TE OGH 2021/2/18 14Os132/20y

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.02.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Februar 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Nagy in der Strafsache gegen ***** B***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten B***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 2. September 2020, GZ 36 Hv 5/20t-140, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – ***** B***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB (A/1/) und des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB (A/2/) schuldig erkannt.

[2]            Danach hat er am 10. April 2019 in I*****

A/1/ ***** A***** getötet, indem er ihn zunächst mit einem Gürtel bis zur Bewusstlosigkeit strangulierte und ihm in weiterer Folge mit einem Küchenmesser die rechte Hand abtrennte und die Kehle durchschnitt;

A/2/ den Leichnam des A***** dadurch misshandelt, dass er ihm mit einem Küchenmesser Unterlippe, Oberlippe sowie einen Teil der Wange aus dem Gesicht schnitt und mehrere Male auf den Bauch einstach.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 4, 6 und 13 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

[4]            Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert einen faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit (vgl RIS-Justiz RS0117048), weil die Hauptverhandlung auch „außerhalb der Amtsstunden“ des Landesgerichts Innsbruck stattgefunden habe. „Der Öffentlichkeit“ sei es danach „nicht mehr möglich“ gewesen, „das Gerichtsgebäude und damit den Verhandlungssaal zu betreten“. Dazu genügt der Hinweis auf die – dem Beschwerdeführer zugestellte, von diesem jedoch unwidersprochen gebliebene – Stellungnahme des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs (ON 173), derzufolge er die Zugänglichkeit des Gerichtsgebäudes dadurch gewährleistet habe, dass der Wachdienst über seine Veranlassung beauftragt worden sei, die Eingangskontrolle am Verhandlungstag bis 22:00 Uhr vorzunehmen. Die Ausführung dieses Auftrags wurde durch Urkunden bescheinigt.

[5]            Die zu A/1/ ausgeführte Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der – in der Hauptverhandlung beantragten (ON 139 S 29) – Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB). Der Beschwerdeführer stützt seine Kritik insbesondere auf Passagen aus seiner eigenen Aussage („bin ich explodiert“, „ich habe deshalb nicht aufgehört, weil ich einfach zu wütend war“ [ON 139 S 6 und 10]) und der Aussage der Mitangeklagten (der Beschwerdeführer sei „total ausgeflippt“, sie habe ihn „zuvor noch nie so in Rage gesehen“, er sei damals „wütend und zornig“ gewesen sowie sie habe nicht damit gerechnet, dass sie ihn mit ihren Angaben „so aufgestachelt habe, dass er den ***** A***** tötet“ [ON 139 S 12, 17, 19 und 22]). Der Grund für den solcherart beschriebenen Gemütszustand ergebe sich nach dem Beschwerdevorbringen daraus, dass die – im Tatzeitpunkt mit dem Beschwerdeführer liierte – Mitangeklagte diesem zuvor mitgeteilt habe, A***** habe „ihr den BH aufgemacht“ und „sie geküsst“ (ON 139 S 5). Sie habe überdies zuvor erfahren, dass A***** „wegen Vergewaltigung schon im Gefängnis gesessen“ sei (ON 139 S 18).

[6]            Totschlag setzt (rechtlich) unter anderem allgemeine Begreiflichkeit der heftigen Gemütsbewegung voraus, die also in ihrer tatkausalen Heftigkeit in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlass für einen Durchschnittsmenschen – also nach einem objektiven Maßstab – sittlich verständlich sein muss (RIS-Justiz RS0092115, RS0092138 [insbes T12]; Birklbauer in WK2 StGB § 76 Rz 60 ff; Kienapfel/Schroll BT I4 § 76 Rz 26 ff; Leukauf/Steininger/Nimmervoll, StGB4 § 76 Rz 11 ff). Nach gesicherter Lebenserfahrung scheiden diese Verfahrensergebnisse als ernst zu nehmendes Indiz für einen – den Gegenstand der begehrten Eventualfrage bildenden – Sachverhalt aus (RIS-Justiz RS0100860 [T1]; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23).

[7]            Der Sanktionsrüge (Z 13 erster Fall; vgl RIS-Justiz RS0118581 [T2]) zuwider bringt das angefochtene Urteil den von § 21 Abs 2 StGB verlangten Einfluss der geistigen oder seelischen Abartigkeit auf die Anlasstat mit der Formulierung, der Beschwerdeführer habe diese „wegen dieser Abartigkeit“ begangen (US 7), hinreichend deutlich zum Ausdruck. Dass der Schuldspruch neben Mord auch das (die Voraussetzungen des § 21 Abs 2 StGB nicht erfüllende) Vergehen der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB umfasst, bedeutet keine Überschreitung der Sanktionsbefugnis, findet sich doch kein Anhaltspunkt dafür, dass dieses Verhalten für das (ohne ausdrücklichen Bezug auf bestimmte Anlasstaten erfolgte) Einweisungserkenntnis ausschlaggebend gewesen sei (US 7; 14 Os 113/18a).

[8]            Die weitere Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) übergeht mit dem Einwand, das Erstgericht habe die Prognosetaten nicht ausreichend als mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen subsumierbar umschrieben (vgl 13 Os 62/07b; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 721), die Gesamtheit der angesprochenen Urteilspassage, wonach davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer „wegen der Störung künftig vergewaltigt, schwer am Körper verletzt oder wieder tötet“ (US 7), womit eine ausreichende Konkretisierung vorliegt.

[9]       Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

[10]     Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).

[11]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E130808

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00132.20Y.0218.000

Im RIS seit

03.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten