TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/5 I415 2235641-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.10.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §53
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs2 Z7
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 2235641-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Mag. Stefan Errath, Untere Viaduktgasse 6/6, 1030 XXXX gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 16.08.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes auf 12 Monate herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde im Rahmen einer Kontrolle der Finanzpolizei am 15.08.2020 beim Arbeiten auf der Baustelle XXXX , angetroffen, ohne im Besitz einer arbeitsmarktbehördlichen Bewilligung, somit bei einer Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, betreten, überdies im Bundesgebiet ohne Aufenthaltsberechtigung aufhältig zu sein.

2.       Am darauffolgenden Tag, dem 16.08.2020, wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangten Behörde) niederschriftlich einvernommen.

3.       Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.08.2020, Zl. XXXX , wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei (Spruchpunkt III.). Ihm wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.), der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) sowie gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.)

4.       Gegen Spruchpunkt VI. des Bescheids richtet sich die durch die Rechtsvertretung des BF eingebrachte Beschwerde vom 28.08.2020, fristgerecht bei der belangten Behörde eingelangt am 14.09.2020, wobei im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass es sich bei der Begehung der unerlaubten Erwerbstätigkeit um die erstmalige Verfehlung des BF gehandelt habe und die Ehegattin des BF rechtmäßig in Österreich aufhältig sei. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger seiner rechtmäßig in Österreich lebenden Ehegattin würden grundsätzlich vorliegen, lediglich das Sprachdiplom müsse der BF noch erwerben. Mit Erteilung des Aufenthaltstitels bestehe ein freier Zugang zum Arbeitsmarkt und sei bei Erstellung einer Zukunftsprognose davon auszugehen, dass der BF keine neuerliche Verletzung der österreichischen Rechtsordnung begehen werde. Da die Ehegattin des BF ein ausreichendes Einkommen ins Verdienen bringe, sei der BF nicht mittellos und liege der diesbezüglich [her]angezogene Einreiseverbotsgrund daher nicht vor. Der BF habe sich aufgrund der COVID-19-Pandemie dazu entschieden, bei Frau und Sohn in XXXX zu bleiben, um diese zu unterstützen, wobei er tatsächlich die erlaubte sichtvermerksfreie Zeit für bosnisch-herzegowische Staatsbürger überschritten habe. Mittlerweile sei der BF bereits ausgereist und befinde sich in Bosnien und Herzegowina. Selbst für den Fall, dass die Erlassung eines Einreiseverbotes dem Grunde nach rechtmäßig sei, erscheine die Dauer des Einreiseverbotes aufgrund der obigen Umstände als überschießend. Beantragt werde daher, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchzuführen und in der Sache selbst entscheiden und den bekämpften Bescheid beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

5. Mit Schriftsatz vom 16.09.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 01.10.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

I.       Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina. Die Identität des BF steht fest. Er hielt sich im Zeitraum von (mindestens) März 2020 bis zu seiner Ausreise im August 2020 in Österreich auf und hat damit jedenfalls die sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet überschritten. Der BF war bereits im Zeitraum vom 30.11.2017 bis zum 01.02.2018, vom 15.05.2018 bis zum 05.07.2018 und vom 04.01.2019 bis zum 14.03.2019 melderechtlich im Bundesgebiet mit Nebenwohnsitz erfasst, seit 01.08.2019 mit Hauptwohnsitz.

Der kinderlose BF ist mit der in Österreich lebenden bosnisch-herzegowischen Staatsangehörigen I.G. verheiratet, welche mit ihrem 12-jährigen Kind und dem BF bis zu dessen Ausreise seit März 2020 im gemeinsamen Haushalt lebte. Ansonsten leben keine Familienangehörigen des BF im Bundesgebiet. In Bosnien und Herzegowina lebt die Familie (Eltern, Schwester) des BF.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er weist Schulbildung auf und erlangte seine Berufskenntnisse auf Baustellen, wobei er jedoch keinen Lehrberuf erlernt hat. Seinen Lebensunterhalt in Bosnien und Herzegowina sichert sich der BF durch kurzfristige Jobs.

In Österreich ging er nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach, ist jedoch als Ehegatte der I.G. im Bundesgebiet krankenversichert. Kurse oder Ausbildungen hat der BF in Österreich keine abgeschlossen, auch ist der BF in keinem Verein oder einer sonstigen Organisation tätig.

Am 15.08.2020 um 10:55 Uhr wurde der BF von Organen der Finanzpolizei in der XXXX bei der Vornahme von Arbeiten auf der dortigen Baustelle betreten, ohne im Besitz einer arbeitsmarktbehördlichen Bewilligung zu sein, um sich kurzfristig finanziell „über Wasser halten zu können“, wobei auch Beamte der LPD XXXX zur Unterstützung der Finanzpolizei beordert wurden.

