TE OGH 2021/1/27 9Ob8/20x

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Veröffentlicht am 27.01.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G*****, 2. K***** Verein *****, beide vertreten durch MM Metzler & Musel Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. S*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz RechtsanwältInnen GmbH in Wien, 2. K*****, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 14.243,02 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. November 2019, GZ 14 R 207/19p-44, mit dem der Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 19. Juni 2019, GZ 11 C 958/17v-37, Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erstklagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 526,14 EUR (darin enthalten 87,69 EUR USt) und der zweitbeklagten Partei die mit 526,14 EUR (darin enthalten 87,69 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die zweitklagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 593,30 EUR (darin enthalten 98,88 EUR USt) und der zweitbeklagten Partei die mit 593,30 EUR (darin enthalten 98,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Der Erstkläger betreibt an der Adresse L*****, ein Lokal. Der Zweitkläger ist Eigentümer des Gebäudes und Verpächter des Lokals.

[2]       Am 29. 10. 2016 veranstalteten die Beklagten eine Versammlung (Demonstration), an der mindestens 1.800 bis 3.000 Menschen teilnahmen. Die Versammlung war am 22. bzw 23. 9. 2016 von den Beklagten angemeldet worden. Bei der polizeilichen Vorbesprechung wurde die Demonstrationsroute festgelegt und den Anmeldern aufgetragen, 10 bis 15 Ordner bereitzustellen. Die Beklagten entschlossen sich zur Absicherung 31 Ordner beizustellen.

[3]       Als Versammlungsleiter wurden N*****, die Landesvorsitzende der Erstbeklagten, und R*****, der Bundesvorsitzende der Zweitbeklagten, namhaft gemacht.

[4]       Am 5. 10. 2016 gab es eine OrdnerInnen-Vorbesprechung. Dort bereitete man sich gemeinsam mit den OrdnerInnen auf die Route, den Ablauf, den Umgang mit Komplikationen, die Kommunikationsabläufe mit dem Versammlungsleiter und Exekutive vor. Diese Vorbesprechung erfolgte unter der Leitung eines Mitglieds der Bundespolizei, unter Teilnahme von weiteren Exekutivorganen. Dabei wurde seitens der Behörde auch auf das Vermummungsverbot hingewiesen und die Verpflichtung der Versammlungsleiter, dafür zu sorgen, dass rechtswidriges Verhalten von Teilnehmern eingestellt werde, bzw die Verpflichtung, die Versammlung aufzulösen, sollte es zu Rechtswidrigkeiten kommen.

[5]       Bei der polizeilichen Vorbesprechung vor Ort mit dem Einsatzleiter wurde erörtert, dass das Vermummungsverbot per Lautsprecher durchgesagt werden sollte, was auch geschah. Gleichzeitig wurde auf das Pyrotechnikverbot hingewiesen.

[6]       Die beiden von den Beklagten namhaft gemachten Versammlungsleiter waren laufend untereinander und mit den Ordnern über Telefon, WhatsApp-Gruppen und Funkgeräten in Verbindung. N***** war auch mit der Exekutive in Kontakt. Sie bekam mit, dass immer wieder bengalische Feuer gezündet wurden, wobei verschiedene Ordner versuchten, dies zu unterbinden. Auch die Exekutive war darüber informiert. R***** erhielt schließlich die Information, dass es weiter hinten, wo ein „autonomer Block“ von ca 150 Personen (weiß und schwarz gekleidete Personen, die Maleranzüge, teils mit Mundschutz und Sonnenbrillen über der Kleidung, Transparente und Regenschirme trugen) mitmarschierte, Probleme gab. Dieser Block befand sich ca in der Mitte des Demonstrationszuges und war vom Bahnhof weg, daher von Beginn der Demonstration an, dabei gewesen. Am Bahnhof hatten weder die Versammlungsleiter noch die Exekutive diese Teilnehmer zur „Entmummung“ aufgefordert. R***** versuchte gemeinsam mit OrdnerInnen auf den autonomen Block einzuwirken, das Entzünden von bengalischen Feuer zu unterlassen. Die Polizei hatte für den Fall, dass dem nicht entsprochen werde, ein Anhalten des Zuges angedroht. Die betroffenen Personen zeigten sich zunächst einsichtig. Der Block wurde in der Folge von Ordnern begleitet, als es durch das weitere Zünden bengalischer Feuer zu einem Stopp des Demonstrationszuges durch die Polizei kam.

[7]       Aus dem „autonomen Block“ heraus wurden daraufhin mehrere Farbbeutel auf die Fassade des dem Zweitkläger gehörenden Gebäudes, in dem sich das Lokal des Erstklägers befindet, geworfen. Daraufhin kesselte die Polizei diesen Personenkreis ein und führte „normverdeutlichende“ Gespräche mit ihnen. Der Versammlungsleiter R***** versuchte mit dem Einsatzleiter der Polizei die Situation zu klären. Man einigte sich darauf, dass die Demonstration weitergehen könne. Der autonome Block wurde im weiteren von dem Polizeispalier begleitet. Vor dem Landhaus fand dann die Schlusskundgebung statt. Die Polizei hatte die Gruppe zwar eingekesselt, jedoch weder vor noch nach dem Farbbeutelwurf Maßnahmen gegen die Mitglieder dieser Gruppe gesetzt, auch nicht um den unmittelbaren Täter zu identifizieren. Eine Auflösung wurde nicht ausgesprochen. Sonst gab es bei der Demonstration keine besonderen Vorfälle, diese verlief friedlich.

[8]       Der Erstkläger begehrt von den Beklagten 6.661,20 EUR, der Zweitkläger 7.581,82 EUR an Schadenersatz. Die Beschädigungen am Gebäude seien durch Teilnehmer der Demonstration verursacht worden. Für diese Schäden hafteten die Beklagten als Veranstalter als gemeinschaftliche Schädiger im Sinn des § 1302 ABGB. Erforderliche Sicherheitsvorkehrungen seien nicht getroffen worden, obwohl Ausschreitungen vorhersehbar gewesen wären. Es bestehe auch eine Haftung nach dem oberösterreichischen Veranstaltungssicherheitsgesetz und nach dem Versammlungsgesetz (VersG). Die Verantwortung für eine Versammlung würden nach § 11 VersG primär die Leiter und die Ordner tragen. Es sei deren gesetzliche Pflicht, gesetzwidrigen Äußerungen und Handlungen sofort entgegenzutreten. Sollte dem nicht Folge geleistet werden, sei die Versammlung aufzulösen. An der Demonstration hätten Personen teilgenommen, die ihre Gesichtszüge verhüllt oder verborgen hätten. Ein solcher Verstoß gegen § 9 VersG indiziere, dass die Personen ihre Gesichtszüge verbergen wollen, um unerkannt Handlungen gegen die Rechtsordnung zu setzen. Dieses Verhalten hätte von den Beklagten abgestellt werden müssen. Durch die Abhaltung der Versammlung sei darüber hinaus eine Gefahrenquelle geschaffen worden, die notwendige Vorkehrungen erfordere, um die Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden. Die Duldung der Teilnahme vermummter Personen schaffe eine zusätzliche Gefahrenquelle. Die Gefahr der Verletzung von Rechtsgütern Dritter sei erkennbar gewesen. Damit hätte alles Zumutbare getan werden müssen, diese vor Gefahren zu schützen. Die Beklagten seien als Anmelder Veranstalter. Fremden Gruppierungen hätte die Teilnahme untersagt werden müssen. Auch sei zumutbar, am Beginn einer Demonstration zu kontrollieren, ob Teilnehmer Wurfgeschosse oder Farbbeutel mit sich führen. Die gewaltbereiten Personen seien identifiziert und von Ordnern und Polizeikräften eingekreist worden. Die Beklagten hätten diesen Personen die weitere Teilnahme verweigern oder die Demonstration auflösen müssen. Dies wäre auch zumutbar gewesen. Die Unterlassung dieser Maßnahmen stelle eine haftungsbegründende Sorgfaltspflichtverletzung dar. Eine allfällige (Mit-)Verantwortung der staatlichen Sicherheitsorgane ändere nichts an der Haftung der Beklagten.

[9]       Die Beklagten bestritten und brachten vor, die Demonstration sei als Versammlung im Sinn des VersG, aber nicht als Veranstaltung im Sinn des oberösterreichischen Veranstaltungssicherheitsgesetzes zu sehen. Eine allfällige Haftung sei nach allgemeinem Schadenersatzrecht zu beurteilen. Eine Kausalität für den entstandenen Schaden könne nicht allein in der Anmeldung der Versammlung liegen, es fehle am Adäquanzzusammenhang. Die Kläger treffe auch die Behauptungs- und Beweislast für ein Verschulden. R***** sei ein erfahrener Organisator von Versammlungen und sei auch als Versammlungsleiter namhaft gemacht worden. Es hätten Vorbesprechungen mit der Polizei stattgefunden. Es seien mehr Ordner bestellt worden, als angeordnet. Mit diesen habe auch eine Besprechung stattgefunden, in der alle Details erörtert worden seien. Die Demonstration sei bis auf den verfahrensgegenständlichen Zwischenfall friedlich und ohne nennenswerte Vorkommnisse verlaufen. Die Versammlungsleiter seien stets in Kontakt mit der Polizei gestanden, ebenso Leiter und Ordner. Innerhalb des Demonstrationszuges seien die einzelnen Interessenvereinigungen in separaten Gruppen unterwegs gewesen. Etwa in der Mitte des Zuges habe sich der sogenannte „autonome Block“ aufgehalten, die Mitglieder seien den Beklagten nicht bekannt gewesen. Dort seien bengalische Feuer entzündet worden, wobei der Block auf Beschwichtigungsversuche der Ordner nicht reagiert habe. Auch den Einsatzkräften der Polizei sei es nicht möglich gewesen, diesen Block unter Kontrolle zu bringen, daher sei der Demonstrationszug vorübergehend angehalten worden. Die Polizei habe begonnen den Block einzukesseln. In diesem Moment sei ein Farbbeutel in Richtung des Gebäudes des Zweitklägers geworfen worden, was selbst das massive Polizeiaufgebot nicht habe verhindern können. Wolle man die Beklagten als Anzeiger der Versammlung haften lassen, würde dies zu einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung führen und das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Versammlungsfreiheit aushöhlen. Die Beklagten hätten keine Möglichkeit gehabt, weitergehender als die Polizei selbst eine allfällige schadensverursachende Handlung zu unterbinden. Es gebe kein Recht des Versammlungsleiters auf Durchsuchung der Teilnehmer oder auf Verhinderung der Teilnahme an der Versammlung. Am Beginn der Demonstration seien keine vermummten Personen und kein schwarzer oder weißer Block ersichtlich gewesen. Ein Block mit vermummten Personen habe sich nicht vor Start des Demonstrationszuges gebildet.

[10]     Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging davon aus, dass die Versammlungsleiter und die Behörden bereits zu Beginn der Versammlung hätten verhindern müssen, dass ein autonomer Block teilnehme, da dieser schon auf Höhe des Hauptbahnhofes teilweise gegen das Vermummungsverbot verstoßen und bengalische Feuer entzündet habe. Das Vermummungsverbot diene gerade dazu, die Identifizierung von Demonstrationsteilnehmern zu erleichtern. Trotz der Sachbeschädigung sei die Versammlung in weiterer Folge nicht aufgelöst worden. Durch die Teilnahme vermummter Personen sei verhindert worden, dass die Identität der einzelnen Teilnehmer festgehalten werden könne. Damit hafteten die Beklagten im Ergebnis für die Sachbeschädigung, da es in ihrem Verantwortungsbereich gelegen wäre, durch geeignete Maßnahmen den Eintritt dieses Schadens zu verhindern.

[11]     Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und wies das Klagebegehren ab. Im konkreten Fall habe es sich um eine rechtmäßig angemeldete Versammlung gehandelt. Die Anmelder hätten sämtliche Auflagen, die ihnen von der Behörde erteilt worden seien, erfüllt. Sie hätten von Anbeginn an auf die gesetzlichen Vorschriften hingewiesen. Es habe ein ständiger Kontakt zwischen den Ordnern und der Polizei bestanden. Soweit überhaupt feststehe, dass von Anbeginn an vermummte Personen teilgenommen hätten, sei eine Versammlung nicht in jedem Fall schon deshalb aufzulösen, weil diese Vorschrift übertreten werde. Auch das Abbrennen bengalischer Feuer indiziere nicht die Vermutung einer späteren Sachbeschädigung. Es liege daher kein rechtswidriger Verstoß gegen §§ 9, 11 VersG vor. Auch bei Annahme eines Schutzgesetzes und allgemeiner Verkehrssicherungspflichten falle die vorzunehmende Interessensabwägung zu Gunsten der Beklagten aus.

[12]     Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, da keine Rechtsprechung zu Demonstrationsschäden im Zusammenhang mit angemeldeten und grundsätzlich friedlich verlaufenden Demonstrationen bestehe, sowie zur Frage, welche Verpflichtungen Versammlungsleitern im Hinblick auf § 11 VersG auferlegt seien und inwieweit daraus Sorgfaltspflichtverletzungen begründet sein könnten.

[13]     Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, sie dahingehend abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[14]     Die Beklagten beantragen die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

[15]     Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[16]     1. Eine unrichtige Wiedergabe des Parteivorbringens kann nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO begründen. Sie kann allenfalls – wenn das Berufungsgericht Vorbringen übersehen oder missverstanden hat – zu einer Mangelhaftigkeit oder einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung geführt haben (RS0041814 [T8]; RS0043402 [T5]). Eine allfällige unrichtige rechtliche Beurteilung ist im Rahmen dieses Revisionsgrundes zu behandeln.

[17]     2. Richtig ist, dass dann, wenn sich das Berufungsgericht mit einer Beweisfrage überhaupt nicht oder nur so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind, sein Verfahren mangelhaft ist (RS0043150). Dies ist hier aber nicht der Fall.

[18]     Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass die Beweisrüge in der Berufungsbeantwortung insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, als nicht dargestellt wird, aufgrund welcher Beweismittel das Gericht zu anderen Feststellungen hätte kommen müssen. Dass diese Beurteilung unrichtig war, wird auch in der Revision nicht aufgezeigt. Dass 150 teilweise vermummte Personen im Rahmen des „autonomen Blocks“ vom Bahnhofsplatz aus im Demonstrationszug mitmarschierten, hat das Erstgericht ohnehin festgestellt. Ob sich daraus ein Handlungsbedarf für die Beklagten ergeben hätte, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird daher von den Klägern nicht aufgezeigt.

