TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/9 I408 2204031-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2200773-1/17E

I408 2204031-1/13E

I408 2204028-1/13E

XXXX

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , alle StA. IRAK, vertreten durch: RA MMag Franz Stefan Pechmann gegen den Bescheid des BFA, RD Wien , Außenstelle Wien vom 11.06.2018, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.09.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1)       Der Beschwerdeführer (BF1) stellte am 24.07.2017 gemeinsam mit seiner Ehefrau (BF2), seiner Tochter (BF3) und seinem Sohn (BF4) Anträge auf internationalen Schutz.

2)       Alle Beschwerdeführer berufen sich auf den Fluchtgrund von BF1.

3)       Dieser gab bei seiner Ersteinvernahme an, mit seiner Familie die letzten zwei Jahre in der Türkei verbracht zu haben. Sie seien wegen der IS aus Mossul geflüchtet. Diese Terrororganisation habe die Bewohner der Stadt terrorisiert und viele getötet. Sie haben ihn unter Druck gesetzt, dass er mit ihnen zusammenarbeite. Er habe das nicht gewollt und deshalb seine Heimat verlassen.

4)       Vor der belangten Behörde schilderte BF1 dann am 05.06.2018 ausführlich seine Beweggründe für das Verlassen des Iraks. Seine Familie habe im August 2014 Mossul verlassen. Er habe Probleme mit der IS bekommen und bis zu ihrem endgültigen Verlassen des Iraks im Juni 2015 mit seiner Familie in der kurdischen Stadt Dohuk gelebt. In Mossul habe er ein Goldgeschäft betrieben. Bereits 2010 habe er Probleme mit Milzen gehabt. Am 09.11.2010 seien drei bewaffnete Männer in sein Geschäft gekommen, haben ihn bedroht und alles Gold mitgenommen. Sein Nachbar, der sich geweigert hatte, wurde erschossen. Als einige Tage später einige dieser Männer von der Polizei verhaftet wurden, haben Sie ihn bedroht und verlangt, dass er eine Falschaussage vor Gericht mache und dort angebe, diese nicht zu kennen. Danach habe sich alles wieder beruhigt. Nach dem Einmarsch des IS wollte diese über ihn Gold beschaffen. Das habe er abgelehnt und deshalb mit seiner Familie Mossul verlassen. Im Mai 2017 habe er in der Türkei einen Anruf von seinem Bruder bekommen, dass Polizei und Militär nach ihm suchen. Es seien auch andere Personen befragt worden, die etwas mit der IS zu tun hatten. Er glaube, die Polizei wollte auch wissen, warum er eine Falschaussage vor Gericht gemacht habe. Im März 2018 habe die Polizei den Bruder wieder im Geschäft aufgesucht und neuerlich nach ihm gefragt.

5)       Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 11.06.2018 wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass eine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

6)       In der Beschwerde vom 10.07.2018 wurde im Wesentlichen wiederholt, dass BF1 von der Polizei und dem Militär gesucht werde, weil ihm eine Zusammenarbeit mit dem IS unterstellt werde. Nach der Rückeroberung von Mossul wären seine geschäftlichen Beziehungen zum IS bekannt geworden und dass er mit dem IS Goldhandel betrieben hätte.

7)       Über Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 10.07.2019 (OZ 5) wurde ergänzend vorgebracht, dass gegen eine Person, welche BF1 auch im Irak bedroht habe, ein Verfahren nach dem Völkerstrafrecht geführt werde. Ein Bekannter von ihm, ebenfalls ein Goldhändler in Mossul, habe dort als Zeuge ausgesagt. BF1 sei von dieser Person und dessen Gruppe 2010/2011 bedroht worden und er habe auf deren Druck am 03.03.2011 eine Falschaussage bei Gericht gemacht. Nach der Zeugenaussage dieses Bekannten sei auch sein Schwager im Irak bedroht worden. Wenn er (BF1) in diesem Verfahren ebenfalls aussagen sollte, würden Familienmitglieder seines Schwagers umgebracht werden.

8)       Am 01.09.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein aller Beschwerdeführer und Ihres Rechtsvertreters eine mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsbürger, gehören der Volksgruppe der Araber an und sind sunnitische Moslems. Ihre Identität steht fest und sie halten sich nach illegaler Einreise und Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz seit Juli 2017 im Bundesgebiet auf.

Sie sind strafgerichtlich unbescholten und in einem guten gesundheitlichen Allgemeinzustand. BF2 leidet an Bluthochdruck und BF1 an Diabetes.

