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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/21/0700 E 22. Mai 1997 95/21/0701 E 22. Mai 1997 95/21/0702 E 22. Mai 1997 95/21/0703 E 22. Mai 1997Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1995, Zl. 103.852/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 31. März 1995 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (nach der Aktenlage auf Verlängerung des Aufenthaltes) gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes iVm § 10 Abs. 1 Z. 2 Fremdengesetz (FrG) ab. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer nach der auf seinen "eigenen Angaben beruhenden Aktenlage derzeit nur ein geringes Einkommen in Höhe von ca. S 9.000,-- netto" erziele. "Dieser Betrag ist angesichts der zu tragenden Aufwendungen für Miet- und Betriebskosten jedoch keinesfalls geeignet, den Lebensunterhalt einer fünfköpfigen Familie in Österreich auf Dauer zu sichern, wobei der geltende Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien als Berechnungsgrundlage heranzuziehen war."
Andere finanzielle Mittel habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht und er beziehe auch keine "Kinderbeihilfe".
Die belangte Behörde führte weiters aus: "Damit liegt ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor und kann Ihnen daher auch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Die öffentlichen Interessen überwiegen daher Ihre privaten Interessen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "kostenpflichtig zu beheben und die beantragte Bewilligung zu erteilen".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, daß der Bescheid der belangten Behörde (nur) der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt und dieser nicht zuständig ist, die "beantragte Bewilligung zu erteilen".
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, er habe den Nachweis der Sicherung seines Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht erbracht, mit dem Hinweis, daß er entgegen der "aktenwidrigen" Annahme im angefochtenen Bescheid vorgebracht habe, er beziehe neben seinem ausgewiesenen Nettolohn auch ein erhebliches Trinkgeld. Im übrigen befinde sich der Beschwerdeführer bereits über acht Jahre im Bundesgebiet, er lebe hier - ohne auffällig geworden zu sein - mit seiner Familie (nach der Aktenlage mit seiner Ehegattin und drei minderjährigen Kindern), weshalb der angefochtene Bescheid in seine privaten und familiären Interessen unzulässig eingreife.
Zwar begegnet die Heranziehung des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes (hier: der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 11/1973 idF LGBl. Nr. 68/1994) für die Beurteilung der Frage des nicht gesicherten Unterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung im Sinn des § 5 Abs. 1 AufG keinen Bedenken (zur diesbezüglichen Maßstab-Funktion des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1993, Zl. 93/18/0549). Die Beschwerde weist allerdings zutreffend darauf hin, daß die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, er selbst sei im Verwaltungsverfahren lediglich von einem von ihm angegebenen Einkommen von ca. S 9.000,-- netto ausgegangen, mit der Aktenlage nicht übereinstimmen. Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung vorgebracht, daß er neben diesem durch eine Urkunde belegten monatlichen Einkommen über ein erhebliches Trinkgeld verfüge. Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Dazu wird etwa auf § 44 Abs. 3 ASVG hingewiesen, wonach bei bestimmten Gruppen von Versicherten, die üblicherweise Trinkgelder erhalten, diese Trinkgelder der Bemessung der Beiträge pauschaliert zugrunde zu legen sind. Eine derartige Festsetzung hat unter Bedachtnahme auf die durchschnittliche Höhe der Trinkgelder, wie sie erfahrungsgemäß dem Versicherten in dem betreffenden Erwerbszweig zufließen, zu erfolgen. Insoweit eine solche Pauschalierung auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers Anwendung finden sollte, wäre zumindest der sich daraus ergebende Betrag (auch ohne besonderen Nachweis) bei der Ermittlung seines Einkommens zu berücksichtigen.
Die den abweislichen Spruch des bekämpften Bescheides tragende Begründung ist aber auch mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde hat es verabsäumt, in einer zu keinen Zweifeln Anlaß gebenden Weise darzulegen, welchen monatlichen Betrag als dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Mittel einerseits und welchen monatlichen Betrag als richtsatzmäßige Gesamtunterstützung im Sinne der vorzitierten Verordnung sie als maßgeblichen Sachverhalt dem Tatbestand des nichtgesicherten Unterhaltes subsumiert hat. Anzumerken ist, daß der Lebensunterhalt (lediglich) auf die Dauer der beantragten Bewilligung gesichert erscheinen muß.
Letztlich war der bekämpfte Bescheid aber aufgrund nachstehend angeführter Erwägungen wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben: Nach der ständigen Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hat die Behörde bei Anwendung des Versagungstatbestandes des für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen würde, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen (vgl. dazu u.a. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1995, B 1599/94 und das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0936). Bei dieser Prüfung ist auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen. Obwohl der belangten Behörde nach Ausweis der Akten jedenfalls bekannt sein mußte, daß sich der Beschwerdeführer seit 1990 durchgehend legal (seit 1991 mit seiner Ehegattin und den drei minderjährigen Kindern) in Österreich aufhält, hat sie es unterlassen, die in diesem Fall gebotene Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung vorzunehmen. Der Hinweis im angefochtenen Bescheid, daß "ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund" vorliege und daher die (nicht festgestellten) privaten Interessen nachzustehen hätten, spricht vielmehr dafür, daß die belangte Behörde der rechtswidrigen Auffassung war, daß es einer Abwägung der öffentlichen mit den privaten Interessen gar nicht bedürfe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0826).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens beruht darauf, daß es für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung lediglich der Einbringung von zwei Beschwerdeausfertigungen und einer Bescheidausfertigung bedurfte.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995210699.X00Im RIS seit
02.05.2001