[19]     3. Aus § 2 Abs 1 VersG ergibt sich, dass der, der eine Versammlung veranstalten will, dies der Behörde zuvor anzuzeigen hat. Der Gesetzgeber geht daher davon aus, dass es der Veranstalter ist, der mit der Versammlung bestimmte Ziele verfolgt und sie zu diesem Zweck organisiert und der schließlich auch für die ordnungsgemäße Durchführung verantwortlich ist (Hofer-Zeni in Machacek/Pahr/Stadler [Hrsg], Grund- und Menschenrechte in Österreich II, 383). Nach Eigner/Keplinger (Versammlungsrecht4, § 2 VersG, Pt 3.1.) ist Veranstalter, wer die Versammlung einberuft, also zu ihr einlädt bzw organisiert. Als Veranstalter kann fungieren, wer Rechtspersönlichkeit besitzt, also schon sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person.

[20]     Unstrittig waren die Beklagten Veranstalter und haben die streitgegenständliche Versammlung fristgerecht der Behörde angezeigt.

[21]     4. Die Kläger gehen in der Revision einerseits von einer psychischen Beitragstäterschaft der Beklagten aus, stützen das Klagebegehren aber auch auf eine Verletzung von eigenen Schutz- und Verkehrssicherungspflichten der Beklagten.

[22]     5. Neben dem unmittelbaren Schädiger kommt gemäß § 1301 ABGB auch eine Haftung von Mit- und Beitragstätern in Betracht. Als Tatbeitrag kommt dabei sowohl die physische als auch die psychische Förderung der Haupttat in Betracht.

[23]     Soweit die Revision eine Beitragstäterschaft der Beklagten behauptet, beruft sie sich darauf, dass die Versammlung unfriedlich gewesen sei und die Beklagten für den entstandenen Schaden wegen psychischer Kausalität mitverantwortlich seien.

[24]     Richtig ist in diesem Zusammenhang, wenn die Kläger darauf verweisen, dass vorsätzliche Sachbeschädigungen nicht durch Berufung auf das Recht auf Versammlungsfreiheit gerechtfertigt werden können.

[25]           Eine Versammlung, die in absolut geschützte Rechte Dritter eingreift, ist durch subjektive öffentliche im Verfassungsrang stehende Rechte der Teilnehmer nicht geschützt. Die Versammlungsfreiheit ist kein Rechtfertigungsgrund für Rechtsverletzungen. Das verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsrecht findet dort seine Schranken, wo durch die Versammlung in die Privatrechtssphäre Dritter eingegriffen wird. Wird bei einer Versammlung, die nicht friedlich verläuft, unter Verletzung des Eigentums eines anderen ein Schaden verursacht, so ist dies somit rechtswidrig geschehen, weil kein Grund besteht, die Interessen des Schädigers gegenüber jenen des Geschädigten, dem der ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleistete Schutz der Unverletzlichkeit des Eigentums (vgl Art 5 StGG und Art 1 1. ZPMRK) zukommt, den Vorzug zu geben (3 Ob 501/94). Das bedeutet, dass die für die Unfriedlichkeit einer Versammlung Verantwortlichen sich nicht darauf berufen können, nur ihr Recht auf Versammlung wahrgenommen zu haben.

[26]           Es ist jedoch gerade im Hinblick auf die Frage der Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen zu differenzieren, ob eine Versammlung bereits von ihrer Konzeption her unfriedlich ist, weil sie darauf ausgerichtet ist, in die Rechtssphäre Dritter einzugreifen, oder ob es bei einer grundsätzlich friedlich angelegten Versammlung zu Ausschreitungen einzelner Teilnehmer kommt.

[27]           Im vorliegenden Fall ist nach den Feststellungen davon auszugehen, dass es sich um eine als friedlich geplante Versammlung gehandelt hat, im Laufe derer es zu einer Ausschreitung gekommen ist. Das allein reicht aber nicht aus, um eine Haftung der Beklagten zu begründen.

[28]     Zur psychischen Beihilfe bei einer Demonstration hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung, 6 Ob 201/98x Stellung genommen. Dabei führte er aus, dass schon die bloße länger dauernde und sichtbare Anwesenheit (im damals zu beurteilenden Fall) der Traktoren und die Anwesenheit ihrer Lenker als Beitragshandlung qualifiziert werden könne, wenn damit der Wille der unmittelbaren Täter gefördert werden konnte, die Blockade aufrecht zu erhalten. Damit stelle sich die Frage nach der grundsätzlichen Haftung einzelner Demonstrationsteilnehmer, die selbst keine unmittelbar schadenstiftenden Handlungen begehen, sich mit den Zielen der unmittelbaren Täter aber erkennbar nach außen identifizieren.

