TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/22 I422 2233489-1

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Veröffentlicht am 22.09.2020
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Entscheidungsdatum

22.09.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2233489-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Polen, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2020, Zl. 1205107207/180840640, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer reiste unbekannten Zeitpunktes in das Bundesgebiet ein und wurde am 02.09.2018 wegen des Verdachts der Übertretung des Suchtmittelgesetzes in Untersuchungshaft genommen.

2.       Mit Schreiben vom 06.09.2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass eine Beweisaufnahme stattgefunden habe und dass im Falle einer Verurteilung die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie in eventu die Verhängung der Schubhaft beabsichtigt sei. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, dazu binnen zweiwöchiger Frist eine Stellungnahme abzugeben.

3.       Der Beschwerdeführer erstattete die entsprechende Stellungnahme mit Schreiben vom 24.09.2018 und führte darin zusammengefasst aus, gemeinsam mit seiner Freundin in XXXX zu leben und mit Gebrauchtwagen zu handeln.

4.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 01.04.2019 wurde er wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt, welche mit Erkenntnis des Oberlandesgerichtes XXXX vom 24.09.2019 auf drei Jahre und sechs Monate reduziert wurde.

5.       In der Folge erließ die belangte Behörde mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 29.05.2020 gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren (Spruchpunkt I.). Sie erteilte ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot zugleich die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).

6.       Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 25.06.2020. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Bescheid mangelhaft bzw. unrichtig begründet sei und infolge von Verletzung der Verfahrensvorschriften mit Rechtswidrigkeit belastet sei. Der Beschwerdeführer lebe seit 31.08.2018 durchgehend im Bundesgebiet und in einer Lebensgemeinschaft. Zudem sei er für eine minderjährige Tochter sorgepflichtig, welche in Großbritannien aufwachse. Die belangte Behörde habe es unterlassen, eingehende Informationen zum Familienstand des Beschwerdeführers einzuholen und überdies auch Verurteilungen aus dem Ausland herangezogen. In Österreich sei der Beschwerdeführer nur einmal strafgerichtlich verurteilt worden, es sei daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von zehn Jahren zu Unrecht ausgesprochen worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist polnischer Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger bzw. Unionsbürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner derartigen gesundheitlichen Beeinträchtigung, die einer allfälligen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegensteht.

Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein. Seit 31.08.2018 ist er durchgehend mit Hauptwohnsitz in Justizanstalten in Österreich gemeldet. Es liegt keine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 Abs. 1 NAG vor.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet. Er führt in Österreich eine Lebensgemeinschaft mit Joanna P. und ist einer minderjährigen Tochter gegenüber sorgepflichtig, welche im Vereinigten Königreich aufwächst. Er befand sich in Österreich nie in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis. Er arbeitete schwarz im Baugewerbe und handelte bis zu seiner Inhaftierung mit Gebrauchtwagen. Es bestehen – abgesehen von der Lebensgemeinschaft mit einer in Österreich aufhältigen polnischen Staatsangehörigen Joanna P. – keine berücksichtigungswürdigen sprachlichen, privaten oder sozialen Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer weist in seinem Herkunftsstaat drei strafgerichtliche Verurteilungen wegen Vergewaltigung, unerlaubten Umganges mit Suchtgiften und wegen Einbruchsdiebstahls auf.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 01.04.2020, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG sowie des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1, 2 und 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt. Mildernd wertete das Strafgericht bei der Strafbemessung die teilweise geständige Einlassung des Beschwerdeführers, erschwerend die einschlägige Vorstrafenbelastung, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen. Mit Erkenntnis des Oberlandesgerichtes XXXX vom 24.09.2019, XXXX , wurde der Berufung gegen dieses Urteil Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf drei Jahre und sechs Monate herabgesetzt.

Derzeit verbüßt der Beschwerdeführer seine Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX .

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 29.05.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides und den Angaben des Beschwerdeführers im Beschwerdeschriftsatz und der schriftlichen Stellungnahme vom 24.09.2018. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR) und des Strafregisters eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere seiner Identität ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Die Identität des Beschwerdeführers ist einerseits durch die Verifizierung seitens der österreichischen Strafbehörden und der Justiz belegt und liegt andererseits eine Kopie seines Personalausweises im Verwaltungsakt ein.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers war mangels gegenteiligem Vorbringen in seiner Stellungnahme und im Beschwerdeschriftsatz zu treffen.

Aus der Einsichtnahme in das ZMR gründen die Feststellungen über die Einreise und den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Eine Anmeldebescheinigung liegt weder im Verwaltungsakt ein bzw. wurde sie bislang nicht vorgelegt. Insoweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass sich der Beschwerdeführer erst seit 31.08.2018 im Bundesgebiet aufhält, kann dies nicht zutreffen, zumal er sich laut ZMR an diesem Tag bereits in Untersuchungshaft befunden hat.

Die Feststellungen zu seiner familiären Situation, insbesondere zu seinem Familienstand, seiner Lebensgemeinschaft in Österreich und zu seiner in Großbritannien aufhältigen Tochter beruhen einerseits aus den Angaben des Beschwerdeführers im Strafverfahren und aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der schriftlichen Stellungnahme und im Beschwerdeschriftsatz. Für das Bestehen eines finanziellen oder sonstigen Abhängigkeitsverhältnisses ergaben sich – ebenso wie für das Bestehen berücksichtigungswürdiger sprachlicher, privater oder sozialer Anknüpfungspunkte – aus den Angaben des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte und spricht hierfür auch die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer seit 31.08.2018 durchgehend in Strafhaft befindet. Die dementsprechenden Feststellungen der belangten Behörde wurden in der Beschwerde auch nicht beanstandet.

Die Feststellungen zu seiner beruflichen Situation ergeben sich einerseits aus den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er als Gebrauchtwagenhändler tätig ist, sowie andererseits aus der Einsicht in den Sozialversicherungsauszug, welcher keine Beschäftigungen ausweist. Dass er schwarz im Baugewerbe tätig war, gründet aus seinem Angaben im Strafverfahren.

Die Verurteilung des Beschwerdeführers durch ein österreichisches Strafgericht gründet einerseits aus der Einsichtnahme in das Strafregister des Beschwerdeführers sowie aus dem sich im Verwaltungsakt befindlichen Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 01.04.2020, XXXX . Ebenso im Verwaltungsakt einliegend ist das Erkenntnis des Oberlandesgerichtes XXXX vom 24.09.2019, XXXX , mit welchem der Berufung Folge gegeben und die Dauer der Freiheitsstrafe reduziert wurde.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat ergeben sich aus den getroffenen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 01.04.2020, XXXX .

Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 29.05.2020, Zl. 1205107207/180840640 liegt im Verwaltungsakt ein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Vorab ist festzuhalten, dass sich die Beschwerde ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet, weshalb eine Prüfung der übrigen Spruchpunkte entfällt.

3.1. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die belangte Behörde begründete dies im Wesentlichen mit der strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers in Österreich in Verbindung mit seinen einschlägigen Verurteilungen in seinem Herkunftsstaat, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn zum Schutz der Integrität körperlichen Wohlbefindens, zur Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung strafbarer Handlungen dringend geboten sei.

Der Beschwerdeführer war in Österreich nie regulär mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet und weist erst seit dem Beginn seines Aufenthaltes in einer Justizanstalt am 31.08.2018 eine aufrechte Wohnsitzmeldung auf. Auch im Beschwerdevorbringen wird auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 31.08.2018 verwiesen. Nachdem somit eine Aufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht vorliegt, kommt nicht der erhöhte, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S 2 FPG, wonach für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine aktuelle, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefordert wird, zur Anwendung.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet eine strafgerichtliche Verurteilung auf. Er wurde rechtskräftig wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG sowie des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1, 2 und 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren verurteilt. Mildernd wertete das Strafgericht bei der Strafbemessung die teilweise geständige Einlassung des Beschwerdeführers, erschwerend die einschlägige Vorstrafenbelastung, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.

