TE Bvwg Beschluss 2020/10/30 L501 2231211-1

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Veröffentlicht am 30.10.2020
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Entscheidungsdatum

30.10.2020

Norm

ASVG §367
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a Abs1

Spruch


L501 2231211-1/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Einzelrichterin in der Beschwerdesache von Herrn XXXX , geboren XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt MMMMag. Dr. Konstantin HAAS, Gerstmayrstraße 40, 4060 Leonding, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Oberösterreich) vom 4.7.2019, Zl. XXXX , betreffend Rehabilitationsgeld, beschlossen:

A) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

I.1. Mit Bescheid vom 4.7.2019, Zl. XXXX , sprach die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse; im Folgenden "OÖGKK" bzw. "ÖGK") aus, dass der Anspruch des Antragstellers (im Folgenden "ASt") auf Rehabilitationsgeld ab 1.10.2017 in einer Höhe von täglich EUR 34,16 brutto (netto EUR 33,12) bestehe und ab 1.2.2019 aufgrund der Teilung das Rehabilitationsgeld folgendermaßen ausbezahlt werde: 80% vom Nettobezug = EUR 26,50 an die XXXX (im Folgenden "P. GmbH") und 20% vom Nettobezug = EUR 6,62 an den Versicherten.

Zur Begründung führte die OÖGKK zusammengefasst aus, dass der ASt laut Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden "PVA") vom 14.1.2015 Anspruch auf Rehabilitationsgeld ab dem 1.10.2014 habe. Aus diesem Grund sei der ASt bei der OÖGKK zur Krankenversicherung angemeldet worden. Die Administration (Berechnung und Auszahlung) des Rehabilitationsgeldes erfolge durch den zuständigen Krankenversicherungsträger, im Fall des ASt durch die OÖGKK. Vor der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes habe der ASt bis 30.9.2014 eine befristete Invaliditätspension von der PVA bezogen. Laut Information der PVA vom 13.1.2015 habe die Leistungshöhe der Invaliditätspension EUR 919,15 betragen. Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 1.2.2019, XXXX , sei die OÖGKK informiert worden, dass der ASt mit Wirkung vom 17.9.2018 aus dem Maßnahmenvollzug (§ 21 Abs. 1 StGB) unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt entlassen worden sei und dass er Weisung erhalten habe, seinen Wohnsitz in einer betreuten Wohneinrichtung entsprechend der mobilen Wohnbetreuung durch die P. GmbH zu nehmen. In diesem Beschluss sei weiters ausgesprochen worden, dass die mit der weisungsgebundenen Nachbetreuung verbundenen Kosten gemäß § 179a StVG vom Bund zu tragen seien und daher die Legalzession nach § 324 Abs. 4 ASVG zum Tragen komme. Gemäß diesem Beschluss würden die Kosten des Aufenthalts in der Betreuungseinrichtung, die vom Bund getragen würden, derzeit EUR 80,00 täglich betragen. Aus den diesem Beschluss beigefügten Unterlagen gehe im Wesentlichen hervor, dass der ASt diverse sonstige Lebenshaltungskosten bzw. Schulden habe. Der ASt habe schriftlich bestätigt, dass bei ihm keine unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen seien. Mit Schreiben vom 22.2.2019 habe die OÖGKK den ASt über die gesetzliche Rehabilitationsgeld-Teilung nach § 324 ASVG in Kenntnis gesetzt und ihm die Höhe dieser Teilung bekannt gegeben. Mit Schreiben vom 15.5.2019 habe der ASt einen Bescheidantrag betreffend diese Entscheidung gestellt.

