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19/05 MenschenrechteNorm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision der J G in W, vertreten durch Dr. Dieter Altenburger, MSc, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. November 2019, W169 2216407-1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Indiens, stellte am 27. November 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit dem Bescheid vom 24. Jänner 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Indien zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem Erkenntnis vom 7. November 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Die Revisionswerberin erhob gegen das Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 7. Oktober 2020, E 4692/2019-17, die Behandlung derselben ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 In der Folge wurde die vorliegende Revision eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 20.11.2020, Ra 2020/20/0309, mwN).
10 Das Zulässigkeitsvorbringen übersieht, dass das Bundesverwaltungsgericht eine mangelnde Detailliertheit der Angaben der Revisionswerberin nicht nur in ihren Angaben in der Erstbefragung erblickte und die Beweiswürdigung im Übrigen auf einer gesamthaften Beurteilung ihrer Aussagen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beruht. Die Revision greift nur einzelne Punkte der Beweiswürdigung an und führt dazu Aspekte ins Treffen, die auch anders gewürdigt hätten werden können. Damit vermag sie nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).
12 Es ist nicht ersichtlich, dass die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde Behauptungen aufgestellt hätte, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hätten. Der Revisionswerberin gelingt es mit ihrem Vorbringen nicht darzutun, dass die obgenannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen wären.
13 Soweit das Zulässigkeitsvorbringen darüber hinaus unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 2015, Ra 2014/20/0151, behauptet, das Bundesverwaltungsgericht habe das für die Annahme der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative relevante Zumutbarkeitskalkül nicht berücksichtigt und keine näheren Feststellungen über die die Revisionswerberin konkret zu erwartende Lage im Heimatland getroffen, übersieht es, dass das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Prüfung des subsidiären Schutzes im Einklang mit der Rechtsprechung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die gesunde und arbeitsfähige Revisionswerberin, die über Schulbildung und soziale Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat verfügt, bei einer Rückkehr nach Indien keine reale Gefahr der Verletzung ihrer Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK zu befürchten hätte (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0314, mwN).
14 Die Revision legt nicht dar, dass in Indien solche exzeptionellen Umstände vorlägen, welche konkret die reale Gefahr einer Verletzung der nach Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bei einer Rückkehr in ihren Heimatstaat darstellten, zumal die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK für diese Annahme nicht ausreicht. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK für diese Annahme notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0452, mwN). Liegt aber keine Verletzung des Art. 3 EMRK vor, so kommt es auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht mehr an (vgl. VwGH 19.10.2020, Ra 2020/01/0362, mwN).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 22. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019200618.L00Im RIS seit
12.03.2021Zuletzt aktualisiert am
16.03.2021