TE Pvak 2020/8/17 A14-PVAB/20

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Veröffentlicht am 17.08.2020
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Norm

PVG §22 Abs9
PVG §41 Abs1
PVGO §8 bis §13

Schlagworte

Prüfung von Amts wegen; Umlaufbeschluss; Stimmeneinhelligkeit; Abstimmungsverhalten; Stimmenthaltung

Text

 

 

A 14-PVAB/20

Bescheid

Die Personalvertretungsaufsichtsbehörde (PVAB) hat durch ihre Mitglieder Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI als Vorsitzende sowie Dr.in Anita PLEYER als Vertreterin des Dienstgebers und Mag. Walter HIRSCH als Vertreter der Dienstnehmer/innen gemäß § 41 Abs. 1 und 2 PVG nach Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung des Dienststellenausschusses für die Zivilen Bediensteten der Justizanstalt (JA) *** (DA) von Amts wegen entschieden:

Der Umlaufbeschluss, der dem DL am 20. März 2020 übermittelt wurde, kam entgegen den zwingenden Vorgaben des § 22 Abs. 9 PVG zustande, belastet die Geschäftsführung des DA insoweit mit Gesetzwidrigkeit und wird als rechtswidrig aufgehoben.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2020, GZ 2020-0.331.212, regte die Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen im Bundesministerium für Justiz (GD) aufgrund eines Berichtes des DL die Einleitung eines amtswegigen Verfahrens gegen den DA der JA *** an. Die PVAB beschloss in ihrer Senatssitzung vom 22. Juni 2020, diesen Antrag aufzugreifen und die Geschäftsführung des DA im Umfang der Anregung einer amtswegigen Prüfung zu unterziehen.

Aufgrund der Mitteilung der GD samt Anlagen und der Stellungnahmen des DA erachtete die PVAB folgenden Sachverhalt als erwiesen:

Am 23. März 2020 wurden ohne Zustimmung des DA die Dienstpläne von der Anstaltsleitung geändert und ein Gruppensystem installiert. Eine Einbindung des DA in die entsprechenden Verhandlungen mit der DL erfolgte nicht.

Der stellvertretende Dienststellenleiter (DL) informierte den DA-Vorsitzenden A am Abend des 17. März 2020 telefonisch über die beabsichtigten Maßnahmen.

Eine Zustimmung des DA zu den geplanten Dienstplanänderungen nach der Information des stellvertretenden DL wurde nicht erteilt.

Der DA hatte sich am 5. Februar 2020 in einer Mitteilung an den DL gegen die Einführung eines Sonn- und Feiertagsdienstes ausgesprochen und seine Meinung dazu zwischenzeitlich nicht geändert.

Am 19. März 2020 kam es zu einem Gespräch mit der stellvertretenden DA-Vorsitzenden B über die beabsichtigten Änderungen, an dem der DL, sein Stellvertreter und HR C teilnahmen, in dem eine Einigung jedoch nicht erzielt wurde.

Noch am selben Tag erfolgte von der DL eine Information an die Bediensteten, in der über die neuen Dienstzeitregelungen, darunter auch Änderungen für die zivilen Mitarbeiter/innen informiert wurde.

Mit Schreiben vom 20. März 2020 wurde dem DL der Umlaufbeschluss des DA mitgeteilt, wonach sich der DA gegen die geplanten arbeitszeitrechtlichen Änderungen aussprach und auf die Bestimmungen des PVG zur Herstellung des Einvernehmens verwies. Dieser dem DL übermittelte Umlaufbeschluss war mit den Namen A, B, D und E unterzeichnet.

Dieser Umlaufbeschluss war nicht von allen DA-Mitgliedern gefasst worden, weil das damalige DA-Mitglied E diesem Beschluss nicht zugestimmt hatte. Als Folge dieses dem DL übermittelten Umlaufbeschlusses legte E mit Schreiben vom 23. März 2020 sein Mandat im DA zurück.

Am 27. März 2020 informierte der DA die zivilen Mitarbeiter/innen der JA davon, dass die neuen Diensteinteilungen ohne Zustimmung des DA verfügt worden waren, obwohl nach §§ 9 und 10 PVG das Einvernehmen mit dem DA erforderlich gewesen wäre. Weiters wurde in diesem Schreiben mitgeteilt, dass der DA weiterhin danach trachten werde, einvernehmlich sinnvolle Arbeitszeitänderungen zu erreichen, dass der vorgelegte Dienstplan bis zu einer solchen Lösung jedoch einzuhalten sei.

Mit Schreiben des DL vom 4. April 2020 wurde der DA von den bereits erfolgten Dienstplanänderungen, darunter auch die Änderungen für die zivilen Bediensteten, die ohne Zustimmung des DA zustande gekommen waren, informiert.

Die vorstehenden Sachverhaltsfeststellungen wurden dem DA gemäß § 45 Abs. 3 AVG mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 zur Kenntnisnahme übermittelt und ihm Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

Unter einem wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall keiner Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist angenommen werde, es bestünden keine Einwände gegen den festgestellten Sachverhalt.

Der DA hat zu den Sachverhaltsfeststellungen der PVAB innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme abgegeben, weshalb angenommen wird, dass aus seiner Sicht keine Einwände dagegen bestehen.

Der Sachverhalt steht somit fest.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 41 Abs. 1 PVG obliegt der PVAB die Aufsicht über die PVO, welche insbesondere die Sorge um die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der PVO umfasst und die auch von Amts wegen zu erfolgen hat.

§ 22 Abs. 9 PVG lautet: „Die oder der Vorsitzende des Dienststellenausschusses kann die Beschlussfassung durch Einholung der Zustimmung der anderen Mitglieder im Umlaufweg ersetzen. Für Entscheidungen im Umlaufweg ist Stimmeneinhelligkeit sowie das Vorliegen eines begründeten Beschlussantrages der oder des Vorsitzenden erforderlich. Die Zustimmung kann mündlich, telefonisch oder in jeder anderen technisch möglichen Weise erteilt werden. Eine nicht schriftlich erteilte Zustimmung ist in einem Aktenvermerk festzuhalten (§ 16 AVG).“

Mit Schreiben vom 20. März 2020 wurde dem DL der Umlaufbeschluss des DA mitgeteilt, wonach sich der DA gegen die geplanten arbeitszeitrechtlichen Änderungen aussprach und auf die Bestimmungen des PVG zur Herstellung des Einvernehmens verwies. Dieser dem DL übermittelte Umlaufbeschluss war mit den Namen A, B, D und E unterzeichnet.

Dieser Umlaufbeschluss war jedoch nicht von allen DA-Mitgliedern gefasst worden, weil das damalige DA-Mitglied E diesem Beschluss nicht zugestimmt hatte. Als Folge dieses dem DL übermittelten Umlaufbeschlusses legte E mit Schreiben vom 23. März 2020 sein Mandat im DA zurück.

Da vom Gesetz für Umlaufbeschlüsse Stimmeneinhelligkeit verlangt wird, ist kein entsprechender DA-Beschluss zustande gekommen. Die Zustimmung der DA-Mitglieder zu dem vom DA-Vorsitzenden vorgeschlagenen Umlaufbeschluss erfolgte nur mehrheitlich, weil sich das damalige DA-Mitglied E seiner Stimme enthielt.

Bei Vorliegen auch nur einer Stimmenthaltung ist die für das gesetzeskonforme Zustandekommen von Umlaufbeschlüssen in § 22 Abs. 9 PVG zwingend geforderte Einstimmigkeit ohne jeden Zweifel nicht mehr gegeben.

Die Zählweise, wonach Stimmenthaltungen unbeachtlich sind und nur die abgegebenen Stimmen gezählt werden, kann nämlich nur für Beschlüsse Geltung haben, für die vom Gesetzgeber keine Einstimmigkeit innerhalb eines Kollegialorgans gefordert wird. Sind nach einer gesetzlichen Bestimmung nur die „abgegebenen“ Stimmen von Bedeutung, bedeutet das, dass Stimmenthaltungen weder als Zustimmung noch als Ablehnung gewertet werden können, sondern neutral zu sehen sind, während bei Stimmeneinhelligkeit die explizite Zustimmung aller Mitglieder des PVO erforderlich ist (PVAB 14. November 2016, A 21-PVAB/16).

