TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/7 L524 2234685-1

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Veröffentlicht am 07.09.2020
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Entscheidungsdatum

07.09.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L524 2234685-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch RA Dr. Rudolf MAYER, Währinger Straße 3/14, 1090 Wien, gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2020, Zl. 409585103/181101645, zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird stattgegeben und gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich geboren und ist hier aufgewachsen. Er verfügt über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“. In Österreich leben die Eltern des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer wurde zuletzt mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 06.06.2018, XXXX , verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 05.08.2020, Zl. 409585103/181101645, wurde gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß 3 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

II. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem angeführten Bescheid, der Beschwerde, dem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem BFA sowie dem erwähnten Strafurteil.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

1. Über die gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG erhobene Beschwerde ist mit Erkenntnis zu entscheiden (vgl. VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0224).

2. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 18 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) …

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1.         die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2.         der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3.         Fluchtgefahr besteht.

(3) …

(4) …

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention lautet:

„Artikel 8 – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

3. Die belangte Behörde stützt die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides auf § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es zur Begründung der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise nicht, dafür auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0128, Rn. 18; 16.01.2020, Ra 2019/21/0360, Rn. 18; 04.04.2019, Ra 2019/21/0053, Rn. 12).

Derartige Umstände, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, hat das BFA nicht aufgezeigt.

Das BFA verweist auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, die Therapie wegen seiner Drogenabhängigkeit und die Verwaltungsübertretungen durch den Beschwerdeführer. Das BFA schließt aus der Missachtung der gesetzlichen Regelungen eine empfindliche und nachhaltige Störung der öffentlichen Ordnung. Dies vermag jedoch nicht die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise zu rechtfertigen. Sofern das BFA die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch damit begründet, dass die Begehung einer erneuten Straftat verhindert werden soll, ist festzuhalten, dass die letzte Straftat des Beschwerdeführers im März 2018 erfolgte und somit zweieinhalb Jahre zurückliegt. Eine sofortige Ausreise ist daher auch aus diesem Grund nicht notwendig. Die Begründung des BFA zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfüllt somit nicht die gesetzlichen Anforderungen.

Der Beschwerdeführer wurde zuletzt mit Urteil vom 06.06.2018 strafrechtlich verurteilt, wovon das BFA noch im Juni 2018 verständigt wurde. Das BFA verständigte erst mit Schreiben vom 21.04.2020 den Beschwerdeführer von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots. Weshalb nunmehr die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers erforderlich sein sollte, wenn zuvor das BFA beinahe zwei Jahre benötigt, um nach erfolgter Verständigung von der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers den Beschwerdeführer von der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots in Kenntnis zu setzen und den angefochtenen Bescheid zu erlassen, ist nicht ersichtlich.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in Österreich geboren wurde und hier aufgewachsen ist. Er verfügt über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“. In Österreich leben die Eltern des Beschwerdeführers. Es ist anzunehmen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten würde.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung EMRK reale Gefahr strafrechtliche Verurteilung Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L524.2234685.1.01

Im RIS seit

25.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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