TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/6 G306 2219661-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2020
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Entscheidungsdatum

06.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G306 2219661-1/9E

Schriftliche Ausfertigung des am 11.08.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA.: Bulgarien, vertreten durch RA Dr. Gustav ECKHARTER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.05.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft (im Folgenden: BH) XXXX , Kz.: XXXX , vom 27.07.2016, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, weshalb um Überprüfung einer Aufenthaltsbeendigung ersucht wurde.

2. Mit Schriftsatz vom 15.08.2016 gab die BF durch ihren seinerzeitigen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV), RA Dr. Lennart BINDER, eine Stellungnahme ab.

3. Mit Schriftsatz vom 27.12.2016, wurde die BF von der Einleitung eines Aufenthaltsbeendigungsverfahrens sowie das Ergebnis des bis dahin geführten Ermittlungsverfahrens in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde die BF zur Abgabe einer Stellungnahme bis 11.01.2017 aufgefordert.

4. Mit Schriftsatz vom 28.02.2017 gab die BF durch ihren einstigen RV eine Stellungnahme ab.

5. Mit Urteil des BG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2017, wurde die BF wegen des Vergehens des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen und Aufenthaltspartnerschaften gemäß § 117 Abs. 1 FPG zu einer Geldstrafe von 60 Tagsätzen zu je EUR 4 (= EUR 240,-) verurteilt. Mit Urteil des LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2018, wurde das Urteil des BG XXXX bestätigt.

6. Am 20.02.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme der BF vor dem BFA statt.

7. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem seinerzeitigen RV der BF zugestellt am 07.05.2019, wurde gegen die BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 3 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), und dieser gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

8. Mit per Telefax am 28.05.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz, erhob die BF durch ihren seinerzeitigen RV Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde die Aufhebung des Einreiseverbotes (wohl gemeint Aufenthaltsverbot), in eventu die Verkürzung der Befristung desselben beantragt.

9. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA dem BVwG vorgelegt und langten am xxxx ein.

10. Mit am 10.01.2020 beim BVwG eingebrachtem Schriftsatz gab der die Vollmachterteilung an seinen aktuellen, im Spruch genannten, RV bekannt.

11. Mit am 21.02.2020 und 18.05.2020 beim BVwG eingebrachten Schriftsätzen ergänzte der BF seine Beschwerde und brachte weitere Urkunden in Vorlage.

12. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung G304 abgenommen und der Gerichtabteilung G306 neu zugewiesen.

13. Am 11.08.2020 fand eine mündliche Verhandlung an der Grazer Außenstelle des BVwG statt, an jener die BF sowie ihr aktueller RV, RA Dr. Gustav ECKHARTER, teilnahmen und der Ehemann der BF, XXXX , als Zeuge einvernommen wurde.

Die belangte Behörde wurde korrekt geladen, verzichtete jedoch auf die Entsendung eines/einer informierten Vertreters/Vertreterin.

Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet und eine Ausfertigung der Niederschrift samt Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG dem RV der BF ausgefolgt.

Eine Ausfertigung der Niederschrift wurde auch dem BFA am selbigen Tag auf elektronischem Wege übermittelt.

Die BF hat einen Verzicht auf die Erhebung eines außerordentlichen Rechtsmittels an den VwGH oder VfGH abgegeben.

14. Mit auf elektronischem Wege am 25.08.2020 beim BVwG eingebrachtem Schriftsatz wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses durch das BFA beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die BF führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehörige der Republik Bulgarien. Ihre Muttersprache ist bulgarisch.

Die BF ist im Jahr 2016 nach Österreich gereist und weist in den Zeiträumen 25.04.2016 bis 15.03.2019 sowie seit 21.10.2019 Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf. Im Zeitraum 15.03.2019 bis 21.10.2019 war die BF mit ihrem Ehegatten in Italien aufhältig.

Am 07.06.2016 ehelichte die BF den indischen Staatsbürger XXXX , und weist seit 25.04.2016 mit diesem einen gemeinsamen Haushalt im Bundesgebiet auf.

Die BF hat am 23.04.2020 gemeinsam mit ihrem Ehemann eine Wohnung in Österreich gemietet, welche sie nach wie vor gemeinsam bewohnen.

Die BF ging von 01.10.2016 bis 14.08.2018, von 22.02.2019 bis 05.04.2019, 23.10.2019 bis 265.11.2019 07.11.2019 bis 06.03.2020 sowie seit 19.05.2020 Erwerbstätigkeiten in Österreich nach.

Die BF stellte am 16.06.2016 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung über welchen seitens der zuständigen NAG-Behörde bis dato nicht entschieden wurde.

Mit Urteil des BG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2017, RK XXXX .2018, wurde die BF wegen des Vergehens des Eingehens und der Vermittlung von Aufenthaltsehen und Aufenthaltspartnerschaften gemäß § 117 Abs. 1 FPG zu einer Geldstrafe von 60 Tagsätzen zu je EUR 4,- (= EUR 240,-) verurteilt.

Die BF wurde für schuldig befunden, als eine zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigte EU-Bürgerin, die Ehe mit einem indischen Staatsangehörigen eingegangen zu sein, ohne en gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK führen zu wollen, wobei sie wusste, dass sich der Genannte für die Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen wollte.

Mildernd wurde dabei der bisher ordentliche Lebenswandel gewertet.

Es wird festgestellt, dass die BF die besagte Straftat begangen hat, jedoch nach erfolgter Eheschließung letztlich ein Familienleben mit ihrem Ehemann begründet und dieses nach wie vor führt.

Der Ehemann der BF hält sich seit 18.04.2013 im Bundesgebiet auf und wurde ein von ihm gestellter Asylantrag am 05.09.2013 negativ beschieden. Ferner wurde diesem ein Aufenthaltstitel bis dato nicht erteilt. Nach erfolgter Eheschließung mit der BF stellte dieser einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin, welcher am 18.04.2018 von der zuständigen NAG-Behörde negativ beschieden wurde. Unter einem wurde seitens der NAG Behörde festgestellt, dass der Ehemann der BF aufgrund des Eingehens einer Aufenthaltsehe nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes fällt.

Zwei Kinder der BF aus einer vorangehenden Beziehung leben mit dieser und ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt in Österreich, wobei ein Kind noch minderjährig ist, und halten sich zudem weitere Angehörige der BF im Herkunftsstaat auf.

Der Ehemann der BF ist selbstständig erwerbstätig und konnte nicht festgestellt werden, dass die BF jemals Sozialleistungen in Anspruch genommen hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

2.2.1. Insofern Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum), zur Eheschließung, zur Staatsbürgerschaft, zur Muttersprache, sowie zur Einreise der BF ins Bundesgebiet getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, jenen weder in der gegenständlichen Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung – substantiiert – entgegengetreten wurde.

Die Wohnsitzmeldungen der BF im Bundesgebiet beruhen auf einer Abfrage des Zentralen Melderegisters und gehen die Erwerbstätigkeiten der BF sowie ihres Ehemannes aus jeweiligen Sozialversicherungsauszügen hervor. Zudem hat die BF entsprechende Unterlagen (Steuerklärungen und Gewerbemeldungen) zum Beweis der selbstständigen Tätigkeit ihres Ehemannes in Vorlage gebracht (siehe OZ3) Den besagten Sozialversicherungsauszügen können ferner keine Anhaltspunkte für den Bezug von Sozialleistungen seitens der BF entnommen werden.

Die offene Antragstellung der BF auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung beruht auf einer Abfrage des Zentralen Fremdenregisters. Dem besagten Register kann zudem der erfolglose Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte seitens des Ehemannes der BF entnommen werden. Ferner kann einer Ausfertigung eines Erkenntnisses des LVwG Niederösterreich, GZ.: LVwG-AV-134/001-2017, vom 12.04.2018 entnommen werden, dass nicht nur der Antrag des Ehemannes auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte abgewiesen, sondern zudem gemäß § 53 Abs. 7 iVm. 57 NAG festgestellt wurde, dass dieser nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle. (siehe AS 299f)

Die Verurteilung der BF samt den näheren Ausführungen sowie die Feststellung, dass die BF die besagte Straftat begangen hat, beruht auf einer Ausfertigung des oben zitierten Strafurteils sowie des Berufungsurteils des LG XXXX , Zl. XXXX , vom XXXX .2018. (siehe AS 285f) Ferner fand die Verurteilung der BF auch im Strafregister der Republik Österreich Niederschlag.

