das Erstgericht aus, angesichts der Vermögens- und Einkommenssituation der Antragstellerin würden die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nach § 63 Abs 1 ZPO teilweise vorliegen. In Anbetracht der Ersparnisse der Antragstellerin in Höhe von EUR 13.000,00 sei ihr aber jedenfalls die Entrichtung der Pauschalgebühr für eine Scheidungsklage zumutbar. Die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts sei im vorliegenden Fall angezeigt, da aufgrund des bestehenden Konflikts zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehegatten der vorliegende Rechtsfall Schwierigkeiten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erwarten lasse. In Anbetracht des Umstandes, dass bereits zum jetzigen Zeitpunkt gerichtsbekannterweise zwei Verfahren zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehegatten behingen (Verfahren über eine einstweilige Verfügung und Verfahren betreffend das Kontaktrecht des Vaters), liege es nahe, dass das Verfahren einen Lauf nehme, der sich der Übersicht und Einsicht der Parteien entziehe. Im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit b, d und e sowie Z 2 ZPO sei die beantragte Bewilligung der Verfahrenshilfe abzuweisen, da diese Leistungen in Anbetracht der beabsichtigten Klagsführung zur Rechtsverfolgung nicht notwendig erscheinen würden.
Mit Bescheid des Ausschusses der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 17.9.2020 wurde Rechtsanwalt ***** gemäß § 45 RAO zum Verfahrenshelfer bestellt.
Gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Beschlusses richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Verfahrenshelfers aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem Abänderungsantrag dahin, dass der Verfahrenshilfeantrag zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Begründend wird vom Rekurswerber zusammengefasst ausgeführt, in Anbetracht der Ersparnisse der Antragstellerin in Höhe von EUR 13.000,00 – deren Verwertung ihr zumutbar sei – würden die finanziellen Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vorliegen. Auch die Voraussetzungen für die Beigebung eines Rechtsanwalts gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ZPO würden nicht vorliegen. In Prozessen ohne absolute Anwaltspflicht solle schon aufgrund der möglichst weitgehenden Einschränkung der Belastung des Anwaltsstandes durch die Verfahrenshilfevertretungen die Beigabe eines Anwalts nur als Ausnahme verfügt werden. Allein der Umstand, dass ein Konflikt zwischen der Antragstellerin und ihrem Ehegatten bestehe sowie zwei Verfahren zwischen ihnen behängen, reiche für die notwendige Komplexität des Falles, der eine Beigebung eines Rechtsbeistandes rechtfertige, nicht aus. Bei einem Scheidungsverfahren sei grundsätzlich ein Konflikt zwischen den Scheidungsparteien vorhanden. Wenn minderjährige Kinder im Spiel seien, ziehe dies auch meist ein Kontaktrechtsverfahren nach sich. Eine Besonderheit stelle der gegenständliche Fall nicht dar. Die richterliche Anleitung würde daher zur Einbringung der Scheidungsklage und zur Verfahrensführung wohl ausreichen.
Die Antragstellerin und die Revisorin haben sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Der Rekurs ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 72 Abs 2 ZPO steht gegen die nach diesem Titel ergehenden Beschlüsse dem Gegner sowie dem Revisor ein Rekurs zu. Das Recht, einen Antrag nach § 68 Abs 1 oder 2 zu stellen, bleibt ihnen vorbehalten.
Nach hA steht dem bestellten Verfahrenshilfeanwalt gegen den Beschluss auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kein Rekursrecht zu (Klauser/Kodek JN-ZPO18 § 72 E 13, 2 R 150/16z, 4 R 204/11y beide OLG Innsbruck, 1 R 125/16i LG Feldkirch, LGZ Wien EFSlg 76.043). Dies wird überwiegend damit begründet, dass § 72 Abs 2 ZPO dem Gegner sowie dem Revisor gegen in Verfahrenshilfeangelegenheiten ergehende Beschlüsse das Rekursrecht einräumt, während der Verfahrenshilfeanwalt in dieser Bestimmung nicht genannt wird. Dieser habe die Möglichkeit, einen Antrag nach § 68 Abs 1 oder 2 ZPO (Erlöschen und Entziehung der Verfahrenshilfe) zu stellen und einen darüber abschlägig entscheidenden Beschluss mit Rekurs zu bekämpfen.
