TE Bvwg Beschluss 2020/11/13 L507 2198871-2

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Veröffentlicht am 13.11.2020
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Entscheidungsdatum

13.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


L507 2198871-2/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , StA. ungeklärt, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.03.2019, Zl. 1096598904 - 151864669, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang

1.1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 25.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.11.2015 brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, dass er Staatsangehöriger des Irak und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe sei. Der Beschwerdeführer habe gemeinsam mit seinen Eltern, seinen zwei Brüdern und seiner Schwester im Irak, in Arbil gelebt. Ein Bruder des Beschwerdeführers namens XXXX (29 Jahre alt) lebe in Österreich. Den Irak habe der Beschwerdeführer verlassen, weil sein Vater gewollt habe, dass er zur kurdischen Armee gehe, um für diese zu kämpfen.

Mit Schreiben vom 01.12.2015 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er staatenlos und kein irakischer Staatsangehöriger sei (AS 47).

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte der Beschwerdeführer am 04.01.2017 vor, dass er kein irakischer Staatsbürger sei. Die Eltern des Beschwerdeführers seien iranische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Kurden. Sie hätten vor ungefähr 30 Jahren den Iran in der Richtung Irak verlassen müssen. Der Vater des Beschwerdeführers sei Peschmerga und Mitglied der Demokratischen Partei gewesen; es habe damals Kämpfe zwischen der iranischen Armee und den kurdischen Peschmerga gegeben, weshalb die Eltern des Beschwerdeführers in den Irak geflüchtet seien.

Der Beschwerdeführer sei im Irak, in Arbil, geboren, sei dort aufgewachsen und habe dort die Schule besucht. Da die Eltern des Beschwerdeführers nach wie vor vom iranischen Geheimdienst gesucht werden würden, hätten sie gemeinsam mit dem Beschwerdeführer den Irak verlassen und seien in die Türkei gegangen, wo sie nach wie vor leben würden.

Ein Halbbruder des Beschwerdeführers namens XXXX , habe ebenfalls den Irak verlassen, weil er vom iranischen Geheimdienst gesucht werde. Der Halbbruder des Beschwerdeführers sei in Österreich aufhältig.

1.2. Dem Antrag auf internationalen Schutz des Halbbruders des Beschwerdeführers, XXXX , Staatsangehörigkeit: Iran, vom 29.11.2015 wurde mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark, vom 28.11.2017, Zl. XXXX , gemäß § 3 AsylG stattgegeben und ihm der Status des Asylberichtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wurde festgestellt, dass dem Halbbruder des Beschwerdeführers kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Das BFA ging im Asylverfahren des Halbbruders des Beschwerdeführers davon aus, dass es sich beim Halbbruder des Beschwerdeführers um einen Staatsangehörigen des Iran handelt, was auch im oben genannten Bescheid des BFA festgestellt wurde.

2. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 18.05.2018, Zl. 1096598904-151864669, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das BFA traf im angefochtenen Bescheid unter anderem die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Irak und muslimisch-sunnitischen Glaubens sei sowie der Volksgruppe der Kurden angehöre.

Beweiswürdigend führte das BFA zur festgestellten Staatsangehörigkeit aus, dass der Beschwerdeführer selbst bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 04.01.2017 angegeben habe, dass er bereits im Irak geboren sei und sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise im Irak verbracht habe, weshalb das BFA davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer irakischer Staatsangehöriger sei.

3. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 22.05.2018 persönlich zugestellten Bescheid wurde am 15.06.2018 Beschwerde erhoben und die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung beantragt.

Begründend wurde unter anderem folgendes wörtlich ausgeführt:

„Auf der Seite 12 des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Irak ist. Hier möchte der Beschwerdeführer darauf hinweisen, iranischer Staatsangehöriger zu sein. Als Beweis wird vorgebracht, dass der Halbbruder des Beschwerdeführers ebenfalls iranischer Staatsangehöriger ist. Dies wurde vom BFA anerkannt und ihm ein entsprechender Konventionspass mit Gültigkeit für alle Staaten der Welt ausgenommen Iran ausgestellt.