Dem Zentralen Fremdenregister sowie dem Zentralen Melderegister kann zudem die Aufenthaltsbegründung des BF in Österreich sowie dessen negativ beschiedener Asylantrag entnommen werden.

Den konsistenten und übereinstimmenden Angaben der BF und ihres Ehemannes in der mündlichen Verhandlung wiederum folgen die Feststellungen hinsichtlich des gemeinsamen Aufenthaltes in Italien, dem Aufenthalt von weiteren Angehörigen im Herkunftsstaat der BF sowie zum gemeinsamen Haushalt mit zwei Kindern der BF aus einer vorangegangenen Beziehung. Zudem konnte der gemeinsame Haushalt mit den besagten Kindern auch durch Vorlage eines Auszuges aus dem Melderegisters belegt werden.

Die Feststellung zur Begründung eines Ehelebens und aufrechten Führen desselben beruhen auf folgenden Überlegungen:

Die BF, als auch ihr Gatte, gaben mehrmals übereinstimmend an, dass sie einen gemeinsamen Wohnsitz haben, sie sich dort auch gemeinsam aufhalten bzw. dort ihr Familienleben führen. Die Eheleute leben - zumindest lässt sich nichts gegenteiliges beweisen - seit nunmehr 4 Jahren in einem gemeinsamen Haushalt.

Die Eheleute - die BF ist nach wie vor verheiratet - haben am 23.04.2020 eine Wohnung gemietet und scheinen beide Personen als Mieter im Vertrag auf. Es ist fakt, dass sie seit dem 07.06.2016 mit diesem verheiratet ist und seit dieser Zeit gemeinsame Wohnadressen aufweisen. Es konnte im gesamten Verfahren nicht festgestellt werden, ob die BF in den gemeinsamen Wohnungen tatsächlich Unterkunft genommen hat. Die Aussagen der BF sowie Ihre Gatten in der mündlichen Verhandlung weisen auf eine gemeinsame Unterkunftnahme hin. So konnte zudem im Zuge einer polizeilichen Nachschau am XXXX .2016 (siehe AS 9f) sowohl die BF als auch ihr Ehemann an deren seinerzeitigen Meldeadresse im Bundesgebiet gemeinsam angetroffen werden, was letztlich das Vorbringen der BF und ihres Ehemann einen gemeinsamen Haushalt zu führen unterstützt. Es konnten daher gegenwärtig keine eindeutigen Hinweise ermittelt werden, die die Annahme stützten könnten, dass nunmehr kein Familienleben und somit eine klare Aufenthaltsehe vorliegt.

Was die rechtliche Beurteilung einer „Scheinehe" oder „Aufenthaltsehe" anbelangt ist ua. auf das Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2009, ZI.: 2007/21/0049, zu verweisen wo dieser ausführte: „Die Ehefrau des Fremden hat die Ehe geschlossen um ihm behilflich zu sein und ihm eine legale Aufenthaltsmöglichkeit in Österreich zu verschaffen. Derartige Motive für eine Eheschließung begründen weder eine Aufenthaltsehe noch den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 8 FPG, wenn ein gemeinsames Familienleben tatsächlich peführt wird."

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass eine vergleichbare Konstellation auch im vorliegenden Fall anzunehmen ist. Auch wenn man davon ausgehen würde, dass die BF ihren nunmehrigen Ehegatten deshalb geheiratet hat, um seinen Verbleib im Bundesgebiet zu sichern, wäre dies nicht verboten, sofern ein Familienleben stattfindet und geführt wird. Dies hat die belangte Behörde vor der Erfassung des gegenständlichen Bescheides leider völlig unberücksichtigt gelassen. Sie hat die BF zwar am 20.02.2020 niederschriftlich befragt, jedoch ist sie nicht auf ein mögliches – aktuell – bestehendes Familienleben der BF mit ihrem Gatten eingegangen. Aus den bisherigen Befragungen der BF und ihres Gatten, konnte nicht eindeutig festgestellt werden, dass kein Familienleben stattfindet. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte nichts Gegenteiliges festgestellt werden.