[29]           Die Kläger machen in der Revision geltend, dass die Beklagten in diesem Sinn einen psychischen Tatbeitrag geleistet hätten, als sie sich als Veranstalter der Demonstration aktiv mit dem gewalttätigen autonomen Block identifiziert und solidarisiert hätten und ein Durchgreifen der Sicherheitsorgane abgewendet hätten. Allerdings finden diese Ausführungen in den Feststellungen keine Deckung. Ein sekundärer Feststellungsmangel liegt insofern nicht vor, weil das Erstgericht zu den Abläufen während der Demonstration konkrete Feststellungen getroffen hat. Aus diesen ergibt sich aber, dass die Leiter der Versammlung sowie die Ordner durchgehend bemüht waren, die Situation zu beruhigen und in Abstimmung mit der Polizei einen friedlichen Ablauf zu gewährleisten. Selbst wenn man – wie die Kläger – davon ausginge, dass die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichten, ist das für sich allein nicht geeignet, eine psychische Kausalität für während der Versammlung begangene Sachbeschädigungen zu begründen.

[30]     Eine Mit- oder Beitragstäterschaft ist den Beklagten daher nicht anzulasten.

[31]     6. Die Kläger machen weiters geltend, dass §§ 9 und 11 VersG ebenso wie § 2 VersG als Schutzgesetze zu qualifizieren seien, weshalb die Beklagten als Veranstalter für deren Verletzung einzustehen hätten.

[32]     Richtig ist, dass die Rechtsprechung eine Haftung des Veranstalters bejaht, der die Veranstaltung entgegen § 2 Abs 1 VersG nicht bei der Behörde angezeigt habe. Diese Bestimmung stellt ein Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB dar, durch das auch gewährleistet werden soll, dass die Behörde allenfalls erforderliche Vorkehrungen treffen könne, um die mit der geplanten Versammlung verbundenen Beeinträchtigungen, vor allem auch Vermögensnachteile für die durch die Versammlung betroffenen Personen hintanzuhalten bzw auf das unumgängliche Maß zu mindern (1 Ob 152/97b).

[33]     Ob auch § 11 VersG, der Pflichten der Leiter und Ordner regelt, als Schutzgesetz zu qualifizieren ist, was in der Rechtsprechung bislang noch nicht zu beurteilen war, ist in der Literatur umstritten. Posch (in Schick/Funk/Posch, Demonstrationsschäden, 67 ) bejaht den Schutzgesetzcharakter. Auf diese Vorschrift könne sich die Haftung des Veranstalters einer Versammlung gründen, der zB wegen eines unzulänglich organisierten Ordnerdienstes nicht in der Lage sei, dafür zu sorgen, dass die schuldhafte und rechtswidrige Zufügung von Schäden durch Teilnehmer an der Versammlung verhindert und eine allenfalls nötige Auflösung derselben reibungslos abgewickelt werden könne. Dagegen vertritt Zeiringer (Die zivilrechtliche Haftung für Demonstrationsschäden, 203), dass dies dazu führen würde, dass der Veranstalter (Leiter) auch bei angezeigten und materiell zulässigen Demonstrationen einem massiven Haftungsrisiko im Hinblick auf reine Vermögensschäden ausgesetzt wäre, zumal sämtliche auftretenden Demonstrationsschäden, die von der Schutznorm verhindert werden sollen, prima facie für die Kausalität einer Pflichtverletzung sprächen. Daher sei eine zivilrechtliche Haftung auf Grundlage des § 1311 ABGB iVm § 11 VersG abzulehnen. Vielmehr sei die Ersatzpflicht für schädigende Abläufe an sich zulässiger Demonstrationen anhand der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten (iwS) für Organisatoren von (Massen-)Veranstaltungen zu beurteilen. Auch Zierl (Versammlungsrecht für die Praxis, Rz 243) und Rak (Das Recht sich zu versammeln, 122) bejahen den Schutzgesetzcharakter von § 11 VersG.

[34]     7. § 11 Abs 1 VersG sieht vor, dass für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung zunächst deren Leiter und Ordner Sorge zu tragen haben. Sie haben nach Abs 2 dieser Bestimmung gesetzwidrigen Äußerungen oder Handlungen sofort entgegenzutreten. Wenn ihren Anordnungen keine Folge geleistet wird, ist die Versammlung durch deren Leiter aufzulösen.

[35]     Nach herrschender Ansicht ist der Leiter vom Veranstalter der Versammlung in freier Entscheidung auszuwählen bzw zu ernennen (Eigner/Keplinger, Versammlungsrecht4, § 11 VersG Pt 3.4; Hofer-Zeni aaO, 382). Bis zu einer Bestellung des Leiters gilt der Versammlungsveranstalter als die zur Leitung und Ordnung der Versammlung berufene Person (VfGH 19. 6. 1997, B 873/97; VwGH 24. 4. 2013, 2009/02/0206; Fessler/Keller/Scherhak, Das österreichische Versammlungs- und Demonstrationsrecht, 47; Eigner/Keplinger aaO, § 11 VersG, Pt 3.3 ua).