- Beweis: Kopie Konventionspass, XXXX

Dies wurde vom BFA nicht gewürdigt. Da der Beschwerdeführer somit aber iranischer Staatsangehöriger ist, liegt ein grob mangelhaftes Ermittlungsverfahren des BFA vor. Insbesondere liegen somit auch dem hier angefochtenen Bescheid Länderfeststellungen zum Irak anstatt richtigerweise zum Iran zugrunde. Schon aus diesem Grund wird der Bescheid daher zu beheben sein.“

4. In Erledigung dieser Beschwerde wurde der Bescheid des BFA vom 18.05.2018 mit hg. Beschluss vom 20.07.2018, Zl. L507 2198871-1/6E, behoben und die Angelegenheit gemäß
§ 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Bescheid des BFA in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt als mangelhaft sei.

Vom Beschwerdeführer sei im Verfahren vor dem BFA – mit Ausnahme der Angaben des damals noch minderjährigen Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.11.2015 – mehrfach vorgebracht worden, dass er iranischer Staatsangehöriger oder staatenlos sei.

Zum Beweis seines Vorbringens habe der Beschwerdeführer eine Bestätigung der kurdischen Freiheitspartei in Vorlage gebracht, aus der hervorgehe, dass er iranischer Nationalität sei.

Auch aus dem im Akt einliegenden Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , gehe hervor, dass der Beschwerdeführer von diesem Gericht als iranischer Staatsangehöriger bezeichnet worden sei.

Trotz des mehrfach eindeutigen Vorbringens des Beschwerdeführers, dass er kein irakischer Staatsangehöriger sei, im Zusammenhang mit dem Umstand, dass im Asylverfahren des Halbbruders des Beschwerdeführers dessen iranische Staatsangehörigkeit vom BFA rechtskräftig festgestellt worden sei, habe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Feststellung getroffen, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsangehörigen des Irak handeln würde. Beweiswürdigend habe sie dazu lapidar ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei der Einvernahme vor dem BFA angegeben habe, im Irak geboren zu sein und sein ganzes Leben im Irak verbracht zu haben, weshalb man davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer ein irakischer Staatsbürger sei.

Ermittlungen betreffend die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers – wie etwa die Aufforderung an den Beschwerdeführer zur Vorlage von Identitätsdokumenten, Staatsbürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde, Dokumente der in der Türkei lebenden Eltern des Beschwerdeführers; oder die zeugenschaftliche Einvernahme des in Österreich lebenden Halbbruders des Beschwerdeführers und die Einsichtnahme in den Asylakt des Halbbruders des Beschwerdeführers, woraus hervorgehe, dass es sich bei diesem um einen iranischen Staatsangehörigen handeln würde; oder die Beauftragung einer Recherche vor Ort (im ehemaligen Wohnort des Beschwerdeführers; in der Schule, die vom Beschwerdeführer besucht worden sei; Befragung der Eltern in der Türkei; etc.) durch einen Ländersachverständigen; usw. – habe die belangte Behörde gänzlich unterlassen.

Infolge der Unterlassung eines unbedingt erforderlichen Ermittlungsverfahrens zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sei die belangte Behörde bei der Prüfung und Beurteilung des Antrages auf international Schutz davon aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsangehörigen des Irak handeln würde, weshalb als Herkunftsstaat des Beschwerdeführers der Irak angenommen und geprüft worden sei.

5. Im fortgesetzten Verfahren wurden dem Beschwerdeführer vom BFA mit einem als „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG“ bezeichneten Schreiben vom 03.01.2019 aktuelle Länderfeststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak übermittelt und aufgefordert folgende Fragen zu aktuellen Situation in Österreich zu beantworten:

„1. Haben sie zwischenzeitig einen Deutschkurs besucht oder besuchen sie derzeit einen Deutschkurs und wie würden sie ihr nunmehriges Sprachniveau beschreiben?

