TE Bvwg Beschluss 2020/10/1 G311 2215440-1

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Veröffentlicht am 01.10.2020
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Entscheidungsdatum

01.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G311 2215440-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Ungarn, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. László SZABÓ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2019, Zahl: XXXX, betreffend Erlassung einer Ausweisung:

A)       In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner damaligen Erwerbstätigkeit am 13.09.2018 eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger ausgestellt worden sei, er aber gleich danach für sich und seine Familie einen Antrag auf bedarfsorientierte Mindestsicherung gestellt habe. Die zuständige Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde habe daraufhin das Bundesamt mit der Einleitung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung befasst, da der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt ausschließlich von Sozialhilfe bestreite und somit die Voraussetzungen des § 51 NAG nicht mehr vorlägen. Der Beschwerdeführer sei völlig mittellos, gehe keiner Erwerbstätigkeit nach und könne seinen Unterhalt bzw. den seiner Kinder in Österreich nicht finanzieren. Dementsprechend sei der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet auszuweisen gewesen.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21.01.2019 zugestellt.

Am 13.02.2019 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und in weiterer Folge über ihn die Untersuchungshaft verhängt.

Per E-Mail des bevollmächtigten Rechtsvertreters vom 15.02.2019 erhob der Beschwerdeführer gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2019, XXXX, rechtskräftig am XXXX.2019, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Am XXXX.03.2020 wurde der Beschwerdeführer bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren aus der Freiheitsstrafe entlassen (vgl. Strafregisterauszug vom 23.09.2020).

Festzuhalten ist somit, dass der Beschwerdeführer kurz nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides straffällig wurde und während des anhängigen Beschwerdeverfahrens rechtskräftig zu einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sodass die strafgerichtliche Verurteilung bzw. das dieser zugrundeliegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers bei der Beurteilung der gegen den Beschwerdeführer zu erlassenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch das Bundesamt nicht berücksichtigt werden konnte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Im gegenständlichen Fall wurde gegen den Beschwerdeführer am 21.01.2019 eine Ausweisung erlassen. Es sind jedoch (nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides) neue Umstände hinzugetreten, die die Neubeurteilung der gegen den Beschwerdeführer zu erlassenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig machen, zumal er am XXXX.10.2019 zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Das Bundesamt konnte aufgrund der Chronologie der Ereignisse keine Ermittlungen hinsichtlich der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vornehmen, sodass die Angelegenheit insoweit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Durchführung der notwendigen Ermittlungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zurückzuverweisen ist. Eine meritorische Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes scheidet insbesondere deshalb aus, weil im angefochtenen Bescheid keine Entscheidung über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes getroffen wurde. Diese Entscheidung liegt somit außerhalb der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens, sodass es dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt ist, inhaltlich über die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu entscheiden (ähnlich VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146 und 29.08.2019, Ra 2018/19/0629). Die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist nämlich jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (siehe VwGH vom 13.12.2018, Ra 2018/11/0200).

Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben und die Angelegenheit zur Prüfung der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes an das Bundesamt zurückzuverweisen. Zweckmäßigerweise wird davor das strafgerichtliche Urteil einzuholen sein.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2215440.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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