TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/2 I403 2232749-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2020
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Entscheidungsdatum

02.10.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66
FPG §66 Abs1
FPG §66 Abs2
FPG §70 Abs3
NAG §52 Abs1
NAG §54 Abs1
NAG §55 Abs1
NAG §55 Abs3
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2232749-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Serbien, vertreten durch die „Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH“ und „Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH“, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Serbiens, stellte am 12.02.2018 einen Antrag auf Ausstellung einer Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes, da sein Sohn, ein polnischer Staatsbürger, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch mache. Am 23.09.2019 wurde Säumnisbeschwerde erhoben und führte das Verwaltungsgericht XXXX am 05.12.2019 eine mündliche Verhandlung durch.

Mit Schreiben vom 31.01.2020 informierte das Verwaltungsgericht XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 55 Abs. 3 NAG, dass seiner Ansicht nach dem Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet nicht von seinem Sohn Unterhalt gewährt wurde, was Voraussetzung für die Gewährung eines Aufenthaltsrechts nach § 54 Abs. 1 NAG iVm § 52 Abs. 1 Z 3 NAG sei (vgl. VwGH, 12.08.2010, Zl. 2008/10/0139). Zudem sei kein Versicherungsschutz gegeben und auch nicht davon auszugehen, dass der Sohn des Beschwerdeführers ihm hier in Österreich Unterhalt zahle, da selbst bei einem monatlichen Betrag von 200 Euro (von welchem das VwG XXXX aber nicht ausgehe) dies nicht reiche, um die wesentlichen Unterhaltsbedürfnisse in Österreich zu begleichen.

Dem Beschwerdeführer wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Möglichkeit für eine Stellungnahme gewährt, die mit Schriftsatz vom 28.02.2020 erstattet wurde. Es wurde darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde (und nicht die Niederlassungsbehörde) die Vorfrage des Vorliegens eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts zu beurteilen habe; dem Beschwerdeführer sei bereits in Serbien Unterhalt durch seinen Sohn gewährt worden und komme dieser auch jetzt in Österreich für ihn auf.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21.04.2020 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, dass er bereits vor seiner Ausreise von seinem Sohn finanziell abhängig gewesen sei. Eine Ausweisung stelle aufgrund des kurzen Aufenthalts im Bundesgebiet auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar.

Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 29.05.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Es wurde wiederholt, dass sein Sohn dem Beschwerdeführer bereits in Serbien Unterhalt gewährt habe und beantragt, den Beschwerdeführer, seinen Sohn und seinen Bruder zu befragen.

Am 29.09.2020 wurde eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht abgehalten, in welcher den Anträgen auf Zeugenbefragung nachgekommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der volljährige und unbescholtene Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehörige. Seine Identität steht fest. Er ist gesund und arbeitsfähig und hat keine Sorgepflichten. In XXXX leben sein Sohn, sein Enkelsohn sowie sein Bruder und dessen Familie. Seine volljährige Tochter lebt in Polen.

Der Beschwerdeführer war von 2006 bis Dezember 2018 in Serbien als Getränkelieferant tätig. Zuletzt hatte er ein Durchschnittsnettogehalt von 270 Euro; mit diesem Gehalt konnte er seinen Lebensunterhalt zuletzt nicht mehr finanzieren und wurde er daher ab Sommer 2017 regelmäßig von seinem Sohn finanziell unterstützt.

Der Beschwerdeführer verließ Serbien im Dezember 2018 und hält sich seither in Österreich auf; vom 13.02.2018 bis 09.05.2019 hatte er einen Nebenwohnsitz in Österreich gemeldet. Seit 09.05.2019 ist er bei seinem Bruder in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet und verfügt in der etwa 70qm großen Wohnung, in der neben ihm sein Bruder und dessen Lebensgefährtin leben, über ein eigenes Zimmer. Dort kann er unentgeltlich und ohne Befristung wohnen. Der Beschwerdeführer wird gegenwärtig finanziell von seinem Sohn mit Zuwendungen in der Höhe von maximal 225 Euro monatlich unterstützt.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Hauses in XXXX , in welchem er bis zu seiner Ausreise im Dezember 2018 auch alleine lebte. Das renovierungsbedürftige Haus steht aktuell leer. Der Beschwerdeführer verfügt sonst über keine Vermögenswerte.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer verfügt aktuell über keine Krankenversicherung (zu den Voraussetzungen einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung vgl. VwGH, 07.12.2016, Fe 2015/22/0001).

Der Beschwerdeführer geht aktuell keiner beruflichen Tätigkeit nach, könnte aber bei einem Unternehmen als Bauhofarbeiter zu arbeiten beginnen. Er hilft seinem Sohn bei der Betreuung des Enkelsohnes; seine Deutschkenntnisse sind noch nicht sehr ausgeprägt.

M.M., der Sohn des Beschwerdeführers, lebt seit Jänner 2009 durchgehend im Bundesgebiet. Er ist polnischer Staatsbürger und verfügt über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht. Am 09.03.2015 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung ausgestellt. Er war von 24.10.2013 bis 12.12.2013 in Beschäftigungsverhältnissen und bezog dann bis zum 15.09.2015 Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, daneben war M.M. geringfügig beschäftigt. Danach war er von 16.09.2015 bis 15.04.2020 bei dem Unternehmen „ XXXX “ tätig und verdiente rund 1600 Euro monatlich brutto (Auszahlung ca. 1300 Euro). Seit 19.05.2020 ist er arbeitslos gemeldet und arbeitete daneben vom 06.05.2020 bis 19.06.2020 geringfügig. M.M. gab in der Verhandlung an, mehrere Einstellungsangebote zu haben.

