Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §69 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde der K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 21. Februar 1996, Zl. SD 1320/95, betreffend Versagung der Wiederaufnahme eines Feststellungsverfahrens gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 21. Februar 1996 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer iranischen Staatsangehörigen, auf Wiederaufnahme des mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Oktober 1995 abgeschlossenen Feststellungsverfahrens gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 AVG, abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin habe im Feststellungsverfahren gemäß § 54 FrG (ua) vorgebracht, sie sei im Iran verhaftet worden, weil sie eine Änderung ihrer Religion beantragt habe. Im Asylverfahren habe sie vorgebracht, daß sie ihre Absicht, das Religionsbekenntnis zu ändern, lediglich einer Freundin mitgeteilt habe. Im Wiederaufnahmsantrag habe sie abweichend davon vorgebracht, im Jahre 1995 im Iran tatsächlich zur römisch-katholischen Kirche übergetreten zu sein. Ohne die Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens zu prüfen, handle es sich dabei jedenfalls um eine Behauptung, die die Beschwerdeführerin im Feststellungsverfahren gemäß § 54 FrG bereits hätte geltend machen können. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, daß sie ein derartiges Vorbringen ohne Verschulden nicht erstattet habe, weil sie befürchtet habe, den Bischof und die Kirchengemeinde in Teheran zu gefährden, sei nicht stichhaltig, zumal die Beschwerdeführerin dieselben Angaben, die sie jetzt mache - sie nenne weder Namen noch Zeit und Ort -, auch im abgeschlossenen Verfahren hätte machen können. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Bestätigung eines armenisch-katholischen Priesters in Wien, wonach die Beschwerdeführerin im Jahre 1995 zum römisch-katholischen Glauben konvertiert sei, sei nicht geeignet, eine Wiederaufnahme des Verfahrens herbeizuführen. Auch wenn man davon absehe, daß diese Bestätigung kein neu hervorgekommenes, sondern ein neu entstandenes Beweismittel sei, und davon ausgehe, daß erst jetzt für die Beschwerdeführerin hervorgekommen sei, daß es einen Zeugen als Beweismittel gebe, komme dem schon deshalb keine relevante Bedeutung zu, weil die Aussage dieses Zeugen zum Beweis einer Tatsache dienen solle, die die Beschwerdeführerin im wiederaufzunehmenden Verfahren gar nicht behauptet habe, obwohl sie dies hätte tun können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und (u.a.) neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
1.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, die Tatsache ihrer bereits im Jahre 1995 vor ihrer Einreise nach Österreich erfolgten Konversion im Feststellungsverfahren gemäß § 54 FrG nicht vorgebracht zu haben. Ob diese Tatsache einen Wiederaufnahmsgrund darstellen kann, hängt somit davon ab, ob die Beschwerdeführerin ein Verschulden an der Unterlassung eines entsprechenden Vorbringens im abgeschlossenen Verwaltungsverfahren trifft. Dazu bringt sie in der Beschwerde - ebenso wie im Verwaltungsverfahren - vor, sie habe befürchtet, durch ihre Aussage den Bischof und die christliche Gemeinde in Teheran in Gefahr zu bringen. Diesbezüglich ist der Argumentation der belangten Behörde beizupflichten, daß die Beschwerdeführerin zumindest die im Wiederaufnahmsantrag enthaltenen nicht näher konkretisierten Ausführungen über ihre Konversion ohne Nennung eines Namens - allenfalls verbunden mit dem im Wiederaufnahmsantrag enthaltenen Ersuchen um vertrauliche Behandlung - auch bereits im Feststellungsverfahren hätte machen können, zumal sie nicht dartut, warum sie nunmehr diese Befürchtung nicht mehr hegt. Die belangte Behörde ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß es sich bei der vorgebrachten Tatsache, die Beschwerdeführerin sei im Jahre 1995 in ihrer Heimat konvertiert - unabhängig von der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens -, um keine "neue Tatsache" im Sinne von § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG und somit um keinen Wiederaufnahmsgrund handelt.
Das gegen "die von der belangten Behörde erhobenen Zweifel an der Richtigkeit meiner Angaben" betreffend die erfolgte Konversion gerichtete Beschwerdevorbringen und die in diesem Zusammenhang gerügten Verfahrensmängel gehen daher ins Leere.
1.3. Die von der Beschwerdeführerin zum Beweis ihrer erfolgten Konversion vorgelegte Bestätigung eines armenisch-katholischen Priesters in Wien dient somit nicht zum Beweis einer "neuen Tatsache" im Sinne von § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG. Um ein "neues Beweismittel" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung handelt es sich bei der vorgelegten Bestätigung schon deshalb nicht, weil sie mit 17. November 1995 datiert und somit erst nach Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens mit rechtskräftigem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Oktober 1995 entstanden ist (vgl. etwa Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes6, Rz 588 und die dort zitierte hg. Judikatur). Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß die zeugenschaftliche Vernehmung des die Bestätigung ausstellenden Priesters - selbst wenn dieser Zeuge erst nachträglich hervorgekommen wäre - ebenfalls keinen Wiederaufnahmsgrund darstellt, weil "neue Beweismittel" nur geltend gemacht werden dürfen, wenn die zu beweisende Tatsache im abgeschlossenen Verfahren bereits vorgebracht wurde (Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 650, Anm. 7 zu § 69 AVG).
2. Die von der Beschwerde geltend gemachte Verletzung des Parteiengehörs liegt schon deshalb nicht vor, weil die belangte Behörde kein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat und die Beschwerdeführerin in der Berufung gegen den im wesentlichen gleich begründeten erstinstanzlichen Bescheid Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.
3. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996180195.X00Im RIS seit
20.11.2000