2. Sind sie in Österreich jemals einer Beschäftigung nachgegangen? Gehen sie aktuell einer Beschäftigung in Österreich nach? Wenn ja, welche und wie lange bzw. seit wann?

3. Wie bestreiten sie ihren Lebensunterhalt?

4. Besuchen sie in Österreich sonstige Kurse, eine Schule oder eine Universität oder sind sie Mitglied in einem Verein?

5. Haben sie einen Freundeskreis oder bisher nicht genannte Verwandten Österreich?

6. Wurden sie in Österreich jeweils von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder einer Ausweisung belegt?

7. Haben sie eine andere besondere Bindung in Österreich, die sie anführen möchten?

8. Sie werden aufgefordert Dokumente (Staatsbürgerschaftsnachweis, Reisepass, Personalausweis und dgl.) die ihre Identität belegen der ho. Behörde im Original zu übermitteln.“

In der schriftlichen Stellungnahme vom 15.01.2019 wurde ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20.07.2018 den Bescheid des BFA vom 18.05.2018 behoben und für weitere Ermittlungen an das BFA zurückverwiesen habe, insbesondere zum Zweck der Ermittlung der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, welchen Zweck die neuerliche Übermittlung der Länderfeststellungen zur Lage im Irak dienen solle und brauche daher an dieser Stelle auch nicht darauf eingegangen werden.

Das BFA sei an die rechtliche Beurteilung des BVwG gebunden und solle daher Ermittlungstätigkeiten zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers aufnehmen. Als Beweis bietet der Beschwerdeführer die Zeugeneinvernahmen seines in Österreich lebenden Halbbruders und seiner derzeit in Arbil im Irak lebenden Eltern an. Identitätsbezeugende Dokumente könne er leider nicht vorlegen, da er keine besitze.

9. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 07.03.2019, Zl. 1096598904-151864669, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß
§ 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß
§ 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das BFA traf im angefochtenen Bescheid unter anderem neuerlich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Irak und muslimisch-sunnitischen Glaubens sei sowie der Volksgruppe der Kurden angehöre.

Beweiswürdigend führte das BFA zur festgestellten Staatsangehörigkeit Folgendes aus:

„Die Feststellungen, dass Sie im Asylverfahren als Staatsangehöriger des Irak zu behandeln waren, geht aus Ihren Angaben in Übereinstimmung mit den Personalstatuten zum Irak hervor:

Zur Staatsangehörigkeit wird hier wie folgt angeführt:

1) Erwerbsgründe: (§§ 2-7, 10-14 StAngG)

a) Abstammung: - wenn der Vater oder die Mutter eines ehelichen Kindes die irakische Staatsangehörigkeit besitzt;

-wenn die Mutter eines nichtehelichen Kindes Irakerin ist oder das Kind von einem Iraker als sein legitimes Kind anerkannt wurde;

b) Geburt im Irak: - wenn die Eltern unbekannt sind oder es sich um ein Findelkind handelt, bis zum Beweis des Gegenteiles;

c) Option: - wenn eine Person, die im Ausland geboren wurde, eine irakische Mutter hat und der Vater unbekannt ist, eine Person im Irak wohnt, innerhalb eines Jahres nach Vollendung des 18. Lebensjahres für die irakische Staatsangehörigkeit optiert und der zuständige Minister eine Genehmigung erteilt;