Des Weiteren sind die Eheleute mittlerweile 4 Jahre verheiratet, weisen trotz negativen Entscheidungen seitens der Niederlassungsbehörde und dem Verwaltungsgericht Wien, nach wie vor einen gemeinsamen Wohnsitz auf und konnte in der mündlichen Verhandlung der Eindruck gewonnen werden, dass sehr wohl eine gegenseitige Abhängigkeit - wie es in einer Familie so üblich ist - gegeben ist. So ließe es sich letztlich logisch nicht nachvollziehen, weshalb die BF trotz bereits erfolgter rechtskräftiger strafgerichtlicher Verurteilung weiterhin an einer ungewollten Ehe festhalten sollte. Insbesondere, da sie nicht mit einer weiteren Verurteilung wegen desselben Sachverhaltes bei einem nunmehrigen Eingestehen des seinerzeitigen Eingehens einer Aufenthaltsehe zu rechnen hätte.

Unter einer Gesamtbetrachtung und Abwägung aller als Beweis heranzuziehenden Verfahrensschritte kommt das erkennende Gericht zur Ansicht, dass ein Familienleben zwischen der BF und ihrem Gatten stattfindet.

Dieser Ansicht steht die oben zitierte Verurteilung der BF nicht im Wege. Wie auch das erkennende Strafgericht in ihrem Urteil zur Rechtslage näher ausgeführt hat, kommt es auf die Strafbarkeit iSd. § 117 FPG einzig darauf an, im Zeitpunkt der Eheschließung, im Wissen um den Zweck der Ehe, nämlich unter Berufung auf diese einen Aufenthaltstitel für den Ehepartner zu erlangen, nicht gewillt zu sein ein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 EMRK zu führen. (siehe AS 281) Aufgrund der erfolgten Verurteilung der BF durch das Strafgericht gemäß § 117 FPG steht es zwar außer Zweifel, dass die BF zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung mit einem indischen Staatsangehörigen – womit das Delikt iSd. § 117 FPG verwirklicht wurde – die besagten Straftatbestandsmerkmale erfüllt und sich sohin strafbar gemacht hat. Jedoch schließt diese Verurteilung nicht aus, dass die BF und ihr Ehemann nach deren Eheschließung zueinander gefunden und letztlich doch ein Familienleben iSd. Art 8 EMRK begründet haben, wovon das erkennende Gericht gegenständlich ausgeht. (vgl. VwGH 26.09.2007, 2007/21/0003; 22.03.2011, 2007/18/0855)

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Rechtliches:

3.1.1. Der mit „Verkündung und Ausfertigung der Erkenntnisse“ betitelte § 29 VwGVG lautet wie folgt:

„§ 29. (1) Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen.

(2) Hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden, so hat in der Regel das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden.

(2a) Das Verwaltungsgericht hat im Fall einer mündlichen Verkündung die Niederschrift den zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen auszufolgen oder zuzustellen. Der Niederschrift ist eine Belehrung anzuschließen:

1.       über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß Abs. 4 zu verlangen;

2.       darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt.

(2b) Ist das Erkenntnis bereits einer Partei verkündet worden, kann ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 bereits ab dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem der Antragsteller von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat. Ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 ist den übrigen Antragsberechtigten zuzustellen.

(3) Die Verkündung des Erkenntnisses entfällt, wenn

1. eine Verhandlung nicht durchgeführt (fortgesetzt) worden ist oder

2. das Erkenntnis nicht sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung gefasst werden kann und jedermann die Einsichtnahme in das Erkenntnis gewährleistet ist.

(4) Den Parteien ist eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen. Eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses ist in den in Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG genannten Rechtssachen auch dem zuständigen Bundesminister zuzustellen.

(5) Wird auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof von den Parteien verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt, so kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.“

3.1.2. Das BFA hat keinen Verzicht auf die Erhebung eines außerordentlichen Rechtsmittels beim VwGH oder VfGH nach Verkündung des gegenständlichen Erkenntnisses sowie erfolgter Übermittlung der Niederschrift der mündlichen Verhandlung und der mündlichen Verkündung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses des BVwG am 11.08.2020 abgegeben. Am 25.08.2020 hat das BFA auf elektronischem Wege einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung gestellt.

Der besagte Antrag erweist sich sohin als fristgerecht und war diesem zu entsprechen.

3.2. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.2.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Die BF als Staatsangehörige von Bulgarien ist sohin EWR-Bürgerin iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.2.2. Der mit „Aufenthaltsverbot“ betitelte § 67 FPG lautet:

„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)“

Der mit „Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate“ betitelte § 51 NAG lautet:

„§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1.         in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2.         für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3.       als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1.         wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2.         sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3.       sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4.       eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.“

Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von
1.         Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;
2.         Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder
3.         durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1.       zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2.       sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3.       drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1.       sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2.       der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder
3.         der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“

Der mit „Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft und Aufenthaltsadoption“ betitelte § 30 NAG lautet:

„§ 30. (1) Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen.

(2) An Kindes statt angenommene Fremde dürfen sich bei der Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nur dann auf diese Adoption berufen, wenn die Erlangung und Beibehaltung des Aufenthaltstitels nicht der ausschließliche oder vorwiegende Grund für die Annahme an Kindes statt war.

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten auch für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts.“

Der mit „Eingehen und Vermittlung von Aufenthaltsehen und Aufenthaltspartnerschaften“ betitelte § 117 FPG lautet:

„§ 117. (1) Ein Österreicher oder ein zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigter Fremder, der eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft mit einem Fremden eingeht, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen zu wollen und weiß oder wissen musste, dass sich der Fremde für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen will, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Ein Österreicher oder ein zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigter Fremder, der mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft mit einem Fremden eingeht, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen zu wollen und weiß oder wissen musste, dass sich der Fremde für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen will, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(3) Wer gewerbsmäßig Ehen oder eingetragene Partnerschaften vermittelt oder anbahnt, obwohl er weiß oder wissen musste, dass sich die Betroffenen für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen wollen, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(4) Der Fremde, der sich im Sinne dieser Bestimmung auf die Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen will, ist als Beteiligter zu bestrafen.

(5) Nach Abs. 1 ist nicht zu bestrafen, wer freiwillig, bevor eine zur Strafverfolgung berufene Behörde von seinem Verschulden erfahren hat, an der Feststellung des Sachverhaltes mitwirkt.“

Nach der Judikatur des VwGH liegt eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 NAG in Verbindung mit § 54 Abs. 7 NAG dann vor, wenn sich ein Fremder für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf eine von ihm geschlossene Ehe beruft, er in diesem Zeitpunkt jedoch kein gemeinsames Familienleben mit seinem Ehegatten im Sinne des Art. 8 EMRK führt (vgl. VwGH 19.09.2012, 2008/22/0243). Ein formelles Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des Drittstaatsangehörigen abzuleiten (vgl. VwGH 27.04.2017, Ro 2016/22/0014). In zeitlicher Hinsicht muss das Berufen auf ein Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem ein Familienleben nicht (mehr) geführt wird (vgl. VwGH 27.01.2011, 2008/21/0633).

„Eine für den Erwerb bzw. die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes erforderliche tatsächliche und eheliche Lebensgemeinschaft ist dann anzunehmen, wenn die Ehepartner erkennbar in einer dauerhaften, durch enge Verbundenheit und gegenseiteigen Beistand geprägten Beziehung zusammenleben oder zusammenleben wollen. Vorausgesetzt ist somit eine Verbindung zwischen den Eheleuten, deren Intensität über die einer Beziehung zwischen Freunden in einer reinen Begegnungs- oder Gesinnungsgemeinschaft hinausgeht“ (vgl. Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG-Kommentar, § 30, Rz 7).