Der Rekurswerber verweist zur Begründung seiner Rechtsmittellegitimation auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 20.2.2020 zu 3 R 4/20t, mit welcher von dieser herrschenden Ansicht und bisher ständigen Rechtsprechung abgewichen wird.
Das Oberlandesgericht Innsbruck führt in dieser Entscheidung aus, die Argumentation der bisherigen hL und Rechtsprechung sei nicht überzeugend und stellt dabei folgende Überlegungen an:
So werde auch dem auf Seiten des Prozessgegners dem Verfahren beigetretenen Nebenintervenienten ein eigenes Rekursrecht zugebilligt, was mit einer Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten in Verfahrenshilfeangelegenheiten und einem wirksamen Schutz gegen Missbrauch dieses Instituts begründet werde. Durch den Beschluss auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in Verbindung mit dem Bescheid zur Bestellung eines Verfahrenshelfers werde dieser in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt berechtigt und verpflichtet, für die Verfahrenshilfe genießende Partei einzuschreiten, ohne dass er im Regelfall hierfür ein Honorar bzw unmittelbar eine Entschädigung erhalte. Selbst wenn man diesen wirtschaftlichen Aspekt außer Betracht lasse, werde durch die Bestellung zum Verfahrenshelfer wegen der damit verbundenen Rechte und Pflichten, mit denen zB auch der Aspekt der Haftungsproblematik verbunden sei, die Rechtsstellung desselben berührt. Schon deshalb sei ihm ein eigenes Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung des Verfahrenshilfebeschlusses zuzubilligen. Vergleichbares treffe weder für den Gegner und den Nebenintervenienten auf seiner Seite noch für den Revisor zu. Diese seien durch den Verfahrenshilfebeschluss nicht unmittelbar in ihrer Rechtssphäre, sondern allenfalls nur mittelbar oder gar nur in wirtschaftlicher Hinsicht betroffen, weshalb es ihnen an der an sich für ein Rechtsmittel erforderlichen formellen bzw materiellen Beschwer mangle. Aus diesem Grund sei es naheliegend, dass § 72 Abs 2 ZPO den Gegner und den Revisor ausdrücklich nennt, indem er auch ihnen ein Rekursrecht zubillige. Der Gesetzestext und die erkennbare Absicht des Gesetzgebers würden damit die Rekurslegitimation des Verfahrenshilfeanwaltes aber nicht ausschließen.
Auch die Überlegung, durch eine Ausweitung der Rekurslegitimation die Kontrollmöglichkeiten zu erweitern und Missbrauchsfälle möglichst zu vermeiden, spreche gerade nicht gegen die Rekurslegitimation des Verfahrenshelfers, sondern für diese. Wenn einerseits durch die entsprechende Bestimmung Kontrollmöglichkeiten erweitert und Missbrauch eingedämmt werden sollen, sei es nicht erklärbar, warum dadurch andererseits die Rechtsmittellegitimation eines am Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe Beteiligten (der häufig jedenfalls nicht weniger Einsicht in die wirtschaftlichen Verhältnisse der betreffenden Partei haben wird als die übrigen Beteiligten) ausgeschlossen werden sollte. Warum sollte also dem Verfahrenshilfeanwalt die Anfechtung des Beschlusses über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Wahrung dieser allgemeinen Interessen nicht möglich sein, während man sogar dem Nebenintervenienten des Gegners, der in § 72 Abs 2 ZPO ebenfalls nicht genannt werde, das Recht auf Erhebung eines Rekurses zugestehe.
Das Rekursrecht des Verfahrenshilfeanwaltes könne aber auch nicht mit dem Hinweis auf dessen Möglichkeit, einen Antrag auf Erlöschen oder Entziehung der Verfahrenshilfe nach § 68 Abs 1 und 2 ZPO zu stellen, verneint werden. Mit dem Antrag auf Erlöschen der Verfahrenshilfe würde nur eine Reaktionsmöglichkeit auf geänderte Verhältnisse normiert und könne dies das Rechtsschutzinteresse des Verfahrenshelfers nicht zur Gänze abdecken. Auch der Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe sei nur dann möglich, wenn sich herausstelle, dass die seinerzeit angenommenen Voraussetzungen nicht gegeben gewesen seien. Davon ausgehend sei etwa die Verfahrenshilfe nicht zu entziehen, wenn sie rechtsirrtümlich bewilligt wurde. Dies bedeute, dass der Verfahrenshilfeanwalt keinen Antrag auf Entziehung der Verfahrenshilfe stellen könne, wenn diese – ausgehend von einer richtigen Tatsachengrundlage – aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung bewilligt wurde.
