TE Vwgh Beschluss 2021/2/9 Ra 2020/01/0405

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Veröffentlicht am 09.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/01/0406

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision 1. des H M und 2. der S M, beide in W und vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2020, Zlen. 1. W220 2135564-2/2E und 2. W220 2135565-2/2E, in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Oktober 2020, Zlen. 1. W220 2135564-2/6E und 2. W220 2135565-2/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit den angefochtenen Erkenntnissen wurden in der Sache - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - Anträge auf internationalen Schutz abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt und ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.

2        Mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. November 2020, Ra 2020/01/0405 bis 0406-3, wurden die Anträge der Revisionswerber, ihnen für die außerordentliche Revision gegen die angefochtenen Erkenntnisse die Verfahrenshilfe zu bewilligen, abgewiesen. Dies begründete der Verwaltungsgerichtshof damit, dass unter Bedachtnahme auf das Vorbringen in den Anträgen auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Zulässigkeit der Revision sowie auf die dem Verwaltungsgerichtshof zur Verfügung stehenden Unterlagen kein hinreichender Anhaltspunkt für die Annahme bestehe, dass die Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukomme.

3        In der Folge erhoben die Revisionswerber die vorliegende Revision.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN).

8        Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN).

9        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN).

10       In der vorliegenden Revision wird zur Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe den maßgeblichen Sachverhalt (im Hinblick auf die vorgebrachte „westliche Orientierung“ der Zweitrevisionswerberin) nicht von Amts wegen ermittelt.

11       Zu diesem Vorbringen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dem Vorbringen des Asylwerbers - wie auch aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 deutlich hervorgeht - zentrale Bedeutung zukommt. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen (vgl. etwa VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0472, mwN).

12       Vorliegend wurde das bei der Einreise nach Österreich zunächst erstattete Fluchtvorbringen der Revisionswerber als unglaubwürdig erachtet. Zu der im Zuge des Verfahrens vorgebrachten „westlichen Orientierung“ der Zweitrevisionswerberin ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass ihr deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste (vgl. etwa VwGH 23.4.2020, Ra 2020/01/0088, mwN).

13       Sofern die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, vermag sie kein Abweichen von den Leitlinien der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG aufzuzeigen (vgl. zu den Leitlinien zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung etwa VwGH 28.1.2020, Ra 2020/01/0003, mwN, grundlegend auf VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; vgl. zur Rolle des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 5.10.2020, Ra 2020/20/0329, mwN).

14       In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020010405.L00

Im RIS seit

23.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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