BF1 war in Mossul als Goldhändler tätig und lebte in guten und gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen. Seine Geschwister und seine Mutter leben nach wie vor in Mossul und sein Bruder führt das Goldgeschäft der Familie. Es geht allen wirtschaftlich gut und sie sind keinen Repressalien seitens Polizei, Behörden oder Gerichten ausgesetzt.

In Österreich versuchen alle Beschwerdeführer die deutsche Sprache zu erlernen. Sie leben in einer 80m² Mietwohnung, sind nicht selbsterhaltungsfähig und zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes auf Leistungen der Grundversorgung angewiesen. Die Ehefrau (BF2) bringt über Reinigungsarbeiten an der XXXX monatlich € 80 ins Verdienen, die 21jährige Tochter (BF3) hat im Juni 2020 den Pflichtschulabschluss nachgeholt und möchte eine Ausbildung als Wohnraumdesignerin oder Innenarchitektin beginnen, der 19jährige Sohn (BF4) besuchte in den letzten Jahren das Jugendcollege der Stadt XXXX und möchte Automechaniker werden und BF1 ist bestrebt eine Anstellung zu finden und hat einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt.

Die Beschwerdeführer haben bereits im August 2014 Mossul verlassen und bis 2015 in der kurdischen Stadt Dohuk gelebt. Von dort sind sie dann in die Türkei ausgereist, dort zwei Jahre geblieben und 2017 nach Europa gegangen.

Eine persönliche Verfolgung von BF1 durch Mitglieder der IS oder einer sunnitischen Miliz bzw. eine Verfolgung durch Polizei oder staatlichen Behörden konnte nicht festgestellt bzw. glaubhaft gemacht werden.

Die allgemeine Lage im Irak hat sich zwischenzeitlich insoweit stabilisiert, dass Personen, die keine besonderen Beeinträchtigungen aufweisen und dort über familiäre Kontakte verfügen, keine Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte (Schutz auf das Leben) zu befürchten haben.

Die Corona-Pandemie führt im Irak ebenfalls zu steigenden Fallzahlen, auf die mit Ausgangssperren und Einschränkungen des Reise- und Personenverkehrs reagiert wird.

2. Beweiswürdigung:

Sachverhalt und Feststellungen beruhen auf den Einvernahmen der Beschwerdeführer und ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung, der von ihnen vorgelegten Unterlagen und den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Abfragen aus ZMR, Strafregister, GVS und AJ-WEB. Hinzu kommen der Inhalt des Gerichtsaktes I407 2163325 und der beiden vorgelegten Video-Aufnahmen, die in der mündlichen Verhandlung dargetan und erörtert wurden.

Die Identität der Beschwerdeführer steht aufgrund der vorgelegten Unterlagen fest.

Die persönlichen Umstände im Irak sowie in Österreich ergeben sich aus den Befragungen in der mündlichen Verhandlung. Schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen bei BF1 und BF2 konnten nicht festgestellt werden, die von ihnen angegebenen Beeinträchtigungen (Diabetes und Bluthochdruck) wurde mit ihnen erörtert.

Berufliche, schulische und integrationsmäßige Schwerpunkte, welche die Familie in Österreich gesetzt hat, ergeben sich aus den Angaben und den vorgelegten Unterlagen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung.

Da BF1 in seiner Stellungnahme vom 10.07.2019 auf die Zeugenaussage eines ebenfalls in XXXX lebenden Goldhändlers aus Mossul in einem Strafverfahren gegen einen vermutlichen IS-Angehörigen in Deutschland hingewiesen hat, wurde zur zweifelsfreien Klärung des diesbezüglichen Sachverhaltes der Inhalt des Gerichtsaktes zum Asylverfahren dieses Goldhändlers eingeholt (I407 2163325). Diesem Goldhändler wurde im Zuge am 10.05.2019 eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs 1 Z 2 AsylG zuerkannt.

