TE Bvwg Beschluss 2020/11/24 L527 2212617-1

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Entscheidungsdatum

24.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


L527 2212617-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2018, Zahl XXXX :

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 18.10.2018 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, er sei ein Angehöriger der Jungpartei BNP (Bangladesh Nationalist Party) und bekannt als mitwirkende Person dieser Partei gewesen. Am XXXX 2018 sei er von der Polizei angeklagt worden. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er mit Drogenhändlern zu tun gehabt hätte, was jedoch nicht stimme. Die Polizei habe einen Drogendealer gefasst und dieser habe seinen Namen genannt. Die Polizei sei eine Marionette der Regierung, weshalb sie auch Mitglieder der BNP anklage bzw. verhafte. Die Polizei foltere auch die zu Unrecht angeklagten und verhafteten Personen.

Am 24.10.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde) „zur Identitätsprüfung“ einvernommen. Der beigezogene Dolmetscher gab am Ende der Einvernahme an, dass er keine Bedenken/Zweifel an der (bangladeschischen) Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers habe, zumal dieser „reines“ Bengali spreche.

In der Einvernahme vor der Behörde am 29.11.2018 erstattete der Beschwerdeführer ein sehr umfangreiches – sich über mehrere Seiten der Niederschrift erstreckendes – Vorbringen, weshalb er seinen Heimatstaat verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt habe. Auf das Wesentliche zusammengefasst brachte der Beschwerdeführer vor: Er sei seit 2012 politisch aktiv gewesen. Als es im Februar 2016 zu einem vielbeachteten Diebstahl bei Banken gekommen sei, habe er bei einer Veranstaltung der Jubo-Dal (Jugendflügel der BNP) eine Rede über den Diebstahl gehalten. Die Rede sei so gut angekommen, dass er am XXXX 2017 zu einem Mitglied der Partei ernannt worden sei. In der Folge habe er Anrufe des Vorsitzes der AWAMI League (AL) bzw. der Bangladesh Chhatra League (Studentenflügel der AL) erhalten. Es sei ihm angedroht worden, dass er seine Arbeit bei der XXXX Bank verliere, sollte er seine politische Tätigkeit nicht beenden; der Besitzer der Bank, XXXX , sei ein Anhänger der AL. Auf Druck seines Chefs hin habe er schließlich am XXXX 2017 gekündigt. Er habe sich nach seiner Kündigung vermehrt auf die Politik konzentriert, wobei seine Arbeit bei der BNP jene eines Werbesekretärs gewesen sei. Im Jahr 2018 sei es bei Protesten bzw. Treffen zu Zwischenfällen mit der Polizei gekommen, bei denen Anhänger der Jubo-Dal verhaftet worden seien; der Beschwerdeführer habe flüchten können. Weiters haben ihn ca. im April 2018 Anhänger der AL in seinem Geschäft ausgeraubt und sich auch den Zins aus der Vermietung seiner Immobilien angeeignet. Die Polizei habe ihm nicht geholfen, keine Anzeige aufgenommen und ihn sogar angeschrien, gedemütigt und verjagt. Am 30.09.2018 sei er von seinem Vater angerufen worden. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass die Polizei wegen eines Strafverfahrens nach ihm suche. Er werde beschuldigt, Partner eines Alkohol- bzw. Yaaba-Tabletten-Händlers zu sein. Da darauf in Bangladesch die Todesstrafe stehe, habe er sich umgehend zur Flucht entschieden. Bei seiner Rückkehr befürchte er neben der Todesstrafe bzw. unmenschlicher Behandlung sowie Folter in Haft auch, dass er von XXXX , einem Importeur und Schlepper, getötet werde, da dieser vermute, der Beschwerdeführer habe ihn an die Polizei verraten.

Sowohl im Zuge der Einvernahmen als auch nach Bescheiderlassung brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut an fremdsprachigen Unterlagen bei der belangten Behörde in Vorlage, darunter eine Geburtsurkunde, eine Mitgliedsbestätigung der BNP sowie Unterlagen zum angeblichen Strafverfahren gegen ihn, jeweils in Kopie. Der verwaltungsbehördliche Akt enthält weitere fremdsprachige Unterlagen; es ist weder zweifelsfrei ersichtlich, wann sie vorgelegt wurden, noch worum es sich handelt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (Spruchpunkt V) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI). Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe seien nicht asylrelevant bzw. glaubhaft. Er habe nicht glaubhaft machen können, dass er in seinem Herkunftsstaat asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche Verfolgung künftig zu befürchten hätte.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer die vorliegende Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Bei der Bezeichnung von Aktenbestandteilen verwendet das Bundesverwaltungsgericht in der Folge Abkürzungen: AS: Aktenseite(n); S: Seite(n); OZ: Ordnungszahl(en); VA: (von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegter) Verwaltungsverfahrensakt; f: folgende [Aktenseite/Seite]; ff: folgende [Aktenseiten/Seiten].

1. Feststellungen:

1.1. Der (männliche) Beschwerdeführer stellte am 18.10.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, den er im verwaltungsbehördlichen Verfahren – auf das Wesentliche zusammengefasst – wie folgt begründete: Er habe 2016, nachdem er sich bereits mehrere Jahre politisch für die BNP eingesetzt habe, eine Rede über einen vielbeachteten Diebstahl bei Banken gehalten und sei in weiterer Folge zu einem Mitglied der Partei ernannt worden. Als bekannt geworden sei, dass er Mitglied der BNP sei, habe ihn sein Chef, ein Mitglied der AL, dazu gedrängt, seine Arbeitsstelle bei der XXXX Bank zu kündigen. Nach der Kündigung habe er sich vermehrt auf die Politik konzentriert, wobei seine Arbeit bei der BNP jene eines Werbesekretärs gewesen sei. Im Jahr 2018 sei es bei Protesten bzw. Treffen zu Zwischenfällen mit der Polizei gekommen, bei denen Anhänger der Jubo-Dal verhaftet worden seien; der Beschwerdeführer habe flüchten können. Weiters haben ihn ca. im April 2018 Anhänger der AL in seinem Geschäft ausgeraubt und sich auch den Zins aus der Vermietung seiner Immobilien angeeignet. Die Polizei habe ihm nicht geholfen, keine Anzeige aufgenommen und ihn sogar angeschrien, gedemütigt und verjagt. Am 30.09.2018 sei er von seinem Vater angerufen worden. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass die Polizei wegen eines Strafverfahrens nach ihm suche. Er werde beschuldigt, Partner eines Alkohol- bzw. Yaaba-Tabletten-Händlers zu sein. Da darauf in Bangladesch die Todesstrafe stehe, habe er sich umgehend zur Flucht entschieden. Bei seiner Rückkehr befürchte er neben der Todesstrafe bzw. unmenschlicher Behandlung sowie Folter in Haft auch, dass er von XXXX , einem Importeur und Schlepper, getötet werde, da dieser vermute, der Beschwerdeführer habe ihn an die Polizei verraten. (AS 15, 144 ff).