Die herrschende Ansicht räume dem Verfahrenshilfeanwalt ein Rekursrecht ein, wenn sein Antrag auf Erlöschen oder Entziehung der Verfahrenshilfe nicht erfolgreich sei, obwohl auch dies einen Beschluss nach dem entsprechenden Titel der ZPO betreffe und somit § 72 Abs 2 ZPO zum Tragen komme, in dem der Verfahrenshilfeanwalt (und im Übrigen auch der Verfahrenshilfewerber) nicht genannt wird (werden), was inkonsequent erscheine.
Auch die herrschende Judikatur zu § 61 Abs 2 StPO und § 45 RAO nehme eine Beschwerdelegitimation des im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Verteidigers gegen den entsprechenden Bestellungsbeschluss an, zumal dessen Rechte bzw Pflichten aber auch sein Honoraranspruch davon betroffen und damit seine Beschwer gegeben sei.
Zusammengefasst kommt das Oberlandesgericht Innsbruck in seiner Entscheidung zur Auffassung, es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er mit der Formulierung des § 72 Abs 2 ZPO dem Verfahrenshelfer eine Rekursmöglichkeit nehmen wollte. Dies würde ein unerträgliches Rechtsschutzdefizit bedeuten.
Diese Rechtsansicht wird vom hier erkennenden Rekursgericht nicht geteilt.
Wenn das Oberlandesgericht Innsbruck argumentiert, es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er mit der Formulierung des § 72 Abs 2 ZPO dem Verfahrenshelfer die Rekursmöglichkeiten nehmen wollte, so ist andererseits zu hinterfragen, warum der Gesetzgeber, wenn er dem bestellten Verfahrenshelfer eine Rechtsmittellegitimation einräumen wollte, dies nicht ausdrücklich im Gesetzestext festgehalten hat. Das Oberlandesgericht Innsbruck unterstellt dem Gesetzgeber im Ergebnis eine planwidrige Unvollständigkeit, also eine nicht gewollte Gesetzeslücke. Wenn man sich aber die Erläuternden Bemerkungen zu dem mit BGBl I Nr 128/2004 geänderten § 72 ansieht, so ist diese Annahme nicht zu rechtfertigen. Dort wird ua ausgeführt:
„Dem Grundsatz folgend, dem Revisor ein Überprüfungsrecht für Entscheidungen einzuräumen, die eine Kostenbelastung des Bundes herbeiführen, um dadurch die Interessen und das rechtliche Gehör des Bundes zu wahren, wird in § 72 ein Rekursrecht des Revisors gegen alle nach diesem Titel ergehenden Beschlüsse eingeführt. […]
Das Rekursrecht des Revisors ist – anders als noch im Begutachtungsentwurf – nicht auf bestimmte Themenbereiche beschränkt. Die Sinnhaftigkeit und Praktikabilität einer solchen Einschränkung wurde im Begutachtungsverfahren bezweifelt. Um Abgrenzungsprobleme zu vermeiden, soll dem Revisor daher ein volles Rekursrecht zu kommen. […]
Bezüglich der Beteiligung des Gegners des Verfahrenshilfewerbers im Rekursverfahren ist die Bestimmung des § 65 Abs 2 zu beachten, wonach der Beschluss über den Antrag dem Gegner frühestens mit der Klage zugestellt werden darf. In ein allfälliges Rekursverfahren vor Zustellung der Klage ist der Gegner somit nicht einzubeziehen. Anderes gilt für den Revisor. Dieser ist nicht „Gegner“ des Verfahrenshilfewerbers (es ist ihm auch die Klage nicht zuzustellen). Ihm ist daher die Entscheidung über die Verfahrenshilfe sogleich zuzustellen.