Anlässlich seiner Einvernahme vor der belangten Behörde gab der BF an, mit ca. EUR 500,-- bis EUR 600,-- eingereist zu sein, derzeit aber nicht sagen zu können, wie viel Geld er noch habe, wobei dies die Ehefrau wissen müsse.

Der BF verfügt über keinen Aufenthaltstitel, kein Visum bzw. auch sonst nicht über irgendein Aufenthaltsrecht für Österreich oder die EU.

Der BF ist im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.

Im Zeitraum zwischen 17.08.2020 und 28.08.2020 reiste der BF aus dem Bundesgebiet aus.

Bosnien und Herzegowina erweist sich als sicherer Herkunftsstaat.

Die Beschwerde richtet sich nur gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Zum Sachverhalt:

Die Feststellungen basieren ebenfalls auf dem unbestrittenen Akteninhalt, den Angaben des BF im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 16.08.2020 sowie dem Beschwerdeschriftsatz vom 28.08.2020 und den Informationen aufgrund von Abfragen im Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister und einem Sozialversicherungsdatenauszug.

Die Identität und Staatsangehörigkeit des BF ergibt sich aus der Vorlage des bosnischen Reisepasses und Personalausweises vor der belangten Behörde. Die Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus den Angaben des BF im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 16.08.2020, AS 18), dem Anhalteprotokoll der LPD XXXX vom 15.08.2020 (AS 9), einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 02.10.2020 zur Person des BF sowie dem Beschwerdeschriftsatz vom 28.08.2020. Hinsichtlich der melderechtlichen Erfassung im Bundesgebiet gilt es, auf einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF zu verweisen.

Dass der BF verheiratet ist, ergibt sich einerseits aus seinen entsprechenden Angaben im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 16.08.2020, AS 18), andererseits auch aus dem Sozialversicherungsdatenauszug des BF, entsprechend diesem der BF aufgrund seiner Angehörigeneigenschaft mit I.G. als Ehegattin seinen Krankenversicherungsanspruch ableitet. Der Umstand, dass es sich bei I.G. um eine bosnisch-herzegowische Staatsangehörige handelt, geht aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zu ihrer Person hervor. Der BF führte im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme selbst aus, dass er nicht der leibliche Vater des 12-jährige Kind sei (Protokoll vom 16.08.2020, AS 18), womit die Feststellung zur Kinderlosigkeit getroffen werden konnte. Hinsichtlich dem Zusammenleben gilt es, auf einen Auszug aus dem Zentralen Melderegister zur Person des BF und der I.G. zu verweisen. Dass ausschließlich die Ehefrau des BF und deren Kind als Familienangehörige des BF in Österreich leben, ergibt sich aus den Ausführungen des BF vor der belangten Behörde, ebenso der Umstand, dass die sonstigen Familienmitglieder des BF (Eltern, Schwester) in Bosnien und Herzegowina aufhältig sind (Protokoll vom 16.08.2020, AS 19).

Der Gesundheitszustand des BF ergibt sich aus dessen glaubhaften Angaben im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 16.08.2020, AS 18). Aufgrund seines Gesundheitszustandes und der Tatsache, dass sich der BF im erwerbsfähigen Alter befindet, konnte auf dessen Arbeitsfähigkeit geschlossen werden, überdies geht der BF auch in Bosnien kurzfristigen Jobs nach, um sich seinen Lebensunterhalt zu sichern (Protokoll vom 16.08.2020, AS 18). Hinsichtlich der Schulbildung, der Erlangung von Berufskenntnissen auf Baustellen und dem Nichterlernen eines Lehrberufes gilt es ebenso, auf die entsprechende Ausführung des BF im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme zu verweisen (Protokoll vom 16.08.2020, AS 19).

Dass der BF in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, ergibt sich aus einer Abfrage bei der Sozialversicherung, welche zu keinem Auskunftsergebnis führte, sondern ausschließlich die krankenversicherungsrechtliche Angehörigeneigenschaft des BF zu seiner Ehegattin I.G. erkennen lässt. Der Umstand, dass der BF keine Kurse oder Ausbildungen in Österreich abgeschlossen hat, er nicht Mitglied eines Vereins oder einer sonstigen Organisation ist und er nur geringe Deutschkenntnisse aufweist, ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 16.08.2020, AS 18 f).

Hinsichtlich der Betretung bei der Vornahme von Tätigkeiten ohne arbeitsmarktbehördliche Bewilligung gilt es, auf das Anhalteprotokoll der LPD XXXX vom 15.08.2020 zu verweisen (AS 7 f). Der Umstand, dass der BF über keine arbeitsmarkbehördliche Bewilligung verfügt, ergibt sich aus dem gegenständlichen Verwaltungsakt, den Angaben des BF vor der belangten Behörde (Protokoll vom 16.08.2020, AS 18) sowie einer Abfrage bei der Sozialversicherung, welche keine Dienstgeber/auszahlende Stelle aufweist.

Dass der BF über keinen Aufenthaltstitel, kein Visum bzw. auch sonst nicht über irgendein Aufenthaltsrecht für Österreich oder die EU verfügt, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister zur Person des BF.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF wird in einem Auszug aus dem Strafregister vom 02.10.2020 ersichtlich.

Die Feststellung, dass der BF im Zeitraum zwischen dem 17.08.2020 und 28.08.2020 ausgereist ist, konnte aufgrund der Bescheidausstellung am 16.08.2020 und einer frühest möglichen Zustellung mit 17.08.2020 und dem Beschwerdeschriftsatz vom 28.08.2020, dem gemäß der BF mittlerweile ausgereist sei und sich in Bosnien und Herzegowina befinde, abgeleitet werden, wobei ein genauer Ausreisetag nicht festgestellt werden konnte.

Der Umstand, dass sich die Beschwerde nur gegen den Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides richtet, ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz vom 28.08.2020, in dem ausgeführt wurde: „Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , G.Z.: XXXX wird gemäß Art. 130 Abs. 1 Zif. 1 und Art. 132 Abs 1. Zif. 1 B-VG binnen offener Frist nachstehende Beschwerde ausschließlich betreffend Spruchpunkt VI. (Einreiseverbot) an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Spruchpunkte I. bis V. bleiben unbekämpft und sind somit in Rechtskraft erwachsen.“

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 1 Z 1 der Herkunftsstaaten-Verordnung handelt es sich bei Bosnien und Herzegowina um einen sicheren Herkunftsstaat.

Gemäß § 2 Abs 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Gemäß § 2 Abs 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, als Drittstaatsangehöriger.

Der BF als Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina ist Drittstaatsangehöriger und folglich Fremder iSd. soeben angeführten Bestimmung.

Zu Spruchteil A)

3. Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

3.1 Rechtslage

Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs 1 ist, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. [...];

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

[...]

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, dass [...] bei Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs 2 FPG anzunehmen […] (vgl. zum Erfordernis einer Einzelfallprüfung aus der ständigen Rechtsprechung auch etwa VwGH 10.4.2014, 2013/22/0310, 30.7.2014, 2013/22/0281) (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).

3.2 Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Die belangte Behörde ist hier zu Recht davon ausgegangen, dass der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 6 FPG erfüllt ist.

Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 gerechtfertigt ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FrPolG 2005 etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12) (VwGH 19.06.2020, Ra 2019/19/0436).

Der BF gab selbst zu Protokoll, er wisse nicht, wie viel Bargeld er noch bei sich habe und würde er in Bosnien nur kurzfristigen Jobs nachgehen. Sohin hat der Beschwerdeführer in keiner Weise dargelegt, dass er irgendwelche Mittel zur nicht einmal kurzfristigen Sicherung seines Lebensbedarfes hat. Bereits die Ausführungen des BF, er habe den gegenständlichen Job angenommen, um sich kurzfristig finanziell „über Wasser zu halten“ lässt nur den Schluss zu, dass die monetären Mittel des BF nicht mehr ausreichend waren, um sich seinen Unterhalt zu sichern. Realistischerweise waren die dem BF bei seiner Einreise zur Verfügung stehenden Geldmittel in Höhe von EUR 500,-- bis EUR 600,-- aufgebraucht, zumal er sich seit seiner Einreise im März 2020 bis zu seiner Betretung bei der Ausübung von Schwarzarbeit Mitte August 2020 bereits etwa 5,5 Monate im Bundesgebiet aufgehalten hat. Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen, wonach die Ehegattin ein ausreichendes Einkommen ins Verdienen bringe, nichts zu ändern, da der BF ungeachtet des Einkommens der Ehegattin sich finanziell in einer derart angespannten Situation befunden hat, dass er sich durch die Begehung von Schwarzarbeit „über Wasser halten“ musste. Wegen seiner finanziellen Lage ist konkret auch zu befürchten, dass der BF dieses Verhalten auch in Zukunft fortsetzt.

Auch an der Verhinderung von Schwarzarbeit, welche der BF unbestritten ausgeübt hat, kommt zum Schutz der öffentlichen Interessen ein hoher Stellenwert zu (VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047), insbesondere zur Verhinderung von Schäden für die österreichische Wirtschaft. Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs 2 FrPolG 2005 indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet. Diese Gefährdungsannahme ist beim Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FrPolG 2005 auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt (vgl. VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047, mwN) (VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311.

