TE Bvwg Beschluss 2020/9/17 L510 2131265-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2020
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Entscheidungsdatum

17.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs3

Spruch


L510 2131265-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Anträge von XXXX , geb. am XXXX , StA. Irak, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29.07.2020 wegen Versäumung der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 05.06.2020 zum Verfahren mit der GZ L510 2131265-1 und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Ausfertigung des am 05.06.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses beschlossen:

A)

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wahrung des Parteiengehörs im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 05.06.2020 wird gemäß § 33 Abs 3 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

II. Der Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Antragstellung einer schriftlichen Ausfertigung des am 05.06.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses wird gemäß § 33 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Wiedereinsetzungswerber stellte am 20.05.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz (Verwaltungsverfahrensakt zum Antrag des Wiedereinsetzungswerbers auf internationalen Schutz [VA1], AS 11ff). Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30.06.2016 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak wurde nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Gegen den Wiedereinsetzungswerber wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) (VA1, AS 105ff). Gegen diesen Bescheid erhob der Wiedereinsetzungswerber mit Schriftsatz vom 13.07.2016 Beschwerde (VA1, AS 163ff).

2. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde eine mündliche Verhandlung für den 05.06.2020, 08:30 Uhr, anberaumt (VA1, OZ 7). Diese Verhandlung fand ohne die Teilnahme des Wiedereinsetzungswerbers sowie ohne Teilnahme seines (damaligen) rechtlichen Vertreters statt, ohne dass diese entschuldigt gewesen wären. Im Rahmen der Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet, wonach die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 30.06.2016 als unbegründet abgewiesen wurde (VA1, OZ 9). Am 15.07.2020 wurde die gekürzte Ausfertigung des am 05.06.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses durch das Bundesverwaltungsgericht erstellt (VA1, OZ 14).

3. Mit Schriftsatz vom 29.07.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 31.07.2020, beantragte der Wiedereinsetzungswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung und den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Antragstellung einer schriftlichen Ausfertigung des am 05.06.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses (OZ 1).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Mit Schreiben vom 18.04.2018 gab der Wiedereinsetzungswerber gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht bekannt, dass er dem XXXX ., Vollmacht erteilt habe. Die Vollmacht ermächtige den Vertreter unter anderem dazu, Zustellungen aller Art anzunehmen (VA1, OZ 5).

1.2. Mit Schreiben vom 08.05.2020 wurde einerseits der Wiedereinsetzungswerber als Partei persönlich aufgefordert, an der für den 05.06.2020, 08:30 Uhr, anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht persönlich teilzunehmen (VA1, OZ 7). Diese Ladung wurde dem Wiedereinsetzungswerber mit einem RSa-Brief übermittelt. Die Sendung wurde am 12.05.2020 wieder an das Bundesverwaltungsgericht rückgesendet, das Kuvert trägt den Vermerk „Nicht angenommen“ (VA1, OZ 7).

Der rechtlichen Vertretung des Wiedereinsetzungswerbers wurde die Ladung für die mündliche Verhandlung am 05.06.2020, 08:30 Uhr, ebenso mit einem RSa-Brief übermittelt, welcher am 12.05.2020 übernommen wurde (VA1, OZ 7). Die Ladungen enthielten u. a. folgenden Hinweis: „Bleiben Sie der Beschwerdeverhandlung unentschuldigt fern, so stellt dies – unabhängig von der Möglichkeit die Verhandlung in Ihrer Abwesenheit durchzuführen – eine Verletzung einer Mitwirkungsverpflichtung dar. Das Bundesverwaltungsgericht geht in diesem Fall davon aus, dass von Ihrer Seite kein Interesse an einer persönlichen Anhörung beim Bundesverwaltungsgericht besteht und daher auch keine nochmalige Ladung erfolgen wird. Die Entscheidung kann dann ohne Ihre persönliche Anhörung zu den Ermittlungsergebnissen (das diesbezügliche Parteiengehör findet grds. im Rahmen der Verhandlung statt) ergehen.“

1.3. Am 05.06.2020, ab 08:30 Uhr, fand die anberaumte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Weder der Wiedereinsetzungswerber noch seine Vertretung nahmen an der Verhandlung teil. Ihr Nichterscheinen wurde im Vorfeld nicht entschuldigt (VA1, OZ 9).

1.4. Nach telefonischer Kontaktaufnahme des BVwG mit der Vertretung des Wiedereinsetzungswerbers am 05.06.2020 teilte der damalige Vertreter dem Bundesverwaltungsgericht um 08:51 Uhr mit, dass die Ladung für die Verhandlung „ordnungsgemäß zugestellt“ wurde, dass er den Wiedereinsetzungswerber jedoch nicht erreicht habe und niemand zur Verhandlung erscheinen werde (VA1, OZ 10).

1.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde festgestellt, dass Entscheidungsreife vorliegt (Aktuelle Länderfeststellungen wurden gemeinsam mit der Ladung übermittelt und die Gelegenheit gegeben, schriftlich bis zum Verhandlungstermin oder mündlich in der Beschwerdeverhandlung dazu Stellung zu nehmen) und es wurde das Erkenntnis mündlich verkündet, wonach die Beschwerde des Wiedereinsetzungswerbers gegen den Bescheid des BFA als unbegründet abgewiesen wurde. Die Verhandlungsschrift enthält die protokollierte mündliche Verkündung sowie eine Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG, wonach die Parteien das Recht haben würden, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung des Erkenntnisses verlangen zu können sowie wonach ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstelle (VA, OZ 9).

1.6. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung samt der Protokollierung des mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 05.06.2020, welche durch eine elektronische Amtssignatur autorisiert wurde, wurde der Vertretung des Wiedereinsetzungswerbers am selben Tag um 10:05 Uhr per Fax übermittelt. Das Übermittlungsprotokoll enthält die Information „erfolgreich versendet“ (VA1, OZ 9).

1.7. Mit Schreiben vom 05.06.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht um 17:02 Uhr, informierte der Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers das Bundesverwaltungsgericht über die Kündigung der Vollmacht betreffend den Wiedereinsetzungswerber (OZ 11).

1.8. Am 17.06.2020 teilte eine Betreuerin der Wohneinrichtung des Wiedereinsetzungswerbers mit, dass der Wiedereinsetzungswerber keine Kenntnis von der Ladung zur Verhandlung gehabt habe und er entschuldige sein Fernbleiben (VA1, OZ 12).

1.9. Am 22.06.2020 langte eine Stellungnahme des Wiedereinsetzungswerbers vom 18.06.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Dieser ist zu entnehmen, dass der Wiedereinsetzungswerber am 10.06.2020 erfahren habe, dass eine mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht stattgefunden habe. Der (frühere) Vertreter habe ihn nicht von der Ladung verständigt und er könne sich nicht erklären, weshalb er die an ihn persönlich ergangene Ladung nicht erhalten habe. Er lebe in einer Wohngemeinschaft und es sei vielleicht unabsichtlich passiert, dass das Poststück nicht entgegengenommen wurde. Da er sich im österreichischen Rechtssystem nicht auskenne, habe er nicht gewusst, dass er die vor Jahren erteilte Vollmacht an den (früheren) Vertreter zurückziehen müsse, wenn er keine Vertretung mehr wünsche. Unter einem wurden Unterlagen zur Integration des Wiedereinsetzungswerbers vorgelegt (VA1, OZ 13).

1.10. Die gekürzte Ausfertigung des am 05.06.2020 im Rahmen der Verhandlung mündlich verkündeten Erkenntnisses wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 15.07.2020 erstellt und dem Wiedereinsetzungswerber mit einer RSa-Sendung übermittelt. Diese wurde vom Wiedereinsetzungswerber am 20.07.2020 entgegengenommen (VA1, OZ 14).

1.11. Mit Schreiben vom 29.07.2020 stellte der Wiedereinsetzungswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Begründend führte er ergänzend zu den Angaben in der Stellungnahme vom 18.06.2020 aus, er sei ohne Verschulden daran gehindert gewesen der Ladung zur mündlichen Verhandlung zu folgen, er habe daher nicht gewusst, dass in seiner Abwesenheit ein Erkenntnis mündlich verkündet worden sei und er sei ohne sein Verschulden nicht in der Lage gewesen, eine schriftliche Ausfertigung innerhalb der zweiwöchigen Frist zu beantragen. Er habe am 08.06.2020 bei einem Anruf beim BFA davon erfahren, dass am 05.06.2020 eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe. Seine Beraterin habe dann telefonischen Kontakt mit dem Bundesverwaltungsgericht aufgenommen, es sei aber weder ihr, noch zuvor ihm selbst vom BFA, mitgeteilt worden, dass ein Erkenntnis mündlich verkündet worden sei. Von diesem Umstand habe er erst bei Zustellung der gekürzten Ausfertigung am 20.07.2020 erfahren. Er beantrage die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, um „1. [sein] Parteiengehör wahrzunehmen und 2. In eventu um einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses fristgerecht einzubringen“. Der Antrag sei fristgerecht, da er am 20.07.2020 von der mündlichen Verkündung erfahren habe. Gleichzeitig stelle er den Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses (OZ 1).

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich ohne weitere Interpretation direkt aus den im Verwaltungsverfahrensakt bzw. im Gerichtsakt befindlichen Schriftsätzen, wobei die entsprechenden Fundstellen in den Feststellungen angeführt sind. Der Sachverhalt ist unstrittig.

Dass der Wiedereinsetzungswerber zum Zeitpunkt der Ladung zur mündlichen Verhandlung aufrecht vertreten war, ergibt sich aus dem Gerichtsakt als auch aus den diesbezüglichen Bestätigungen jenes damaligen Vertreters, wonach auch die Ladung „ordnungsgemäß zugestellt“ worden ist (VA1, OZ 10).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gesetzliche Bestimmungen

Gemäß § 10 Abs 1 AVG können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. […] Gemäß Abs. 2 leg.cit richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht.

Gemäß § 33 Abs 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Gemäß § 33 Abs 4 VwGVG hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

3.2. Zum gegenständlichen Verfahren

Zu I. des Beschlusses – Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wahrung des Parteiengehörs im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 05.06.2020 als verspätet:

Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der Wiedereinsetzungswerber zum Zeitpunkt der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 05.06.2020 aufrecht vertreten war. Die Ladung wurde an diesen Vertreter per RSa-Sendung übermittelt und von diesem am 12.05.2020 übernommen (OZ 7). Somit liegt betreffend den Wiedereinsetzungswerber eine ordnungsgemäße Zustellung der Ladung im Wege seines damaligen Rechtsvertreters vor. Insofern der Wiedereinsetzungswerber vorbringt, ihm selbst sei eine Ladung zur Verhandlung nicht zugekommen, was vielleicht damit zusammenhänge, dass er in einer Wohngemeinschaft lebe und das Poststück unabsichtlich nicht entgegengenommen worden sein könnte, so ist dieses Vorbringen gegenständlich, aufgrund der ordnungsgemäßen Zustellung der Ladung an den Vertreter, nicht von Relevanz. Diesbezüglich wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.05.2020, Ra 2020/21/0144, verwiesen, welchem jener Sachverhalt zu Grund liegt, dass der Fremde im Wege seiner Rechtsvertretung wirksam zu einer mündlichen Verhandlung geladen wurde.

Grundsätzlich hindert das Nichterscheinen einer ordnungsgemäß geladenen Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht (vgl. VwGH 09.11.2016, Ra 2016/19/0284, mwN). Die Teilnahme an der Verhandlung und die damit einhergehende Wahrung des Parteiengehörs wurden daher vom Wiedereinsetzungswerber versäumt, einen diesbezüglichen Hinweis enthielt auch bereits die Ladung. Von der Versäumung erfuhr der Wiedereinsetzungswerber nach dessen eigenen Angaben am 08.06.2020 bzw. am 10.06.2020. Das Hindernis der Unkenntnis der stattgefundenen mündlichen Verhandlung fiel damit am 08.06.2020 bzw. am 10.06.2020 weg.