1.2. Zur Lage in Serbien:

1.2.1. Auf Basis des Länderinformationsblattes der BFA Staatendokumentation zu Serbien vom 9. Juli 2020 wird festgestellt:

Grundversorgung / Wirtschaft

Die Stärkung der serbischen Wirtschaft ist seit Jahren eines der innenpolitischen Hauptthemen. Als EU-Beitrittskandidat strebt Serbien nach Anpassung an die EU-Standards. Die Wirtschaftszahlen zeigen große Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung sowie eine leichte Besserung mit Blick auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung (AA 2.5.2019c).

Trotz erheblicher Reformanstrengungen und dem grundsätzlichen Umbau einer verstaatlichten, reglementierten und von starken Einbrüchen geprägten zu einer modernen Marktwirtschaft sieht sich Serbien auch nach einem Jahrzehnt grundlegenden Strukturproblemen gegenüber, welche die wirtschaftliche und Haushaltsstabilität bedrohen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).

Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 10,9%. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13% prognostiziert. Die Jugendarbeitslosenquote (bei 14 bis 24-jährigen) wird bei rund 32,05% geschätzt. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Serbien rund 50,5 Milliarden US-Dollar. Für das Jahr 2024 wird das BIP Serbiens auf rund 75,2 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien rund 7.223 US-Dollar. Im Jahr 2019 belief sich die durchschnittliche Inflationsrate in Serbien auf rund 2% gegenüber dem Vorjahr (Statista 24.4.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (2.5.2019c): Serbien: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/wirtschaft/207504, Zugriff 3.10.2019

- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2019): Serbien, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/serbien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 3.10.2019

- Statista - deutsches Online-Portal für Statistik (24.4.2020): Serbien, Arbeitslosenquote in Serbien bis 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/368629/umfrage/bruttoinlandsprodukt-bip-pro-kopf-in-serbien/, Zugriff 5.6.2020

Sozialbeihilfen

Armut in Serbien ist v.a. ein ländliches Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten, es kommt bisher nur ein kleinerer Teil der Transferzahlungen bei Ihnen an. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).

Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Der Umfang der Aktivitäten, der seitens der Sozialämter angeboten wird, beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern, Familien mit drei oder mehr Kindern. Zusätzlich gibt es spezielle Unterstützung um Familiengewalt vorzubeugen. Sozialhilfe ist in Serbien kostenfrei. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich (IOM Country Fact Sheet 2018).

Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld in Höhe von umgerechnet ca. 25 Euro ausbezahlt (AA 3.11.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2019): Serbien, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/serbien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 3.10.2019

- IOM - Internationale Organisation für Migration (geändert 1.4.2019): Länderinformationsblatt Serbien 2018, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772192/18363839/Serbien_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101616&vernum=-2, Zugriff 19.9.2019

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist außerhalb der größeren Städte nicht überall gewährleistet (EDA 24.9.2019).

Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren - oft private - Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen (AA 23.9.2019b).

Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können (IOM 1.4.2019).

Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar, auch können z.B. in Belgrad Bypassoperationen vorgenommen werden. Einsatz, Kontrolle und Wartung von Herzschrittmachern ist in Belgrad grundsätzlich möglich (nicht jedes Modell). Herz- und sonstige Organtransplantationen (mit Ausnahme der relativ häufigen Nierentransplantationen) werden gelegentlich durchgeführt, sind aber noch keine Routineoperationen. Im Juli 2018 wurde in Serbien ein Transplantationsgesetz und ein Gesetz über eine Organspenderdatenbank, welche jedoch bis heute nicht funktionsfähig ist, verabschiedet. Mehr als 1.000 Patienten warten auf eine Organtransplantation, während die Zahl der potentiellen Spender sehr gering ist (AA 3.11.2019).

Behandelbar sind in Serbien (keine abschließende Aufzählung): Diabetes mellitus (die Versorgung mit allen Arten von gängigen Insulinpräparaten ist regelmäßig und sicher), orthopädische Erkrankungen (auch kranken-gymnastische u.ä. Therapien), psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung), Atemwegserkrankungen (u.a. Asthma bronchiale), Hepatitis B und C (abhängig von der Verfügbarkeit antiviraler Medikamente, die teilweise selbst gekauft werden müssen), Epilepsie, ein Großteil der Krebsformen, Nachsorge für Herzoperationen, Krebsoperationen, orthopädische Operationen etc. Dialyse wird bei Verfügbarkeit eines Platzes durchgeführt. Es gibt auch in Belgrad und Novi Sad private Zentren zur Dialyse. Diese beiden Kliniken haben Verträge mit der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen, wonach sie auch bei Bedarf auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung Dialysen durchführen können (AA 3.11.2019).

Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten. Neben dem Therapiezentrum in der Wojwodina existieren mittlerweile weitere Therapiezentren in Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schulen für Schüler mit Gehör- und Sprachschädigung sind in Serbien vorhanden. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle (insbesondere ausländische, in Einzelfällen auch in Serbien hergestellte) Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind. Für den Patienten fällt bei Vorlage eines vom Allgemeinarzt ausgestellten Rezeptes lediglich eine Beteiligungsgebühr von 50,- RSD an (ca. 0,50 Euro) (AA 3.11.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020

- AA - Auswärtiges Amt (23.9.2019b): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 23.9.2019

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (24.9.2019): Serbien, Reisehinweise für Serbien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/serbien/reisehinweise-serbien.html, Zugriff 24.9.2019

- IOM - Internationale Organisation für Migration (geändert 1.4.2019): Länderinformationsblatt Serbien 2018, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772192/18363839/Serbien_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101616&vernum=-2, Zugriff 19.9.2019

1.2.2. ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Serbien: Existenzminimum in Serbien; Möglichkeiten eines 24-jährigen Mannes mit Grundschulausbildung ein über dem Existenzminimum liegendes Einkommen zu erzielen [a-10751], 23. Oktober 2018
https://www.ecoi.net/de/dokument/1455518.html (Zugriff am 2. Oktober 2020)

Als Armutsgefährdungsschwelle bzw. relative Armutsgrenze wurden für die Jahre 2017/2018 monatlich 126 bis 130 Euro genannt. Laut einem Universitätsprofessor verdiene ein Viertel der serbischen Bevölkerung etwa 130 Euro monatlich und lebe somit in relativer Armut; 2016 hätten 7,3 Prozent der serbischen Bevölkerung ein Monatseinkommen von weniger als 100 Euro gehabt, wobei 1-1,5% der Bevölkerung in extremer Armut leben würden.

Laut einer Information des serbischen Handelsministeriums vom Juni 2018 lag der Basis-Warenkorb zu diesem Zeitpunkt bei 312 Euro, der durchschnittliche Basis-Warenkorb bei 600 Euro und das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen bei 416 Euro.

Die Deutsche Welle sprach im November 2017 wiederum von einem offiziellen Existenzminimum von 278 Euro monatlich, die deutsche Gewerkschaft ver.di wiederum im April 2018 von 290 Euro monatlich.

1.2.3. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Serbien: Existenzminimum; Armutsrisikogrenze vom 23.09.2020

1.       Was ist das aktuelle Existenzminimum in Serbien bzw. welches Einkommen ist not-wendig, um die Grundbedürfnisse abzudecken?
2.         Wie hoch war das Existenzminimum in Serbien im November 2019?

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass es einen Bericht über Armut und soziale Ungleichheit des serbischen staatlichen Statistikamts nur für das Jahr 2018 gibt. Laut diesem Bericht betrug die Armutsgrenze EUR 140,80 für eine Einzelperson, EUR 253,45 für eine dreiköpfige und EUR 295,69 für eine vierköpfige Familie.

Der minimale Verbraucherkorb lag im Juni 2020 bei EUR 323,48, im November 2019 bei EUR 313,98. 2,4 von insgesamt 6,9 Millionen Einwohner Serbiens lebten 2018 in Armut und sozialer Ausgrenzung, 24,3% der Bevölkerung war armutsgefährdet.

Im Juni 2020 lag das Durchschnittsbruttogehalt bei EUR 702,02, das Durchschnittsnettogehalt betrug EUR 508,04. Im Juni 2020 waren 1,23 Durchschnittsgehälter erforderlich, um den neuen durchschnittlichen Verbraucherkorb abzudecken, bzw. reichten 0,64 eines Durchschnittsgehaltes aus, um den neuen Mindestverbraucherkorb abzudecken.

Die Armut in Serbien ist v.a. ein rurales Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen. Bürger Serbiens, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben, haben Anspruch auf Sozialhilfe. Sofern nachweislich keine private Unterkunftsmöglichkeit besteht, sind die örtlich zuständigen „Zentren für Sozialarbeit“ im Einzelfall bereit, bescheidene Quartiere auf kommunale Kosten anzumieten.

Einzelquellen:

Der Sozialattaché des BMEIA an der Österreichischen Botschaft in Belgrad hat zu diesen Fragestellungen Folgendes berichtet:

Der minimale Verbraucherkorb für den Monat Juni 2020 betrug 38.171,11 RSD (323,48 Euro). Der minimale Verbraucherkorb für den Monat November 2019 betrug RSD 37.049,21 (313,98 Euro). Der minimale Verbraucherkorb wird für einen Haushalt nach der OECD-Skala berechnet.

Republiksanstalt für Statistik veröffentlicht jährlich den Bericht über die Armut und soziale Ungleichheit, aber dazu gibt es momentan nur Angaben aus dem Jahr 2018.

Die Armutsrisikogrenze betrug im Jahr 2018 16.615 RSD (140,80 Euro) für eine Einzelperson, 29.907 RSD (253,45 Euro) für eine dreiköpfige Familie und 34.892 RSD (295,69 Euro) für eine vierköpfige Familie.

Laut serbischem Ministerium für Handel, Tourismus und Telekommunikation betrug das im Juni 2020 berechnete Durchschnittsbruttogehalt RSD 82.572 (EUR 702,02); das Durchschnittsnetto-gehalt betrug RSD 59.740 (EUR 508,04). Im Juni 2020 waren 1,23 Durchschnittsgehälter erforderlich, um den neuen durchschnittlichen Verbraucherkorb abzudecken, bzw. reichten 0,64 eines Durchschnittsgehaltes aus, um den neuen Mindestverbraucherkorb abzudecken.