„Nach der Judikatur des VwGH, setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, nicht voraus, dass die Ehe für nichtig erklärt wurde (vgl. VwGH vom 23. März 2010, 2010/18/0034). Damit ist die Frage bejaht, ob durch die Verwaltungsbehörde - wie hier im Zuge der Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme - eine eigene Beurteilung des Vorliegens einer Scheinehe erfolgen darf.“ (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293)

„Mit der Erlassung dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wird daher noch keine Aussage darüber getroffen, ob auch der Straftatbestand des § 117 FrPolG 2005 verwirklicht wurde. Der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen Eingehens einer "Scheinehe" steht nicht entgegen, dass ein gegenüber dem Fremden wegen § 117 (Abs. 4) FrPolG 2005 idF des FrÄG 2009 geführtes Strafverfahren als Beteiligte eingestellt worden ist (vgl. E 22. Februar 2011, 2010/18/0446). Umso weniger setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe ist nur zum Schein geschlossen worden, voraus, dass der Scheinehepartner (vom Gericht) gemäß § 117 (Abs. 1 oder 2) FrPolG 2005 bestraft (vgl. E 23. März 2010, 2010/18/0034) oder eine Anzeige gemäß § 117 FrPolG 2005 erstattet worden ist (Hinweis E 21. Juni 2012, 2012/23/0022).“ (VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349)

„Die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz stellt keine Voraussetzung für die Feststellung des Bestehens einer Scheinehe dar und spricht das Unterbleiben einer solchen Nichtigerklärung nicht gegen die Beurteilung einer solchen Ehe.“ (VwGH 21.02.2013, 2012/23/0049)

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Tatbestand der Scheinehe bzw. Aufenthaltsehe jedenfalls dann nicht verwirklicht ist, wenn nach der Eheschließung ein als Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK zu qualifizierendes „Eheleben“ geführt wurde. (vgl. VwGH 26.09.2007, 2007/21/0003; 22.03.2011, 2007/18/0855)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

3.2.3. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen stattzugeben:

Die BF hält sich jedenfalls seit dem Jahr 2016 – mit einer mehrmonatigen Unterbrechung im Jahr 2019 – durchgehend im Bundesgebiet auf, ging Erwerbstätigkeiten in Österreich nach und ist aktuell erneut in einem aufrechten Arbeitsverhältnis erwerbstätig. Die BF hat ferner keine Sozialhilfeleistungen bezogen.

Die BF wurde zwar wegen des Eingehens einer Aufenthaltsehe gemäß § 117 FPG verurteilt. Jedoch konnte im Zuge des Ermittlungsverfahrens festgestellt werden, dass die BF mit ihrem Ehemann, einem indischen Staatsbürger dennoch ein gemeinsames Ehe- bzw. Familienleben führt, was letztlich auch die Feststellung – gegenwärtig – eine Aufenthaltsehe zu führen nicht zulässt.

Wenn auch mit dem Umstand, dass die BF seinerzeit eine Aufenthaltsehe begründet hat im Grunde eine maßgebliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen einhergeht, und das Verhalten der BF nicht gutgeheißen werden kann, so ist dennoch gegenständlich zu berücksichtigen, dass die BF entgegen eines seinerzeitig fehlenden Willens letztlich doch ein Familienleben mit ihrem Ehemann begründet hat und dieses nach wie vor aufrecht erhält. Die BF hat sich sohin seither auch nichts mehr zu Schulden kommen lassen, keine Sozialleistungen bezogen und sich ihren Unterhalt, gemeinsam mit ihrem Ehemann, aus eigenem erwirtschaften können.

Vor diesem Hintergrund kann unter Berücksichtigung des seit der Straftat der BF vergangenen Zeitraumes des Wohlverhaltens und aufrechten Familienlebens mit ihrem Ehemann, eine maßgebliche, insbesondere erhebliche und gegenwärtige Gefährdung öffentlicher Interessen iSd. § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG aus aktueller Sicht nicht erkannt werden. In diesem Kontext ist festzuhalten, dass die belangte Behörde bereits am XXXX .2016 über das mögliche Eingehen einer Aufenthaltsehe der BF in Kenntnis gesetzt wurde und die Verurteilung der BF bereits am XXXX .2018 in Rechtskraft erwachsen ist, jedoch dennoch bis 06.05.2019 (Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) mit einer Entscheidung zugewartet hat, was letztlich eine im angefochtenen Bescheid betonte Gefährlichkeit der BF nicht untermauert.

Aus Sicht des erkennenden Gerichtes liegen sohin die Voraussetzungen für den Ausspruch eines Aufenthaltsverbotes gegenständlich nicht vor, sodass der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben war.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsehe Aufenthaltsverbot Behebung der Entscheidung Interessenabwägung öffentliche Interessen Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2219661.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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