[36]     Aus § 11 VersG ergibt sich die (unter Verwaltungsstrafsanktionen stehende) – primär den Leiter der Versammlung treffende – Pflicht, für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung zu sorgen. Er hat die Pflicht, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um deren legalen Verlauf zu sichern. Er hat sich ernsthaft darum zu bemühen, dass die Versammlung gesetzmäßig abläuft und dass Rechte und Freiheiten von Personen, die nicht an der Versammlung teilnehmen, möglichst wenig beeinträchtigt werden, dass also die Versammlungsfreiheit nicht zu Lasten Dritter missbraucht wird (VfGH 19. 6. 1997, B 873/97).

[37]           In der Literatur werden Leiter und Ordner gelegentlich (wohl untechnisch) als „Erfüllungsgehilfen“ des Veranstalters bezeichnet (Hofer-Zeni aaO 383; Zierl, Versammlungsrecht für die Praxis, 49; vgl auch Zeiringer, Die zivilrechtliche Haftung für Demonstrationsschäden, 207).

[38]           Allerdings erfolgt – wie bereits ausgeführt – durch die Bestellung des Leiters auch ein Übergang der Pflichten nach § 11 VersG, die bis dahin beim Veranstalter lagen, auf den Leiter. Dieser wird daher in dieser Funktion nicht als Repräsentant oder Gehilfe des Veranstalters tätig, sondern in Eigenverantwortung gegenüber den Behörden.

[39]           Damit kann aber dahingestellt bleiben, ob § 11 VersG ein Schutzgesetz ist, da sich daraus nur eine Haftung des Leiters, nicht des Veranstalters ableiten ließe. Werden nach zulässiger Übertragung von Schutzgesetzpflichten eigenverantwortlich eigene gesetzliche Pflichten erfüllt, haftet der Übertragende nur noch für Auswahlverschulden (vgl dazu etwa beim Baustellenkoordinator RS0015253). Ebenso könnte allenfalls eine Haftung des Veranstalters in Betracht kommen, wenn der Veranstalter während der Versammlung eine unzureichende Erfüllung der Pflichten durch den Leiter wahrnimmt und diesen nicht abberuft.

[40]           Ein Auswahlverschulden der Beklagten als Veranstalter bzw eine unzureichende Überwachung der Leiter durch die Veranstalter wurde aber im vorliegenden Fall von den Klägern nicht behauptet.

[41]           Da der Leiter für die Wahrung des Gesetzes Sorge zu tragen hat, gehört zu seinen Aufgaben auch dafür Sorge zu tragen, dass das Vermummungsverbot nach § 9 VersG eingehalten wird (Eigner/Keplinger, Versammlungsrecht4, § 11 VersG, Pt 1.3). Eine Schutzgesetzverletzung im Hinblick auf die Durchsetzung des Vermummungsverbots wäre daher ebenfalls nur über § 11 VersG denkbar und ist im vorliegenden Fall daher nicht weiter zu prüfen.

[42]           8. Die Kläger stützen eine Haftung der Beklagten weiters auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten.

[43]           Es ist anerkannt, dass dann, wenn die Möglichkeit nahe liegt, dass sich aus einer Veranstaltung – etwa durch unerlaubtes Verhalten von Zuschauern oder dergleichen – Gefahren für andere ergeben, der Verantwortliche im Rahmen des Zumutbaren auch dagegen angemessene Maßnahmen zu treffen hat (RS0023285). Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verlangt Sicherungs-maßnahmen zum Schutz aller Personen, deren Rechtsgüter durch die Schaffung einer Gefahrenlage verletzt werden können. Das bezieht sich auch auf Gefahren, die erst durch den unerlaubten und vorsätzlichen Eingriff eines Dritten entstehen. Voraussetzung ist allerdings immer, dass die Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Dritter bei objektiver sachkundiger Betrachtung zu erkennen ist (RS0023801). Dabei trifft die Beweislast, dass die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, oder dass die Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen unzumutbar gewesen sei, den jeweils Verkehrssicherungspflichtigen (RS0022476).

[44]           Das Vorliegen entsprechender behördlicher Genehmigungen kann den zur Sicherung des Verkehrs Verpflichteten nicht entschuldigen, wenn er aufgrund eigener Kenntnis den Bestand einer Gefahrenquelle weiß oder kennen muss oder er ihm mögliche oder zumutbare Maßnahmen zu deren Beseitigung unterlässt (RS0023419). Die Anforderungen an die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dürfen aber nicht überspannt werden, sollen sie keine vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (RS0023893 [T2; T3]), sie findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit (RS0023397). Da die allgemeine Verkehrssicherungspflicht dem Deliktsrecht entspringt, tritt eine Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen für Gehilfen nur nach § 1315 ABGB ein (RS0023938).