Das deutsche Statistische Bundesamt (Destatis), das die Daten für das Jahr 2018 von dem statistischen Amt der Europäischen Union Eurostat übernommen hat, verglich verschiedene Indikatoren Serbiens und Deutschlands, unter anderem den Indikator: „Soziales und Lebensbedingungen“. Laut Destatis (Quelle Eurostat) lebten (letzte Angaben 2018; Anm.) in Serbien 2,4 von insgesamt 6,9 Millionen Einwohner in Armut und sozialer Ausgrenzung, 24,3% der Bevölkerung war armutsgefährdet.

Das deutsche Länderinformationsportal (LIPortal), das einen Überblick und Vertiefung zu mehr als 80 Ländern, gegliedert in fünf Themenfelder, bietet, berichtete im Juli 2020 Folgendes über die Armut in Serbien: Armut in Serbien ist v.a. ein rurales Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten, es kommt bisher nur ein kleinerer Teil der Transferzahlungen bei ihnen an. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen.

Das deutsche Auswärtige Amt (AA) berichtete im November 2019 unter anderem, dass die wirtschaftliche und soziale Lage eines Großteils der Bevölkerung nach wie vor schwierig ist. Bürger Serbiens, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben, haben Anspruch auf Sozialhilfe. Sofern nachweislich keine private Unterkunftsmöglichkeit besteht, sind die örtlich zuständigen „Zentren für Sozialarbeit“ im Einzelfall bereit, bescheidene Quartiere auf kommunale Kosten anzumieten: Die wirtschaftliche und soziale Lage eines Großteils der Bevölkerung ist nach wie vor schwierig. […] Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld in Höhe von umgerechnet ca. 25 Euro ausbezahlt. […] Sozialwohnungen sind meist belegt, für Neubauten sind kaum Mittel vorhanden. […] Familiäre und nachbarschaftliche Solidaritätsnetzwerke sind in Serbien noch relativ funktionsfähig. Sofern nachweislich keine private Unterkunftsmöglichkeit besteht, sind die örtlich zuständigen „Zentren für Sozialarbeit“ im Einzelfall bereit, bescheidene Quartiere auf kommunale Kosten anzumieten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang und zu den allgemeinen Feststellungen:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie des Aktes des Verwaltungsgerichtes XXXX .

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik.

Das Einkommen des Sohnes des Beschwerdeführers, M.M., im Rahmen seiner Beschäftigung für die „ XXXX “ ergibt sich aus den mit dem Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte vom 12.02.2018 dem Magistrat XXXX und mit der Stellungnahme vom November 2019 dem Verwaltungsgericht XXXX vorgelegten Lohnbestätigungen. Dass der Sohn des Beschwerdeführers inzwischen dort nicht mehr tätig und arbeitslos gemeldet ist, ergibt sich aus einem Auszug der Sozialversicherungsdatenbank vom 01.10.2020 und seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung.

Dass der Beschwerdeführer, abgesehen von seinem Haus in XXXX , über kein Vermögen verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben im Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte vom 12.02.2018; dass er im Eigentum eines Hauses in XXXX und dieses renovierungsbedürftig ist, ergibt sich aus seinen Angaben in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht XXXX am 05.12.2019 und vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.09.2020.

Dass der Beschwerdeführer über keine aufrechte Krankenversicherung verfügt, ergibt sich aus dem Umstand, dass er nur die Bestätigung für eine abgelaufene Krankenreiseversicherung vorgelegt hatte.

Dass der Beschwerdeführer zu arbeiten beginnen könnte, ergibt sich aus einer Einstellungszusage vom 08.05.2020. Dass er sich aktuell um seinen Enkelsohn kümmert und noch keine umfassenden Deutschkenntnisse hat, ergibt sich aus der mündlichen Verhandlung.

Dass der Beschwerdeführer für seine Unterkunft nichts zu zahlen hat und bei seinem Bruder unbefristet wohnen kann, ergibt sich aus der Zeugenaussage des Bruders in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2020.

2.2. Zur Frage des dem Beschwerdeführer bis Dezember 2018 (während des Aufenthaltes in Serbien) von seinem Sohn gewährten Unterhaltes:

Aus dem (beglaubigt übersetzten) Schreiben seines früheren Arbeitgebers vom 18.02.2018 ergibt sich seine berufliche Tätigkeit für das Unternehmen seit 2006 und ein durchschnittlicher monatlicher Nettoverdienst von 269 Euro für die Monate Oktober bis Dezember 2017. In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dieses Einkommen nur mit der Leistung von Überstunden erzielt zu haben. Das Bundesverwaltungsgericht geht von einem Einkommen des Beschwerdeführers in Serbien von rund 270 Euro aus.

