TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/9 I421 2234727-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
StGB §127
StGB §129
StGB §130 ersterFall
StGB §229
StGB §241e
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I421 2234727-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. SLOWAKEI, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich (BFA-NÖ) vom 10.08.2020, Zl. 498554607-190688969, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gem. § 28 Abs 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 10.08.2020 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz wurde ihm kein Durchführungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 05.09.2019 in Österreich zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden war und dass die Freiheitsstrafe vom Oberlandesgericht XXXX mit Urteil als Zusatzstrafe zu einer Verurteilung des Bezirksgerichts Bratislava vom 09.03.2017 auf acht Monate gemildert wurde. Berücksichtigt wurde zudem, dass der Beschwerdeführer auch in der Slowakei bereits strafrechtlich verurteilt worden war. Die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers sei daher im öffentlichen Interesse notwendig.

Mit Schriftsatz vom 01.09.2020 wurde Beschwerde erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, in eventu das Aufenthaltsverbot verkürzen, in eventu den Bescheid beheben. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 04.09.2020 vorgelegt und langte der Akt in der Außenstelle Innsbruck am 07.09.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Slowakei. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet 10mal gemeldet, wovon acht Meldungen sich auf Justizanstalten bzw. Polizeianhaltezentrum über den Zeitraum von 2009 bis aktuell, beziehen. Von August 2002 bis Jänner 2003 war der Beschwerdeführer in XXXX mit Hauptwohnsitz, von Jänner 2005 bis Jänner 2006 mit Nebenwohnsitz gemeldet. Er ging hier nie einer Beschäftigung nach und hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Sein Lebensmittelpunkt liegt in der Slowakei. Er hielt sich in Österreich vornehmlich auf, um hier Straftaten zu begehen.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen.

Der Beschwerdeführer hat am XXXX 2012 in Wien, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe (S 17 WaffG), nämlich einen Schlagring, unbefugt besessen;
gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannten fremde bewegliche Sachen,

A. / weggenommen, und zwar

1./ am 01. August 2014 in XXXX durch Einbruch dem I. J. ein Fahrrad der Marke MERIDA, Type Crossway, im Wert von EUR 339, — indem er eine Sperrvorrichtung, nämlich das Zahlenschloss, mit dem das Fahrrad gesichert war, mittels einer Zange durchtrennte und mit dem Fahrrad in Richtung seines Heimatlandes fuhr;

2./ in XXXX zwischen dem 24.08.2009 bis 04.09.2009 eine Jeans und einen Hosengürtel im Wert von insgesamt EUR 84, 90 zum Nachteil Berechtigter der Firma B. F: C.;

3./ in XXXX am 22.11.2009 ein Mountainbike im Wert von EUR 400, — zum Nachteil des D. B.;
B. / wegzunehmen versucht, und zwar in XXXX am 04.09.2009 Socken und eine Geldbörse im Wert von insgesamt EUR 13, zum Nachteil Verfügungsberechtigter der Firma NKD;

Er wurde deswegen mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 22.09.2014, Zl. XXXX des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls, teilweise durch Einbruch begangen, nach den §§ 127, 129 Z 3, 130 erster Fall und 15 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Das Strafgericht wertete als mildernd das reumütige Geständnis und dass die Straftaten teilweise beim Versuch geblieben sein, als erschwerend das Zusammentreffen von mehreren strafbaren Handlungen, die einschlägigen Vorstrafen in der Slowakei und die Tatbegehung als Rückfallstäter gem. § 39 StGB.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 5. September 2019, GZ XXXX , wurde der Beschwerdeführer neuerlich des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 130 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines Betrages von EUR 190, binnen 14 Tagen an A. V. verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Beschwerdeführer fremde bewegliche Sachen in einem EUR 5000,-- nicht übersteigenden Gesamtwert mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,
A . / weggenommen,         und zwar in der Nacht vom 13. August 2016 auf den 14. August 2016 in XXXX eine Jacke im Wert von EUR 150, sowie Bargeld in Höhe von EUR 40, indem er die im Innenhof einer Wohnhausanlage befindliche Jacke samt Inhalt an sich nahm;

B. / wegzunehmen versucht, und zwar am 21. September 2016 in XXXX nicht mehr feststellbaren Personen ein Geweih, Kleidungsstücke und zwei Paar Schuhe in nicht mehr feststellbarem Wert, indem er sich in das Mehrparteienhaus schlich und die im Stiegenhaus bzw am Dachboden befindlichen Wertgegenstände an sich nahm, wobei es beim Versuch blieb, weil er von Zeugen beobachtet und festgehalten wurde;

in der Nacht vom 13. August 2016 auf den 14. August 2016 in XXXX durch die unter Punkt A./ beschriebene Tathandlung eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweise eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde und zwar den Führerschein der Andrea V.;

in der Nacht vom 13. August 2016 auf den 14. August 2016 in XXXX durch die unter Punkt A./ beschriebene Tathandlung unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, und zwar die Bankomatkarte der Andrea V.

