Entscheidungsdatum
17.09.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L526 2234722-1/7Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina Schrey, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. XXXX , vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.08.2020, Zl. XXXX , beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch kurz „BF“ genannt) ist türkischer Staatsangehöriger und hält sich seit dem Jahr 1988 im österreichischen Bundesgebiet auf. Von 15.10.2003 bis 04.05.2019 war der Beschwerdeführer im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels.
I.2. Während seines Aufenthalts wurde der Beschwerdeführer im Bundesgebiet wiederholt straffällig, Insgesamt wurde er acht Mal von inländischen Strafgerichten rechtskräftig verurteilt.
I.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der nunmehr belangten Behörde (in weiterer Folge auch kurz „bB“ genannt), vom 04.07.2019, Zl. XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen sowie eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein sechsjähriges Einreiseverbot über den BF verhängt. Der genannte Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
I.4. Seit seiner Entlassung aus der Strafhaft am 24.07.2020 wird der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten.
I.5. Am 27.07.2020 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 03.08.2020 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz mit dem zuvor genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Der Beschwerde wurde gem. § 18 (1) Z 1 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
I.7. Gegen den o.a. Bescheid wurde binnen offener Frist vollumfänglich Beschwerde erhoben. Nach Wiederholung des Verfahrensganges wird die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens moniert. Im Wesentlichen wird vorgebracht, dass die bB keine neue Rückkehrentscheidung erlassen habe, obwohl neue Tatsachen hervorgekommen seien, deren Beurteilung zu Gunsten des BF zu werten seien. Ferner wurde vorgebracht, dass keine Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF und keine Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Situation in der Türkei erfolgt seien. Die bB habe sich auch nicht mit der Situation des BF im Falle einer Rückkehr in die Türkei befasst. Der BF habe eine asylrelevante Verfolgung angegeben und habe er unmittelbare Verhaftung sowie Folter und im schlimmsten Fall auch seine Ermordung zu erwarten. Der BF habe in Österreich auch an Demonstrationen gegen den türkischen Präsidenten teilgenommen. Der BF habe keinen familiären Anschluss in der Türkei und die Behörde habe nicht geprüft, wie sich der drogensüchtige BF dort selbst erhalten könne. Der BF sei vom Drogenkonsum auch schwer gezeichnet und habe er keine Möglichkeit, am Erwerbsleben teilzunehmen. Zudem seien auch die hohe Arbeitslosigkeit und die Situation aufgrund der Corona-Pandemie zu beachten. Im Weiteren werden Berichte zur Situation im Land angeführt, das Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den BF bestritten und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
I.8. Im Rahmen des Schubhaftverfahrens wurde festgestellt, dass der BF haftfähig ist. Im Schubhaftverfahren kam auch hervor, dass der BF in Anhaltug Suchtgiftersatzmedikamente (Methadon) erhält und gesundheitliche Probleme hat, die mit der Substitutionstherapie in Einklang stehen – der BF sei Entzugsepileptiker.
I.9. Mit Schreiben vom 7.9.2020 wurde die belangte Behörde aufgefordert, alle bezughabenden Akten, die zur Beurteilung der Rechtssache erforderlich sind, vorzulegen.
I.10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.09.2020 wurde der BF aufgefordert, zum Ergebnis der Beweisaufnahme (Anfragebeantwortungen und Berichte zur Drogen- (Ersatz-) Therapie und der medizinischen Versorgung in der Türkei) Stellung zu nehmen.
I.11. In seiner Stellungnahme zu den vom Gericht übermittelten länderkundlichen Berichten brachte der BF zusammengefasst vor, dass die übermittelten Berichte zum Teil veraltet seien, es in der Türkei keine Methadontherapie gebe und aktuelle Berichte sich lediglich mit einem anderen Drogenersatzstoff befassen würden. Er sei in einem sehr schlechten Allgemeinzustand und sei Entzungsepileptiker. Er sei in der Türkei nicht versichert, habe dort keine Verwandten und ein Umstieg auf den Drogenersatzstoff Bupensan könne bei methadonabhängigen Patienten zudem das Auftreten von Entzugserscheinungen beschleunigen. Der BF brauche Zugang zum türkischen Gesundheitssystem und Hilfe organisatorischer Natur und würde im Falle seiner Verbringung in die Türkei nicht in der Lage sein, für seine existentiellen Grundbedürfnisse zu sorgen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Es kann derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat eine reelle Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des am 4.9.2020 vorgelegten Verwaltungsaktes der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde sowie in das zum BF geführte Verfahren, Zl. W283 XXXX .
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reelle Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Dem dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Akt sowie dem von der zuständigen Richterin eingesehenen Schubhaftakt kann in Bezug auf den Gesundheitszustand des BF lediglich entnommen werden, dass dieser haftfähig und „Entzugsepileptiker“ ist. Dass sich die Behörde mit der Rückkehrsituation auseinandergesetzt hätte, lässt sich der Aktenlage nach einer Grobprüfung der Rechtssache nicht entnehmen. In Bezug auf die behauptete Hepatitis-Erkrankung des BF führt die belangte Behörde in dem in Beschwerde gezogenen Bescheid aus, dass diesbezüglich Ermittlungen angestellt worden seien und eine derartige Erkrankung diesen Ermittlungen zufolge nicht vorläge, jedoch lässt sich der gesamten Aktenlage keine Dokumentation über diese Ermittlungen (etwa ein Aktenvermerk über ein Telefonat oder schriftliche Korrespondenz) entnehmen und ist für das Bundesverwaltungsgericht daher nicht feststellbar, dass der BF tatsächlich an keiner Krankheit leidet.
Im vorliegenden Fall kann nach derzeitiger Aktenlage innerhalb der gesetzlichen Frist daher nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, dass die Effektuierung der Rückkehrentscheidung in den in Aussicht genommenen Zielstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.
Der Beschwerde war daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Da das ho. Gericht im gegenständlichen Fall im Rahmen der Prüfung gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG amtswegig vorzugehen hat, bleibt für einen entsprechenden Antrag kein Platz und war dieser daher zurückzuweisen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielshaft Erk. d. VwGH v. 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482; Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung EMRK reale Gefahr unzulässiger Antrag ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L526.2234722.1.01Im RIS seit
25.02.2021Zuletzt aktualisiert am
25.02.2021