Es erscheint glaubhaft, dass der Beschwerdeführer, wie von ihm, seinem Sohn, dessen Lebensgefährtin und seinem Bruder behauptet wurde, seit einigen Jahren, jedenfalls aber seit Juli 2017, von seinem Sohn finanziell unterstützt wurde. Allerdings gab es divergierende Aussagen in welcher Höhe:

Im Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte am 12.02.2018 wurde vom Beschwerdeführer erklärt, dass er im Sommer 2017 alle zwei Monate je 150 Euro bar von seinem Sohn erhalten habe. In einer schriftlichen Erklärung vom 08.01.2019 erklärte er, dass er monatlich mit zwischen 100 und 200 Euro von seinem Sohn unterstützt werde. Das Geld bekomme er, wenn sein Sohn ihn in Serbien besuche bzw. er selbst in XXXX sei. Dies bestätigt auch sein Sohn mit einer gleich lautenden schriftlichen Erklärung vom selben Tag. In der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht XXXX am 05.12.2019 sprach der Beschwerdeführer dann von „manchmal 100 Euro und manchmal 300 Euro“, auf eine weitere Nachfrage seiner Rechtsvertretung von 150 bis 300 Euro monatlich; sein Sohn erklärte in dieser Verhandlung, dass er seinem Vater monatlich etwa 200 Euro gegeben habe. In einer Stellungnahme vom 28.02.2020 war dann wieder die Rede von durchschnittlich 150 Euro monatlich. In der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht am 29.09.2020 meinten sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Sohn, es seien zwischen 150 und 300 Euro monatlich gewesen.

Die Zahlungen können nicht eindeutig belegt werden, da sie in bar erfolgten, wenn der Beschwerdeführer in Serbien von seinem Sohn oder seinem Bruder besucht wurde bzw. er selbst nach XXXX fuhr.

Die Aufenthalte von M.M, dem Sohn des Beschwerdeführers, in Serbien ergeben sich aus den Einreisestempeln in der im Akt des Verwaltungsgerichts einliegenden Kopie seines Reisepasses. Danach war er im September 2016, im Jänner 2017, im Juni 2017, im August 2017, im Februar 2018, im August 2018, im Oktober 2018 und im November 2018 in Serbien. Aus der Kopie des Kontoauszuges von M.M. ergeben sich die folgenden Bargeldabhebungen in XXXX im Jahr 2018: 62,84 Euro (19.11.2018), 45,33 Euro (02.11.), 19,25 Euro (05.11.), 45,38 Euro (05.11.), 19,25 Euro (05.11.), 54,04 Euro (02.11.), 45,33 Euro (02.11.). Laut Lebensgefährtin des Sohnes habe man für den Beschwerdeführer manchmal auch in Serbien Geld behoben, wenn das übergebene Geld nicht gereicht habe.

In diesem Kontoauszug sind weitere Abhebungen in Österreich gelb markiert, um damit jene Summen zu kennzeichnen, die der Sohn des Beschwerdeführers dem Beschwerdeführer bei seinen Besuchen in Serbien übergeben haben will. So behob M.M. am 25.10.2018 450 Euro und reiste er laut Einreisestempel am selben Tag in Serbien ein. Am 06.08.2018 behob M.M. in Österreich 280 Euro von seinem Konto, allerdings besuchte er laut Einreisestempel erst am 20.08.2018 Serbien. Ebenfalls gelb markiert war eine Auszahlung von 150 Euro im Mai 2018, eine entsprechende Reisebewegung nach Serbien ergibt sich aus dem Reisepass nicht, doch war der Beschwerdeführer im Mai in XXXX . Am 31.01.2018 behob der Sohn des Beschwerdeführers 850 Euro, die Einreise nach Serbien erfolgte am 02.02.2018. Allerdings kann letztlich nicht festgestellt werden kann, ob die behobenen Summen nicht für den eigenen Bedarf des Sohnes des Beschwerdeführers abgehoben wurden.

Insgesamt kann daher nicht genau eruiert werden, wann welche Beträge an den Beschwerdeführer übergeben wurden, doch erscheinen aufgrund der verschiedenen Aussagen und der Kontoabbuchungen durchschnittliche monatliche Zahlungen zwischen 100 und 200 Euro plausibel und nachvollziehbar.

Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer dieses Geld tatsächlich benötigte, um seinen grundlegenden Unterhalt zu decken oder ob es sich dabei um freiwillige Zuwendungen seines Sohnes handelte, um seinen Lebensstandard zu erhöhen.

Die belangte Behörde erklärte im angefochtenen Bescheid, dass das Einkommen des Beschwerdeführers über dem Existenzminimum gelegen habe und er daher keiner Unterhaltszahlungen seines Sohnes bedurfte. Eine Definition des Existenzminimums erfolgte allerdings nicht, anzunehmen ist aber, dass sich die Behörde dabei auf die in der Anfragebeantwortung erwähnte Armutsgefährdungsschwelle bzw. relative Armutsgrenze von 126 bis 130 Euro bezog. Der Beschwerdeführer wiederum erklärte, unter anderem in einer schriftlichen Stellungnahme seines Rechtsvertreters vom 12.12.2019, dass die vom Verwaltungsgericht XXXX ins Treffen geführte relative Armutsgrenze nicht ausschlaggebend für die Berechnung des tatsächlichen Unterhaltsbedarfs sei. Die relative Armutsgrenze bzw. Armutsgefährdungsschwelle liegt bei 60% des medianen Äquivalenzeinkommens (vgl. dazu auch Anfragebeantwortung ACCORD zu Serbien vom 23.10.2018 (a-10751)). In dieser Stellungnahme wurde (unter Vorlage einer Rechnung eines serbischen Supermarktes) argumentiert, dass die Lebensmittel in Serbien etwa die Hälfte kosten würden wie in Österreich und daher von Lebenserhaltungskosten von etwa 400 Euro monatlich auszugehen sei. Auch in seiner Stellungnahme vom 28.02.2020 betonte der Beschwerdeführer, dass das Existenzminimum in Serbien bei zumindest 312 Euro (was dem Basis-Warenkorb laut Anfragebeantwortung ACCORD zu Serbien vom 23.10.2018 (a-10751) entspricht) liegen würde und daher das Einkommen des Beschwerdeführers nicht ausreichend gewesen sei.