Bei der Strafbemessung wertete das Strafgerichtgericht das umfassende Geständnis, die teilweise objektive Schadensgutmachung und die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist als mildernd, als erschwerend demgegenüber das Zusammentreffen dreier Vergehen, den massiv getrübten Lebenswandel und den raschen Rückfall.

Gegen dieses Urteil erhob der Beschwerdeführer volle Berufung. Das Oberlandesgericht XXXX als Berufungsgericht hat mit Urteil zu XXXX vom 20.02.2020 der Berufung wegen Schuld keine Folge gegeben. Hingegen der Berufung wegen Strafe Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes XXXX I vom 9. März 2017, XXXX , und jenes des Bezirksgerichtes XXXX vom 26. April 2017, XXXX , auf acht Monate herabgesetzt.

In der Begründung zur unbedingt verhängten Zusatzstrafe führt das Oberlandesgericht XXXX aus: „Da den Angeklagten die bislang gewählten strafrechtlichen Sanktionen nicht zu rechtstreuem Wandel bewegen konnten, ist nicht mehr davon auszugehen, dass auch nur die teilweise Sistierung der Unrechtsfolge ausreichen werde, den Angeklagten von der Begehung neuerlicher Straftaten abzuhalten. Sohin bleibt für die - vom Angeklagten ohnehin nicht begehrte — Anwendung der §§ 43 Abs 1, 43a Abs 3 StGB kein Raum“ (teilweise bedingte Strafnachsicht).

Wie sich aus den rechtskräftigen Strafurteilen der österreichischen Gerichte ergibt, ist der Beschwerdeführer in der Slowakei mehrfach einschlägig wegen Vermögensdelikten vorbestraft.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Insbesondere wurden auch Auszüge aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister, dem Sozialversicherungsdatenbankauszug (woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nie einer beruflichen Tätigkeit nachging) und dem Strafregister eingeholt.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vorgelegten slowakischen Identitätsnachweises fest.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist und in Österreich über keine Familie verfügt, ergibt sich aus dem Umstand, dass die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde nicht bestritten wurden. Dort wurde lediglich auf eine in der Schweiz lebende Schwester verwiesen. Im Übrigen wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 24.09.2019 und vom 24.07.2020 die Gelegenheit gewährt, eine schriftliche Stellungnahme zu seinem Privat- und Familienleben abzugeben, doch nahm er diese nicht wahr.

Dass der Beschwerdeführer seine Aufenthalte in Österreich nutzte, um hier Straftaten zu begehen, und dass sein Lebensmittelpunkt generell in der Slowakei liegt, ergibt sich einerseits daraus, dass er in der Beschwerde selbst vorbringt, in der Slowakei eine Firma (Unternehmen) zu betreiben, andererseits aus den wiedergegebenen Schuldsprüchen in Zusammenschau mit den Erfassungen im Zentralen Melderegister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:

§ 67 FPG lautet:

§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1.         der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4.         der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder jener, der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist. Der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger der Slowakei ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4.         der Grad der Integration,
5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

3.1.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus den folgenden Gründen abzuweisen:

Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner slowakischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt und da die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 5 bzw. mehr als 10 Jahren nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 1. und 2. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.

Soweit daher in der Beschwerde auf den Gefährdungsmaßstab des fünften Satzes des § 67 Abs. 1 FPG abgestellt wird („dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde“), wird verkannt, dass dieser Gefährdungsmaßstab erst nach einem Aufenthalt von zehn Jahren im Bundesgebiet anzuwenden ist.

Gegen den Beschwerdeführer als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG dagegen zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Dem angefochtenen Aufenthaltsverbot liegt im Wesentlichen die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers von 20.02.2020 zugrunde, dessen Tenor inhaltlich in den Feststellungen dieser Entscheidung wiedergegeben ist.