Rechtlich folgerte die OÖGKK nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen, dass, nachdem der ASt infolge seiner bedingten Entlassung in einer betreuten Wohneinrichtung der P. GmbH untergebracht sei, ein Ersatzanspruch des Bundes bzw. der Einrichtung (Rehabilitationsgeld-Teilung nach § 324 Abs. 4 ASVG) geltend gemacht worden sei. Der Anspruchsübergang nach § 324 Abs. 3 bzw. 3 (gemeint wohl: Abs. 4) ASVG stelle eine Legalzession dar und entstehe unmittelbar bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Die Rehabilitationsgeld-Teilung nach § 324 ASVG sei zum einen durch das Vorhandensein unterhaltsberechtigter Angehöriger und zum anderen durch die Tatsache der "auf Kosten des Bundes erfolgten Unterbringung bis zur Höhe der Verpflegungskosten" bedingt. Da der ASt keine Angehörigen habe, für die ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch bestehe und die vom Bund übernommenen Verpflegskosten EUR 80,00 täglich betragen würden, werde die Rehabilitationsgeld-Teilung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen im Ausmaß von 80% vom Nettobezug = EUR 26,50 zugunsten des Bundes (P. GmbH) und im Ausmaß von 20% vom Nettobezug = EUR 6,62 zu Gunsten des ASt vorgenommen. Eine Berücksichtigung von sonstigen Ausgaben, Lebenshaltungskosten oder sonstigen individuellen Bedürfnissen sei auf Basis der eindeutig geregelten gesetzlichen Grundlage nicht möglich.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde angeführt, dass der ASt das Recht habe, gegen diesen Bescheid innerhalb von vier Wochen ab seiner Zustellung Klage zu erheben. Die Klage könne schriftlich beim Landesgericht Linz als zuständiges Arbeits- und Sozialgericht oder mündlich bei genanntem Gericht zu Protokoll gegeben werden.

I.2. Die vom ASt selbst verfasste Klage gegen den Bescheid langte am 24.7.2019 beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht ein. Darin begehrte der ASt die Aufhebung des der Kostenteilung zugrundeliegenden Bescheides und Neuberechnung der Kostenteilung unter Abstellung auf den Einzelfall und Reduktion der Teilung des Rehabilitationsgeldes sowie die Rückzahlung allfälliger Überschussleistungen bzw. Guthabens.

I.3. Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 17.10.2019, XXXX , wurde das bisherige Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen. Begründend führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass sich das Klagebegehren auf die Frage beziehe, ob ein Teil bzw. welcher Teil des dem Grund und der Höhe nach unbestrittenen Rehabilitationsgeldes dem Bund als Legalzessionar auszuzahlen sei. Die Frage bzw. Überprüfung der Auszahlung, d.h. an wen bzw. in welchem Umfang die zuerkannte Leistung auszuzahlen sei, sei aber weder eine Leistungssache im Sinne des § 65 Abs. 1 Z 1 ASGG noch eine bürgerliche Rechtssache im Sinne des § 1 JN. Vielmehr handle es sich um einen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch, dessen Überprüfung den ordentlichen Gerichten entzogen sei. Mangels Zulässigkeit des Rechtsweges sei die Klage zurückzuweisen und das vorangegangene Verfahren für nichtig zu erklären gewesen.

I.4. Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 20.1.2020, XXXX , wurde dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des ASt nicht Folge gegeben und der ordentliche Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt. Das Oberlandesgericht Linz teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes vollinhaltlich und bestätigte dessen Entscheidung, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen und das bisherige Verfahren als nichtig aufzuheben.

