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Gesundheitswesen - LMGNorm
LMG 1975 §18 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Hnatek, Dr. Stoll und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der E Fabrik Dr. RP in W, vertreten durch Dr. Julius Jeannée, Rechtsanwalt in Wien I, Pestalozzigasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 12. März 1984, Zl. IV-449.050/3-6/84, betreffend Untersagung gemäß § 18 Abs. 2 LMG 1975 („Kneipp-Mistel-, Weißdorn-, Baldrian- und Johanniskrautsaft“), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. März 1984 untersagte der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (belangte Behörde) gemäß § 18 Abs. 2 LMG 1975 das Inverkehrbringen der von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15. Dezember 1983, eingelangt bei der belangten Behörde am 20. Dezember 1983, angemeldeten Pflanzensäfte „Kneipp-Mistel-, Weißdorn-, Baldrian- und Johanniskrautsaft“ als Verzehrprodukte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in welcher u. a. die Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht wird.
Begründend wird hiefür ausgeführt, persönlich haftender Gesellschafter der Beschwerdeführerin sei die „E-Verwaltungsgesellschaft mbH“, deren Geschäftsführer der Einzelprokurist der Beschwerdeführerin, nämlich HP, sei. Dieser sei daher das einzige vertretungsbefugte Organ der Beschwerdeführerin und daher nur er zur Entgegennahme von an die Gesellschaft gerichteten amtlichen Schriftstücken bevollmächtigt. Eine Postvollmacht für weitere Angestellte sei nicht erteilt worden. HP habe sich am 15. März 1984 um 6.00 Uhr auf eine Geschäftsreise über Linz und Salzburg in die Bundesrepublik Deutschland begeben, wo er sich bis zum 21. März 1984 aufgehalten habe. Von dort sei er nach Wien zurückgekehrt und am 21. März 1984 um 22.00 Uhr eingelangt (zum Beweis für dieses Vorbringen legte die Beschwerdeführerin eine Reihe von Schriftstücken vor). Im Hinblick auf die Bestimmung des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz sei die Zustellung erst am 22. März 1984 wirksam geworden und habe HP den Bescheid auch an diesem Tag persönlich behoben. Darüber hinaus sei der Bescheid gegenüber einer rechtlich nicht existenten Firma, nämlich der Firma „E Fabrik“, die sich vom registrierten Firmenwortlaut der Beschwerdeführerin unterscheide, ergangen.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie zu ihrer behaupteten Unzuständigkeit lediglich vorbringt, insoweit könne nichts ausgeführt werden, da der von der Post rückgemittelte Zustellnachweis weder das Datum noch die Unterschrift des Empfängers aufweise.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof kann zunächst die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht teilen, daß durch die Anführung eines verkürzten Firmenwortlautes im angefochtenen Bescheid („E Firma“) der Bescheid mangels Bescheidadressat ins Leere gegangen sei. Abgesehen davon, daß über die Identität der Beschwerdeführerin insoweit kein Zweifel bestehen kann, bedient sich die Beschwerdeführerin selbst dieser Kurzform (vgl. etwa die jeweilige Unterfertigung der Schreiben der Beschwerdeführerin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, aber auch die zur hg. Geschäftszahl 84/10/0061 protokollierte Beschwerde derselben Beschwerdeführerin). Es besteht daher auch kein Anlaß, die Beschwerde etwa mangels eines bekämpfbaren Bescheides als unzulässig zurückzuweisen.
Gemäß § 18 Abs. 1 LMG 1975 ist es verboten, Verzehrprodukte vor ihrer Anmeldung beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz in Verkehr zu bringen. Nach § 18 Abs. 2 leg. cit. hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz durch Bescheid das Inverkehrbringen einer als Verzehrprodukt angemeldeten Ware unverzüglich, längstens binnen drei Monaten, zu untersagen, wenn sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder seiner Verordnungen nicht entspricht.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 15. März 1982, Slg. Nr. 10 676/A) ist der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz nach Ablauf der dreimonatigen Frist zur Untersagung im Sinne des § 18 Abs. 2 LMG 1975 nicht mehr berufen und daher unzuständig. Diese Frist ist im vorliegenden Fall, da die Anmeldung am 20. Dezember 1983 beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz eingelangt ist, mit Ablauf des 20. März 1984 verstrichen gewesen (vgl. § 32 Abs. 2 AVG 1950).
Nach dem im Akt erliegenden Postrückschein erfolgte der Zustellversuch am 15. März 1984 und die Hinterlegung der Sendung am 16. März 1984.
Nach § 17 Abs. 3 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, gelten hinterlegte Sendungen nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtmäßigkeit der Zustellung durch die erwähnte Hinterlegung aus einem anderen Grund verneint werden müßte, da der Vertreter der Beschwerdeführerin - nach dem glaubhaften Vorbringen der Beschwerdeführerin, dem die belangte Behörde in der Gegenschrift nicht entgegengetreten ist - wegen Abwesenheit von der Abgabestelle zunächst vom Zustellvorgang jedenfalls nicht Kenntnis erlangen konnte. Weiters kann dahingestellt bleiben, ob die Zustellung deshalb am 22. März 1984 wirksam wurde, weil der Vertreter der Beschwerdeführerin am 21. März 1984 an die Abgabestelle zurückgekehrt ist, da dieser den Bescheid nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin am 22. März 1984 persönlich behoben hat und ein allfälliger Zustellmangel im Sinne des § 7 Zustellgesetz jedenfalls saniert wurde.
Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß die Zustellung (und somit Erlassung, vgl. hiezu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. März 1982, Slg. Nr. 10 676/A) erst am 22. März 1984 erfolgte. Nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war aber die belangte Behörde zu diesem Zeitpunkt zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr zuständig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. b VwGG 1965 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff leg. cit. in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren betreffend Barauslagen war abzuweisen, da solche im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entstanden sind (vgl. § 48 Abs. 1 lit. a VwGG 1965). Stempelgebührenersatz war nur im erforderlichen Ausmaß zuzuerkennen (gemäß § 28 Abs. 5 leg. cit. war der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung waren nur jene Beilagen vorzulegen, welche sich mit dem Zustellvorgang beschäftigen).
Wien, am 10. September 1984
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1984:1984100086.X00Im RIS seit
25.02.2021Zuletzt aktualisiert am
25.02.2021