TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/17 L524 1229815-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.09.2020

Norm

BFA-VG §18
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L524 1229815-2/4Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , XXXX , StA Türkei, vertreten durch RA Dr. Rudolf MAYER, Währinger Straße 3/14, 1090 Wien, gegen Spruchpunkt V. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2020, Zl. 712416403/190236561,

A) beschlossen:

Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird stattgegeben und gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, hält sich seit 2001 in Österreich auf. Er war zunächst Asylwerber. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.03.2010, E6 229.815-0/2008-10E, als unbegründet abgewiesen. Seit 30.11.2011 verfügt der Beschwerdeführer über Aufenthaltstitel für Österreich. Zuletzt wurde ihm der von 01.12.2017 bis 01.12.2018 gültige Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ erteilt. Am 23.11.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Verlängerungsantrag.

In Österreich leben die Ehefrau des Beschwerdeführers und die gemeinsamen drei minderjährigen Kinder.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 07.08.2020, Zl. 712416403/190236561, wurde gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

II. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes, einem IZR-Auszug, dem Bescheid des BFA und der Beschwerde.

III. Rechtliche Beurteilung:

Über die gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG erhobene Beschwerde ist mit Erkenntnis zu entscheiden (vgl. VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0224).

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 18 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) …

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1.         die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2.         der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3.         Fluchtgefahr besteht.

(3) …

(4) …

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.“

Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention lautet:

„Artikel 8 – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

Zu A) Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Im Rahmen des § 18 BFA-VG kann sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren ist ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG ist somit unzulässig (vgl. VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284).

Der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher zurückzuweisen.

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Die belangte Behörde stützt die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides auf § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es zur Begründung der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise nicht, dafür auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0128, Rn. 18; 16.01.2020, Ra 2019/21/0360, Rn. 18; 04.04.2019, Ra 2019/21/0053, Rn. 12).

Derartige Umstände, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, hat das BFA nicht aufgezeigt.

Das BFA verweist nur auf die Ausführungen zur Verhängung des Einreiseverbots, wonach der Beschwerdeführer über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder Straftaten begangen habe. Es sei zu erwarten, dass der Beschwerdeführer nach seiner Haftentlassung erneut straffällig werde, weshalb seine sofortige Ausreise zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Die Begründung des BFA zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfüllt somit nicht die gesetzlichen Anforderungen.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass in Österreich die Ehefrau des Beschwerdeführers und die gemeinsamen drei minderjährigen Kinder leben. Es ist anzunehmen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten würde.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung besondere Umstände EMRK reale Gefahr Straftat Teilerkenntnis unzulässiger Antrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L524.1229815.2.00

Im RIS seit

25.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten