Entscheidungsdatum
24.09.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
I422 2232293-1/9E
I422 2232293-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter in der Rechtssache des Beschwerdeführers XXXX, geb. am XXXX, StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, Mozartstraße 11/6, 4020 Linz,
I. über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2019, Zl. 1208615003-180940482, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot den Beschluss gefasst:
A) Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.05.2020, Zl. 1208615003-180940482, betreffend die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages
A) zu Recht erkannt:
Der Bescheid vom 13.05.2020, Zl. 1208615003-180940482, wird behoben.
B) den Beschluss gefasst:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 16.03.2020 wird als unzulässig zurückgewiesen.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Aufgrund einer Straffälligkeit des Beschwerdeführers beabsichtigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbotes. Zu diesem Zweck, forderte sie ihn mit Schreiben vom 04.10.2018, zugestellt am 08.10.2018, im Rahmen einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme auf, zur in Aussicht gestellten Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbotes Stellung zu nehmen. Eine diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers langte nicht ein.
2. Mit Bescheid vom 04.04.2019, Zl. 1208615003-180940482, erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Des Weiteren erließ die belangte Behörde gegen ihn ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.). Der Bescheid wurde mit Wirksamkeit 04.04.2019 gemäß §§ 8 Abs. 1 iVm 23 ZustG ohne vorhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt, da der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt über keine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet verfügte.
3. Am 16.03.2020 wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der belangen Behörde vom 04.04.2019, Zl. 1208615003-180940482, gestellt. Begründend führte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers aus, er sei bei seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet im März 2019 in Unkenntnis seiner Meldeverpflichtung gewesen. Aufgrund seiner fehlenden Sprach- und Rechtskenntnisse sei somit ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis vorgelegen, welches ihn ohne ein Verschulden an der Fristwahrung gehindert hätte. Zugleich wurde die versäumte Rechtshandlung in Form einer Beschwerde nachgeholt.
4. Mit Bescheid vom 13.05.2020, Zl. 1208615003-180940482, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (Spruchpunkt I.) und erkannte dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung nicht zu (Spruchpunkt II.).
5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die mit Schriftsatz vom 15.06.2020, bei der belangten Behörde eingelangt am 17.06.2020, rechtzeitig erhobene Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Dem Beschwerdeführer wurde nachweislich am 08.10.2018 ein Parteiengehör zugestellt, in welchem er über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots in Kenntnis gesetzt wurde. In diesem Schreiben wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer überdies darauf hin, dass das Verfahren ohne nochmalige Anhörung aufgrund der Aktenlage fortgeführt werde, sofern keine Stellungnahme einlange, und dass der Beschwerdeführer jede Änderung seiner Zustelladresse der Behörde unverzüglich mitzuteilen habe. Des Weiteren informierte die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Parteiengehör über die Konsequenzen eines Unterlassens dieser Mitteilung, wonach die Zustellung weiterer Schriftstücke durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen sei, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne.
Während seines Aufenthaltes in Österreich teilte der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden von sich aus keine Meldeadresse mit. Er wurde bei Haftantritt am 03.10.2018 erstmalig melderechtlich erfasst und war sodann bis 06.03.2019 in verschiedenen Justizanstalten gemeldet.
Die belangte Behörde erließ am 04.04.2019, Zl. 1208615003-180940482, den Bescheid mit dem über den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und ein befristetes Einreiseverbot verhängt wurden. In Ermangelung einer Zustelladresse hinterlegte sie diesen Bescheid am selben Tag im Akt.
Am 02.03.2020 nahm ein Mitarbeiter des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers Einsicht in den Behördenakt und erhielt im Zuge dessen einen Ausdruck des Bescheides vom 04.04.2019. Eine anderweitige Ausfolgung oder Zusendung des Bescheides an den Beschwerdeführer bzw. seiner Rechtsvertretung erfolgte nicht.
Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 16.03.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der belangen Behörde vom 04.04.2019, Zl. 1208615003-180940482. Zugleich holte er im Schriftsatz die versäumte Rechtshandlung in Form einer Beschwerde nach.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der bekämpften Bescheide sowie der Angaben des Beschwerdeführers im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und in den Beschwerdeschriftsätzen.
Die Zustellung eines Parteiengehörs und eine mangelnde Reaktion darauf seitens des Beschwerdeführers ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Behördenakt und der sich darin befindlichen und vom Beschwerdeführer unterfertigten Übernahmebestätigung. Im Parteiengehör auf Seite 4 ist zudem klar ersichtlich, dass der Beschwerdeführer auf etwaige Pflichten nach dem ZustG hingewiesen wurde. Aus einem aktuellen ZMR-Auszug ergeben sich die Feststellungen zu seinen melderechtlich erfassten Wohnsitzen im Bundesgebiet.
Die Erlassung sowie die anschließend durchgeführte Hinterlegung des Bescheides vom 04.04.2019, Zl. 1208615003-180940482, im Behördenakt ergibt sich aus der im Verwaltungsakt befindlichen Beurkundung der Hinterlegung, datiert mit 04.04.2019.
Die Einsichtnahme eines Mitarbeiters des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers in den Behördenakt sowie die daraufhin folgende persönliche Ausfolgung des Bescheides vom 04.04.2019 als Ausdruck ergibt sich zweifelsfrei aus einer Anfragenbeantwortung des Rechtsvertreters vom 17.08.2020. Dass keine anderweite Zusendung oder Ausfolgung des Bescheides vom 04.04.2019 erfolgte, gründet auf folgenden Umständen: Aus dem vorliegenden Akteninhalt ist ersichtlich, dass der Rechtsvertreter die belangte Behörde bereits mit Schriftsatz vom 21.12.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 30.12.2019, um Zusendung des Bescheides vom 04.04.2019 ersuchte. Am 13.01.2020 wurde zwar seitens der belangten Behörde eine dementsprechende (handschriftliche) Verfügung erlassen, allerdings war dem Behördenakt kein Zustellnachweis zu entnehmen. Somit ist davon auszugehen, dass dieser Verfügung nicht entsprochen wurde und der Bescheid der Rechtsvertretung auf deren Ersuchen vom 21.12.2019 nicht zugesandt wurde.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Nachholung der versäumten Rechtshandlung ergeben sich zweifelsfrei aus dem Behördenakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Eine Zurückweisung durch Beschluss hat etwa im Falle des Fehlens eines Bescheides zu erfolgen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 28 K 2).
Zu Spruchteil I. A) Zurückweisung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.04.2019
Zum Zustandekommen eines Bescheides ist es erforderlich, dass er erlassen wird. Erst mit seiner Erlassung erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz (vgl. VwGH 26.04.2000, 99/05/0239; 23.07.2009, 2007/05/0139). Solange ein Bescheid noch nicht erlassen wurde, kann er keine Rechtswirkung nach außen entfalten (Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 2011, Rz 426). Die Erlassung schriftlicher Bescheide hat durch Zustellung oder Ausfolgung zu erfolgen. Erlassen ist ein Bescheid ab dem Zeitpunkt, ab dem eine rechtswirksame Zustellung oder Ausfolgung vorliegt (vgl. VwGH 26.06.2001, 2000/04/0190).
Die Erlassung eines schriftlichen Bescheides hat dessen Zustellung (oder Ausfolgung gemäß § 24 Zustellgesetz) zur Voraussetzung. Erst wenn eine rechtswirksame Zustellung vorliegt, ist der Bescheid erlassen (vgl. VwGH 29.04.2010, 2008/21/0589).
Die Beurteilung, ob die Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 04.04.2019 rechtswirksam erfolgt ist, richtet sich nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes (vgl. § 1 ZustG). Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten (§ 5 ZustG).
Aus dem zugestellten Parteigengehör war dem Beschwerdeführer seine Meldeverpflichtung nachweislich bekannt. Im weiteren Schritt ist zu prüfen, ob ihn diese kundgemachte Meldepflicht – samt gegenständlicher rechtlicher Konsequenzen – auch tatsächlich betrifft:
Gemäß § 8 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung gemäß Abs. 2 unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Gemäß § 2 Abs. 1 MeldeG ist zu melden, wer in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt oder eine solche Unterkunft aufgibt. Nicht zu melden sind gemäß Abs. 2 (1) Menschen, denen in einer Wohnung nicht länger als drei Tage Unterkunft gewährt wird; (2) ausländische Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder und diesen vergleichbare Persönlichkeiten sowie deren Begleitpersonen; (3) Fremde, die im Besitz eines gemäß § 95 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, vom Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres ausgestellten gültigen Lichtbildausweises sind, soweit sie in Wohnungen Unterkunft nehmen; (4) Menschen, die auf Grund einer Entscheidung oder Verfügung eines ordentlichen Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde angehalten werden.
Die im § 8 Abs. 1 ZustG normierte Mitteilungspflicht bezieht sich auf die „Änderung“ der „bisherigen Abgabestelle“. Sie setzt also voraus, dass die Partei (während des Verfahrens) über eine „Abgabestelle“ (im Sinne des hier maßgeblichen § 4 ZustG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004; vgl. nunmehr § 2 Z 5 ZustG), insbesondere über eine Wohnung oder sonstige Unterkunft, verfügt hat. Ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG kommt daher - mangels Verletzung einer Mitteilungspflicht über eine Änderung der Abgabestelle - nicht in Betracht, wenn die Partei (schon von Anfang an) keine Abgabestelle hatte (vgl. VwGH 27.04.2006, 2005/20/0645).
Im gegenständlichen Fall stützte die belangte Behörde die durchgeführte Hinterlegung im Akt ohne vorhergehenden Zustellversuch auf § 8 Abs. 1 ZustG, da sie den Beschwerdeführer im ordnungsgemäß zugestellten Parteiengehör vom 04.10.2018 auf seine Meldeverpflichtung gemäß § 8 ZustG hingewiesen habe.
Der Beschwerdeführer verfügte während seines gesamten Aufenthaltes in Österreich jedoch über keine Abgabestelle iSd § 8 ZustG, da er lediglich in zwei Justizanstalten iSd § 2 Abs. 2 Z 4 MeldeG ordnungsgemäß gemeldet war. Insoweit traf den Beschwerdeführer die Mitteilungspflicht iSd § 8 Abs. 1 ZustG mangels einer „Änderung“ seiner „bisherigen Abgabestelle“ nicht, sodass ein Vorgehen nach § 8 Abs. 2 ZustG nicht zulässig war. Im gegenständlichen Fall löste die Hinterlegung im Akt keine ordnungsgemäße Zustellung des Bescheides aus.
In einem weiteren Schritt ist zu beurteilen, ob der angefochtene Bescheid vom 04.04.2020 zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich ordnungsgemäß zugestellt wurde. Feststellungsgemäß erfolgte kein weiterer Zustellversuch an den Beschwerdeführer selbst oder an dessen Rechtsvertretung, jedoch erhielt ein Mitarbeiter seines Rechtsvertreters einen Ausdruck des Bescheides im Zuge einer Akteneinsicht am 02.03.2020.
Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten gemäß § 9 Abs. 1 ZustG andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht). Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (§ 9 Abs. 3 ZustG).
Auch wenn die Behörde ausdrücklich zum Ausdruck bringt, dass sie eine Zustellung nicht bewirken wolle (weil zB ihre Absicht lediglich auf Information gerichtet ist, Übermittlung „zur Kenntnisnahme“), hat die Übermittlung des das Verfahren abschließenden Bescheides an die am betreffenden Verfahren als Partei zu beteiligende Person die Rechtswirkung einer Zustellung. Diese Rechtswirkungen treten unabhängig davon ein, ob die Behörde mit der Übermittlung des Bescheides eine Zustellung im Rechtssinn beabsichtigte (vgl. VwGH 09.04.1992, 88/06/0190 mit Hinweis auf VwGH 24.10.1989, 89/11/0144).
In Hinblick auf das „tatsächliche Zukommen“ iSd § 9 Abs. 3 ZustG ist insbesondere das Erkennntnis des VwGH vom 22.11.2011, 2007/04/0082 (vgl. weiters VwGH 29.03.2001, 2001/06/0004) zu beachten: „Der Umstand, dass die Erledigung, die im Original nicht dem Vertreter, sondern lediglich der Partei selbst zugestellt wurde, dem Rechtsvertreter der Partei mittels Telefax zugekommen und ihm somit in dieser Form zur Kenntnis gekommen ist, kann den in der unterlassenen Zustellung an den Parteienvertreter gelegenen Verfahrensmangel nicht heilen. Die Kenntnis des Vertreters vom Erledigungsinhalt durch Übermittlung einer Telekopie (bzw. Telefax) wie die Kenntnis durch Übergabe einer Fotokopie stellt kein „tatsächliches Zukommen“ der Erledigung gegenüber dem Vertreter im Sinne des § 7 Abs. 1 ZustG dar (Hinweis E vom 16. September 2009, 2006/05/0080, mwH). Es kann daher nicht von einem tatsächlichen Zukommen der als Bescheid bezeichneten Erledigung gegenüber dem Vertreter und somit nicht von einer Sanierung des Zustellmangels im Sinne des § 7 Abs. 1 ZustG die Rede sein. Die als Bescheid bezeichnete Erledigung ist daher nicht rechtswirksam erlassen worden.“ Maßgeblich ist für den Tatbestand des "tatsächlichen Zukommens", dass der Bescheid im Original vom Vertreter tatsächlich (körperlich) in Empfang genommen wird (vgl. Walter - Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes7, S. 87, Rz 203)."
Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Kenntnisnahme von einem Bescheid im Zuge einer Akteneinsicht durch einen Parteienvertreter bzw. der Umstand, dass diesem tatsächlich eine Kopie eines Bescheides zukommt, der im Original nicht dem im Verfahren ausgewiesenen Vertreter der Partei sondern der Partei selbst zugestellt wurde, den in der unterlassenen Zustellung an den Parteienvertreter gelegenen Verfahrensmangel nicht heilen (vgl. VwGH vom 30.09.1999, 99/02/0102; 12.04.1999, 98/11/0289; 27.05.1999, 99/02/0083). Sollte dem Vertreter der Revisionswerberin tatsächlich erst im Zuge der Akteneinsicht (hier ca. drei Monate nach der Zustellung des Bescheidoriginals) eine mit dem Tag der Akteneinsicht datierte Kopie des Bescheides zugekommen sein, ist somit zu beachten, dass dies einen allfälligen Zustellmangel gemäß § 9 Abs. 3 ZustG nicht heilt. In diesem Fall ist vielmehr davon auszugehen, dass eine rechtsgültige Zustellung des Straferkenntnisses bisher nicht erfolgt ist. Im Einparteienverfahren (als solches stellt sich das behördliche Verwaltungsstrafverfahren dar) setzt die Erhebung einer Beschwerde zwingend die Erlassung eines damit angefochtenen Bescheides voraus (vgl VwGH vom 30. September 1999, 99/02/0102 zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012). Die gegen das Straferkenntnis erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wäre diesbezüglich nicht als verspätet, sondern mangels rechtsgültiger Erlassung eines zugrundeliegenden Bescheides als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 18.11.2015, Ra 2015/17/0026).
Ist das Straferkenntnis nicht den Zustellbevollmächtigten, sondern dem Revisionswerber selbst zugestellt worden, sodann in weiterer Folge von diesem an die Rechtsanwälte (Revisionswerbervertreter) weitergeleitet, von diesen sodann Beschwerde erhoben, so steht dies einer wirksamen Zustellung des Straferkenntnisses an die Revisionswerbervertreter nicht entgegen, weil das Original des Dokuments den Revisionswerbervertretern tatsächlich zugekommen ist. Nur wenn diese lediglich eine Kopie des Dokumentes erhalten hätten, wäre der Zustellmangel nicht gemäß § 9 Abs. 3 ZustG geheilt worden (vgl. VwGH 09.12.2019, Ra 2019/02/0224).
Aus der zitierten Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich somit, dass eine Heilung eines Zustellmangels gemäß § 9 Abs. 3 ZustG jedenfalls ausgeschlossen ist, wenn das Original des relevanten Dokuments nicht in den Händen des Zustellbevollmächtigten – seines Rechtsvertreters - liegt. Feststellungsgemäß wurde das Original des Bescheides vom 04.04.2019 im Akt hinterlegt und erhielt der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im Zuge der Akteneinsicht am 02.03.2020 lediglich einen Ausdruck dieses Bescheides; gleichzusetzen mit dem Erhalt einer Kopie. Es ergibt sich somit in weiterer Konsequenz, dass der gegenständliche Bescheid im Zuge der Übergabe eines Ausdrucks an den Vertreter des Beschwerdeführers diesem nicht tatsächlich zugekommen ist. Eine Heilung des Zustellmangels liegt somit nicht vor.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gilt ein Bescheid dann erlassen, wenn er verkündet oder formgerecht zugestellt wurde (vgl. VwGH 09.06.2017, Ra 2017/02/0060; 26.04.1993, 91/10/0252).
In einer Gesamtschau ist somit anzunehmen, dass der Bescheid vom 04.04.2019 zum Entscheidungszeitpunkt des erkennenden Gerichtes keine ordnungsgemäße Zustellung erfuhr. Solange eine solche Zustellung nicht durchgeführt wird, ist der Bescheid als noch nicht erlassen zu qualifizieren und das Verfahren nach wie vor in erster Instanz anhängig.
Die dagegen erhobene Beschwerde war mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes somit als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchteil II.A) und II.B) Behebung des Bescheides vom 13.05.2020 und Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Wie zuvor unter I. A) ausführlich dargestellt, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 04.04.2019 bisher noch nicht ordnungsgemäß erlassen, sodass das Verfahren betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot bei der belangten Behörde in erster Instanz nach wie vor anhängig ist. Ein Antrag auf Wiedersetzung in den vorigen Stand kommt somit nicht in Betracht, da die Frist für das Ergreifen eines Rechtsmittels gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 04.04.2019 bislang noch nicht zu laufen begonnen hat. Die belangte Behörde hätte somit den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurückzuweisen müssen, anstatt inhaltlich darüber zu entscheiden. Der Bescheid vom 13.05.2020, Zl. 1208615003-180940482, war somit zu beheben und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegens eines rechtswirksamen Bescheides zurückzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Eine Beschwerdeverhandlung kann gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin unterbleiben.
Zu Spruchpunkt I.B) und II. C) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Bescheiderlassung Einreiseverbot ersatzlose Behebung Kassation Nichtbescheid Rückkehrentscheidung unzulässiger Antrag Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2232293.2.00Im RIS seit
24.02.2021Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021