I.5. Mit Schriftsatz seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 31.10.2019 stellte der ASt einen Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe. Im Schriftsatz wurde zum Verfahrenshilfeantrag ausgeführt, dass der ASt aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei, die Kosten eines Rechtsanwaltes zu bezahlen und werde auf das beiliegende Antragsformular verwiesen. Der Umstand, dass es sich gegenständlich um eine komplexe Rechtsfrage handle, ergebe sich schon daraus, dass seitens des ASt bezweifelt werde, dass § 324 Abs. 4 mit der österreichischen Verfassung konform sei. Im Übrigen sei darauf zu verweisen, dass auch in seinem Verfahren zu XXXX des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht, in welchem es um dieselbe Rechtsfrage gehe, Verfahrenshilfe bewilligt worden sei. Aus diesem Grund werde auch im gegenständlichen Fall Verfahrenshilfe zu bewilligen sein. Der ASt ersuche den Ausschuss der OÖ. Rechtsanwaltskammer den Vertreter des ASt laut Beschwerde zu seinem Vertreter zu bestellen. Dem Schriftsatz beigelegt wurde ein ausgefülltes Formular "Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und Vermögensbekenntnis" vom 22.7.2019. Unter Punkt 1. "Zuständiges Gericht" wurde "Linz LG" angegeben. Unter Punkt 6. "Rechtssache" wurde angegeben, dass der ASt Verfahrenshilfe benötige, um "eine Klage zu erheben […]" und "zur Erhebung eines Rechtsmittels im Verfahren […]". Weiters werde um die Bestellung eines namentlich genannten Rechtsanwaltes ersucht. Zur Rechtssache wurde näher ausgeführt: "Aufhebung der Kostenteilung (80/20) der GKK Klage gegen den Bescheid". Es werde die Befreiung von "den Gerichtsgebühren und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren" sowie "den Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt" beantragt (Punkt 7.). Im Vermögensbekenntnis gab der ASt unter anderem an, dass er Rehabilitationsgeld bei der GKK, derzeit nur 20%, sowie Familienbeihilfe in Höhe von EUR 380 im Monat beziehe. Er habe Schulden in Höhe von EUR 127.000, ein Abschöpfungsverfahren laufe. Es bestehe ein Insolvenzverfahren ("Privatkonkurs") gegen ihn, er müsse monatlich EUR 20 an den Treuhänder zahlen.

Weiters beantragte der ASt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und für den Fall, dass das Oberlandesgericht Linz die Unzulässigkeit des gerichtlichen Rechtsweges bestätige, dass sich inhaltlich mit der Beschwerde gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid befasst werde. Die Beschwerde wurde gleichzeitig ausgeführt.

In der Sache brachte der ASt im Wesentlichen vor, dass mit den seitens der P. GmbH in Rechnung gestellten Tagsätzen die Kosten der Wohnung (Miete, Strom, Heizung) abgedeckt würden; nicht abgedeckt würden hingegen die Kosten für die Versorgung in Bezug auf alltagspraktische Dinge (Lebensmittel, Hygiene, Kleidung, Freizeit, …). Diese Versorgungskosten ließen sich mit den 20 Prozent des verbleibenden Rehabilitationsgeldes, sohin mit dem Betrag von EUR 6,62, welcher täglich an den ASt ausbezahlt werde, bei weitem nicht decken. Dagegen seien die derzeit EUR 80 an Kosten des Aufenthalts, welche der P. GmbH derzeit entstünden, mit den 80 Prozent des Rehabilitationsgeldes, sohin mit EUR 26,50 täglich, bei weitem überfinanziert. § 324 Abs. 4 ASVG sehe vor, dass die Regelung des Abs. 3 auch in jenen Fällen anzuwenden sei, in denen eine Person, die mit Anspruch auf Rehabilitationsgeld nach § 21 Abs. 1 StGB oder nach § 179a StVG auf Kosten des Bundes in einer Anstalt oder Einrichtung untergebracht sei, wie dies beim ASt der Fall sei. Offenbar würden hier ungleiche Sachverhalte systematisch gleich behandelt. Denn anders als bei "üblichen Pflegebedürftigen" sei die P. GmbH als Anstalt gerade nicht dafür ausgelegt, die vollen "Pflegeleistungen" zu erbringen. Anders als beispielsweise in einem Altenheim finde überhaupt keine Versorgung der Bewohner durch die P. GmbH statt und würden nur Leistungen der Beherbergung, Beratung, Betreuung, Begleitung und sozialtherapeutische Maßnahmen erbracht. Die eigentliche Versorgung und Verpflegung müsse hingegen jeder Bewohner selbst finanzieren. Auch wenn Pflegegeld oder erhöhte Familienbeihilfe beantragt würden, übersteige der monatlich verfügbare Betrag zur Versorgung und Verpflegung den Betrag von EUR 520 nicht. Die kulturelle, soziale und gesellschaftliche Teilhabe sei mit diesem Einkommen nicht möglich. Es seien dauerhaft keine Leistungen für eigene Wohnungen, Zukunftsvorsorge, Erwerb von größeren Konsumgütern, gesellschaftliche Teilnahme und Erwerb gesunder Lebensmittel möglich und sei darin eine Verhinderung der Gleichstellung zu erblicken; auch das Ziel der Resozialisierung und Reintegration sei damit nicht erreichbar. Zusammengefasst verstoße § 324 Abs. 4 ASVG gegen den Gleichheitssatz und fuße der angefochtene Bescheid auf einem rechtswidrigen Gesetz.

I.6. Mit Bescheid vom 27.3.2020 gab die ÖGK dem Antrag des ASt auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

I.7. Mit weiterem Bescheid vom 27.3.2020 gab die ÖGK der Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG teilweise Folge und änderte den Spruch dahingehend ab, dass der Antrag des ASt vom 15.5.2019 gegen die Einbehaltung bzw. den Übergang eines Leistungsanspruches nach § 324 Abs. 4 iVm Abs. 3 ASVG bezüglich des mit Bescheid der PVA vom 14.1.2015 zuerkannten Anspruches auf Rehabilitationsgeldes wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen werde.

Begründend führte die ÖGK zusammengefasst aus, dass sowohl der Anspruch des ASt auf Gewährung des Rehabilitationsgeldes aus der Krankenversicherung auf Grundlage des rechtskräftigen Bescheides der PVA vom 14.1.2015, als auch die Höhe des seit 1.10.2014 gebührenden Rehabilitationsgeldes unstrittig seien. In seinem Bescheidantrag vom 15.5.2019 wende sich der ASt ausdrücklich nur gegen die Rehabilitationsgeld-Teilung, also gegen die Auszahlung eines Teiles des Rehabilitationsgeldes an den Bund aufgrund der Legalzession nach § 324 Abs. 4 iVm Abs. 3 ASVG. Zur Unzulässigkeit des Rechtsweges im Zusammenhang mit der Rehabilitationsgeld-Teilung sei im Fall des ASt auf die Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 20.1.2020, XXXX , zu verweisen, wodurch das Verfahren vor den Arbeits- und Sozialgerichten beendet worden sei. Im Übrigen werde auf mögliche Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz bzw. auf mögliche Rechtsmittel aus der Exekutionsordnung verwiesen.

I.8. Mit Schriftsatz seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 7.4.2020 beantragte der ASt fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Im Schriftsatz wurde zunächst der Antrag gestellt, dem Antrag auf Verfahrenshilfe stattzugeben und den rechtsfreundlichen Vertreter des ASt zum Vertreter zu bestellen. Die entsprechenden Unterlagen befänden sich im Akt. Änderungen hätten sich seither nicht ergeben. Nach Wiederholung des Beschwerdevorbringens wurde ergänzend ausgeführt, dass sich die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Umstand ergebe, dass es sich in der gegenständlichen Angelegenheit um einen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch handle, dessen Überprüfung offenbar den ordentlichen Gerichten entzogen sei. Es bleibe daher nur die Anfechtung über die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

I.9. Der Akt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 22.5.2020 vorgelegt.

I.10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, GZ: L501 2231211-1/3E, wurde die Beschwerde des ASt gegen den Bescheid der OÖGKK vom 4.7.2019, Zl. XXXX , teilweise zurück- und teilweise abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhalts wird auf den unter I. angeführten Verfahrensgang verwiesen.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der ÖGK. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus dem Akteninhalt.

III. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung des Antrags auf Verfahrenshilfe

III.1. Maßgebliche Rechtsgrundlage (§ 8a VwGVG):

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.

III.2. Einschlägige Rechtsprechung:

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH vom 3.9.2015, Ro 2015/21/0032).

