Entscheidungsdatum
14.10.2020Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I403 2231720-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Slowakei, vertreten durch RA Dr. Christoph NASKE, Wipplingerstraße 21, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2020, Zl. 1102486010/190287549, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10.2020 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Slowakei, meldete am 24.11.2015 ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet an.
Am 04.06.2018 wurde ihr seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine "Anmeldebescheinigung (sonstige Angehörige)" gemäß § 53 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ausgestellt.
Am 01.11.2019 wurde über die Beschwerdeführerin seitens des Landesgerichts XXXX wegen des Verdachts auf Suchtgifthandel nach § 28a Abs. 1 zweiter und fünfter Fall SMG die Untersuchungshaft verhängt.
Am 22.11.2019 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangten Behörde) einvernommen. Hierbei gab sie an, in Besitz einer Anmeldebescheinigung zu sein und sich seit etwa zwanzig Jahren in Österreich aufzuhalten. Seit etwa sieben Jahren befinde sie sich in einer Lebensgemeinschaft, wobei sie ihren Lebensgefährten heiraten wolle. Abgesehen von der Schwester ihrer Großmutter habe sie kein Angehörigen in Österreich. Sie sei u.a. aufgrund ihrer Drogensucht in medizinischer Behandlung. Einer legalen Erwerbstätigkeit sei sie in Österreich zu keinem Zeitpunkt nachgegangen.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 03.02.2020, Zl. XXXX wurde die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, 12 dritter Fall StGB, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG, sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20.04.2020 wurde gemäß „§ 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ gegen die Beschwerdeführerin ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß „§ 70 Abs. 3 FPG“ wurde ihr ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).
Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 26.05.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
Am 01.10.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX , eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführerin sowie ihrer Rechtsvertretung abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert. Bereits mit Schriftsatz vom 24.09.2020 hatte der Rechtsvertreter dem Bundesverwaltungsgericht zur Kenntnis gebracht, dass der als Zeuge geladene Lebensgefährte der Beschwerdeführerin aufgrund eines Auslandsaufenthaltes an seiner Teilnahme an der Verhandlung gehindert sei. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gab die Beschwerdeführerin an, dass sich ihr Lebensgefährte mittlerweile von ihr getrennt habe und die Beziehung nicht mehr aufrecht sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
Die volljährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Slowakei und somit EWR-Bürgerin. Ihre Identität steht fest.
Sie leidet an keiner lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigung, die einer Rückführung in ihren Herkunftsstaat entgegensteht. Sie hat seit ihrer Geburt Asthma und befand sich aufgrund dessen bereits in der Slowakei in ärztlicher Behandlung. In Österreich verwendet sie einen rezeptfreien Asthmaspray. Überdies befindet sie sich in einem Drogensubstitutionsprogramm, wobei entsprechende Substitutionsprogramme auch in der Slowakei zur Verfügung stehen. Sie ist haftfähig.
Sie stammt aus Bratislava. Sie hat zwei in der Slowakei lebende Kinder, für welche sie keine Sorgepflichten treffen, darüber hinaus Bekannte in ihrem Herkunftsstaat. In der Slowakei wurde sie insgesamt dreimal aufgrund von Suchtgiftdelikten strafgerichtlich verurteilt und verbüßte insgesamt eine etwa einjährige Haftstrafe.
Sie ist seit dem 24.11.2015 aufrecht im Bundesgebiet gemeldet. Am 04.06.2018 wurde ihr seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine "Anmeldebescheinigung (sonstige Angehörige)" gemäß § 53 NAG ausgestellt.
Sie ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Von November 2015 bis Februar 2017 wurden insgesamt vier Strafverfügungen gegen sie aufgrund von Übertretungen nach dem Wiener Prostitutionsgesetz erlassen.
Sie hat in Österreich keine nahen Angehörigen und führt im Bundesgebiet kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Auch lebt sie zum Entscheidungszeitpunkt in keiner Beziehung oder Lebensgemeinschaft.