Umgekehrt hat der Verfahrenshilfeanwalt gemäß § 68 Abs 1 und 2 das Recht, einen Antrag auf Erlöschen oder Entziehen der Verfahrenshilfe zu stellen. Dementsprechend kommt ihm – bei Abweisung seines Antrages – das Rekursrecht und – im Fall eines Rekurses der Verfahrenshilfe genießenden Partei gegen den stattgebenden Beschluss – das Recht auf Einbringung einer Rekursbeantwortung zu.“
Der Gesetzgeber hat also in den Erläuternden Bemerkungen ausdrücklich auf den bestellten Verfahrenshilfeanwalt Bezug genommen (ihn also nicht übersehen) und betont, dass „umgekehrt“ diesem die Rechte gemäß § 68 ZPO zustehen. Mit dem Wort „umgekehrt“ bringt nach Ansicht des Rekursgerichts der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass dem Verfahrenshilfeanwalt „im Gegensatz“ zu den in § 72 Abs 2 ZPO Genannten ausschließlich die Rechte nach § 68 ZPO und nicht zusätzlich dazu ein Rekursrecht zukommt. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, dem bestellten Verfahrenshilfeanwalt – gleich dem Revisor und dem Gegner – auch ein Rekursrecht bereits gegen den die Verfahrenshilfe bewilligenden Beschluss zuzugestehen, hätte er in den erläuternden Gesetzesmaterialien eine andere Formulierung gewählt und dies im Gesetzestext ausdrücklich normiert, so wie er es auch in § 68 Abs 1 und 2 ZPO explizit angeführt hat.
Das Argument des Oberlandesgerichts Innsbruck, dass sogar dem auf Seiten des Gegners beigetretenen Nebenintervenienten, der ebensowenig in § 72 Abs 2 ZPO genannt sei, ein Rekursrecht zugebilligt wird, überzeugt nach Ansicht des Rekursgerichts nicht. Dem Nebenintervenienten kommen nach § 19 ZPO grundsätzlich dieselben Rechte wie der Partei zu, auf deren Seite er dem Verfahren beigetreten ist. Es ist daher nur logisch, dass auch dem auf Seiten des Gegners beigetretenen Nebenintervenienten das Rekursrecht gegen den Verfahrenshilfe bewilligenden Beschluss eingeräumt wird.
Es scheint auch nur auf den ersten Blick inkonsequent, dass dem Verfahrenshilfeanwalt ein Rekursrecht eingeräumt wird, wenn sein Antrag auf Erlöschen oder Entziehung der Verfahrenshilfe gemäß § 68 ZPO nicht erfolgreich ist, obwohl auch dies – wie das Oberlandesgericht Innsbruck zu Recht ausführt – einen Beschluss nach dem entsprechenden Titel der ZPO betrifft, somit § 72 Abs 2 ZPO zum Tragen kommt (in dem der Verfahrenshilfeanwalt nicht genannt wird). In Fällen, in denen dem Verfahrenshelfer ein eigenes Antragsrecht zusteht, ist ihm nämlich „konsequenterweise“ (siehe M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1 § 72 ZPO Rz 6) schon aufgrund seiner formellen Beschwer ein Rekursrecht zuzugestehen. Dies gilt etwa auch für Fälle, in welchen über Antrag des Verfahrenshelfers gemäß § 71 ZPO über die nachträgliche Auferlegung der Kosten entschieden wurde (etwa LG Leoben 2 R 309/07a).
Wenn das Oberlandesgericht Innsbruck argumentiert, auch die Überlegung, durch eine Ausweitung der Rekurslegitimation die Kontrollmöglichkeiten zu erweitern und Missbrauchsfälle möglichst zu vermeiden, spreche gerade nicht gegen die Rekurslegitimation des Verfahrenshelfers, sondern für diese, so sind aber auch folgende Überlegungen angebracht: Gegen die aufgrund Nichtvorliegens der finanziellen Voraussetzungen ungerechtfertigte Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde das Rekursrecht des Revisors eingeführt, der die Interessen des Bundesschatzes zu wahren hat. Gegen die aufgrund vorliegender Mutwilligkeit oder Aussichtslosigkeit ungerechtfertigte Bewilligung der Verfahrenshilfe wird vor allem der Gegner des Verfahrensbeholfenen sein Rekursrecht wahren. Würde man dem bestellten Verfahrenshelfer ein Rekursrecht einräumen und würde er im Rahmen dieses Rechts die Themenbereiche Mutwilligkeit und Aussichtslosigkeit aufgreifen, so wäre im Falle der Erfolglosigkeit seines Rekurses seine weitere Tätigkeit in dieser causa wenig zielführend. Die Einschränkung des Rekursrechtes des Verfahrenshelfers auf bestimmte Themenkreise ist aber – liest man die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage – aus Praktikabilitätsgründen sicher nicht im Sinne des Gesetzgebers. Generell ist ein Rekursrecht des Verfahrenshelfers gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe für ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen dem Verfahrensbeholfenen und dem Verfahrenshelfer nicht zuträglich. Dies hat sich auch im gegenständlichen Verfahren gezeigt, in welchem die Verfahrensbeholfene sich empört darüber zeigte, dass die Bewilligung der Verfahrenshilfe vom Verfahrenshelfer mit Rekurs angefochten wurde und erklärte, dass sie eine weitere Zusammenarbeit mit dem Verfahrenshelfer nicht mehr wünsche. Dies führte wiederum dazu, dass der Verfahrenshelfer nunmehr beim Erstgericht auch einen Antrag einbrachte, die bewilligte Verfahrenshilfe mangels notwendiger und zumutbarer Mitarbeit wegen mutwilliger Rechtsverfolgung für erloschen zu erklären. Ein Rekursrecht des bestellten Verfahrenshelfers würde somit zahlreiche Umbestellungen nach sich ziehen. Dies würde zwar primär ein Problem für die Rechtsanwaltskammern darstellen, würde aber auch zu Verfahrensverzögerungen führen und kann daher nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Wenn Dr. Hubertus Schumacher in seiner zustimmenden Glosse (AnwBl 2020/140) die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck als für die anwaltliche Praxis begrüßenswert erachtet, sollte diese Kehrseite der Medaille nicht übersehen werden.
Das Rekursgericht vertritt aber vor allem nicht die Rechtsauffassung, dass der bestellte Verfahrenshelfer durch den Beschluss auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in seiner Rechtssphäre unmittelbar beeinflusst wird. Natürlich wird der Rechtsanwalt damit berechtigt und verpflichtet, für die Verfahrenshilfe genießende Partei einzuschreiten, ohne dass er im Regelfall dafür ein Honorar oder eine Entschädigung erhält. Dies ist jedoch ein rein wirtschaftlicher Aspekt. Richtig mag auch sein, dass mit seiner Tätigkeit als Verfahrenshelfer Aspekte der Haftungsproblematik verbunden sind. Dabei handelt es sich nach Ansicht des Rekursgerichts aber um Reflexwirkungen und nicht um unmittelbare Beeinträchtigungen der Rechtssphäre des Rechtsanwaltes. Reflexwirkungen allein reichen aber nicht aus, eine materielle Parteistellung zu begründen (RS0123028).
Wenn das Oberlandesgericht Innsbruck noch den Vergleich zur herrschenden Judikatur zu § 61 Abs 2 StPO bemüht, die eine Beschwerdelegitimation des im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Verteidigers gegen die entsprechenden Bewilligungsbeschlüsse annimmt, so ist auf Folgendes hinzuweisen: § 87 Abs 1 StPO umschreibt ausdrücklich den Kreis der zur Beschwerde gegen gerichtliche Beschlüsse (neben der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Privatbeteiligten) grundsätzlich Legitimierten mit „jeder anderen Person, der durch den Beschluss unmittelbar Rechte verweigert werden oder Pflichten entstehen oder die von einem Zwangsmittel betroffen ist“. Hinsichtlich eines Beschlusses auf Beigebung eines Verteidigers nach § 61 Abs 2 StPO bedeutet dies, dass dem aufgrund eines solchen von der Rechtsanwaltskammer bestellten Verteidiger eine Beschwerdelegitimation zukommt, weil die mit der Verfahrenshilfeverteidigung verbundenen Pflichten aus dem gerichtlichen Beigebungsbeschluss resultieren (RS0125078, 26 Os 7/15x). Eine Bestimmung, die jener des § 87 Abs 1 StPO vergleichbar wäre, findet sich jedoch in der ZPO nicht.
Nach Ansicht des Rekursgerichts lässt sich die Rechtsstellung des bestellten Verfahrenshelfers – seine Rekurslegitimation betreffend – demgegenüber durchaus vergleichen mit der Rechtsstellung eines bestellten einstweiligen Erwachsenenvertreters. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kommt dem einstweiligen Erwachsenenvertreter im Erwachsenenschutzverfahren nur in Bezug auf seine eigenen Rechte Parteistellung und damit eine Rekurslegitimation zu. Er kann seine Bestellung als Erwachsenenvertreter nur insoweit anfechten, als in seine eigene Rechtssphäre eingegriffen wird. Einen solchen Eingriff in die eigene Rechtssphäre des einstweiligen Erwachsenenvertreters (bzw einstweiligen Sachwalters) sah der Oberste Gerichtshof etwa bei der Erweiterung von dessen Aufgabenbereich als gegeben (6 Ob 55/99b). In weiteren Entscheidungen führte der Oberste Gerichtshof aus, der einstweilige Sachwalter könne sich nur gegen die Heranziehung seiner Person als Sachwalter oder gegen eine sonstige Belastung seiner Rechtsstellung durch den Bestellungsbeschluss zur Wehr setzen. So könne er etwa geltend machen, dass nicht er zum Sachwalter zu bestellen gewesen wäre, oder dass der Umfang der ihm eingeräumten Rechte und Pflichten zu wenig deutlich beschrieben worden sei. Nicht könne er hingegen geltend machen, dass kein Grund zur Bestellung eines Sachwalters bestünde, weil die Frage, ob es der Bestellung eines Sachwalters bedarf, nicht von ihm zu beurteilen sei (7 Ob 213/01a, 10 Ob 17/03b, RS0008563).
Nichts anderes kann nach Ansicht des Rekursgerichts auch für den bestellten Verfahrenshilfeanwalt gelten. Möchte sich der bestellte Verfahrenshelfer gegen die Bestellung seiner Person zur Wehr setzen (etwa wegen einer Interessenkollision), so kann er den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer bekämpfen, mit welchem er zum Verfahrenshelfer bestellt wurde bzw eine Umbestellung anregen. Sollte in konkreten Fällen durch einen Verfahrenshilfebewilligungsbeschluss seine Rechtssphäre unmittelbar beeinträchtigt werden, so wäre eine Rekurslegitimation im Einzelfall durchaus überlegenswert. Desselben Arguments bedient sich auch Markus Lechner in seiner Glosse zur Entscheidung des Landesgerichts Feldkirch vom 10.5.2016 zu 1 R 125/16i (Markus Lechner, AnwBl 2016/8460). In dieser Entscheidung wurde die Rekurslegitimation des bestellten Verfahrenshelfers verneint. In seiner Glosse hat er – als damaliger Rekurswerber – es als konsequent und standespolitisch wünschenswert angesehen, dem Verfahrenshelfer gegen Verfahrenshilfe bewilligende Beschlüsse dann ein Rekursrecht einzuräumen, wenn Rechte oder die Rechtsstellung des Verfahrenshelfers durch den Bewilligungsbeschluss betroffen sind. Seine Rechtssphäre als bestellter Verfahrenshelfers sah er im konkreten Fall insofern betroffen, als dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen war, für welchen „bestimmten Rechtsstreit“ er bestellt wurde. Auch er sah daher nicht generell durch einen Verfahrenshilfe bewilligenden Beschluss die Rechtssphäre des bestellten Verfahrenshelfers betroffen.
Eine generelle Rekurslegitimation des bestellten Verfahrenshelfers gegen die Verfahrenshilfe bewilligende Beschlüsse ist nach Ansicht des Rekursgerichts abzulehnen. Eine im vorliegenden Fall konkrete Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Verfahrenshelfers liegt aber nicht vor.
Der Rekurs ist daher mangels Rekurslegitimation des Rekurswerbers zurückzuweisen, ohne dass auf die Argumentation im Rekurs näher einzugehen ist.
Ein Kostenersatz im Rekursverfahren findet gemäß § 72 Abs 3 letzter Satz ZPO generell nicht statt.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 PO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
Textnummer
EFE0100043European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00929:2021:00200R00283.20P.0107.000Im RIS seit
02.03.2021Zuletzt aktualisiert am
02.03.2021