-wenn eine Person, die im Irak geboren wurde, einen nichtirakischen Vater hat, der u.a. selbst im Irak geboren wurde, während ihres Aufenthalts im Irak volljährig wird, eine Option abgibt und diese von zuständigen Minister genehmigt wird;

d) Einbürgerung: - wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. zehnjähriger Aufenthalt im Irak, Unbescholtenheit, Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts) vorliegen und der Antrag vom zuständigen Minister genehmigt wird; Ehefrauen irakischer Männer können unter erleichterten Voraussetzungen eingebürgert werden; Palästinensern ist die Einbürgerung verwehrt;

e) Wiedererwerb: - wenn ein ehemaliger Iraker in den Irak zurückkehrt oder wenn eine ehemalige Irakerin einen Iraker heiratet oder ihre frühere Ehe aufgelöst wurde, jeweils auf Antrag;

– wenn ein ehemaliger Iraker, dem die irakische Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen wurde, einen Antrag stellt und dieser genehmigt wird;

f) Erstreckung: - wenn ein Nichtiraker die irakische Staatsangehörigkeit erwirbt, erstreckt sich der Erwerb auch auf seine minderjährigen Kinder;

– wenn der nichtirakische Ehemann einer ehemaligen Irakerin die irakische Staatsangehörigkeit erwirbt, erstreckt sich der Erwerb auch auf seine Ehefrau.

2) Verlustgründe: (§§ 10,14,15, StAngG)

a) Verzicht: - wenn ein Iraker eine fremde Staatsangehörigkeit erworben hat, durch schriftliche Erklärung (Doppelstaatsangehörigkeit ist möglich);

b) Erstreckung: - wenn ein Iraker die irakische Staatsangehörigkeit verliert, erstreckt sich der Verlust auch auf seine minderjährigen Kinder;

c) Entziehung.

Wie aus Ihrem Vorbringen zu entnehmen ist, sind Sie selbst im Irak geboren, bis zu Ihrem 16. Lebensjahr aufhältig gewesen und unbescholten, somit trifft Punkt 1 d auf Ihre Person zu. Weiters geht ebenfalls aus Ihren Angaben hervor, dass Ihre Kernfamilie (Eltern) den Iran vor ca. 30 Jahren in den Irak verlassen haben und Ihr Vater im Irak mehrere Jahrzehnte gearbeitet hat und somit der soziale und wirtschaftliche Lebensmittelpunkt im Irak über 3 Jahrzehnte bestanden hat, somit trifft auch auf Ihren Vater Punkt 1 d zu und geht durch den Erwerb der irakischen Staatsbürgerschaft Ihres Vaters, wie unter Punkt 1 f ersichtlich die irakische Staatsbürgerschaft von Ihrem Vater bzw. Ihren Eltern auf Sie als damals minderjähriges Kind über. Ihre Behauptung zu Ihrer Illegalität Ihrer Familie im Irak über 30 Jahre können somit von der Behörde schon aus diesen Lebensumständen nicht nachvollzogen werden, aber sprechen auch die von Ihnen vorgelegten irakischen Schulzeugnisse gegen Ihre in den Raum gestellte Behauptung, so es Ihnen über viele Jahre hinweg möglich war eine offizielle irakische Schule zu besuchen und dort Abschlüsse zu erzielen. Es sei hier auch auf Punkt 2 a verwiesen, dass auch die Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft (Irak – Iran) gegeben ist.

Zur Staatsangehörigkeit ist überdies zu sagen, dass Sie bereits bei Ihrer Erstbefragung hier in Österreich in Anwesenheit Ihres Rechtsvertreters und nach Rückübersetzung der Niederschrift mit Ihrer Unterschrift die Richtigkeit Ihrer Angaben betreffend der irakischen Staatsangehörigkeit bestätigten. Fakt ist, dass Sie Ihre iranische Staatsangehörigkeit nicht beweisen konnten. Bemerkt werden sollte weiters, dass auch der Umstand, dass Ihr weit älterer, hier in Österreich ( XXXX ) aufhältiger Halbbruder ( XXXX ) in seinem Asylverfahren als iranischer Staatsbürger geführt wurde nicht den obigen Feststellungen entgegensteht, zumal es sich um Ihren Halbbruder handelt.

10. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.03.2019 durch Hinterlegung zugestellt. In gegenständlicher Beschwerde vom 22.03.2019 wurde begründend unter anderem ausgeführt, dass das BFA im angefochtenen Bescheid weiterhin davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger des Irak sei. Diese Ansicht habe die belangte Behörde mit dem irakischen Staatsangehörigkeitsgesetz begründet. Demnach könne eine Person die irakische Staatsangehörigkeit erlangen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. zehnjähriger Aufenthalt im Irak, Unbescholtenheit, Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts) vorliegen und der Antrag vom zuständigen Minister genehmigt würde. Der Beschwerdeführer erfülle nach Ansicht der belangten Behörde diese Voraussetzungen. Auch der Vater des Beschwerdeführers erfülle diese Voraussetzungen, wodurch im Rahmen der möglichen Erstreckung des Erwerbs der irakischen Staatsangehörigkeit auf minderjährige Kinder auch der Beschwerdeführer diese erwerben würde. Außerdem wäre die Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft gegeben. Es sei zudem nicht verständlich, wie der Beschwerdeführer ohne irakische Staatsangehörigkeit die Schule besuchen habe können. Aus diesen Ausführungen können jedoch keineswegs zwingend geschlossen werden, dass der Beschwerdeführer irakischer Staatsangehöriger sei.

Zudem stützte sich das BFA in den beweiswürdigenden Ausführungen darauf, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung angegeben habe, irakischer Staatsangehöriger zu sein. Das BFA ignoriere jedoch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er iranischer Staatsbürger sei und dass es bei der Erstbefragung zu Problemen mit dem Dolmetscher gekommen sei.

Des Weiteren sei die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die Führung des Halbbruders des Beschwerdeführers in dessen Asylverfahren als iranischer Staatsangehöriger den Feststellungen, dass der Beschwerdeführer irakischer Staatsangehöriger sei, nicht entgegenstehe, da es sich lediglich um einen Halbbruder handle. Diese Begründung entbehre jedoch jeglicher Logik, denn ob die Voraussetzungen für den Erwerb der irakischen Staatsangehörigkeit im Wege der Einbürgerung bzw. Erstreckung vorliege, ändere sich nicht dadurch, dass es sich um einen Halbbruder handle oder nicht. Vielmehr sei in dieser Ansicht eine willkürliche Ungleichbehandlung zwischen Fremden zu sehen.

Im Übrigen habe die belangte Behörde das in der Stellungnahme vom 15.01.2019 enthaltene Beweisanbot komplett und unbegründet ignoriert. Das BFA sei daher nach der Behebung des Erstbescheides durch das Bundesverwaltungsgericht ihrer Ermittlungspflicht in qualifizierter Weise nicht nachgekommen. Auf die rechtliche Beweisführung brauche daher nicht weiter eingegangen werden, da schon die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers von der belangten Behörde falsch festgestellt worden sei. Dass sich die Verfolgung immer auf den Herkunftsstaat beziehe, seien die Beweiswürdigung und die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde unter der falschen Annahme einer irakischen Staatsangehörigkeit unbeachtlich.

Es werde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A):

2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

Gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2.2. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als – eine – Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern – auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt – auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

3. Der angefochtene Bescheid erweist sich erneut in Bezug auf den Sachverhalt aus folgenden Gründen als massiv mangelhaft:

Im fortgesetzten Verfahren wurden vom BFA erneut Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gänzlich unterlassen. Der Beschwerdeführer wurde vom BFA lediglich schriftlich dazu aufgefordert Identitätsdokumente in Vorlage zu bringen. Auf die Antwort des Beschwerdeführers, er würde Identitätsdokumente nicht besitzen, antwortete das BFA nicht mit weiteren Ermittlungen, sondern erließ erneut sogleich den angefochtenen Bescheid. In diesem Bescheid stellte die belangte Behörde vor dem Hintergrund der Bestimmungen des irakischen Staatsbürgerschaftsgesetzes Vermutungen und Mutmaßungen an und ging davon aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen irakischen Staatsangehörigen handeln müsse.