[45]           9. Zeiringer (Die Zivilrechtliche Haftung für Demonstrationsschäden, 205 ff) verweist darauf, dass die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu Großveranstaltungen sich grundsätzlich auch auf die Veranstalter von (Massen-)Demonstrationen übertragen lasse, da auch von solchen Veranstaltungen vergleichbare Gefahren wie bei Großveranstaltungen ausgingen. Es werde daher zumindest die Pflicht bestehen, einen Ordnungsdienst einzurichten, der einen möglichst friedlichen Ablauf gewährleisten könne. Angesichts des drohenden „chilling effects“ dürften aber gerade bei an sich friedlichen Demonstrationen die Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden, sodass die Zumutbarkeitsgrenzen bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen – im Vergleich zu bloßen Massenansammlungen (Konzerten etc) – nach unten zu nivellieren seien. Eine Haftung des Veranstalters an sich friedlicher Demonstrationen für fremde Sach- und Personenschäden komme daher in der Regel nur dann in Frage, wenn überhaupt keine Sicherheitsvorkehrungen (zB keine Bestellung eines Ordnungsdienstes) zur Abwendung von Risiken getroffen würden, die eine äußerst „naheliegende Folge“ der Veranstaltungen gewesen sei (zB erkennbare Eskalationsgefahr). Eine Zurechnung von Fehlverhalten von Leitern bzw Ordnern könne seiner Ansicht nach nur nach § 1315 ABGB erfolgen.

[46]           Posch (in Schick/Funk/Posch, Demonstrations-schäden, 66 f) verweist auf die in Deutschland vorherrschende Auffassung, die auf die Verantwortlichkeit der Organisatoren einer Demonstration abstelle und nur deren Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, nämlich der Pflicht, die bei Ansammlung einer Vielzahl von Menschen gegebenen „Personengefahr“ in geordneten Bahnen zu halten, stütze. In Übereinstimmung mit der österreichischen Judikatur zu Großveranstaltungen ließe sich die Haftung des Organisators einer Demonstration, die wegen unzulänglicher Ordnungs- und Sicherungsmaßnahmen eskaliere und in die Zufügung von Schäden an Gütern Dritter münde, unschwer auf die schuldhafte Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, deren normative Grundlage die Generalklausel des § 1295 ABGB biete, gründen. Auch Rak (Das Recht sich zu versammeln, 119 f) bejaht Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters. Dieser müsse seine Organisation so ausrichten, dass diese auch Gefahren durch unerlaubtes Verhalten von Teilnehmern bewältigen könne.

[47]           In Deutschland gehen Rechtsprechung und Lehre ebenfalls davon aus, dass den Veranstalter einer Demonstration im Hinblick auf die Sicherheit der Teilnehmer und außenstehender Dritter eine Verkehrssicherungspflicht trifft. Er muss die möglichen und zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen treffen, um eine Verletzung von Teilnehmern ebenso zu vermeiden wie Körperverletzungen gegen Dritte oder Beschädigungen fremden Eigentums. Im Normalfall gelte allerdings der Vertrauensgrundsatz, nachdem sich der Veranstalter darauf verlassen könne, dass sich die Teilnehmer rechtskonform verhalten und die Rechtsgüter anderer respektiert würden. Die Sicherungspflichten der Veranstalter von Demonstrationen dürften nicht überspannt werden, weil sonst die grundrechtlich geschützte Demonstrationsfreiheit darunter litte (MüKoBGB/Wagner BGB § 823 Rn 808 mwN).

[48]           10. Wie bereits ausgeführt, ist davon auszugehen, dass der Veranstalter, der mit einer Versammlung bestimmte Ziele verfolgt und sie zu diesem Zweck organisiert, auch für die ordnungsgemäße Durchführung verantwortlich ist. Bereits in der Entscheidung 4 Ob 609/87 wurde dargelegt, dass jede Massenveranstaltung an sich schon eine Gefahrenquelle bildet. Es sei eine allgemein bekannte Erfahrungstatsache, dass Angehörige einer Masse von mehreren tausend Menschen eigenen psychologischen Gesetzen unterliegen, insbesondere, dass dabei Hemmungen und Rücksichtnahmen, wie sie für den einzelnen selbstverständlich wären, bisweilen nahezu ausgeschaltet würden. Solcher Gefahren müsse sich der Veranlasser einer Massenveranstaltung bewusst sein.

[49]           Diese Erwägungen treffen auch auf Veranstalter von Versammlungen zu. Dementsprechend ist auch der Veranstalter einer Demonstration verpflichtet, alle möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, sodass keine Gefahr für Teilnehmer oder Dritte von der Veranstaltung ausgeht. Zu diesen Verpflichtungen gehört es, im Vorfeld der Versammlung alle Sicherungsmaßnahmen zu setzen, damit Eskalationen vermieden werden können, also etwa für einen ausreichenden Ordnerdienst zu sorgen sowie sonst je nach Situation und Veranstaltung zur Gefahrenvermeidung erforderliche Sicherungsmaßnahmen zu setzen. Dabei ist auch bei einer Versammlung davon auszugehen, dass allein die behördliche Bewilligung und die Einhaltung der damit verbundenen Auflagen nicht ausschließt, dass im Hinblick auf die von der Versammlung ausgehende Gefahr vom Veranstalter weitergehende Sicherungsmaßnahmen zu fordern sind. Dass der Umfang und die Ausgestaltung dieser Maßnahmen jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängt, liegt auf der Hand.

