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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde 1. der U Gesellschaft mbH und
2. der I, beide in W und vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. Dezember 1994, Zl. IIc/6702 B/15880/MÜ, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin beantragte am 22. Juni 1994 für die Zweitbeschwerdeführerin - eine ukrainische Staatsangehörige - die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die berufliche Tätigkeit "Import-Export-Finanzierungsberatung".
Mit Bescheid des Arbeitsamtes Angestellte vom 29. Juni 1994 wurde dieser Antrag gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG mit der Begründung abgelehnt, daß weder ein Verlängerungsantrag gestellt, noch eine Aufenthaltsberechtigung für die beantragte Ausländerin nachgewiesen worden sei.
Dagegen erhoben beide beschwerdeführende Parteien Berufung. Sie brachten darin unter anderem vor, die Zweitbeschwerdeführerin sei aufgrund eines in ihrem Dienstpaß eingetragenen Dienstsichtvermerkes bis zum 12. Juli 1995 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Dezember 1994 wurde der Berufung der beschwerdeführenden Parteien gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Zur Begründung führte die belangte Behörde (nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage) aus, die beantragte ausländische Arbeitskraft verfüge über keine gültige Aufenthaltsberechtigung.
Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 12. Juni 1995, B 231/95-8, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie (antragsgemäß) dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die beschwerdeführenden Parteien ergänzten ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 13. September 1995. Sie beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichthof erachten sich die beschwerdeführenden Parteien in dem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG (für die Zweitbeschwerdeführerin) verletzt. Sie bringen hiezu im wesentlichen vor, die Zweitbeschwerdeführerin habe sich schon vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (1. Juli 1993) berechtigt in Österreich aufgehalten. Demnach würden die Voraussetzungen nach § 13 Aufenthaltsgesetz vorliegen. Eine "Berechtigung nach dem AufG" sei nicht notwendig. Andernfalls würde nämlich anderen Fällen eines rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich die Grundlage entzogen.
Mit diesem Vorbringen sind die beschwerdeführenden Parteien im Ergebnis im Recht.
Zur Zulässigkeit der (auch) von der Zweitbeschwerdeführerin erhobenen Beschwerde wird zunächst gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0135, verwiesen.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stimmen darüber überein, daß die Zweitbeschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides (21. Dezember 1994) über einen in ihrem Dienstpaß eingetragenen Dienstsichtvermerk verfügte, der ihr als Paßinhaberin "die mehrmalige Wiedereinreise nach Österreich und einen Aufenthalt in Österreich bis 12. Juli 1995 gestattet" (am 29. August 1995 wurde der Zweitbeschwerdeführerin die Aufenthaltsberechtigung Nr. 0902529, gültig vom 13. Juli 1995 bis 13. Juli 1996, erteilt).
Gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG (in der Fassung BGBl. Nr. 475/1992) darf die Beschäftigungsbewilligung weiters nur erteilt werden, wenn der Ausländer zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 466/1992, berechtigt ist, ausgenommen im Fall des Antrages auf Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung.
Das Bundesgesetz, mit dem der Aufenthalt von Fremden in Österreich geregelt wird (Aufenthaltsgesetz - AufG), ist gemäß seinem § 15 Abs. 1 mit 1. Juli 1993 in Kraft getreten.
Nach § 1 Abs. 1 AufG brauchen Fremde (§ 1 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992) zur Begründung eines Hauptwohnsitzes in Österreich eine besondere Bewilligung (im folgenden "Bewilligung" genannt). Die aufgrund anderer Rechtsvorschriften für Fremde vorgesehenen besonderen Regelungen bleiben unberührt.
Fremde, die eine Bewilligung haben, sind gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. zur Einreise und für deren Geltungsdauer zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Bewilligung ersetzt einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk und ist in Form eines österreichischen Sichtvermerkes zu erteilen.
Nach § 13 Abs. 1 leg. cit. bleiben die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet, und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.
Nach § 5 des Bundesgesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Fremden (Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, in der Fassung BGBl. Nr. 505/1994) brauchen paßpflichtige Fremde für die Einreise und den Aufenthalt einen Sichtvermerk, soweit nicht anderes bundesgesetzlich oder durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird. Sichtvermerke werden unter anderem zufolge § 6 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 3 leg. cit. als Dienstsichtvermerke in Dienstpässen unter den Voraussetzungen erteilt, unter denen für österreichische Staatsbürger österreichische Dienstpäße auszustellen sind (vgl. hiezu § 5 Paßgesetz 1992, BGBl. Nr. 839/1992).
§ 15 Abs. 1 und 3 FrG lauten:
"(1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1.
wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
2.
wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder
3.
solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt.
...
(3) Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im Bundesgebiet richtet sich nach
1.
der durch zwischenstaatliche Vereinbarung, Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung oder
2.
der Befristung der Bewilligung oder des Sichtvermerkes."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 94/09/0328, dargelegt hat, kommt dem Rechtsgrund und der Rechtsform der erteilten Berechtigung zum Aufenthalt im Bewilligungsverfahren betreffend die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG keine wesentliche Bedeutung zu. Die Bewilligungsvoraussetzung im Sinne von § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG stellt daher nur darauf ab, ob sich der beantragte Ausländer legal im Inland aufhält (vlg. auch hiezu die beiden hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 1994, Zl. 94/09/0032 und Zl. 94/09/0051).
Entgegen der (auch in der Gegenschrift weiter verdeutlichten) Rechtsansicht der belangten Behörde war die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht allein deshalb (im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG) zu versagen, weil die Berechtigung zum Aufenthalt für die beantragte Ausländerin nicht in der Form einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt wurde. Daß in dieser Hinsicht auch andere rechtliche Möglichkeiten der Begründung eines rechtmäßigen Aufenthaltes in Betracht kommen, wurde bereits im genannten hg. Erkenntnis Zl. 94/09/0328 dargelegt.
Im Beschwerdefall verkennt die belangte Behörde die rechtliche Bedeutung des für die Zweitbeschwerdeführerin erteilten Sichtvermerkes (hier: Dienstsichtvermerk) für das vorliegende Bewilligungsverfahren nach dem AuslBG. Denn nach § 15 Abs. 3 Z. 2 FrG liegt für die Dauer der Erteilung eines Sichtvermerkes ein rechtmäßiger Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet vor. Der Gesetzgeber erachtet gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 FrG Bewilligungen nach § 1 des Aufenthaltsgesetzes und Sichtvermerke in Ansehung der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes als gleichwertig. Andererseits ersetzt auch die (in der Form eines Sichtvermerkes zu erteilende) Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk (vgl. § 10 Abs. 1 AufG).
Da die Zweitbeschwerdeführerin sich im Hinblick auf den ihr erteilten Sichtvermerk - auch ungeachtet der Frage, ob bzw. ab welchem Zeitpunkt ihr zufolge § 7 Abs. 7 FrG richtigerweise statt eines Sichtvermerkes bereits eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu erteilen gewesen wäre - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig im Inland aufgehalten hat, beruht die ausschließlich auf § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG gestützte Versagung der von der Erstbeschwerdeführerin für die Zweitbeschwerdeführerin beantragten Beschäftigungsbewilligung somit auf einer Verkennung der Rechtslage.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (im Rahmen des gestellten Begehrens) auf den §§ 47 ff, insbesondere auch § 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit § 41 Abs. 1 Arbeitsmarktservicegesetz und der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995090192.X00Im RIS seit
02.05.2001