Der Beschwerdeführer erstattete in der Einvernahme am 29.11.2018 insgesamt ein sehr umfangreiches – sich über mehrere Seiten der Niederschrift erstreckendes – Vorbringen zu den Gründen, aus denen er seinen Heimatstaat verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt habe. Das Vorbringen enthält detaillierte Angaben, etwa tagesgenaue Zeiteingaben und Namen von Personen, die in die geschilderten Geschehnisse involviert gewesen seien. Ferner bezog sich der Beschwerdeführer in seinem Vorbringen mehrfach auf historische Ereignisse bzw. Daten, z. B. auf die Parlamentswahl in Bangladesch im Jahr 2014 und darauf, dass die BNP daran nicht teilnahm, auf die so genannte Cyber-Attacke auf die Zentralbank Bangladeschs am 04.02.2016 (vgl. etwa https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hackerangriff-in-bangladesch-tippfehler-verhindert-riesigen-bankbetrug-14117244.html [Stand: 10.03.2016; zuletzt abgerufen am 21.11.2020]), und auf den Geburtstag der Vorsitzenden der BNP. (AS 144 ff)

1.2. Laut Niederschrift habe der Beschwerdeführer bereits in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 24.10.2018 zahlreiche Beweismittel vorgelegt (AS 114, 117) und auch in der Einvernahme am 29.11.2018 brachte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen in Vorlage, darunter auch viele Dokumente in bengalischer Sprache (AS 143). Dabei handle es sich laut Beschwerdeführer unter anderem um Unterlagen zu einem gegen ihn bestehenden Strafverfahren in Kopie, eine Kopie der Geburtsurkunde, eine Mitgliedsbestätigung der BNP, ein Zertifikat über einen Computerkurs, ein Maturazeugnis, ein Zertifikat über den Bachelor- und Masterabschluss in Rechnungswesen, ein Dienstzeugnis, Dokumente von seiner Tätigkeit in seinem Geschäft und eine Besitzurkunde über zwei Häuser.

Tatsächlich enthält der von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Akt auf den AS 109 bis 111 (augenscheinlich ident: AS 151 bis 152) sowie auf den AS 165 bis 184 in bengalischer Sprache verfasste und sichtlich im Zuge der behördlichen Einvernahmen vorgelegte Dokumente. Die betreffenden Aktenbestandteile sind weder in deutscher Sprache beschriftet noch ließ sie die belangte Behörde ins Deutsche übersetzen. Auch anderweitig setzte sich die belangte Behörde, abgesehen davon, dass der Leiter der Einvernahme den Beschwerdeführer am 29.11.2018 fragte, warum er nur Kopien der Anzeige habe (AS 140), mit den Unterlagen, die das Strafverfahren und damit einen zentralen Aspekt des Fluchtvorbringens betreffen sollen (vgl. insbesondere AS 15, 146 f), nicht auseinander.

1.3. Der verwaltungsbehördliche Akt enthält auf den Aktenseiten 281 bis 327, 330 bis 335 sowie 341 bis 353, 359 bis 397, 403 bis 433 weitere fremdsprachige Unterlagen, ohne Übersetzung in die deutsche Sprache.

Bedingt durch die Art der Verfahrens- und Aktenführung durch die Behörde (insbesondere durch den Umstand, dass die Behörde Aktenbestandteile ohne [nachvollziehbare] Begründung von der Akteneinsicht ausnimmt), lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen, wann der Beschwerdeführer die Unterlagen auf den Aktenseiten 281 bis 327 vorlegte; es ist auch nicht ersichtlich, worum es sich handelt. Es kann lediglich vermutet werden, dass der Beschwerdeführer diese Unterlagen am Tag der Erlassung des angefochtenen Bescheids der Behörde übermittelte (AS 277, 279 f [die AS 279 f seien laut Behörde von der Akteneinsicht ausgenommen]).

Beim Inhalt der Aktenseiten 330 bis 335 handelt es sich, soweit ersichtlich, um handschriftlich in bengalischer Sprache verfasste Unterlagen, die der Beschwerdeführer nach Erlassung des angefochtenen Bescheids vorlegte (AS 277, 329). Ohne nachvollziehbaren Grund verfügte die Behörde, dass diese Unterlagen von der Akteneinsicht ausgenommen seien.

Die Unterlagen auf den Aktenseiten 341 bis 353, 359 bis 397, 403 bis 433 legte der Beschwerdeführer nach Erlassung des angefochtenen Bescheids vor (AS 277, 337, 339, 357, 387, 401, 432); soweit erkennbar, handelt es sich um Ausdrucke aus den sozialen Medien.

1.4. Laut Niederschrift der Einvernahme am 29.11.2018 habe der Beschwerdeführer während der Rückübersetzung Ergänzungen reklamiert (AS 145). Der Niederschrift lässt sich – bedingt durch die Gestaltung derselben durch die belangte Behörde – nicht entnehmen, ob diese Ergänzungen in die Niederschrift Eingang gefunden haben und worin sie bestanden.

1.5.