[50]           Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters nicht überspannt werden dürfen, um nicht durch die generelle Übertragung des Risikos eines strafrechtswidrigen, vom Veranstalter aber letztlich nur begrenzt beeinflussbaren Verhaltens einzelner Versammlungsteilnehmer das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Versammlung übermäßig zu behindern.

[51]           11. Da es sich bei den Beklagten um Vereine handelt, kann eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten nur durch Organe oder Gehilfen erfolgen. Da das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1315 ABGB von den Klägern nicht behauptet wird, kommt tatsächlich nur eine Haftung für Organe bzw Repräsentanten in Betracht.

[52]           Bei R***** und N***** handelt es sich nach den Feststellungen um Landes- bzw Bundesvorsitzende der Beklagten. Diese waren nach den Feststellungen sowohl mit der Anmeldung und Organisation der Versammlung befasst als auch während der Veranstaltung (als Leiter) vor Ort. Inwieweit ihnen eine Organ- oder Repräsentantenstellung zukommt, muss nicht weiter geprüft werden, da ihnen keine Verletzung von den Veranstalter treffenden – neben den Leiterpflichten nach dem VersG bestehenden – Verkehrssicherungspflichten zur Last gelegt werden kann.

[53]           Im konkreten Fall handelte es sich um eine angemeldete Versammlung, die von ihrer Konzeption her nicht darauf angelegt war, dass es zu Eingriffen in die Rechtssphäre Dritter kommen sollte. Auch die Kläger behaupten nicht, dass es im Vorfeld Hinweise auf geplante Ausschreitungen gegeben hätte. Der Ablauf der Versammlung wurde von den Veranstaltern mit der Polizei erörtert. Die Organisation im Hinblick auf Leitung und Ordner entsprach nicht nur den Vorgaben der Polizei, es wurde vielmehr eine größere Anzahl an Ordnern bestellt und erfahrene Versammlungsleiter ausgewählt.

[54]           Ob von einem Veranstalter selbst (neben dem Leiter und den Ordnern) im Rahmen allgemeiner Verkehrssicherungspflichten Maßnahmen zur Durchsetzung des Vermummungsverbots zu setzen sind, kann dahingestellt bleiben, weil den Beklagten im konkreten Fall keine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist. Den Beklagten war das Vermummungsverbot bewusst und es wurde auch dafür gesorgt, dass die Teilnehmer bei der Versammlung durch Durchsagen bei Beginn der Versammlung konkret darauf hingewiesen wurden.

[55]           Zwar haben an der Versammlung entgegen § 9 VersG Vermummte teilgenommen und wurden diese nicht gesondert zur Abnahme der Vermummung aufgefordert. Allerdings sieht selbst § 9 Abs 3 VersG vor, dass die Behörde im Einzelfall von einer Durchsetzung des Verbots absehen kann. Bereits im Ausschussbericht zur VersG-Novelle 2002, BGBl I 2002/127, (AB 1245 BlgNR 21. GP 1) wurde dazu ausgeführt, dass das Vermummungsverbot auch zur Vermeidung einer Eskalation dann nicht durchgesetzt werden müsse, wenn die Versammlung sonst in geordneten Bahnen verläuft und eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit nicht zu befürchten ist.

[56]           Zudem haben die Ordner auf das Entzünden von bengalischem Feuer in diesem Block sofort reagiert und versucht, die Situation zu beruhigen und weitere Rechtsverletzungen zu verhindern sowie den Block in der Folge auch durchgehend begleitet. Zusätzlich bestand ständiger Kontakt mit der Polizei. Zur Sachbeschädigung kam es schließlich gerade zu einem Zeitpunkt, als durch das Anhalten des Zuges durch die Polizei mit einem weiteren Vorgehen gegen den „autonomen Block“ zu rechnen war.

[57]           Dass nach dem Vorfall keine weiteren Schritte gegen die Vermummten gesetzt wurden, kann jedenfalls den Anspruch der Kläger gegen die Beklagten nicht begründen, da ein solches Verhalten für den Schaden nicht kausal war. Aus den Feststellungen ergibt sich allerdings, dass auch nach dem Farbbeutelwurf in Kooperation mit der Polizei versucht wurde, die Situation zu kalmieren und es auch zu keinen weiteren Vorfällen gekommen ist.

[58]     Unter Berücksichtigung dieser Gesamtumstände, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass den Beklagten als Veranstaltern der Versammlung keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zur Last zu legen ist.

[59]     Zu Recht hat daher das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

[60]           12. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Dabei war die Kostentragungspflicht der Kläger entsprechend der jeweiligen Forderung zu bestimmen.

Textnummer

E130793

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00008.20X.0127.000

Im RIS seit

02.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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