Da dieser „Umlaufbeschluss“ des DA somit entgegen § 22 Abs. 9 PVG nicht in gesetzmäßiger Geschäftsführung zustande kam, belastet er die Geschäftsführung des DA insoweit mit Gesetzwidrigkeit und war als rechtswidrig aufzuheben.

Dagegen ist dem DA nicht anzulasten, trotz gegebener Rechtslage während der COVID-19-Maßnahmen versucht zu haben, die nachteiligen Folgen für die von ihm zu vertretenden Bediensteten so gering wie möglich zu halten, sowie die Bediensteten mittels Rundschreiben vom 27. März 2020 davon informiert zu haben, dass der DA weiterhin danach trachten werde, einvernehmlich sinnvolle Arbeitszeitänderungen zu erreichen. Dies umso mehr, als der DA in diesem Rundschreiben die betroffenen Bediensteten ausdrücklich davon in Kenntnis setzte, dass der vorgelegte Dienstplan bis zu einer solchen Lösung jedoch einzuhalten sei.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Hinweis

Nach § 10 Abs. 1 PVG sind beabsichtigte Maßnahmen der DL iSd § 9 Abs. 1 PVG dem DA spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung nachweislich zu Kenntnis zu bringen. Gemäß § 10 Abs. 2 PVG sind Maßnahmen, hinsichtlich derer das Einvernehmen mit dem DA herzustellen ist (§ 9 Abs. 2 PVG), gleichfalls spätestens zwei Wochen vor ihrer Durchführung dem DA nachweislich zur Kenntnis zu bringen, wobei die Verständigung nach § 9 Abs. 1 PVG oder das Einvernehmen als hergestellt gilt, wenn der DA zur geplanten Maßnahme die ausdrückliche Zustimmung gibt oder sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Mitteilung der geplanten Maßnahme nicht äußert; der DA kann innerhalb der zweiwöchigen Frist begründete Einwendungen erheben und allenfalls begründete Gegenvorschläge machen.

Zu den Maßnahmen, hinsichtlich derer das Einvernehmen mit dem DA herzustellen ist, zählen u.a. die Erstellung und Änderung des Dienstplanes einschließlich der zeitlichen Lagerung der Ruhepausen und der Diensteinteilung, soweit sich diese über einen längeren Zeitraum oder auf mehrere Bedienstete bezieht (§ 9 Abs. 2 lit. b PVG).

Gemäß § 10 Abs. 3 PVG sind auf Maßnahmen, die sofort getroffen werden müssen, insbesondere bei drohender Gefahr und bei Katastrophenfällen, sowie bei Alarm- und Einsatzübungen § 10 Abs. 1 und 2 PVG nicht anzuwenden; der DA ist jedoch unverzüglich von der getroffenen Maßnahme zu verständigen. Es steht außer Zweifel, dass Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Eindämmung der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie Maßnahmen iSd § 10 Abs. 3 PVG darstellen.

Demzufolge wurden die Vorgaben des § 10 Abs. 1 und 2 PVG, die sich auch auf § 9 Abs. 2 lit. b PVG beziehen, durch § 10 Abs. 3 PVG vom 17. März 2020 bis zur Rückkehr zum regulären Dienstbetrieb in den Justizanstalten mit 1. Juni 2020 ausgesetzt und die Dienststellenleiter/innen waren kraft Gesetzes nicht zur Herstellung des Einvernehmens mit dem DA über das Gruppensystem und die daraus folgende Diensteinteilung bzw. deren Änderungen verpflichtet. Nach § 10 Abs. 3 PVG bestand die gesetzliche Verpflichtung der Dienststellenleiter/innen aber darin, den DA von den zur Gefahrenabwehr getroffenen Maßnahmen unverzüglich zu verständigen.

Wien, am 17. August 2020

Die Vorsitzende:

Sektionschefin i.R. Prof.in Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:PVAB:2020:A14.PVAB.20

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2021
Quelle: Personalvertretungsaufsichtsbehörde Pvab, https://www.bundeskanzleramt.gv.at/personalvertretungsaufsichtsbehorde
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