Somit ist der Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 6 FPG und des § 53 Abs 2 Z 7 FPG als erfüllt anzusehen.

Auch an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen kommt zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zu und hat der BF die erlaubte sichtvermerksfreie Zeit überschritten, obwohl ihm trotz COVID-19-bedingten Reisebeschränkungen bereits seit Längerem die Ausreise aus dem Bundesgebiet möglich gewesen wäre. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass der BF entsprechend seinem Beschwerdevorbringen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger erfüllen würde, wobei der BF das entsprechende Sprachdiplom vermissen lässt.

Zu prüfen gilt es noch, ob das Einreiseverbot mit Art 8 EMRK vereinbar ist.

Vom BF lebt die Ehegattin und deren 12-jähriges Kind im Bundesgebiet. Der BF weist somit familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet auf. Zu beachten gilt es jedoch, dass der BF sich bei seiner Ehegattin sowie deren Kind zwar regelmäßig aufgehalten hat, sein Aufenthalt im Bundesgebiet jedoch regelmäßig Unterbrechungen ausgesetzt war und der BF stets wieder nach Bosnien und Herzegowina zurückgekehrt ist, wo er auch kurzfristigen Jobs nachgegangen ist. Er führte also bereits bis vor Erlassung des gegenständlichen Einreiseverbotes die Beziehung zu I.G. derart, dass sich Aufenthalte im Bundesgebiet und in Bosnien und Herzegowina abwechselten. Die familiären Anknüpfungspunkte des BF in Österreich vermögen in Anbetracht dessen durch die Verhängung eines Einreiseverbotes keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der in Art 8 EMRK geschützten Rechten zu entfalten.

Darüber hinaus besteht für den BF die grundsätzliche Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts zur Ehegattin und ihrem Kind in eingeschränkter Form via moderner Kommunikationsmittel bzw. können diese den BF auch in Bosnien und Herzegowina besuchen, zumal es sich bei I.G. auch selbst um eine bosnisch-herzegowische Staatsangehörige handelt.

Abgesehen von der illegalen Erwerbstätigkeit liegen keine Integrationsmomente vor. Der BF ist weder Mitglied eines Vereins oder einer sonstigen Organisation, noch hat er in Österreich Kurse oder Ausbildungen abgeschlossen und weist er auch nur geringe Deutschkenntnisse auf. Hingegen ging der BF in Bosnien kurzfristigen Jobs zur Lebensunterhaltssicherung nach und lebt dort auch die Familie in Form der Eltern und Schwester des BF.

In der im Lichte dieser nach § 9 BFA-VG iVm. Art 8 Abs 2 EMRK vorzunehmenden Gesamtbetrachtung überwiegt daher das öffentliche Interesse das private Interesse des BF an einem Aufenthalt in den vom Einreiseverbot umfassten Staaten und liegt durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art 8 EMRK nicht vor.

Grundsätzlich liegen somit im Ergebnis die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots von bis zu fünf Jahren vor. Jedoch erscheint ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gegenständlich als nicht geboten. Dass der BF in Österreich Familienbezug hat, er seit mehreren Jahren rechtmäßig ein- und ausreiste, um seine Ehegattin und deren Kind zu besuchen, er nicht straffällig geworden ist, er sich hinsichtlich seiner Begehung von Schwarzarbeit geständig und einsichtig zeigte und er seiner Verpflichtung, aus dem Bundesgebiet auszureisen, nachgekommen ist, ist in sein Verhalten miteinzubeziehen. Unter Berücksichtigung dieser persönlichen und objektiven Umstände des BF konnte das gegen ihn verhängte Einreiseverbot auf die Dauer von 12 Monaten herabgesetzt werden. Diese Einreiseverbotsdauer wird im gegenständlichen Fall jedenfalls für notwendig gehalten, um den BF innerhalb dieser Zeit in seinem Herkunftsland zu einem über das Einsehen seines Fehlverhaltens hinausgehenden nachhaltigen positiven Gesinnungswandel bewegen zu können, damit der BF sich in Zukunft an alle verwaltungsrechtlichen Bestimmungen zu einem legalen Aufenthalt in Österreich hält.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, konnte eine mündliche Verhandlung gem § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren des BFA voran.

Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine "absolute" (generelle) Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Gericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Da hier in der Beschwerde keine über den festgestellten Sachverhalt hinausgehenden Tatsachen vorgebracht werden und auch bei einem positiven persönlichen Eindruck von dem BF kein Entfall des Einreiseverbots denkbar ist, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht notwendig.

Ergänzend wird ausgeführt, dass der BF bereits nach Bosnien und Herzegowina ausgereist ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Einreiseverbot Einreiseverbot rechtmäßig Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose illegale Beschäftigung Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2235641.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten