TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/21 95/19/1794

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Veröffentlicht am 21.05.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §56;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. November 1995, Zl. 304.069/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminsterium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. November 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die Beschwerdeführerin befinde sich seit 18. Februar 1994 in Österreich und habe nur zum Zwecke der Antragstellung kurzfristig das Bundesgebiet verlassen. Dadurch sei das gesetzliche Erfordernis des § 6 Abs. 2 AufG nicht erfüllt.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat im vorliegenden Antrag vom 17. Juli 1995 auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz als ihren Geburtsort einen solchen in Bosnien genannt. Sie hat eine Ablichtung ihres kroatischen Reisepasses vorgelegt, aus dem sich ein Wohnort in Bosnien und Herzegowina ergibt.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist auch zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag vom 2. März 1994 auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz als ihre Staatsangehörigkeit "Bosnien und Herzegowina" sowie "Kroatien" angegeben hat. Desgleich ergibt sich aus den jeweils vorgelegten Urkunden, insbesondere der Ablichtung der Heiratsurkunde, die Herkunft der Beschwerdeführerin aus Bosnien und Herzegowina.

Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin sich nur zum Zwecke der vorliegenden Antragstellung in das Ausland begeben hat, wobei sie jedoch ihren Aufenthalt (im Sinne des § 1 Abs. 1 AufG) im Inland beibehalten hat.

Für die Beurteilung der Frage, ob der Erfolg eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung die Antragstellung vom Ausland aus vorausssetzt, ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde, nicht aber jene im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010, mwN). Die belangte Behörde hatte daher im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (4. Dezember 1995) § 6 Abs. 2 AufG idF der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.

§ 6 Abs. 2 AufG in dieser Fassung lautet auszugsweise:

"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertretung die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; weiters in den Fällen ..., des § 12 Abs. 4 ... ".

Nach § 12 Abs. 1 AufG kann die Budesregierung für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger, die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren. Der Abs. 4 des § 12 hat folgenden Wortlaut:

"(4) Wird infolge der längeren Dauer der in Abs. 1 genannten Umstände eine dauernde Integration erforderlich, kann in der Verordnung festgelegt werden, daß für bestimmte Gruppen der Aufenthaltsberechtigten abweichend von § 6 Abs. 2 eine Antragstellung im Inland zulässig ist."

Die belangte Behörde hatte weiters die Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 389/1995 (Bundesgesetzblatt ausgegeben am 9. Juni 1995), anzuwenden. Deren § 2 räumt Personen, die zum 1. Jänner 1995 gemäß der Verordnung der Bundesregierung, BGBl. Nr. 1038/1994, ein Aufenthaltsrecht hatten, die Möglichkeit ein, den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 AufG ausnahmsweise im Inland zu stellen.

Die Beschwerdeführerin bringt vor dem Gerichtshof vor, ihr komme als kriegsvertriebene Angehörige Bosnien-Herzegowinas ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Sinne der erwähnten Bestimmungen zu. Die belangte Behörde hat hiezu keine Feststellungen getroffen, obwohl hiefür Anhaltspunkte vorgelegen wären. Sie hat im vorliegenden Verfahren erstmals von dem Versagungsgrund des § 6 Abs. 2 AufG Gebrauch gemacht. (Die Behörde erster Instanz hatte ihre Entscheidung auf § 5 Abs. 1 AufG gestützt.) Da der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren hiezu kein Gehör eingeräumt worden war, war sie jedenfalls nicht gehindert, nunmehr ausdrücklich das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für ein vorläufiges Aufenthaltsrecht und damit auch für die Zulässigkeit der ausnahmsweisen Antragstellung aus dem Inland zu behaupten. Abgesehen davon wäre die belangte Behörde auch von sich aus im Hinblick auf die im Beschwerdefall gegebenen Anhaltspunkte verpflichtet gewesen, entsprechende Erhebungen durchzuführen und zur Frage Stellung zu nehmen, ob die Beschwerdeführerin aufgrund ihres vorläufigen Aufenthaltsrechtes im Sinne der zitierten Bestimmungen ausnahmsweise aus dem Inland den Antrag auf Aufenthaltsbewilligung stellen konnte. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft (vgl. dazu näher die Bestimmungen über die doppelte Staatsbürgerschaft im Amtsblatt der Republik Bosnien-Herzegowina, Jahrgang I, Nr. 18, vom 7. Oktober 1992) sowie § 1 Abs. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 389/1995, nach der ein vorläufiges Aufenthaltsrecht auch näher umschriebenen Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit zustehen kann, ist der Umstand, daß die Beschwerdeführerin (nunmehr) über einen kroatischen Paß verfügt, rechtlich nicht allein ausschlaggebend.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, und zwar weil der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. An Stempelgebühren für die Beilagen konnten jedoch nur S 30,-- für die Ablichtung des angefochtenen Bescheides zuerkannt werden.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191794.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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