1.5.1. Mit dem angefochtenen – 70 Seiten umfassenden – Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (Spruchpunkt V) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI). (AS 185) Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe seien nicht asylrelevant bzw. glaubhaft. Er habe nicht glaubhaft machen können, dass er in seinem Herkunftsstaat asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche Verfolgung künftig zu befürchten hätte. (AS 199). Es sei nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat Verfolgung drohe (AS 241).

1.5.2. Die dafür maßgeblichen beweiswürdigenden Erwägungen der Behörde beschränken sich auf zwei A4-Seiten im angefochtenen Bescheid (AS 240 f), wobei ein Teil der Ausführungen (ca. eine halbe A4-Seite) darin besteht, dass die Behörde die aus ihrer Sicht für die Beweiswürdigung maßgeblichen Grundsätze festhält (AS 240). Anschließend gibt die Behörde zusammengefasst Teile des Vorbringens des Beschwerdeführers wieder (AS 240). Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers findet auf den letzten Zeilen von AS 240 und ansonsten auf AS 241 Platz und besagt im Wesentlichen Folgendes:

Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer, obwohl er bereits seit 2012 Mitglied der BNP gewesen sei, erst in den letzten zwei Jahren vor seiner Ausreise solch massive Probleme mit der Regierung gehabt habe. Dass er erst so viele Jahre später Probleme wegen seiner politischen Tätigkeit bekommen habe, obwohl angeblich der Besitzer der Bank, in der er gearbeitet habe, und auch der Vermieter seines Geschäftslokales, Anhänger der AL seien, sei nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer habe auch widersprüchliche Angaben zu seiner Funktion bei der BNP gemacht. So habe er einmal davon gesprochen, ein geachtetes und angesehenes Mitglied der Partei gewesen zu sein und dementsprechend viele Anhänger gehabt zu haben, während er später auf die Frage, was seine genaue Funktion in der Partei gewesen sei, angegeben habe, dass er lediglich Werbesekretär und einfaches Mitglied gewesen sei.

Aus Sicht der belangten Behörde sei es auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Einvernahme angegeben habe, dass gegen ihn eine Anzeige wegen eines zuvor verhafteten Alkoholhändlers erstattet worden sei, der ihn angeblich als Komplize genannt habe, er aber im Rahmen der Erstbefragung von einem Drogendealer gesprochen habe. Die Antwort des Beschwerdeführers, nachdem er auf diese Diskrepanz angesprochen worden sei, es handle sich um irgendwelche Tabletten und er sei vom Dolmetscher nicht richtig verstanden worden, sei nicht plausibel, zumal er die Richtigkeit der Übersetzung einerseits mit seiner Unterschrift bestätigt habe und auch die Frage nach der Korrektheit der Erstbefragung im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme nochmals bestätigt habe.

Es sei außerdem nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer, als er gemerkt habe, dass seinem Vorbringen kein Glaube geschenkt werde, plötzlich weitere Gründe für seine Flucht angeführt habe. Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer kurz zuvor mehr als drei A4-Seiten lang seine Fluchtgründe geschildert habe, wirke seine Erklärung, er habe nicht genug Zeit gehabt, um diese zusätzlichen Gründe schon eher anzugeben, schon fast absurd.

Schließlich führte die belangte Behörde noch aus: „In Zusammenschau der aufgezählten Fakten, kommt die Behörde zu dem Schluss, dass Ihr Vorbringen als unglaubwürdig und frei erfunden zu werten ist, weshalb die von Ihnen vorgelegten, angeblichen Beweismittel nicht als solche gewertet werden können. Die Authentizität des von Ihnen vorgelegten Strafverfahrens gegen Sie wird seitens der Behörde als zweifelhaft angesehen, zumal es sich ohnehin nur um Kopien handelt. Die Tatsache, dass in Bangladesch Dokumente und Gefälligkeitsschreiben durch diverse Behörden sehr leicht gegen Bezahlung erhältlich sind ergibt sich aus dem Länderbericht der Staatendokumentation zu Bangladesch. Der Grund für Ihre nochmalige Einreise in Österreich ist daher in wirtschaftlichen Motiven zu suchen, was selbstverständlich nicht zur Gewährung von internationalem Schutz führen kann.“ (AS 241; Orthografie und Grammatik im Original).

Bei letzterem Absatz handelt es sich um einen Textbaustein, welchen die belangte Behörde schon mehrfach verwendete, wenn es um die Beweiswürdigung von Unterlagen aus Bangladesch ging (vgl. beispielsweise BVwG 17.02.2020, L527 2210991-1/6E, Punkt 1.3.2. mit minimalen Abwandlungen einen Halbsatz betreffend). Was die Behörde dazu veranlasste, beim Beschwerdeführer von einer „nochmalige[n] Einreise in Österreich“ auszugehen, erschließt sich im Übrigen nicht einmal ansatzweise. Denn der Beschwerdeführer gab an, dass er seinen Herkunftsstaat nunmehr zum ersten Mal verlassen habe (AS 116), und die Behörde legte nicht dar, weshalb dieser Aussage nicht zu folgen wäre.

1.6. Das Bundesverwaltungsgericht musste bereits mehrmals feststellen, dass die belangte Behörde notwendige und bisweilen aufwendige Ermittlungen unterlassen hat. So hat es die Behörde bereits in zahlreichen Verfahren zu Anträgen auf internationalen Schutz von Fremden aus dem Herkunftsstaat Bangladesch unterlassen, fremdsprachige Bescheinigungsmittel zu übersetzen bzw. übersetzen zu lassen und sich mit diesen in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen. Angesichts dessen liegt der Schluss nahe, dass die belangte Behörde – grundsätzlich gebotene – Ermittlungsmaßnahmen mit der Intention unterlässt, dass sie das Bundesverwaltungsgericht vornimmt.