Dieses Verhalten stellt jedenfalls ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0054), dass einerseits ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität besteht und andererseits aufgrund der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die ein Grundinteresse der Gesellschaft, im Besonderen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (insbesondere die Gesundheit Dritter), berührt werden (vgl. VwGH 22.05.2007, 2006/21/0115; 27.03.2007, 2007/21/0081; 24.02.2011, 2009/21/0387; ua.).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Die belangte Behörde hat die verhängte Dauer des ausgesprochenen Einreiseverbots nicht (nur) auf die Tatsache der Verurteilungen bzw. der daraus resultierenden Strafhöhen, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer seit 2018 durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt (vgl. VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0116).

Das Bundesverwaltungsgericht kommt aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Polen und in Österreich, des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer permanent eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen vermag. Dahingehend sticht besonders hervor, dass der Beschwerdeführer bereits vor seiner Einreise nach Österreich von polnischen Gerichten wegen Vergewaltigung, unerlaubten Umganges mit Suchtgiften und wegen Einbruchsdiebstahls verurteilt wurde. Diese Verurteilungen hielten den Beschwerdeführer offenbar nicht davon ab, nach Österreich zu reisen und nunmehr hier Vorbereitungen zum Suchtgifthandel zu treffen bzw. den Tatbestand des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu verwirklichen. Dahingehend kann dem Beschwerdeeinwand – wonach seine rechtskräftigen polnischen Verurteilungen mitberücksichtigt worden seien – nicht gefolgt werden, zumal auch sie Aufschluss über die Persönlichkeit des Beschwerdeführers geben (vgl. VwGH 05.10.2000, 97/21/0846). Des Weiteren fällt insbesondere ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer als Mitglied einer kriminellen Vereinigung eine das 15fache der Grenzmenge übersteigende Menge an Cannabiskraut, Amphetaminen sowie MDMA mit dem Vorsatz besessen hat, dass es in Verkehr gesetzt wird. Sein damit an den Tag gelegtes Verhalten weist eindeutig auf seine mangelnde Rechtstreue gegenüber der österreichischen Rechtsordnung hin und bringt er dadurch seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck. Dies wird auch durch seine vom Strafgericht festgestellte Schwarzarbeit bestätigt. Mit seinem Verstoß gegen die arbeitsmarktrechtlichen Bestimmungen hat er ein Verhalten gesetzt, dass ebenfalls der öffentlichen Ordnung widerstrebt, zumal ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit besteht und dessen Ausübung eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (vgl. VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047). Berücksichtigt man weiter, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, er laut den vom Strafgericht getroffenen Feststellungen über kein geregeltes Einkommen und kein Vermögen verfügte und er die Behauptung, mit Gebrauchtwagen zu handeln, nicht belegte, rechtfertigt dies die Überlegung, dass er den Suchtgifthandel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und somit aus wirtschaftlichen Überlegungen beging. Es ist daher nicht als unwahrscheinlich anzusehen, dass im Falle eines Verbleibs des Beschwerdeführers in Österreich mangels anderweitigem Einkommens mit einer Fortsetzung des strafrechtlich relevanten Verhaltens zu rechnen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0060). Durch den derzeitigen Haftaufenthalt ist die Zeit jedenfalls noch zu wenig weit fortgeschritten, um dem Beschwerdeführer einen allenfalls gegebenen - im Verfahren aber nicht einmal ansatzweise dokumentierten - positiven Gesinnungswandel zu attestieren (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276).