Der Beschwerdeführer gab sowohl in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht XXXX am 05.12.2019 wie auch vor dem Bundesverwaltungsgericht am 22.09.2020 an, dass er mit seinem Verdienst nicht ausgekommen sei. Er habe die folgenden Fixkosten zu tragen gehabt: Strom (30 Euro monatlich; belegt auch durch vom Beschwerdeführer vorgelegte Stromrechnungen), Telefon (30 Euro monatlich), Grundsteuer (150 Euro jährlich), Holz zum Heizen (500 Euro jährlich); diese Fixkosten hätten sich auf etwa 120 Euro monatlich belaufen. Daneben habe er noch etwa 150 Euro monatlich für Lebensmittel ausgeben müssen. Er habe aber etwa kein Geld gehabt, um zum Zahnarzt zu gehen oder sich Winterkleidung zu kaufen.

Allerdings muss berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer keine Miete zu bezahlen hatte, die Teil des Warenkorbs ist. Soweit in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 28.02.2020 behauptet wurde, dass die Ausgaben des Hauses sich zumindest auf dieselbe Höhe wie die Kosten einer Mietwohnung belaufen hätten, erscheint dies angesichts der genannten Fixkosten nicht plausibel, liegen die durchschnittlichen Mietkosten für eine Zweizimmerwohnung außerhalb des Stadtkerns doch bei 175 Euro (vgl. dazu https://de.numbeo.com/lebenshaltungskosten/land/Serbien?displayCurrency=EUR; Zugriff am 02.10.2020). Auch wenn der Beschwerdeführer aufgrund des Alters des Hauses immer wieder Renovierungsarbeiten machen bzw. vornehmen lassen musste, ist jedenfalls von einer Kostenersparnis gegenüber einer Person, die eine Wohnung mieten muss, auszugehen. Daher wäre davon auszugehen, dass auch bei einem etwas unter dem Basis-Warenkorb liegenden Einkommen die notwendigsten Ausgaben gedeckt werden könne.

Der aktuellen Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 23.09.2020 ist Folgendes zu entnehmen: „Im Juni 2020 lag das Durchschnittsbruttogehalt bei EUR 702,02, das Durchschnittsnettogehalt betrug EUR 508,04. Im Juni 2020 waren 1,23 Durchschnittsgehälter erforderlich, um den neuen durchschnittlichen Verbraucherkorb abzudecken, bzw. reichten 0,64 eines Durchschnittsgehaltes aus, um den neuen Mindestverbraucherkorb abzudecken.“ Dies bedeutet, dass der (aktuelle) Mindestverbraucherkorb erst durch ein Durchschnittsnettogehalt von 325 Euro gedeckt werden kann, während für den durchschnittlichen Verbraucherkorb ein Durchschnittsnettogehalt von 624 Euro notwendig wäre. Mit seinem Gehalt konnte der Beschwerdeführer daher den Mindestverbraucherkorb nicht abdecken. Selbst wenn man daher davon ausgeht, dass sich der Beschwerdeführer Mietkosten erspart hatte, daneben aber berücksichtigt, dass ein hoher Sanierungsaufwand notwendig war und er dadurch zusätzliche Ausgaben hatte, ist es nicht unplausibel, dass er mit dem Durchschnittsnettogehalt von 270 Euro nicht das Auslangen fand und er auf die Unterstützung seines Sohnes angewiesen war.

Soweit in der Verhandlung von Seiten der Rechtsvertretung darauf hingewiesen wurde, dass der Deutsche Akademische Austauschdienst von Lebenshaltungskosten von etwa 450 bis 600 Euro für Serbien ausgehe (vgl. https://www.daad.de/de/laenderinformationen/europa/serbien/studieren-und-leben-in-serbien/), wird dies auf Erfahrungen von AuslandsstudentInnen gestützt; deren Lebenshaltungskosten sind nicht in jedem Fall identisch mit jenen eines in Serbien aufgewachsenen Bürgers, der nicht in Belgrad lebt und über ein eigenes Haus verfügt. Der Vollständigkeit halber wird daher festgehalten, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht davon ausgeht, dass es sich bei der Summe von 450 bis 600 Euro um das Existenzminimum für Serbien handelt.

2.3. Zur Frage des dem Beschwerdeführer von seinem Sohn aktuell gewährten Unterhaltes:

Zur Frage, ob der Beschwerdeführer seit seinem Umzug nach XXXX im Dezember 2018 tatsächlich Geld von seinem Sohn bekommt bzw. in welcher Höhe, wurden unterschiedliche Aussagen getätigt: In einer schriftlichen Stellungnahme vom 20.11.2019 erklärte der Beschwerdeführer: „Mein Sohn, M.M. gewährt mir tatsächlich Unterhalt, indem er mir regelmäßig Geld bar auf die Hand gibt und gelegentlich Lebensmittel für mich einkauft. Da ich kein Konto in Österreich habe, übergibt mir mein Sohn das zuvor behobene Bargeld, wenn er mich besucht oder ich ihn zu Hause besuche. Monatlich gibt mir mein Sohn einen Betrag zwischen 300 – 350 Euro.“ Dagegen gab er in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht XXXX am 05.12.2019 zu Protokoll: „Auf die Frage, ob mein Sohn mir monatlich Geld gibt, gebe ich an, nein, er kauft mir Essen und gibt mir nach Notwendigkeit ein bisschen Geld.“ Wiederum im Gegensatz dazu erklärte sein Sohn in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht XXXX , dass er dem Vater monatlich etwa 200 Euro bar geben würde. Letzteres wurde auch in der schriftlichen Stellungnahme vom 28.02.2020 behauptet. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sagten dann sowohl der Beschwerdeführer wie auch sein Sohn, nun übereinstimmend, dass es sich um eine Summe zwischen 150 und 300 Euro handle. Diese Zahlungen können allerdings nicht nachgewiesen werden, weil beide angeben, dass die Zahlungen in bar erfolgen bzw. teilweise in Form von Naturalleistungen (Lebensmittel).

Dem Verwaltungsgericht XXXX , das in seiner Mitteilung gemäß § 55 Abs. 3 NAG vom 31.01.2020 auf diese widersprüchlichen Äußerungen hinwies, ist beizupflichten, dass dies Zweifel an der tatsächlichen Unterhaltsleistung bzw. deren Höhe rechtfertigt. In der Mitteilung wurde zudem zu Recht darauf verwiesen, dass ein wesentlicher Teil des Unterhaltes, nämlich die Unterkunft, nicht vom Sohn des Beschwerdeführers, sondern von seinem Bruder getragen wird.

Festgestellt werden kann aber jedenfalls, dass von M.M. monatlich nicht mehr als maximal 150 bis 300 Euro, also durchschnittlich 225 Euro, an den Beschwerdeführer bezahlt bzw. in Form von Lebensmitteln zur Verfügung gestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtsgrundlagen der Ausweisung:

§ 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) regelt die Ausweisung:

„(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

Gemäß § 70 Abs. 1 FPG werden die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

3.2. Rechtsgrundlagen des Aufenthaltsrechts des Beschwerdeführers:

Der mit "Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers" überschriebene § 54 Abs. 1 NAG lautet:

„Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht..“

Der mit "Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern" überschriebene § 52 Abs. 1 NAG lautet:

„(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;

2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;

4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder

5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,

a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,

b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.

Gemäß § 55 Abs. 1 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Art. 2 ("Begriffsbestimmungen") Z 2 lit. d der Richtlinie 2004/38 („Freizügigkeitsrichtlinie“) lautet:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

[…]

2. „Familienangehöriger“

[…]

d) die Verwandten in gerader aufsteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b), denen von diesen Unterhalt gewährt wird;

[…]“

Art. 7 ("Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate") Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 („Freizügigkeitsrichtlinie“) lautet:

„(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

c) bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und

- über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

d) ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstaben a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.“

In der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten / KOM/2009/0313 endg.“ findet sich zu „Familienangehörigen, denen Unterhalt gewährt wird“:

Nach der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem „Unterhalt gewährt “ wird, aus einer tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der erforderliche Unterhalt des Familienangehörigen vom Gemeinschaftsangehörigen, der von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, oder seinem Ehegatten materiell sichergestellt wird. Die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem Unterhalt gewährt wird, setzt keinen Unterhaltsanspruch voraus. Es braucht nicht geprüft zu werden, ob der Betroffene theoretisch in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt durch Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit zu bestreiten.

Um zu ermitteln, ob einem Familienangehörigen Unterhalt gewährt wird, muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Person in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht in der Lage ist, ihre Grundbedürfnisse im Heimatstaat oder in dem Staat, von dem aus sie den Antrag auf Zusammenführung mit dem EU-Bürger gestellt hat (d. h. nicht im Aufnahmemitgliedstaat, in dem der EU-Bürger wohnt) , selbst zu decken. In seinen Urteilen zum Begriff des Unterhaltsbedarfs nahm der EuGH zur Bestimmung des Bedarfs an finanzieller Unterstützung durch den Unionsbürger nicht auf einen bestimmten Lebensstandard Bezug.

Die Richtlinie schreibt weder eine Mindestdauer für die Gewährung des Unterhalts noch eine Mindesthöhe für die geleistete materielle Unterstützung vor. Es muss sich lediglich um einen echten, strukturbedingten Unterstützungsbedarf handeln.

Auf Unterstützung angewiesene Familienangehörige müssen einen schriftlichen Nachweis beibringen, dass sie unterhaltsbedürftig sind. Der Nachweis kann laut EuGH mit jedem geeigneten Mittel geführt werden. Ist der betreffende Familienangehörige in der Lage, das Unterstützungsverhältnis mit anderen Mitteln als einer Bescheinigung der zuständigen Behörde des Heimat- oder Herkunftsstaats nachzuweisen, darf der Aufnahmemitgliedstaat die Anerkennung seiner Rechte nicht verweigern. Dagegen reicht die bloße Verpflichtungserklärung des EU-Bürgers, dem betroffenen Familienangehörigen Unterhalt zu gewähren, nicht als Nachweis dafür aus, dass dieser tatsächlich unterhaltsbedürftig ist.

