TE Vwgh Beschluss 2021/2/8 Ra 2021/22/0004

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Veröffentlicht am 08.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §11 Abs2 Z1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des A S, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5 (Ecke Währingerstr.), gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. September 2020, VGW-151/086/4510/2020-21, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde) vom 16. März 2020, mit dem sein Antrag vom 10. Dezember 2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte (§ 41/2/2) sonstige Schlüsselkraft“ wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abgewiesen worden war, als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

In der Begründung verwies das VwG auf den Beschluss VwGH 28.5.2019, Ra 2019/22/0080. Dieser betrifft die amtswegige Wiederaufnahme mehrerer Verfahren auf Erteilung von Aufenthaltstiteln und die Abweisung der Anträge des Revisionswerbers wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe; die in diesem Verfahren erhobene Revision wurde zurückgewiesen.

Das Eingehen einer Aufenthaltsehe stelle - so das VwG im vorliegenden Verfahren - einen Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) dar. Im Rahmen der Gefährdungsprognose berücksichtigte das VwG, dass sich der Revisionswerber noch im Jänner 2019 auf die im Jahr 2014 geschlossene Aufenthaltsehe berufen habe; er habe die im August 2016 erfolgte Scheidung nicht bekannt gegeben und sei deshalb gemäß § 77 Abs. 1 Z 5 NAG bestraft worden. Darüber hinaus sei er nach rechtskräftiger Abweisung seiner Anträge am 31. Jänner 2019 weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben und - unrechtmäßig - einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Auch wenn ein unrechtmäßiger Aufenthalt „für sich allein“ nicht zum Fehlen der Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG führe, komme dadurch die ablehnende Gesinnung des Revisionswerbers gegenüber fremdenrechtlichen Vorschriften zum Ausdruck; dies stelle „in Zusammenhalt mit weiterem einschlägigen Verhalten“ des Revisionswerbers ein nach § 11 Abs. 2 Z 1 NAG die öffentliche Ordnung gefährdendes Verhalten dar. Darüber hinaus gefährde die unrechtmäßige Ausübung einer Erwerbstätigkeit zweifellos die öffentliche Ordnung im Sinn des § 11 Abs. 4 Z 1 NAG.

5        In der Zulässigkeitsbegründung bringt die außerordentliche Revision vor, „[d]as Höchstgericht hat sich noch nicht mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt, dass bei Eingehen einer Aufenthaltsehe vor mehr als 6 Jahren, aufgrund dieser Eingehung kein Antrag nach § 41/2/2 NAG als Schlüsselkraft erfolgreich gestellt werden kann.“ Es fehle hg. Rechtsprechung dazu, „ab welchem Zeitpunkt man objektiv einen neuen Antrag vom Ausland aus stellen kann.“ Der Verwaltungsgerichtshof werde ersucht, eine Aussage zu treffen, „dass es bei Eingehung einer Aufenthaltsehe, die 6 Jahre zurück liegt, ausreichend ist, einen neuen aus dem Ausland gestellten Antrag einfach mit der Begründung abzuweisen, dass diese Aufenthaltsehe eine weitere Überprüfung eines Schlüsselkraft-Antrages hindert (eine diesbezügliche Judikatur fehlt).“ Es bestehe eine erhebliche Rechtsunsicherheit, „ab welchem Zeitpunkt ein neuerlicher Antrag von jenem gestellt werden kann, der eine Aufenthaltsehe eingegangen ist, um in Österreich wieder Fuß fassen zu können.“

6        Soweit mit diesen Ausführungen - erkennbar - die vom VwG vorgenommene Gefährdungsprognose gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG gerügt wird, ist zu entgegnen, dass eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nach ständiger hg. Rechtsprechung nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 17.6.2019, Ra 2019/22/0096, Rn. 8, mwN).

7        Dass die vom VwG - nach Durchführung einer Verhandlung - im Einzelfall vorgenommene Gefährdungsprognose unvertretbar wäre, behauptet der Revisionswerber nicht. Aufgrund der vom rechtsmissbräuchlichen Eingehen einer Ehe bewirkten Störung der öffentlichen Ordnung kann auf dem Gebiet des Fremdenwesens der Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG erfüllt sein (vgl. nochmals Ra 2019/22/0096, Rn. 9, mwN). Angesicht der einzelfallbezogenen Beurteilung des Vorliegens des genannten Versagungsgrundes kann naturgemäß kein objektiver Zeitpunkt angegeben werden, ab dem das Fehlverhalten nicht mehr als den öffentlichen Interessen widerstreitend zu beurteilen ist. Das VwG stützt seine Beurteilung betreffend die Gefährdung der öffentlichen Ordnung auch nicht nur auf das Eingehen der Aufenthaltsehe im Jahr 2014, sondern auf das Verhalten des Revisionswerbers in seiner Gesamtheit, aus dem - so das VwG - seine ablehnende Gesinnung gegenüber den fremdenrechtlichen Bestimmungen zum Ausdruck komme. Darauf wird in der Zulässigkeitsbegründung überhaupt nicht eingegangen und somit eine allfällige Unvertretbarkeit der vom VwG durchgeführten Gefährdungsprognose auch nicht aufgezeigt.

8        In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220004.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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