Sie weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht auf. Sie hat eine Einstellungszusage als Friseurhilfskraft, unterfertigt von ihrer in Österreich lebenden Cousine, in Vorlage gebracht, welcher jedoch nicht einmal den notwendigen Mindestinhalt eines Arbeitsvorvertrages (das in Aussicht stehende Arbeitsentgelt) enthält.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 03.02.2020, Zl. XXXX wurde die Beschwerdeführerin wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, 12 dritter Fall StGB, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 SMG, sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass sie von Oktober 2016 bis Oktober 2019 an verschiedenen Orten Österreichs vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, insgesamt rund 4.740 cm³ Pico (Anm.: offizielle Bezeichnung "N-Methylamphetamin", umgangssprachlich oft "Crystal Meth") aus der Slowakei aus und nach Österreich eingeführt hat. Von Oktober 2016 bis Juni 2018 erwarb sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Mittäter rund 1.240 cm³ Pico in Bratislava und verbrachte es nach Österreich. Ab Juli 2018, bis zu ihrer Verhaftung am 29.10.2019, erwarb sie erneut in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Mittäter 1.500 cm³ Pico in Bratislava und verbrachte es nach Österreich, wo sie einem anderen Mittäter Aufträge für weitere Lieferungen im Gesamtumfang von 2.000 cm³ Pico von der Slowakei nach Österreich erteilte und das Suchtgift von ihm jeweils wie vereinbart in Österreich entgegennahm. Anderen überließ sie überwiegend gewinnbringend in zahlreichen, stetig wiederkehrenden Angriffen insgesamt zumindest rund 3.650 cm³ Pico. Im Oktober 2019 erwarb und besaß sie (in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge) rund 117 Gramm Pico, zum Zwecke des Bereithaltens für den weiteren Verkauf in ihrer Wohnung. Darüber hinaus erwarb und besaß sie Pico auch zum ausschließlich persönlichen Gebrauch. Als mildernd wurden im Rahmen der Strafzumessung die geständige Verantwortung der Beschwerdeführerin sowie ihr Beitrag zur Wahrheitsfindung in Bezug auf ihre Suchtgiftlieferanten, als erschwerend hingegen ihre drei einschlägigen Vorstrafen in der Slowakei, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einer Mehrzahl an Vergehen, der lange Tatzeitraum und die vielfache Überschreitung der Grenzmenge berücksichtigt.
Neben ihrer strafgerichtlichen Verurteilung hat sie überdies gegen diverse fremden-, unions- sowie verwaltungsrechtliche Bestimmungen verstoßen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben der Beschwerdeführerin vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in die seitens der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen.
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Ergänzend wurden Auszüge aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister (IZR), dem zentralen Melderegister (ZMR), dem Hauptverband österreichsicher Sozialversicherungsträger (AJWEB-P) und dem Strafregister (SA) eingeholt.
Darüber hinaus wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 01.10.2020 in Anwesenheit der Beschwerdeführerin sowie ihrer Rechtsvertretung und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert.
2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund ihres im Original vorgelegten – und sich in Kopie im Akt befindlichen - slowakischen Personalausweises Nr. XXXX fest.
Die Feststellungen zu ihrem Gesundheitszustand ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben zuletzt in der Beschwerdeverhandlung, sowie aus seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten medizinischen Unterlagen aus der Justizanstalt, in welcher sie zum Entscheidungszeitpunkt ihre Haftstrafe verbüßt. Aus diesem Umstand ergibt sich überdies unweigerlich ihre Haftfähigkeit. In der Beschwerdeverhandlung gab sie an, seit ihrer Geburt an einer Asthmaerkrankung zu leiden, jedoch keine Befunde vorlegen zu können, da ihr Arzt in der Slowakei sei. Sollte eine Fortführung ihrer Drogensubstitutionstherapie nach ihrer Haftentlassung erforderlich sein, so stehen ihr überdies auch in der Slowakei entsprechende Substitutionsprogramme zur Verfügung (vgl. Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht: Europäischer Drogenbericht 2019, S 70ff: https://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/11364/20191724_TDAT19001DEN_PDF.pdf, Zugriff 08.10.2020). Den von der Justizanstalt übermittelten medizinischen Unterlagen ist im Übrigen auch zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin bereits seit 25 Jahren und damit lange vor ihren Umzug nach Österreich im Substitutionsprogramm befindet.