Das BFA ignorierte diesbezüglich gänzlich das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Staatsbürgerschaft, das in Vorlage gebrachte Beweismittel (Bestätigung der kurdischen Freiheitspartei), den Umstand, dass das BFA selbst im Verfahren den Halbbruder des Beschwerdeführers betreffend dessen iranische Staatsangehörigkeit rechtskräftig festgestellt hat, sowie die in der schriftlichen Stellungnahme vom 15.01.2019 angebotenen Beweise und zwar die zeugenschaftlichen Einvernahmen des in Österreich aufhältigen Halbbruders des Beschwerdeführers und der im Irak aufhältigen Eltern des Beschwerdeführers.

Gänzlich ignorierte das BFA im fortgesetzten Verfahren die gerichtlichen Aufträge im hg. Beschluss vom 20.07.2018 wie etwa die Aufforderung an den Beschwerdeführer Identitätsdokumente und Staatsbürgerschaftsnachweise seiner Eltern in Vorlage zu bringen, die zeugenschaftliche Einvernahme des in Österreich lebenden Halbbruders des Beschwerdeführers und die Einsichtnahme in dessen Asylakt oder die Beauftragung einer Recherche vor Ort durch einen Ländersachverständigen.

Ferner verweigert die belangte Behörde grundlos und beständig, den Beschwerdeführer persönlich einzuvernehmen und die Frage der Staatsangehörigkeit im Rahmen einer solchen Einvernahme mit dem Beschwerdeführer persönlich zu erörtern.

Sohin wurde im fortgesetzten Verfahren trotz des mehrfach eindeutigen und erneuten Vorbringens des Beschwerdeführers, dass er kein irakischer Staatsangehöriger sei, im Zusammenhang mit dem Umstand, dass im Asylverfahren des Halbbruders des Beschwerdeführers dessen iranische Staatsangehörigkeit von der belangten Behörde rechtskräftig festgestellt wurde, im angefochtenen Bescheid neuerlich die Feststellung getroffen, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsangehörigen des Irak handelt. Beweiswürdigend stellte die belangte Behörde diesbezüglich lediglich gestützt auf das irakische Staatsbürgerschaftsgesetz Mutmaßungen und reine Vermutungen über die Möglichkeiten des Erwerbs der irakischen Staatsbürgerschaft durch den Beschwerdeführer oder dessen Vater an, die mangels erforderlicher Ermittlungen bzw. brauchbarer Ermittlungsergebnisse nicht nachvollziehbar sind.

Notwendige Ermittlungen betreffend die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers – wie etwa die Aufforderung an den Beschwerdeführer zur Vorlage von Identitätsdokumenten der mittlerweile wieder im Irak lebenden Eltern des Beschwerdeführers; oder die zeugenschaftliche Einvernahme des in Österreich lebenden Halbbruders des Beschwerdeführers und die Einsichtnahme in den Asylakt des Halbbruders des Beschwerdeführers, woraus hervorgeht, dass es sich bei diesem um einen iranischen Staatsangehörigen handelt; oder die Beauftragung einer Recherche vor Ort (im ehemaligen Wohnort des Beschwerdeführers; in der Schule, die vom Beschwerdeführer besucht wurde; Befragung der Eltern; etc.) durch einen Ländersachverständigen; usw. – hat die belangte Behörde neuerlich gänzlich unterlassen.

Infolge der Unterlassung eines unbedingt erforderlichen Ermittlungsverfahrens zur Feststellung der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ging die belangte Behörde bei der Prüfung und Beurteilung des Antrages auf international Schutz davon aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Staatsangehörigen des Irak handelt, weshalb als Herkunftsstaat des Beschwerdeführers der Irak angenommen und geprüft wurde.