1.7. Das Bundesverwaltungsgericht kann die notwendigen Ermittlungen keinesfalls rascher durchführen und auch den Sachverhalt keinesfalls rascher feststellen als die belangte Behörde. Es wäre keineswegs mit einer Kostenersparnis – und erst recht nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, würde das Bundesverwaltungsgericht statt der belangten Behörde die erforderliche Ermittlungstätigkeit und Sachverhaltsfeststellung vornehmen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen unter 1.1. bis 1.5. waren auf Grundlage des von der belangten Behörde vorgelegten Akts, des gegenständlichen Akts des Bundesverwaltungsgerichts und des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.02.2020, L527 2210991-1/6E, zu treffen. Die jeweiligen Aktenbestandteile sind bei den Feststellungen, soweit möglich, unter Nennung der Aktenseiten angegeben. Einwände, dass der Akt unvollständig oder unrichtig wäre, wurden nicht erhoben. Dementsprechend konnte das Bundesverwaltungsgericht den Akteninhalt seinen Feststellungen ohne Weiteres zugrunde legen. Dass das Bundesverwaltungsgericht dem verwaltungsbehördlichen Akt Übersetzungen von näher genannten fremdsprachigen Aktenbestandteilen nicht entnehmen konnte, deutet nicht auf die Unvollständigkeit des Akts hin, sondern liegt vielmehr daran, dass die Behörde die Dokumente tatsächlich nicht übersetzen hat lassen.

Der verwaltungsbehördliche Akt enthält ein A4-Kuvert, in dem sich jene Aktenbestandteile bzw. Aktenseiten befinden, die laut der belangten Behörde von der Akteneinsicht ausgenommen seien. Das Bundesverwaltungsgericht protokollierte die von der Behörde beschriftete Seite des Kuverts zu Dokumentationszwecken unter der OZ 5. Weder auf oder im Kuvert noch im übrigen Akt findet sich eine Begründung dafür, weshalb die Behörde verfügte, dass die betreffenden Aktenbestandteile/-seiten von der Akteneinsicht ausgenommen seien. Auch im Lichte des § 17 AVG erschließt sich nicht, weshalb etwa ein vom Beschwerdeführer an die Behörde übermitteltes E-Mail (AS 279 f) von der Akteneinsicht ausgenommen werden sollte, zumal das Recht auf Akteneinsicht ohnedies nur den Parteien zukommt. Deshalb musste das Bundesverwaltungsgericht feststellen, dass es hinsichtlich der konkret genannten Aktenbestandteile an einer (nachvollziehbaren) Begründung für die Ausnahme von der Akteneinsicht fehlt.

Zur Feststellung unter 1.4. ist hervorzuheben, dass sich in der Niederschrift vom 29.11.2018 im Text der vom Beschwerdeführer zu Protokoll gegebenen Gründe, aus denen er seinen Heimatstaat verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, zwei Mal die Anmerkung findet, dass der Beschwerdeführer während der Rückübersetzung eine Ergänzung reklamiere (AS 145). Ob diese (gewünschten) Ergänzungen tatsächlich in das Protokoll Eingang gefunden haben, ist allerdings nicht ersichtlich: Am Ende der Niederschrift (AS 150) befinden keine Anmerkungen/Ergänzungen des Beschwerdeführers. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, weshalb er seinen Heimatstaat verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, sind einheitlich formatiert (es sind keine Abschnitte etwa kursiv oder anderweitig gekennzeichnet), sodass auch insofern nicht ersichtlich ist, dass einzelne Passagen (und welche allenfalls) erst im Zuge der Rückübersetzung in das Protokoll aufgenommen worden wären.

Damit ist der Sachverhalt insofern aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

2.2. Die Feststellung, dass die belangte Behörde notwendige und bisweilen aufwendige Ermittlungen unterlässt, war im Lichte zahlreicher Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu treffen. Exemplarisch verweist das Bundesverwaltungsgericht auf: BVwG 17.02.2020, L527 2210991-1/6E; BVwG 02.10.2018, L516 2144445-2/2E, BVwG 24.09.2018, L516 2202821-1/5E; BVwG 17.08.2018, L512 2199291-1/6E; BVwG 05.04.2018, L516 2153392-1/5E; BVwG 18.01.2018, L516 1427683-2/4E. In dem diesen Entscheidungen jeweils vorangegangenen Verwaltungsverfahren hatte die belangte Behörde es unterlassen, vom jeweiligen Beschwerdeführer vorgelegte fremdsprachige Bescheinigungsmittel übersetzen zu lassen bzw. sich (auch) anderweitig damit in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen. Ferner führte der Verwaltungsgerichtshof erst kürzlich aus, dass das von der belangten Behörde in einer Amtsrevision gegen einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem dieses einen Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückverwiesen hatte, erstattete Vorbringen, eine nach der Judikatur unzulässige Verlagerung der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unterlassenen (schwierigen) Ermittlungen auf das Bundesverwaltungsgericht bedeutete; vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0128.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts erscheint daher der Schluss berechtigt, dass diese grundsätzlich gebotenen Ermittlungsschritte von der belangten Behörde regelmäßig mit der Intention unterlassen werden, dass diese durch das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen werden. Dafür spricht im Übrigen auch, dass sich die belangte Behörde bei von Asylwerbern aus dem Herkunftsstaat Bangladesch vorgelegten Bescheinigungsmitteln vielfach auf den Standpunkt zurückzieht, dass gekaufte Gefälligkeitsschreiben und echte Dokumente falschen Inhalts in Bangladesch leicht zu beschaffen seien; vgl. etwa die bereits zitierten Entscheidungen BVwG 02.10.2018, L516 2144445-2/2E; BVwG 24.09.2018, L516 2202821-1/5E.

2.3. Schon aus der Tatsache, dass das vom Bundesverwaltungsgericht zu führende Verfahren ein Mehrparteienverfahren ist (vgl. § 18 VwGVG), folgt eindeutig, dass das Bundesverwaltungsgericht die notwendigen Ermittlungen keinesfalls rascher durchführen und auch den Sachverhalt keinesfalls rascher feststellen könnte als die belangte Behörde. Auch die Feststellung, dass es keineswegs mit einer Kostenersparnis – und erst recht nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, würde das Bundesverwaltungsgericht statt der belangten Behörde die erforderliche Ermittlungstätigkeit und Sachverhaltsfeststellung vornehmen, ergibt sich daraus. Dass die belangte Behörde – im Unterschied zum Bundesverwaltungsgericht – eine Spezialbehörde für das Fremdenwesen und Asyl (vgl. das BFA-G) ist, mag zwar für sich allein nicht begründen, dass die Voraussetzung des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG nicht erfüllt sei, kann jedoch als einer von mehreren Faktoren durchaus Berücksichtigung finden; vgl. VwGH 26.04.2016, Ro 2015/03/0038.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des angefochtenen Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl:

3.1. Zu den rechtlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren:

3.1.1. § 37 iVm § 39 Abs 2 AVG verpflichtet die Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Näher dazu und unter Verweis auf zahlreiche Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Hengstschläger/Leeb, AVG § 39 Rz 7, 19 ff (Stand 1.7.2005, rdb.at).

§ 18 AsylG 2005 verpflichtet die belangte Behörde, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen; vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100.

Der Verwaltungsgerichtshof betont in seiner ständigen Rechtsprechung, dass § 18 AsylG 2005 für das Asylverfahren eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen; vgl. mwN VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0236.

Auch die Verfassung enthält Vorgaben zum behördlichen Ermittlungsverfahren. So liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre eingreift, etwa im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhalts; vgl. VfGH 20.02.2015, E 1278/2014 mwN.

3.1.2. Der in § 39 Abs 2 AVG ausgesprochene Grundsatz der Amtswegigkeit (Offizialmaxime) schließt den Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit ein; vgl. mwN Hengstschläger/Leeb, AVG § 39 Rz 7 (Stand 1.7.2005, rdb.at). Dem AVG ist eine antizipierende Beweiswürdigung fremd; vgl. z. B. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/11/0038. Eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung liegt vor, wenn ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorweggenommen wird. Die freie Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs 2 AVG darf erst nach einer vollständigen Beweisaufnahme einsetzen; vgl. abermals VwGH 25.05.2016, Ra 2016/11/0038.

Auch genügt ein allgemeiner Verdacht, dass die Beweiskraft von Beweismitteln (konkret: Urkunden) deshalb gering sei, weil derartige Urkunden auch ohne adäquaten Nachweis von bestimmten Behörden oder Behörden eines bestimmten Herkunftsstaats ausgestellt werden würden bzw. weil Urkunden unwahren Inhalts eines bestimmten Herkunftsstaats weit verbreitet seien, nicht, um im Verfahren vorgelegten Urkunden generell den Beweiswert abzusprechen; vgl. mwN VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0083.

3.2. Den Anforderungen an ein vollständiges und mangelfreies Ermittlungsverfahren ist die belangte Behörde im gegenständlichen Fall in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht geworden. Das von der Behörde geführte (Ermittlungs)verfahren ist grob mangelhaft; die Behörde hat den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht (hinreichend) ermittelt. Die Behörde hat den entscheidungsrelevanten Sachverhalt (folglich) auch nicht vollständig und nachvollziehbar festgestellt. Schließlich verstößt auch die „Begründung“ des angefochtenen Bescheids gravierend gegen die rechtlichen Vorgaben:

3.2.1. Der Beschwerdeführer legte sowohl bei der Einvernahme am 24.10.2020, als auch bei der Einvernahme am 29.11.2018 Dokumente in bengalischer Sprache vor. Dabei handle es sich unter anderem um Unterlagen, die das gegen ihn in Bangladesch geführte und, wie sich aus den Angaben in der Einvernahme eindeutig ergibt, politisch motivierte Strafverfahren betreffen sollen (vgl. oben unter 1.1. und bereits AS 15). Die Beweismittel betreffen damit ein zentrales Element des Vorbringens, mit dem der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet. Dass die - somit relevante Sachverhaltselemente betreffenden - Beweismittel an sich ungeeignet wären, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern, ist weder ersichtlich noch hat die belangte Behörde dergleichen (begründet, nachvollziehbar und rechtskonform) dargetan. Wie unter 1.2. festgestellt, hat die belangte Behörde diese Beweismittel nicht übersetzt bzw. übersetzen lassen. Sie hat dem Beschwerdeführer keinerlei Fragen zum angeblichen Strafverfahren gestellt (AS 141 ff) und unterließ auch ansonsten eine konkrete Auseinandersetzung mit diesen Beweismitteln, wie etwa eine nähere Befragung dazu. Die einzige an den Beschwerdeführer gerichtete Frage, welche in Zusammenhang mit dem Strafverfahren steht, nämlich warum der Beschwerdeführer nur Kopien der Anzeige habe, scheint zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts (weitgehend) ungeeignet. Zu bedenken ist ferner, dass die Behörde keine weitergehenden Fragen stellte und dass mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer lediglich Kopien vorlegte, für sich allein genommen nicht schlüssig begründet werden kann, dass es sich um Gefälligkeitsschreiben bzw. ein fingiertes Strafverfahren bzw. bei allfälligen (im Herkunftsstaat befindlichen) Originaldokumenten um Fälschungen handle. Bemerkenswert ist ferner, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer in weiterer Folge auch nicht aufforderte, die Originale aus Bangladesch zu besorgen und vorzulegen. Ob eine Herbeischaffung der originalen Unterlagen und eine fachkundige Überprüfung zur vollständigen Sachverhaltsermittlung und rechtskonformen Würdigung des Vorbringens jedenfalls geboten (gewesen) wären, kann an dieser Stelle freilich – in Unkenntnis des konkreten Inhalts der Bescheinigungsmittel – nicht abschließend beurteilt werden. Dass weder die Behörde noch das Bundesverwaltungsgericht Kenntnis vom Inhalt der Bescheinigungsmittel hat, liegt allein daran, dass die Behörde die Einholung einer Übersetzung der Bescheinigungsmittel in die deutsche Sprache und (auch sonst) die notwendige Auseinandersetzung (in Form einer konkreten Befragung des Beschwerdeführers) unterließ. Im Ergebnis hat die Behörde in einem entscheidungswesentlichen Punkt jegliche zielführende Ermittlungsmaßnahme unterlassen. Bereits im Unterlassen der insoweit gebotenen Sachverhaltsermittlung besteht eine gravierende Ermittlungslücke.