Zu den Familienverhältnissen der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass sie zuletzt in der Beschwerdeverhandlung am 01.10.2020 ausdrücklich zu Protokoll gab, dass sich ihr Lebensgefährte von ihr getrennt habe und die Beziehung zu diesem nicht mehr aufrecht sei. Laut einer angeforderten Besucherliste der Justizanstalt besuchte sie ihr ehemaliger Lebensgefährte insgesamt zweimal, zuletzt am 21.07.2020. Dass sie zwei Kinder, für welche sie keine Sorgepflichten treffen, sowie überdies Bekannte in der Slowakei habe, gab sie ebenfalls zuletzt in der Beschwerdeverhandlung an. Hinsichtlich ihrer familiären Anknüpfungspunkte in Österreich gab sie an, hier „Cousinen, Tanten, mehrere Leute“ zu haben, wobei sie von Frau D. F., bei welcher es sich laut ihren Angaben um eine Cousine handle, auch in der Haft besucht worden sei (laut der angeforderten Besucherliste einmalig im Juni 2020). Abgesehen von D. F. und ihrem ehemaligen Lebensgefährten erhielt die Beschwerdeführerin keine weiteren Besuche seit ihrer Inhaftierung im November 2019. Aus dem Gesagten war die Feststellung zu treffen, dass sie in Österreich keine nahen Angehörigen hat und kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben führt.
Dass die Beschwerdeführerin in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger. Dass hingegen von November 2015 bis Februar 2017 insgesamt vier Strafverfügungen gegen sie aufgrund von Übertretungen nach dem Wiener Prostitutionsgesetz erlassen wurden, ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
Die Einstellungszusage der Beschwerdeführerin als Friseurhilfskraft, ausgestellt von ihrer Cousine D. F., welche jedoch nicht einmal den Mindestinhalt eines Arbeitsvorvertrages (das in Aussicht stehende Arbeitsentgelt) enthält, ergibt sich aus einer Vorlage derselben, datiert mit 15.09.2020. Laut dem in Vorlage gebrachten Schreiben würde die Beschwerdeführerin ab 01.10.2020 eingestellt werden, zum Entscheidungszeitpunkt scheint jedoch nach wie vor kein Dienstgeber im Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger auf und verbüßt die Beschwerdeführerin im Übrigen noch eine über zweijährige Haftstrafe.
Die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich. Die Feststellungen zu den ihrer Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen, zu den Erwägungen des Strafgerichts hinsichtlich der Strafzumessung sowie ihren drei einschlägigen strafgerichtlichen Verurteilungen aufgrund von Suchtgiftdelikten in der Slowakei ergeben sich aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX . Dass sie sich in der Slowakei aufgrund ihrer Verurteilungen ebenfalls bereits für ein Jahr in Haft befunden hat, gab die Beschwerdeführerin selbst in der Beschwerdeverhandlung zu Protokoll.
Die diversen fremden-, unions- sowie verwaltungsrechtlichen Verstöße der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben, wonach sie bereits Jahre vor ihrer erstmaligen behördlichen Meldung in Österreich aufhältig gewesen sei und hier ohne arbeitsmarktbehördliche Genehmigung als Frisörin gearbeitet habe. In einer Zusammenschau mit den eingeholten Auszügen aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister sowie dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger steht fest, dass sie insoweit zumindest gegen die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, des Meldegesetzes sowie des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes verstoßen hat (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt II.3.1.2.).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:
Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG idgF BGBl. I Nr. 27/2020 lautet:
„§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.“
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg. cit. als EWR-Bürger jener Fremde, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist. Die Beschwerdeführerin als Staatsangehörige der Slowakei ist sohin EWR-Bürgerin iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF BGBl. I Nr. 29/2020 lautet:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
3.1.2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war aus folgenden Gründen abzuweisen:
Da die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer slowakischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich des § 67 FPG fällt und die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als fünf bzw. mehr als zehn Jahren nicht erfüllt ist (fallgegenständlich wurde ihr am 04.06.2018 seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine "Anmeldebescheinigung (sonstige Angehörige)" gemäß § 53 NAG ausgestellt), gelangt für sie der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.
Gegen die Beschwerdeführerin als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürgerin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG sohin zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch ihren Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).