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 22.12.2010, C-279/09, festgehalten, dass die Frage der unionsrechtlich gebotenen Gewährung von Prozesskostenhilfe, die auch Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwaltes umfassen können, einzelfallbezogen nach Maßgabe folgender Kriterien zu erfolgen habe: Begründete Erfolgsaussichten des Klägers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Klägers, sein Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen (VwGH vom 3.9.2015, Ro 2015/21/0032). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Verfahrenshilfe nicht in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren. In seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung der Bestimmung des § 40 VwGVG führte, fasste der Verfassungsgerichtshof die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dahingehend zusammen, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse". In jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde", müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten zum Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (vgl. ErläutRV 1255 BlgNR XXV. GP zu § 8a VwGVG).

III.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Die Beschwerde des nunmehrigen ASt gegen den Bescheid der OÖGKK vom 4.7.2019 wurde unter einem mit dem gegenständlichen Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe eingebracht und wurden in der Beschwerde bereits sämtliche Argumente gegen den angefochtenen Bescheid vorgetragen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag wurde die Beschwerde teilweise zurück- und teilweise abgewiesen. Es sind somit keine weiteren Verfahrensschritte zu setzen, für die die Beigebung eines Rechtsanwaltes im Wege der Bewilligung der Verfahrenshilfe vor dem Hintergrund des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC erforderlich wäre. Für die Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG bzw. einer Revision gemäß Art. 133 B-VG gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag ist die Bewilligung der Verfahrenshilfe neuerlich beim zuständigen Gerichtshof zu beantragen.

Das Gericht verkennt nicht, dass der ASt in seinem Vermögensbekenntnis das Bestehen von Schulden in Höhe von EUR 127.000,00 bzw. eine anhängiges Insolvenzverfahren ("Privatkonkurs") samt laufendem Abschöpfungsverfahren angegeben hat. Der ASt bediente sich bereits zur Einbringung der Beschwerde und des gegenständlichen Verfahrenshilfeantrags eines rechtsfreundlichen Vertreters. In seinem Vermögensbekenntnis legte er aber nicht dar, dass er aus diesem Grund – seinen notwendigen Unterhalt beeinträchtigende – Verbindlichkeiten eingegangen sei bzw. offene Forderungen für die Abfassung und Einbringung des Rechtsmittels bestehen würden, die durch eine Bewilligung der Verfahrenshilfe wieder erlöschen würden. Dies wurde vom rechtsfreundlich vertretenen ASt auch im weiteren Verfahren nicht behauptet; die Richtigkeit der Angaben in den vorgelegten Unterlagen wurden im Vorlageantrag bekräftigt.

Aufgrund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, auf dessen

Entscheidungsgründe verwiesen wird und womit die seitens des ASt gegen den Bescheid der OÖGKK vom 4.7.2019 erhobene Beschwerde teilweise zurück- und teilweise abgewiesen wurde, stellt sich die beabsichtigte Rechtsverfolgung schließlich darüber hinaus als aussichtslos dar.

In einer Gesamtbetrachtung liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG damit nicht vor. Weder erfordern Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC die Bewilligung, noch ist ersichtlich, dass der notwendige Unterhalt des ASt durch die Kosten der Verfahrensführung beeinträchtigt worden sei bzw. würde und erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung schließlich als aussichtslos.

Der Antrag war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bewilligung von Verfahrenshilfe ab, noch fehlt es an einer – auszugsweise auch zitierten – Rechtsprechung zu den entscheidungswesentlichen Fragen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Eine mündliche Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall unterbleiben, da sich bereits aus der Aktenlage ergibt, dass von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine weitere Klärung des Sachverhalts nicht zu erwarten ist. Der maßgebliche Sachverhalt konnte bereits als durch die Aktenlage geklärt erachtet werden und ist nicht ergänzungsbedürftig. Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt näher zu erörtern, weshalb von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden konnte. Darüber hinaus gebietet Art. 6 EMRK bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 30.9.2015, Ra 2015/06/0073, mwN). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Schlagworte

Aussichtslosigkeit EMRK Verfahrenshilfeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L501.2231211.1.00

Im RIS seit

25.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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