Es ist aber auch das Urteil des Landesgericht XXXX vom 22.09.2014 und das Verhalten des Beschwerdeführers in der Slowakei zu berücksichtigen, wo er bereits mehrere Vorstrafen aufweist, davon auch einschlägige wegen Vermögensdelikten. In den genannten österreichischen Strafurteilen, werden diese auch angeführt, bzw. führten diese zur Verhängung einer Zusatzstrafe. Der Beschwerdeführer wurde sowohl in der Slowakei als auch in Österreich zu Freiheitsstrafen verurteilt und befand sich in Österreich in Strafhaft. Die Unbill der Strafe hat beim Beschwerdeführer bislang zu keinem Sinneswandel und rechtstreuem Verhalten geführt. Entsprechend ist auch im Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom 20.02.2020 ausgeführt, dass „den Angeklagten die bislang gewählten Sanktionen nicht zu rechtstreuen Wandel bewegen konnten“ (AS 142) und ist beim Beschwerdeführer ein äußerst rascher Rückfall in die Straffälligkeit gegeben (AS 142).

Wenn in der Beschwerde behauptet wird, dass der Beschwerdeführer seine Taten bereue, ist dem entgegenzuhalten, dass ein Gesinnungswandel nach höchstgerichtlicher Judikatur primär daran zu prüfen ist, ob und wie lange sich ein Straftäter in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH, 20.8.2013, 2013/22/0108). Solange sich jemand in Strafhaft befindet, kann noch nicht von einem Wegfall oder einer relevanten Minderung der von ihm ausgehenden Gefährdung ausgegangen werden. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass in den österreichischen Strafurteilen das reumütige Geständnis dem Beschwerdeführer als Milderungsgrund angerechnet wurde. Es zeigt sich aber auch, dass dieses Geständnis zu keinem Verhaltenswandel des Beschwerdeführers führte.

Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann aber ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist.

Im vorliegenden Fall führt der Beschwerdeführer in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Auch eine soziale Integration des Beschwerdeführers ist nicht gegeben, hatte er doch seit 2006 keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich (abgesehen von seinen Inhaftierungen bzw. Anhaltungen). Wenn in der Beschwerde auf viele Freunde in Österreich verwiesen wird, blieb dies aber weiter unkonkretisiert und wurde unterlassen, ein solches Privatleben auch nur ansatzweise aufzuzeigen.

Somit liegt jedenfalls keine umfassende Verankerung in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht im Bundesgebiet vor. Das familiäre und private Interesse des Beschwerdeführers am Aufenthalt im Bundesgebiet konnte somit im Lichte einer durch Art. 8 EMRK gebotenen Interessensabwägung das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.

Im Hinblick auf die Art seines Verhaltens und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers ist eine Aufenthaltsverbotsdauer in der Höhe von sechs Jahren, bei einer grundsätzlich möglichen Höchstdauer von zehn Jahren, jedenfalls angemessen, da davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer nicht sofort zu einem geordneten Leben finden wird, das ihn davon abhält, weitere Straftaten zu begehen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.2. Zur Erteilung keines Durchsetzungsaufschubs (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Die belangte Behörde hatte dem Beschwerdeführer keinen Durchsetzungsaufschub gewährt und dies mit einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer begründet. Sein bisheriges Verhalten und seine wirtschaftliche Lage legen mit hoher Wahrscheinlichkeit nahe, dass der Beschwerdeführer erneut straffällig wird, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Wie oben dargelegt, kann von einem entsprechenden Gesinnungswandel nicht ausgegangen werden, so dass von seinem Verbleib im Bundesgebiet eine Gefahr für die österreichische Bevölkerung ausgeht. Von seiner Person geht eine eklatante Gefährdung für das Eigentum und die Sicherheit der österreichischen Staatsbürger aus.

Daher ist die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen und kein Durchsetzungsaufschub zu gewähren.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der maßgebende Sachverhalt wurde vom BFA abschließend ermittelt. Das Parteiengehör wurde durch das BFA gewahrt, indem der Beschwerdeführer mit zwei Schreiben vom Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich des beabsichtigten Aufenthaltsverbotes verständigt wurde und er zur Beantwortung von Fragen zu seiner Integration sowie zur Vorlage von entsprechenden Belegen aufgefordert wurde. Davon hat der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht.

Die wesentlichen Feststellungen, insbesondere zu den vom Beschwerdeführer in Österreich begangenen Straftaten und zu seinen Verurteilungen in der Slowakei, blieben unbestritten. Tatsächlich blieben alle im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen unwidersprochen. Vielmehr werden in der Beschwerde rechtliche Überlegungen zum Aufenthaltsverbot und zur Gefährdungsprognose ausgeführt. Unter diesen Umständen hätte selbst ein positiver persönlicher Eindruck zu keinem anderen Ergebnis geführt. Somit lag kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/002). In der Beschwerde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht beantragt.

Im vorliegenden Fall konnte daher, in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2234727.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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