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

In Ihrer Ersteinvernahme am 24.07.2017 wurde von den Beschwerdeführern nur vorgebracht, aus Mossul wegen der IS geflohen zu sein. Diese hätten die Bewohner terrorisiert und viele getötet. So sei BF1 unter Druck gesetzt worden, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das habe er nicht gewollt und deshalb habe die Familie auch das Land verlassen. Der Fluchtgrund lag einzig in der Bedrohung durch den seit Juni 2014 in Mossul einfallenden IS. Mit keinem Wort wurde dabei erwähnt, dass die Familie vor ihrer Ausreise aus dem Irak fast ein Jahr in Dohuk verbracht hat und BF1, in der Türkei von seinem Bruder erfahren habe, dass er als Person von Polizei und Militär gesucht werde. Es ist weder nachvollziehbar noch plausibel, dass BF1 diesen wesentlichen und essentiellen Teil seiner Fluchtgeschichte unerwähnt ließ, zumal er, wie er es dann bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde zum Ausdruck brachte, in all den Jahren (2014 bis 2017) immer beabsichtigt hatte, nach Beruhigung der Situation bzw. der Beendigung der gewalttätigen Auseinandersetzung mit seiner Familie nach Mossul zurückzukehren (AS 71).

In der Einvernahme am 05.06.2018 wurde zunächst von BF1 ausführlich die Probleme mit Milizen 2010 beschrieben. Er sei damals überfallen und ausgeraubt und der Inhaber des Nachbargeschäfts erschossen worden. Als die Täter verhaftet wurden, sei er von Mitglieder dieser Miliz unter Druck gesetzt worden und habe über eine Falschaussage bei Gericht deren Freilassung bewirkt. Erst danach führte er aus, dass nach dem Einmarsch der IS deren Mitglieder mehrmals bei ihm Gold gekauft hätten (AS 70) und er weiteres Gold in Dubai besorgen sollte. Er wollte aber nicht mit ihnen zusammenarbeiten, hatte eine Riesenangst und habe daraufhin Mossul verlassen (AS 71). In der Türkei, genauer im Mai 2017, habe er dann von seinem Bruder erfahren, dass ihn Polizei und Militär suchen. So wären auch andere Geschäftspartner, die mit dem IS zusammengearbeitet haben, befragt worden. Es seien nur Fragen gestellt worden, sonst nichts (AS 71). Er selbst sei von Mitgliedern der IS nie bedroht worden. Diese wollten lediglich mit ihm zusammenarbeiten (AS72). Wie bereits ausgeführt, erwähnte er erst bei dieser Einvernahme, dass er schon im Mai 2017 von seinem Bruder erfahren hatte, dass er von Polizei und Militär gesucht werde. Gleichzeitig betonte er aber, dass es durch Mitglieder des IS keine Drohungen gegeben bzw. er sich einer Zusammenarbeit durch Flucht entzogen hatte.

Mit Schriftsatz vom 10.07.2019 (OZ 5) brachten die Beschwerdeführer ergänzend vor, dass gegen eine Person, die auch BF1 in den Jahren 2010/2011 in Mossul bedroht hatte, in Deutschland ein Verfahren nach dem Völkerstrafrecht geführt werde. Er hatte auf Druck dieser Person und dessen Anhänger am 03.03.2011 vor Gericht eine Falschaussage gemacht und die schuldigen Personen dadurch entlastet. Nachdem ein Bekannter von ihm, der zwischenzeitlich in Österreich über einen Aufenthaltstitel verfügt, im o.a. Verfahren in Deutschland als Zeuge eine Aussage gemacht hatte, sei ein Schwager von ihm im Irak bedroht worden. Sollte auch BF1 in diesem Verfahren als Zeuge aussagen, würden Familienmitglieder dieses Schwagers umgebracht werden. Dieses Szenario wurde von BF1 von sich aus in der mündlichen Verhandlung mit keinem Wort erwähnt und die diesbezüglichen Nachfragen seines Rechtsvertreters sowie des Richters vermittelten nicht den Eindruck, dass er den Beschuldigten des o.a. Strafverfahrens persönlich kenne oder sein Schwager in irgendeiner Form bedroht worden wäre. Genau wie beim Anruf seines Bruders 2017, dass er von Polizei und Militär gesucht werde, ist auch bei einer derartigen Bedrohung eines Familienmitgliedes auszugehen, dass dieser Umstand initiativ in der mündlichen Verhandlung als schlagender Beweis einer noch immer vorhandenen Bedrohung vorgebracht wird. Hinzu kommt, dass diese Stellungnahme zwei Monate nachdem der dem BF1 bekannte und ebenfalls aus Mossul geflohene Goldschmied eine Aufenthaltsberechtigung in Österreich erhalten hatte erging. Bezeichnenderweise wurde auch in diesem Fall der Sohn des Goldschmiedes nach der Zeugenaussage in Deutschland in Mossul bedroht.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte BF1 im Wesentlichen aus, dass er vermute, die Regierung suche ihn wegen der Zusammenarbeit mit dem IS. Von der Gruppe, die ihn 2010 ausgeraubt habe, kenne er niemanden persönlich. So wiederholte er auch erst auf Nachfrage seines Rechtsvertreters sein Vorbringen in Bezug auf die Ermordung seines Nachbarn. In beiden Fällen war bei BF1 keine emotionale Betroffenheit zu erkennen. Zudem ist es nicht nachvollziehbar, dass er bis heute nicht die Gründe kennt, warum seit 2017 bei seinem Bruder nach ihm nachgefragt bzw. gesucht wird. Aus den beiden Videos, deren Echtheit vom Gericht nicht geprüft werden kann, geht der Grund für das Nachfragen ebenfalls nicht hervor, die Art und Weise der Befragung des Bruders kann nicht als professionell bezeichnet werden und auch bei seinem Bruder sind keine Emotionen zu erkennen. Hinzu kommt, dass bei dem vom BF1 geschilderten Ablauf eine Zusammenarbeit mit dem IS schon durch seine Abwesenheit in Mossul seit August 2014 per se ausgeschlossen ist und damit auch nicht in Frage kommt. Diesbezüglichen Vorwürfen müssten vielmehr die in Mossul verblieben Familienmitglieder und noch immer im Goldhandel tätigen Familienmitglieder in einem weit stärken Ausmaß ausgesetzt sein, zumal BF1 selbst angegeben hat, dass nach dem Anruf seines Bruders 2017 auch andere Geschäftspartner, die Gold verkauften, befragt worden wären (AS 72). Konsequenzen für diese Geschäftspartner oder für seinen Bruder hat es offenbar keine gegeben bzw. sind nicht vorgebracht worden. Vielmehr wird von BF1 ausdrücklich betont, dass weder sein Bruder noch andere Familienmitglieder mit Polizei oder staatlichen Behörden Probleme haben. Sollte BF1 aufgrund seiner Falschaussage 2011 gesucht werden, ist ebenfalls davon auszugehen, dass dies sein Bruder wissen müsste, wenn eine derartige Untersuchung von der Familie des getöteten Goldhändlers veranlasst worden wäre.

Im Ergebnis ist es BF1 nicht gelungen ein glaubhaftes Fluchtvorbringen oder eine vorliegende asylrelevante Verfolgung nachvollziehbar und plausibel darzulegen. Es sind vielmehr untaugliche Versuche, nach der militärischen Niederlage des IS und der damit weggefallenen Bedrohung über neue Sachverhalte (Einbindung von Goldhändler zur Geldbeschaffung für den IS, Zeugenaussage eines ebenfalls aus Mossul stammenden Goldhändler in einem Strafverfahren in Deutschland gegen ein angebliches Mitglied der IS) eine asylrelevante Fluchtgeschichte zu konstruieren.

Die Feststellungen zur Lage im Irak basieren auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen. Des Weiteren stützt sich das erkennende Gericht auf den EASO Informationsbericht über den Irak mit Stand Februar 2019, die Erwägungen von UNHCR mit Stand Mai 2019 sowie in Bezug auf Covid-19 die Kurzinformation der Staatendokumentation zum Nahen Osten vom 15.07.2020.

Sie wurden mit den Beschwerdeführern in der mündlichen Verhandlung erörtert und das Ergebnis auch nicht in Frage gestellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, vermochten die Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter

oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

Wie umseits bereits dargelegt wurde, droht den Beschwerdeführern im Irak keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt, dies zumal es sich um gesunde und arbeitsfähige Personen handelt, welche über Arbeitserfahrungen im Irak (BF1) bzw. über eine schulische Ausbildung (BF3 und BF4) sowie über familiären Rückhalt in der Heimatstadt verfügen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer in der Lage sein werden, ihren Lebensunterhalt im Irak sicherzustellen und sich dort eine neue Existenz zu schaffen.

Damit sind die Beschwerdeführer durch die Abschiebung in den Irak nicht in ihrem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation im Irak bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde im Irak keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände. Der Beschwerdeführer fällt überdies nicht in die Risikogruppe der vorerkrankten oder älteren Menschen, sodass eine besondere Gefährdung aufgrund Covid-19 nicht besteht.

Ganz allgemein besteht im Irak derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für den Irak, die nahelegen würden, dass bezogen auf die Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

3.3.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides)

Indizien dafür, dass die Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht haben, bei dem ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt der Beschwerdeführer seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG.

Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

3.4.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen Drittstaatsangehörige mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen Drittstaatsangehörige unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn deren Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art. 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK ist aus nachstehenden Gründen gegeben:

Die Beschwerdeführer halten sich gemeinsam seit ihrer schlepperunterstützen Einreise im Juli 2017 etwas mehr als drei Jahre in Österreich auf. Die Aufenthaltsdauer für sich stellt lediglich eines von mehreren im Zuge der Interessensabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar und das persönliche Interesse der Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts zu. Daneben ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit die Fremden die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt haben, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen der Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422).

Der seit Juli 2017 andauernde Aufenthalt der Beschwerdeführer beruht auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb diese während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durften, dass sie sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen können. Zudem mussten sich die Beschwerdeführer bereits mit der Abweisung ihrer Asylanträge mit den Bescheiden vom 11.06.2018 – sohin ein Jahr nach ihrer Einreise – ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst sein und ein allfälliges Privat- und Familienleben, das erst nach der Abweisung ihrer Asylanträge entstanden ist, verliert dadurch deutlich an Gewicht. Hinzu kommt, dass es keinen Rechtserwerb allein durch Zeitablauf (im Sinne einer "Ersitzung") geben kann, zumal dafür auch keine gesetzliche Grundlage existiert.

Hinsichtlich des Familienlebens ist auszuführen, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK das Zusammenleben der Familie schützt. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Da die Rückkehrentscheidung die gesamte Familie betrifft ist eine Beeinträchtigung des Familienlebens nicht gegeben.

Zum Privatleben der Beschwerdeführer ist auszuführen, dass die bisherige Aufenthaltsdauer nur drei Jahre beträgt, sodass allein aus dem zeitlichen Ablauf noch nicht vom Bestehen einer außergewöhnlichen schützenswerten dauernden Integration gesprochen werden kann.

Des Weiteren ist die Integration des Beschwerdeführers zu beurteilen, wobei miteinzufließen hat, ob und inwieweit der Beschwerdeführer die in Österreich verbrachte Zeit genutzt hat um sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422). Die Bemühungen der Beschwerdeführer, die deutsche Sprache zu erlernen, in Bezug auf 21-jährige Tochter und den 19-jährigen Sohn einen Schulabschluss zu erzielen und der Eltern (BF1 und BF2) in Österreich wirtschaftlich Fuß zu fassen, werden nicht in Abrede gestellt, sie haben aber nicht dazu geführt, dass die Familie selbsterhaltungfähig ist. Alle sind auf staatliche Leistungen angewiesen und ein Arbeitsvorvertrag allein vermag eine berücksichtigungswürdige Integration nicht zu belegen (vgl. dazu VwGH vom 27.04.2020, Ra 2019/21/0277).

Demgegenüber haben die Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsstaat, in dem sie aufgewachsen sind und den Großteil ihres Lebens verbracht haben, sprachliche und kulturelle Verbindungen und aufgrund der familiären Verhältnisse und ihrer beruflichen Erfahrungen bzw. Schulausbildung eine realistische Chance, wirtschaftlich wieder Fuß zu fassen.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden sind, stellt weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.01.1999, 98/18/0420), weil es von Fremden, welche sich im Bundesgebiet aufhalten als selbstverständlich anzunehmen ist, dass sie sich an geltende Rechtsvorschriften halten.

Den bestehenden Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.

Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086; 26.6.2013, 2013/22/0138; 26.04.2018, Ra 2018/21/0062), schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl. § 9 Abs. 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

3.5.    Zum Ausspruch, dass die Ausweisung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung der Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den die Drittstaatsangehörige abgeschoben werden sollen, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für die Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben der Betroffenen oder ihre Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119; 25.09.2019, Ra 2019/19/0399; u.a.).

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.

Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen für den Irak nicht vor, sodass aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3).

Dies wurde von den Beschwerdeführern nicht substantiiert dargelegt. Es ist daher jedenfalls davon auszugehen, dass die volljährigen und gesunden Beschwerdeführer, die im Herkunftsstaat über Berufserfahrung und familiäre Anknüpfungspunkte verfügen, im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Es ergibt sich insgesamt kein reales Risiko, dass es durch die Rückführung der Beschwerdeführer in den Irak zu einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe kommen würde.

3.6.    Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides)

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Derartige "besondere Umstände" wurden von den Beschwerdeführern nicht dargetan und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht die Bestimmung des § 55 Abs. 2 FPG zur Anwendung gebracht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung mündliche Verkündung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2204031.1.01

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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