Die zweiwöchige Frist zur Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrags gemäß § 33 Abs 3 VwGVG begann daher spätestens am 10.06.2020 zu laufen und endete spätestens am 24.06.2020. Da der am 31.07.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangte Antrag auf Wiedereinsetzung zur Wahrung des Parteiengehörs im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.07.2020 sich somit als verspätet erweist, war dieser Antrag auf Wiedereinsetzung als verspätet zurückzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II. des Beschlusses – Abweisung des Eventualantrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Antragstellung einer schriftlichen Ausfertigung des am 05.06.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses als unbegründet:

Unbestritten ist, dass der Wiedereinsetzungswerber die Frist zur Stellung eines Antrages auf schriftliche Ausfertigung des am 05.06.2020 in seiner Abwesenheit mündlich verkündeten Erkenntnisses versäumt hat.

Der Wiedereinsetzungswerber bringt diesbezüglich vor, dass er an einer fristgerechten Stellung eines solchen Antrages deshalb gehindert gewesen sei, da er überhaupt erst am 20.07.2020, als ihm die gekürzte Ausfertigung zugestellt worden sei, davon erfahren habe, dass ein Erkenntnis mündlich verkündet worden sei.

Nach den getroffenen Feststellungen bestand zu den Zeitpunkten der Ladung zur Verhandlung, der Durchführung der Verhandlung, der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses und der Übermittlung der Verhandlungsschrift, eine aufrechte Vertretung des Wiedereinsetzungswerbers, die auch eine Zustellvollmacht umfasste.

Die Bevollmächtigung bewirkt zunächst, dass dem Beteiligten alle Verfahrenshandlungen des Vertreters (vgl auch VwGH 25.05.2011, 2011/08/0084) einschließlich jener, die der Vertreter gegen den nur ihm gegenüber geäußerten Willen des Vertretenen setzt (VwSlg 7671 A/1969), sowie alle Unterlassungen (zB der rechtzeitigen Einbringung eines Rechtsmittels) seines Vertreters unmittelbar zuzurechnen sind (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 10 Rz 22 (abgerufen 14.09.2020, rdb.at)).

Ein Vertretener hat grundsätzlich für die Handlungen und Unterlassungen seines Vertreters einzustehen. Deshalb treffen die Folgen einer durch den vertretenden Rechtsanwalt vorgenommenen Prozesshandlung, wie etwa die Einschränkung der Berufung, den von diesem Vertretenen. Dies gilt selbst im Falle vereinbarungswidriger Vorgangsweise des Vertreters (Hinweis E 4. Oktober 2006, 2006/18/0270). Damit kommt es aber auch auf sprachliche Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Vertretenen und seinem Vertreter nicht an (VwGH 14.01.2010, 2009/09/0119).

Die Behörde [das Gericht] hat sich ab der Wirksamkeit der Vollmacht in deren Rahmen an den Vertreter zu wenden, also alle Verfahrensakte – mit Wirkung für die Partei – diesem gegenüber zu setzen (VwGH 28.08.2008, 2008/22/0607). Ferner sind dem Bevollmächtigten alle Schriftstücke – vorausgesetzt, die Vollmacht umfasst auch deren Empfangnahme – bei sonstiger Unwirksamkeit zuzustellen und dieser ist – in der Zustellverfügung – als Empfänger zu bezeichnen (Hengstschläger/Leeb, Rz 23).

Sowohl der Beteiligte als auch sein Vertreter können das Vollmachtverhältnis durch Widerruf des Machtgebers bzw. durch Kündigung des Machthabers beenden. Auch diese Akten sind aber nur und erst dann (außen-)wirksam, wenn auch der Behörde [dem Gericht] die Beendigung des Vollmachtverhältnisses mitgeteilt wird, wenn also eine entsprechende Erklärung bei der Behörde [beim Gericht] einlangt. Andernfalls ist die Behörde [das Gericht] weiterhin berechtigt (und verpflichtet), an den Vertreter zuzustellen (Hengstschläger /Leeb, Rz 26).