Nach Ansicht des Bundeswartungsgerichtes sind aber vor dem Hintergrund des
§ 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 bei der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz von Personen, die behaupten, eine andere als vom BFA vermutete Staatsangehörigkeit zu besitzen bzw. staatenlos zu sein, eingehende und umfangreiche Ermittlungen und darauf gestützte eindeutige und konkrete Feststellungen zur Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit der Antragsteller notwendig und unbedingt erforderlich, zumal nach
§ 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 der Herkunftsstaat der Staat ist, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Herkunftsstaat im Sinne dieser Bestimmung ist somit primär jener Staat, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht; nur wenn ein solcher Staat nicht existiert, wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthaltes zurückgegriffen. Auf welchen Staat diese Voraussetzungen im Einzelfall zutreffen, ist von den Asylbehörden zu ermitteln und festzustellen.

Zusammengefasst leidet der angefochtene Bescheid unter diesen Gesichtspunkten erneut unter erheblichen und bemerkenswerten Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Frage der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer konkret und gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität und erweist sich für das Bundesverwaltungsgericht der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung einer allfälligen Gefährdung des Beschwerdeführers unter dem Aspekt der Gewährung des Status des Asylberechtigten als so mangelhaft, dass weitere notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich erscheinen.

Damit hat die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ermittlungen gänzlich unterlassen, wobei diese Ermittlungen nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht erstmals vorgenommen werden müssten.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Da der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Unterlassung notwendiger Ermittlungen der belangten Behörde nicht feststeht und diese Ermittlungstätigkeit sowie die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (erstmals) durch das Bundesverwaltungsgericht selbst vorgenommen werden müsste, war gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG mit der Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde vorzugehen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs. 3, 3. Satz VwGVG; vgl. auch z.B. VwGH 22.12.2005, Zl. 2004/07/0010, VwGH 08.07.2004, Zl. 2003/07/0141 zu § 66 Abs. 2 AVG); durch eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG tritt das Verfahren aber in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch 22.05.1984, Zl. 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen der Beschwerdeverfahren erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß
§ 18 Abs. 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass dieses ergänzt bzw. vervollständigt wird.

Jedenfalls hat die belangte Behörde sohin im fortgesetzten Verfahren eine Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durchzuführen, wobei mit dem Beschwerdeführer persönlich dessen Staatsbürgerschaft bzw. Staatsangehörigkeit zu erörtern sein wird. Dabei wird der Beschwerdeführer auch persönlich aufzufordern sein, eigene Identitätsdokumente und Identitätsdokumente seiner Familienangehörigen – insbesondere seiner Eltern – in Vorlage zu bringen. Der Beschwerdeführer wird auch eindringlich und nachhaltig über seine Mitwirkungspflichten im fortgesetzten Verfahren zu belehren sein, wobei er auch über die Konsequenzen einer möglichen Verletzung der Mitwirkungspflichten zu belehren sein wird. Daneben ist die belangte Behörde aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch verpflichtet, den in Österreich lebenden Halbbruder des Beschwerdeführers zeugenschaftlich zum Thema der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers einzuvernehmen und in dessen Asylakt – insbesondere in die vom Halbbruder des Beschwerdeführers in Vorlage gebrachten Dokumente – Einsicht zu nehmen. Ferner hat das BFA – sofern die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers aufgrund anderer geeigneter und eindeutiger Ermittlungsergebnisse nicht festgestellt werden kann – Recherchen vor Ort (im ehemaligen Wohnort des Beschwerdeführers; in der Schule, die vom Beschwerdeführer besucht wurde; Befragung der Eltern; etc.) zur Frage der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu veranlassen.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, zumal aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit dem Vorbringen in der Beschwerde feststeht, dass der angefochtene Bescheid zu beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen war.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063) ab. Durch das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in der Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich beantwortet.

Schlagworte

Einvernahme Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Staatsangehörigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L507.2198871.2.00

Im RIS seit

25.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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