3.3. Zur Anwendung der Rechtsgrundlagen auf den gegenständlichen Sachverhalt:

Es ist gegenständlich zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht auf Grundlage des § 52 Abs. 1 Z 3 iVm § 54 NAG zukommt. Dieser Tatbestand setzt (in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 lit. d iVm Art. 7 Abs. 1 lit. d der Freizügigkeitsrichtlinie) voraus, dass einem Drittstaatsangehörigem, welcher Angehöriger eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ist, von diesem tatsächlich Unterhalt gewährt wird.

Unbestritten ist gegenständlich, dass beim Beschwerdeführer (im Sinne der oben zitierten Kommissionsmitteilung) ein echter strukturbedingter Unterstützungsbedarf besteht, verfügt er doch aktuell über kein eigenes Einkommen. Zu prüfen ist aber noch, ob ihm von seinem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten Sohn tatsächlich Unterhalt gewährt wurde und wird.

Zum Erfordernis der tatsächlichen Unterhaltsgewährung hat der Gerichtshof der Europäischen Union in diesem Zusammenhang ausgesprochen, dass sich die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem der aufenthaltsberechtigte Unionsbürger "Unterhalt gewährt", aus einer tatsächlichen Situation ergibt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Familienangehörige vom Aufenthaltsberechtigten materiell unterstützt wird (vgl. VwGH 12.12.2017, Ra 2015/22/0149 unter Verweis auf die Judikatur des EuGH).

Fallgegenständlich wurde dem Beschwerdeführer als Angehörigen seines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten Sohnes in gerader aufsteigender Linie von diesem während seines Aufenthalts in Serbien und somit vor seiner Einreise in das Bundesgebiet Unterhalt in Form von materieller Unterstützung im Sinne der vorzitierten Judikatur – durch die regelmäßige Übergabe von Bargeld – gewährt.

Aktuell kann allerdings von keiner tatsächlichen Unterhaltsgewährung durch den in Österreich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten Sohn des Beschwerdeführers ausgegangen werden; dazu ist zunächst festzuhalten, dass von einer maximalen Zahlung (teilweise auch in Form von Lebensmitteleinkäufen) bei maximal 220 Euro pro Monat von keiner Deckung der Unterhaltsbedürfnisse ausgegangen werden kann.

So hielt der Verwaltungsgerichtshof bereits 2007 fest: Ein mehr als 21-jähriger Fremder, der von seinem österreichischen Adoptivvater lediglich einen Unterstützungsbeitrag in der Höhe von EUR 200,-- pro Monat bezieht, wäre selbst dann nicht gemäß § 57 iVm § 52 Z. 2 und § 54 Abs. 1 NAG 2005 zur Niederlassung berechtigt, wenn sein Adoptivvater das gemeinschaftsrechtliche Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben sollte, weil der genannte Betrag bei den in Österreich gegebenen Lebensverhältnissen zweifellos nicht dazu ausreicht, alle wesentlichen Unterhaltsbedürfnisse des Fremden zu bestreiten (VwGH, 13.11.2007, Zl. 2007/18/0558).

Auch wenn der Beschwerdeführer keine Kosten für die Unterkunft zu tragen hat, würde alleine der Abschluss einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung als Nichtsozialversicherter den ihm vom Sohn zur Verfügung gestellten Betrag weit übersteigen.

Daher muss davon ausgegangen werden, dass die monatliche Zahlung von 225 Euro als nicht ausreichend im Sinne der tatsächlichen Gewährung eines Unterhaltes angesehen werden. Zugleich wäre eine höhere Zahlung angesichts des bis Mai 2020 bezogenen Nettogehaltes von rund 1.300 Euro und der in Abzug zu bringenden monatlichen Unterhaltszahlung von 150 Euro für das Enkelkind des Beschwerdeführers kaum möglich. Abgesehen davon ist gegenständlich auch zu berücksichtigen, dass der Sohn des Beschwerdeführers bereits seit Mai 2020 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht und er die Zahlung an den Beschwerdeführer über diese Leistung erstattet.

Somit ist zusammenfassend festzustellen, dass das Einkommen von M.M. als nicht ausreichend erscheint, um den Aufenthalt seines Vaters im Bundesgebiet sicherzustellen, ohne dass es zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft käme.

Der Vollständigkeit halber sei auch darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer über keine im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt auch nicht, dass neben dem Sohn und Enkelsohn des Beschwerdeführers auch sein Bruder und dessen Familie in Österreich leben und ein enges Familienleben besteht. Angesichts des weniger als zweijährigen Aufenthalts im Bundesgebiet und der fehlenden Verfestigung am Arbeitsmarkt ist aber von keiner Verletzung des Art. 8 EMRK auszugehen, wenn der Beschwerdeführer nach Serbien ausgewiesen wird.

Die gegenständliche Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund ebenfalls nicht zu beanstanden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht Ausweisung Ausweisung rechtmäßig Durchsetzungsaufschub Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2232749.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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