Die gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmende Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen kann nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen. Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer erst seit rund zwei Jahren über einen Wohnsitz in Österreich verfügt, der jedoch ausschließlich auf seiner Inhaftierung basiert und durchgehend in einer Justizanstalt gelegen ist, weshalb der Aufenthaltsdauer im gegenständlichen Fall schon aus diesem Grund keine Bedeutung zukommt. Zudem kommt, dass der Beschwerdeführer nie einer legalen Tätigkeit nachging und sich vielmehr gerade durch seine strafbaren Handlungen ein Einkommen erwirtschaften wollte. Ungeachtet dessen ist auch eine sprachliche, private oder soziale Verfestigung des Beschwerdeführers in Österreich de facto nicht gegeben (vgl. VwGH 03.12.2019, Ra 2019/18/0471). Dem Beschwerdeeinwand, wonach durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben eingegriffen wird, kann nicht gefolgt werden. Einfach aus dem Grund, weil laut höchstgerichtlicher Rechtsprechung allfällige Konsequenzen des Aufenthaltsverbotes - wie zB mögliche zeitweilige Trennung von seinen Angehörigen, dem Eingriff in das Privatleben - im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Suchtgifthandel in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH 15.04.2020, Ra 2019/18/0270; 07.07.2020, Ra 2020/20/0231). Die Tochter des Beschwerdeführers lebt in Großbritannien und wird es dem Beschwerdeführer auch möglich sein, etwaige Sorgepflichten und wechselseitige Besuche von Polen ähnlich wie von Österreich aus vorzunehmen. Hinsichtlich der Lebensgemeinschaft zu einer in Österreich aufhältigen Lebensgefährtin namens Joanna P wurde kein Vorbringen erstattet, aus welchem sich ergibt, dass die Fortführung der Beziehung in Polen nicht möglich wäre, zumal es sich bei seiner Lebensgefährtin um eine seit 2016 in Österreich aufhältige polnische Staatsangehörige handelt. Ein gemeinsamer Wohnsitz mit Joanna P. begründete der Beschwerdeführer ebenfalls nicht. Zudem ist die Beziehung auch durch den Haftaufenthalt des Beschwerdeführers seit nunmehr zwei Jahren wesentlich eingeschränkt. Auch die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Beeinträchtigung der Erwerbsfreiheit des Beschwerdeführers in Österreich ist unter dem Aspekt seiner massiven Delinquenz gerechtfertigt und zulässig. Ungeachtet dessen steht es dem Beschwerdeführer frei, seine Erwerbsfreiheit in seinem Herkunftsstaat auszuüben.

Angesichts des zuvor aufgezeigten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig und zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer) auch dringend geboten ist.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen, privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl. VwGH 06.12.2019, Ra 2019/18/0437).

Was die Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, erscheint diese angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers keineswegs als zu lang. Dass erkennende Gericht lässt nicht außer Acht, dass sich der Beschwerdeführer teilweise geständig zeigte, was zu seinen Gunsten zu berücksichtigen war. Dem steht jedoch die einschlägige Vorstrafenbelastung, das Vorliegen der Strafschärfung nach Rückfall nach § 39 StGB und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen gegenüber. Insbesondere wird berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bereits drei Vorverurteilungen der polnischen Justiz aufweist. Dies zeigt offensichtlich, dass der Beschwerdeführer aus seinem Fehlverhalten nicht gelernt hat, ihm die österreichische Rechtsordnung offenbar gleichgültig ist und ihn die Verurteilungen offensichtlich nicht von der Begehung weiterer Straftaten (nunmehr) im österreichischen Bundesgebiet abgehalten haben. Auch wenn mit dem von der belangten Behörde verhängte Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren das höchstzulässige Maß ausgeschöpft wird, erweist sich dieses als nicht ungerechtfertigt, insbesondere da der Beschwerdeführer bereits in Polen aufgrund seines einschlägigen Fehlverhaltens verurteilt wurde und in Österreich nunmehr erneut zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. In diesem Zusammenhang spielt auch die Vielschichtigkeit seines kriminellen Fehlverhaltens (Verstöße gegen Suchtmittelgesetze in Österreich und Polen und sowie Vergewaltigung und Einbruchsdiebstahl in Polen) für die Bemessung des Aufenthaltsverbotes eine nicht unwesentliche Rolle. Hinzu kommt seine aus der Schwarzarbeit resultierende Übertretung der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer einen Teil der Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und gewerbsmäßig beging, lässt die Höhe des Aufenthaltsverbotes mit dem konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten im Einklang stehen. Aufgrund dieser Überlegungen war daher die Dauer des Aufenthaltsverbotes von zehn Jahren nicht zu beanstanden und erweist sich als angemessen und erforderlich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im gegenständlichen Fall ist der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt vollständig und wurde in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben. Er weist und bezogen auf den gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit auf.

Auch unter Berücksichtigung der vom VwGH immer wieder postulierten Wichtigkeit (jüngst wieder VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200) der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, stellt sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als eindeutiger Fall dar, in dem bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten wäre, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschaffen würde (vgl. VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0068, Rn. 12).

Somit war von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auseinander.

Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2233489.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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