Die belangte Behörde stützte das gegenständlich angefochtene Aufenthaltsverbot auf das der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin vom 03.02.2020 zugrundeliegende Fehlverhalten. So hatte sie von Oktober 2016 bis Oktober 2019 an verschiedenen Orten Österreichs vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, insgesamt rund 4.740 cm³ Pico (Anm.: offizielle Bezeichnung "N-Methylamphetamin", umgangssprachlich oft "Crystal Meth"), aus der Slowakei aus und nach Österreich eingeführt. Von Oktober 2016 bis Juni 2018 erwarb sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Mittäter rund 1.240 cm³ Pico in Bratislava und verbrachte es nach Österreich. Ab Juli 2018, bis zu ihrer Verhaftung am 29.10.2019, erwarb sie erneut in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem Mittäter 1.500 cm³ Pico in Bratislava und verbrachte es nach Österreich, wo sie einem anderen Mittäter Aufträge für weitere Lieferungen im Gesamtumfang von 2.000 cm³ Pico von der Slowakei nach Österreich erteilte und das Suchtgift von ihm jeweils wie vereinbart in Österreich entgegennahm. Anderen überließ sie überwiegend gewinnbringend in zahlreichen, stetig wiederkehrenden Angriffen insgesamt zumindest rund 3.650 cm³ Pico. Im Oktober 2019 erwarb und besaß sie in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge, rund 117 Gramm Pico, zum Zwecke des Bereithaltens für den weiteren Verkauf in ihrer Wohnung. Darüber hinaus erwarb und besaß sie Pico auch zum ausschließlich persönlichen Gebrauch. Als mildernd wurden im Rahmen der Strafzumessung die geständige Verantwortung der Beschwerdeführerin sowie ihr Beitrag zur Wahrheitsfindung in Bezug auf ihre Suchtgiftlieferanten, als erschwerend hingegen ihre drei einschlägigen Vorstrafen in der Slowakei, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einer Mehrzahl an Vergehen, der lange Tatzeitraum und die vielfache Überschreitung der Grenzmenge berücksichtigt.
Angesichts des schwerwiegenden Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin gefährdet ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit und besteht daher kein Zweifel, dass von ihr eine massive Gefährdung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität ausgeht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. zuletzt VwGH 15.04.2020, Ra 2019/18/0270 mwH). Darüber hinaus hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen, dass „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“ (vgl. EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. zuletzt VwGH 30.04.2020, Ra 2019/20/0399 mwH). Nachdem sich die Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vor in Strafhaft befindet, ist gegenständlich keine längere Phase des Wohlverhaltens gegeben, welche nahelegen würde, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet fortan keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit mehr darstellen würde.
Vielmehr besteht vor dem Hintergrund, dass sie in Österreich trotz ihres mehrjährigen Aufenthaltes zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachging, sowie angesichts des Umstandes, dass sie auch in der Slowakei bereits dreimal strafgerichtlich aufgrund von Suchtgiftdelikten verurteilt wurde, die immanente Gefahr, dass sie versucht sein könnte, sich die Mittel zu ihrem Unterhalt nach ihrer Haftentlassung erneut illegal durch den Handel mit Suchtgiften zu beschaffen. Die gewerbsmäßige Tatbegehung über einen Zeitraum von (zumindest) drei Jahren, welche ihr in ihrer Verurteilung durch das Landesgericht XXXX zur Last gelegt wurde, als auch der Umstand, dass sie in ihrem Herkunftsstaat aufgrund ihres deliktischen Handelns bereits eine einjährige Haftstrafe zu verbüßen hatte, sind Indizien für ihre hohe Rückfallsneigung als auch für den Umstand, dass selbst das bereits verspürte Haftübel nicht die gewünschte Wirkung zeigte.
Im Hinblick auf das Gesamtverhalten der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ist neben ihrer strafgerichtlichen Verurteilung aufgrund teils gravierender, gewerbsmäßiger Suchtgiftdelikte weiters zu berücksichtigen, dass sie auch darüber hinaus gegen diverse fremden-, unions- sowie verwaltungsrechtlichen Bestimmungen verstoßen.
Wenngleich die Dauer ihres Aufenthaltes sowie ihrer Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet nicht exakt bestimmt werden kann, steht bereits aufgrund ihrer eigenen Angaben in der Beschwerdeverhandlung - wonach sie „die letzten zehn Jahre in Österreich aufhältig“ gewesen sei (Verhandlungsprotokoll S 4) und „als Frisörin gearbeitet [habe], aber ohne Genehmigung“ (Verhandlungsprotokoll S 5) - in einer Zusammenschau mit den eingeholten Auszügen aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister sowie dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger fest, dass sie damit gegen die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) verstoßen hat. Darüber hinaus hat sie es angesichts des Umstandes, dass sie erstmalig mit 24.11.2015 im zentralen Melderegister aufscheint, unterlassen, binnen drei Tagen ab ihrer Unterkunftnahme in Österreich eine verpflichtende Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet vorzunehmen (vgl. §§ 2 Abs. 1 und 7 Abs. 1 Meldegesetz) und hat darüber hinaus in jedem Fall auch gegen die Bestimmungen des NAG verstoßen, da sie es jedenfalls unterlassen hat, in Einklang mit § 53 Abs. 1 NAG der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde binnen vier Monaten ab ihrer Einreise ihren länger als dreimonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet anzuzeigen, um sich eine erforderliche Anmeldebescheinigung ausstellen zu lassen. Aktenkundig sind überdies die vier von November 2015 bis Februar 2017 gegen sie erlassenen Strafverfügungen aufgrund von Übertretungen nach dem Wiener Prostitutionsgesetz.