Nach der zitierten Rechtsprechung war das Bundesverwaltungsgericht dazu berechtigt als auch verpflichtet, die Verhandlungsschrift samt Protokollierung der mündlichen Verkündung vom 05.06.2020 an den früheren Vertreter des Wiedereinsetzungswerbers, zumal das Vertretungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt aufrecht war, zu übermitteln. Für diese Übermittlung und für die Annahme der Verhandlungsschrift an den früheren Vertreter hat der Wiedereinsetzungswerber einzustehen. Dass der Wiedereinsetzungswerber, wie dieser behauptet, bis zum 20.07.2020 in Unkenntnis der mündlichen Verkündung war, ist somit nicht zutreffend. Der frühere Vertreter - und damit auch der Wiedereinsetzungswerber - erfuhr bereits am 05.06.2020 um 10:51 Uhr (durch Übermittlung der Verhandlungsschrift per Fax) von der mündlichen Verkündung, weshalb eine Unkenntnis der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses nur bis 05.06.2020, 10:51 Uhr, bestand.

Der Wiedereinsetzungswerber begründet seinen Antrag im Kern damit, dass er zwar vor etwa drei Jahren dem früheren Vertreter eine Vollmacht erteilt habe, aber seither keinen Kontakt mehr mit jenem Vertreter gehabt habe und, da er sich mit dem österreichischen Rechtssystem nicht auskenne, nicht daran gedacht habe, dass er die Vollmacht zurückziehen müsse, wenn er keine Vertretung mehr wünsche. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass grundsätzlich auch mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen kann, welches eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann. Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0199).

Seit 01.03.2017 lebt der Wiedereinsetzungswerber in einer Wohngemeinschaft und sein Unterkunftgeber ist der XXXX . Der Wiedereinsetzungswerber hat dort eine Betreuerin, an die er sich wenden kann und konnte und der Wiedereinsetzungswerber war auch in der Lage, sich am 30.05.2020 beim BFA um den Stand seines Verfahrens zu erkundigen und in der Folge seine Betreuerin um die Veranlassung weiterer Schritte zu ersuchen, was diese auch tat. Aus dem eigenen Verhalten des Wiedereinsetzungswerbers ergibt sich somit, dass ihm bewusst war, dass das Einholen von Erkundigungen bzw. das Nachfragen bei Behörden/Gerichten und das Bitten um Unterstützung bei behördlichen bzw. gerichtlichen Angelegenheiten möglich, sinnvoll und erforderlich ist. Insbesondere war der Wiedereinsetzungswerber auch zuvor schon in der Lage, sich eine Rechtsvertretung zu beschaffen. Vor diesem Hintergrund beruht es daher nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf einem über den minderen Grad des Versehens hinausgehenden Verschulden des Wiedereinsetzungswerbers, dass er sich gegenständlich nicht um eine funktionierende Kommunikation mit seinem früheren Vertreter gekümmert hat, gegebenenfalls mit Unterstützung seiner Betreuerin. Gleiches gilt dafür, dass er wie von der früheren Vertretung angegeben, für diese einfach nicht erreichbar war. Auch der Verwaltungsgerichtshof nahm in seinem Erkenntnis vom 08.05.1998, 97/19/1271, eine der Wiedereinsetzung entgegenstehende auffallende Sorglosigkeit an, wenn die Rechtsunkenntnis bzw. der Rechtsirrtum durch Rücksprache mit dem Rechtsvertreter hätte vermieden werden können.

Der Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Stellung eines Antrages auf schriftliche Ausfertigung des am 05.06.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses war daher gemäß § 33 Abs 1 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt und unbestritten war.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verschulden Verspätung Vertretung Wiedereinsetzung Zurechenbarkeit Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L510.2131265.2.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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