Soweit die belangte Behörde zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumenten betreffend das (angebliche) Strafverfahren ausführt, dass diesen der Beweiswert abzusprechen sei, und dies damit begründet, dass „[…] in Bangladesch Dokumente und Gefälligkeitsschreiben durch diverse Behörden sehr leicht gegen Bezahlung erhältlich sind […]“ (AS 241), nimmt sie gerade jene Beweiswürdigung vor, die ihr nach dem AVG verwehrt ist, nämlich eine antizipierende Beweiswürdigung. Dass nach den Länderinformationen (AS 238 f) in Bangladesch echte Dokumente unwahren Inhalts und Gefälligkeitsbescheinigungen von Behörden, Privatpersonen und Firmen problemlos gegen Zahlung erhältlich sind, entbindet die belangte Behörde nicht davon, sich mit den im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Beweismitteln individuell auseinanderzusetzen, was in diesem Fall die Übersetzung jedenfalls für das Vorbringen zentraler Beweismittel und eine nähere Befragung des Beschwerdeführers erfordert hätte. Da die Behörde weder Übersetzungen eingeholt noch den Beschwerdeführer konkret, eingehend und (im Sinne der Sachverhaltsermittlung) zielführend zu den vorgelegten Dokumenten befragt hat, kann sie den maßgeblichen Sachverhalt, konkret den Inhalt der Beweismittel, nicht hinreichend ermittelt haben, um die Relevanz der Beweismittel sachgerecht beurteilen zu können. Dies begründet eine besonders gravierende Ermittlungslücke. Die Berichtslage alleine kann nicht zu einem Automatismus führen, Beweismittel aus Bangladesch von Vornherein als nicht beweiskräftig zu qualifizieren.

3.2.2. Des Weiteren ist zu beachten, dass der angefochtene Bescheid 70 Seiten umfasst, die Beweiswürdigung betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaats macht davon lediglich einen Bruchteil aus; vgl. bereits oben unter 1.5. sowie AS 240 bis 241. Auf den Kern des Vorbringens des Beschwerdeführers ist die Behörde im Bescheid, konkret in der Beweiswürdigung, bestenfalls ansatzweise eingegangen. In der quantitativ ohnedies dürftigen Beweiswürdigung hat sich die Behörde vor allem mit – wenigen – Nebenaspekten bzw. -umständen und vermeintlichen Diskrepanzen in den Angaben des Beschwerdeführers befasst (z. B. Probleme erst in den letzten beiden Jahren vor der Ausreise, obwohl der Beschwerdeführer bereits seit 2012 Mitglied der BNP sei; Funktion innerhalb der Partei; Alkoholhändler oder Drogenhändler; angebliche Steigerung des Fluchtvorbringens).

Zu diesen von der Behörde in der Beweiswürdigung aufgegriffenen Punkten ist festzuhalten: Der Beschwerdeführer gab entgegen den Ausführungen der belangten Behörde gar nicht an, seit 2012 Mitglied der BNP zu sein, sondern erklärte lediglich, seit 2012 politisch aktiv zu sein (AS 147). Erst am XXXX 2017 sei er nach eigenen Angaben zu einem Mitglied der Partei geworden (AS 145). Auch die Ausführungen der Behörde zur Funktion des Beschwerdeführers in der BNP finden in den Niederschriften der Einvernahmen keine Deckung. Der Beschwerdeführer sagte nämlich tatsächlich nicht, dass er ein geachtetes und angesehenes Mitglied der Partei gewesen wäre und dementsprechend viele Anhänger gehabt habe, sondern sagte: „Ich habe eine kleine Rede gehalten, seitdem werde ich als angesehener Anhänger angesehen. Viele Anhänger kamen zu mir und sagten, ich hätte eine außergewöhnliche und gute Rede gehalten, sie bedankten sich bei mir.“ (AS 145) Was die angebliche Diskrepanz zwischen den Aussagen des Beschwerdeführers betrifft, wonach er einmal angegeben habe, dass er beschuldigt werde, der Partner eines Drogendealers zu sein, und ein anderes Mal, dass es sich um einen Alkoholhändler gehandelt habe, ist die Behörde darauf hinzuweisen, dass auch Alkohol als Droge bzw. Suchtmittel zu qualifizieren ist (vgl. exemplarisch https://www.oesterreich.gv.at/themen/gesundheit_und_notfaelle/sucht/2/Seite.1520230.html [23.11.2020], und https://sdw.wien/wp-content/uploads/Download-PDF4.pdf [23.11.2020]). (Jedenfalls) ohne näher Auseinandersetzung mit den entsprechenden Begrifflichkeiten in der bengalischen Sprache – eine solche nahm die Behörde nicht vor, ist die Argumentation der Behörde daher nicht schlüssig. Eine Steigerung des Vorbringens mag durchaus ein Indiz für fehlende Glaubhaftigkeit sein. Zum einen lässt die Behörde jedoch außer Acht, dass der Beschwerdeführer ein umfangreiches und zahlreiche Details enthaltendes Vorbringen in freier Schilderung erstattete (AS 144 ff); mit diesem Vorbringen setzte sich die Behörde, wie bereits ausgeführt, kaum auseinander. Zum anderen fragte der Leiter der Einvernahme den Beschwerdeführer, nachdem dieser eine weitere Befürchtung für den Fall der Rückkehr zu Protokoll gegeben hatte (AS 148 f), nicht allein danach, weshalb der Beschwerdeführer dieses Vorbringen nicht bereits früher in der behördlichen Einvernahme erstattet hatte, sondern er fragte auch, warum der Beschwerdeführer dies in der Erstbefragung nicht erwähnt habe (AS 149). Im Hinblick auf die Erstbefragung, die „insbesondere“ der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die „näheren“ Fluchtgründe zu beziehen hat (§ 19 Abs 1 AslyG 2005), kann die Antwort des Beschwerdeführers „Ich hatte nicht so viel Zeit.“ (AS 149) nicht von vornherein als „schon fast absurd“ (AS 241) angesehen werden.

Ungeachtet dessen, dass dem Großteil der Erwägungen der Behörde daher nicht gefolgt werden kann, hätte sie sich, um den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung eines Bescheids gerecht zu werden, mit den zentralen Elementen des Vorbringens des Beschwerdeführers näher auseinandersetzen müssen, und zwar sowohl im Ermittlungsverfahren als auch in der Beweiswürdigung; vgl. insbesondere die oben unter 3.1.1. dargestellte Rechtslage sowie § 45, § 58 Abs 2, § 60 AVG; vgl. auch z. B. VwGH 25.04.2019, Ra 2018/09/0212, VwGH 25.09.2018, Ra 2017/01/0203, VwGH 31.07.2018, Ro 2015/08/0033, und – zur Bedeutung der Frage, ob Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat – VwGH 26.05.2004, 2001/08/0026. Zu diesen zentralen Elementen des Vorbringens zählen – nach der Aktenlage – insbesondere das behauptete politische Engagement für die BNP, die behaupteten Vorfälle zwischen dem Beschwerdeführer und seinen angeblichen politischen Gegnern und eben das angebliche Strafverfahren, ferner auch die angebliche Gefährdung durch einen Schlepper, der den Beschwerdeführer des Verrats an die Polizei verdächtige. Die Behörde ging allerdings auf den angeblichen Überfall im April 2018 durch politische Gegner und dass diese sich Mieteinnahmen des Beschwerdeführers angeeignet hätten, in der Beweiswürdigung überhaupt nicht ein. Ebenso ließ die Behörde die Antworten des Beschwerdeführers auf die wenigen gestellten Fragen zur BNP (AS 147 f) in der Beweiswürdigung unberücksichtigt. Dasselbe gilt im Hinblick auf die – vom Beschwerdeführer in freier Erzählung gemachten – Angaben zu historischen Ereignissen bzw. Daten, die zumindest teilweise – wie die Parlamentswahl im Jahr 2014 – die politische Lage in Bangladesch betreffen.

In das Bild, dass die Behörde es verabsäumt hat, sich auf Ebene des Ermittlungsverfahrens und der Begründung des Bescheids mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers ordnungsgemäß zu befassen, fügt sich, wie der Vollständigkeit halber angemerkt sei, auch, dass die Behörde wahllos Länderinformationen in den angefochtenen Bescheid eingefügt hat. So bestehen die Seiten 16 bis 54 des insgesamt 70 Seiten umfassenden Bescheids aus Länderinformationen, denen – im Lichte des konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers – teilweise jegliche Entscheidungsrelevanz fehlt. Es ist beispielsweise nicht zu erkennen ist, dass etwa der Frage der Religionsfreiheit (AS 221 f), der Lage der ethnischen Minderheiten (AS 223 ff), der Lage von Frauen (AS 227 ff) oder Homosexuellen bzw. LGBTI-Personen (AS 230 ff) in Bangladesch – gegenständlich auch nur die geringste Entscheidungsrelevanz zukommen könnte.

Die von der Behörde verfügten Ausnahmen von der Akteneinsicht, die sich, wie bereits oben unter 2.1. dargelegt, mangels Begründung und insbesondere im Lichte des § 17 AVG nicht erschließen, bestätigen wie auch die nicht nachvollziehbaren Anmerkungen in der Niederschrift vom 29.11.2018, wonach der Beschwerdeführer während der Rückübersetzung Ergänzungen reklamiert habe (AS 145; siehe oben unter 1.4. und 2.1.), schließlich den Eindruck, dass das Vorgehen der Behörde im konkreten Verfahren in mehrfacher Hinsicht nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

3.3. Zu den gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufhebung eines Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde:

3.3.1. Gemäß § 28 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Regel durch Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 VwGVG nicht vor, ist das Verwaltungsgericht nach § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG berechtigt, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen, wenn diese notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Zulässig ist eine Zurückverweisung insbesondere bei „krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken“ (mit Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 118 [Stand 15.2.2017, rdb.at]). Ausdrücklich für zulässig befunden hat der Verwaltungsgerichtshof ein Vorgehen nach § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG unter anderem, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat; vgl. VwGH 14.12.2015, Ra 2015/09/0057. Eine Zurückverweisung der Angelegenheit ist jedenfalls auch gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen mit der Intention unterlassen hat, dass sie in der Folge das Verwaltungsgericht durchführt; mit Verweis auf zahlreiche Judikate des VwGH Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 118 (Stand 15.2.2017, rdb.at) und kürzlich – auch zur Relevanz einer weitgehend oberflächlichen und dem zu beurteilenden Fall überhaupt nicht gerecht werdenden Begründung eines Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0128.

3.3.2. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides mit Beschluss und die Zurückverweisung der Angelegenheit sind erfüllt:

Wie bereits dargelegt, hat die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht in gravierender Weise verletzt: Namentlich hat sie, wie unter 3.2. ausgeführt, fremdsprachige Beweismittel, die nach den Angaben des Beschwerdeführers zentrale Elemente des Vorbringens, mit dem er seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet, betreffen, nicht übersetzen lassen und (auch ansonsten) eine konkrete Auseinandersetzung mit diesen Beweismitteln, wie etwa eine zweckmäßige nähere Befragung, unterlassen. Da die Behörde weder Übersetzungen eingeholt noch den Beschwerdeführer konkret und eingehend zu den vorgelegten Beweismitteln befragt hat, kann sie den maßgeblichen Sachverhalt, konkret den Inhalt der Dokumente, nicht hinreichend ermittelt haben, um die Relevanz der Beweismittel sachgerecht beurteilen zu können. Somit ist sie der Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln, nicht nachgekommen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Behörde in Bezug auf die Beweismittel eine – nach dem AVG unzulässige – antizipierende Beweiswürdigung vornahm. Insgesamt hat die Behörde den für die Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten relevanten Sachverhalt in wesentlichen Punkten unvollständig ermittelt und somit kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt; es bestehen gravierende Ermittlungslücken.