Neben ihrer schwerwiegenden strafgerichtlichen Verurteilung sind der Beschwerdeführerin sohin noch weitere, teils über einen längeren Zeitraum hinweg anhaltende Rechtsverstöße anzulasten, sodass im Rahmen einer Gesamtschau davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch ihren Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.
Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann jedoch ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss anhand der Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG überprüft werden, ob im vorliegenden Fall ein Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens der Beschwerdeführerin gegeben ist.
Im vorliegenden Fall führt die Beschwerdeführerin in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Auch ist keine maßgebliche soziale Integration gegeben, verfügt sie im Bundesgebiet doch nur über entfernte Verwandte (wobei sie seit ihrer Inhaftierung ab November 2019 lediglich einmalig im Juni 2020 Besuch von einer Cousine erhielt) und ging sie überdies zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Trotz ihrer sehr guten Deutschkenntnisse, die es ermöglichten, die Verhandlung auf Deutsch zu führen, liegt somit jedenfalls keine umfassende Verankerung im Bundesgebiet vor. Auch ihre in Vorlage gebrachte Einstellzusage als Friseurhilfskraft verleiht ihren persönlichen Interessen kein entscheidendes Gewicht, zumal die ersten vier Wochen stets als Probezeit gelten und sich auch aus einem vorgelegten Arbeitsvorvertrag keinerlei Garantie auf eine (Weiter-)Beschäftigung ableiten lässt (zur Gewichtung von Einstellungszusagen vgl. auch VwGH 13.10.2011, 2011/22/0065 mwH).
Das familiäre und private Interesse der Beschwerdeführerin an einem Aufenthalt im Bundesgebiet konnte somit im Lichte einer durch Art. 8 EMRK gebotenen Interessensabwägung das öffentliche Interesse an ihrer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.
Hinsichtlich ihrer Asthma-Erkrankung, an welcher sie laut eigenen Angaben seit ihrer Geburt leidet, befand sie sich bereits in ihrem Herkunftsstaat in Behandlung (so verwies sie in der Beschwerdeverhandlung ausdrücklich auf den Umstand, dass sich ihr Arzt in der Slowakei befinde und sie aufgrund dessen keine Befunde in Vorlage bringen könne). Sollte nach ihrer Haftentlassung noch eine Fortführung ihrer Drogensubstitutionstherapie erforderlich sein, so stehen ihr auch in der Slowakei entsprechende Substitutionsprogramme zur Verfügung (vgl. Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht: Europäischer Drogenbericht 2019, S 70ff: https://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/11364/20191724_TDAT19001DEN_PDF.pdf, Zugriff 08.10.2020). In diesem Zusammenhang ist auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach kein Fremder das Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver als im fremden Aufenthaltsland ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. dazu das Erkenntnis VfSIg. 19.086/2010, in dem der Verfassungsgerichtshof sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stützt).
Die belangte Behörde verhängte über die Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsverbot in der zulässigen Höchstdauer von zehn Jahren und sind im vorliegenden Beschwerdefall auch keine Umstände zu Tage getreten, die eine Reduzierung der von der belangten Behörde festgelegten Befristungsdauer nahelegen würden, zumal sich der dadurch verbundene Eingriff in ihr Privatleben vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen in engen Grenzen hält. Auch wurden im Beschwerdeverfahren keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.2. Zum Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
§ 70 Abs. 3 FPG knüpft die Nicht-Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs ausdrücklich daran, dass die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (vgl. etwa - zum Durchsetzungsaufschub nach § 70 Abs. 3 FPG - VwGH 12.9.2013, 2013/21/0094 mwH; siehe auch - zum Kriterium der Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise nach § 52 Abs. 6 FPG - VwGH 3.7.2018, Ro 2018/21/0007, Rn 11).
Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind. Derartige Umstände, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, sind im gegenständlichen Beschwerdefall nicht hervorgekommen.
Insofern war die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2231720.1.00Im RIS seit
24.02.2021Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021