Dass auch die übrigen Voraussetzungen für die Aufhebung des angefochtenen Bescheids mit Beschluss und die Zurückverweisung der Angelegenheit vorliegen, folgt unzweifelhaft aus den Feststellungen unter 1.6. und 1.7. Ergänzend ist anzumerken, dass die gebotene Einholung von Übersetzungen fremdsprachiger Beweismittel und nähere Befragung des Beschwerdeführers der Behörde ohne Weiteres möglich gewesen wären. Dies indiziert zusätzlich, dass die belangte Behörde – in Kenntnis der Spruchpraxis des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. die unter 2.2. zitierte Judikatur) – die gebotene Sachverhaltsermittlung mit der Intention unterlassen hat, dass sie das Bundesverwaltungsgericht nachhole.

In diesem Zusammenhang auch zu bedenken: Der Beschwerdeführer erstattete, wie unter 1.1. festgestellt, vor der Behörde ein sehr umfangreiches, detailliertes Vorbringen zu den Gründen, aus denen er seinen Heimatstaat verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt habe. Vor diesem Hintergrund sprechen die grob mangelhafte Verfahrensführung (insbesondere in Gestalt des Unterlassens gebotener Ermittlungen) und die ebenso grob mangelhafte Entscheidungsbegründung (insbesondere die qualitativ und quantitativ völlig unzureichende Beweiswürdigung) umso mehr dafür, dass die Behörde die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und eine gesetzeskonforme Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie der übrigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens auf das Bundesverwaltungsgericht überwälzen wollte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zur Gänze aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

3.4. Zum fortgesetzten Verfahren vor der belangten Behörde:

3.4.1. Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren ein dem Gesetz entsprechendes Ermittlungsverfahren zu führen und den entscheidungsrelevanten Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Jedenfalls wird sie die Übersetzung der vorgelegten, das Strafverfahren betreffenden Dokumente zu veranlassen und sich mit der Echtheit (bei Originalen) und dem Inhalt der vorgelegten Bescheinigungsmittel - so diese das Vorbringen des Beschwerdeführers stützen - in der gehörigen Weise auseinanderzusetzen zu haben. Die belangte Behörde wird sich weiters durch nähere Befragung des Beschwerdeführers mit seinem Vorbringen (insbesondere der behaupteten politischen Betätigung für die BNP, der behaupteten Bedrohung durch Anhänger der Bangladesh Chhatra League bzw. AL, dem behaupteten Strafverfahren und der angeblichen Bedrohung durch einen Schlepper) genauer auseinanderzusetzen haben.

3.4.2. Ohne Nachholung der hier aufgezeigten und für die Prüfung notwendigen Tatsachenerhebungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt ermittelt wurde.

3.4.3. Ferner weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass durch die Zurückverweisung das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand, sodass die Behörde das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete Parteivorbringen zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs 1 AsylG 2005 gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass getätigte Angaben ergänzt bzw. vervollständigt werden. Dies gilt insbesondere auch für (allfällige) nach der Genehmigung und Erlassung des (nunmehr aufgehobenen) Bescheids, mit der Beschwerde bzw. im Beschwerdeverfahren vorgelegte Bescheinigungsmittel.

3.4.5. Nach Durchführung der demnach allenfalls erforderlichen und geeigneten Ermittlungen wird die Behörde dem Beschwerdeführer die Ermittlungsergebnisse und insbesondere auch entscheidungsrelevante, aktuelle und auf den festgestellten Sachverhalt abgestimmte Länderfeststellungen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist zur Kenntnis zu bringen haben. In weiterer Folge hat die belangte Behörde das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer – schlüssigen und individuellen – Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen. Dabei hat die Behörde vom Beschwerdeführer neu behauptete Geschehnisse – und auch seine Rechtfertigung für den Zeitpunkt seines Vorbringens – individuell und schlüssig daraufhin zu überprüfen, ob diese glaubhaft sind oder nicht. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist vollständig zu ermitteln und im zu erlassenden Bescheid sind jene individuellen Feststellungen zu treffen, die erforderlich sind, um über die Begründetheit des Antrags des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von internationalem Schutz abzusprechen und allfällige weitere Spruchpunkte zu treffen.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG die mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zum einen war gegenständlich in erster Linie maßgeblich, ob die belangte Behörde im vorliegenden Fall den entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt hatte. Dieser Frage kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Zum anderen sind die für den Beschluss bedeutsamen Rechtsfragen – wie sich aus den oben angeführten Zitaten eindeutig ergibt – hinreichend geklärt. Vgl. im Übrigen VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109, wonach es keine grundsätzliche Rechtsfrage darstelle, ob das Verwaltungsgericht die zu § 28 Abs 3 VwGVG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs angesichts der einzelfallbezogen vorgelegenen Verfahrenskonstellation in jeder Hinsicht korrekt angewendet hat. Das Bundesverwaltungsgericht weist insbesondere auch auf VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0128 hin: „Diesen Ausführungen [in der Amtsrevision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl] ist zu entgegnen, dass die Begründung des in Rede stehenden BFA-Bescheides - trotz seines Umfangs von 96 Seiten, wovon 78 Seiten auf die Wiedergabe von hier weitgehend irrelevanten Inhalten von Berichten zur Situation in der Türkei entfallen - nicht bloß als ‚dürftig‘ zu bezeichnen ist, sondern dass sie sich - wie die nachstehenden Ausführungen zeigen - als weitgehend oberflächlich und dem zu beurteilenden Fall überhaupt nicht gerecht werdend erweist.“ Der vorliegende Beschluss steht demnach im Einklang mit der entsprechenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und der in der zitierten Literatur vertretenen Rechtsauffassung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

antizipierende Beweiswürdigung Befragung Begründungsmangel Beweismittel Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Übersetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L527.2212617.1.00

Im RIS seit

25.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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