TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/14 I403 1420329-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.10.2020
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Entscheidungsdatum

14.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z3
AsylG-DV 2005 §8 Abs1 Z1
AVG §62 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I403 1420329-4/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehörigkeit: Nigeria, vertreten durch die Rechtsanwältin Mag. Dr. Vera WELD, Weihburggasse 4/40, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.04.2020, Zl. XXXX , betreffend den Antrag vom 14.08.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zu Recht:

A)       

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 VwGVG behoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsbürger, stellte am 15.05.2011 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.07.2011, Zl. 1104.740 EAST-Ost, gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Beschwerdeführer nach Italien ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.08.2011, GZ. S17 420329-1/2011/6E, als unbegründet abgewiesen.

Am 18.12.2012 flog der Beschwerdeführer mit einem Heimreisezertifikat der nigerianischen Botschaft in Rom von Italien nach Nigeria. Im Mai 2013 reiste er wieder in Italien ein, von wo aus er nach Norwegen weiterreiste.

Am 18.06.2014 wurde der Beschwerdeführer aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 von Norwegen nach Österreich mit Laissez-Passez (Registration Number 2013 142155 03) überstellt. Am selben Tag stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, den er B damit begründete, dass er von der Gruppe Black Axe bzw. von Mitgliedern der Partei ANPP verfolgt würde. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2014, Zl. 1021709807/14722472, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde weiters festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei und dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.08.2014, Zl. I403 1420329-2/7E als unbegründet abgewiesen.

Am 04.09.2014 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz, den er mit der homosexuellen Orientierung seiner Person begründete. Die belangte Behörde vernahm den Beschwerdeführer am 16.04.2015 sowie am 30.10.2017 niederschriftlich ein. Er sei bereits in Nigeria homosexuell gewesen. Aus Scham habe er dies jedoch im Zuge seiner bisherigen Asylverfahren nicht zu erwähnen gewagt. Mit Bescheid vom 03.11.2017, Zl. IFA 1021709807 VZ: 14939668, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist und dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.02.2018, Zl. I411 1420329-3/7E als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid vom 10.01.2019 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, zu einem Termin mit einem Vertreter der Botschaft Nigerias am 25.01.2019 zu erscheinen. Von Seiten der Rechtsvertreterin wurde am 22.01.2019 um eine Vertagung des Termins gebeten, da sie einen anderen Termin wahrzunehmen habe. Nachdem sie informiert wurde, dass eine Terminverschiebung nicht möglich sei, wurde eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung für den Beschwerdeführer vorgelegt. Der Beschwerdeführer erschien nicht zu dem Termin.

Der Beschwerdeführer wurde, nachdem er wiederholt nicht an seiner Meldeadresse angetroffen worden war, am 14.08.2019 aufgrund eines Festnahmeauftrags nach § 41 BFA-VG festgenommen und wurde über ihn Schubhaft verhängt. Daraufhin stellte er am selben Tag im Beisein seiner Rechtsvertreterin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005.

Am 27.08.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen. Er wurde für den 06.09.2019 wiederum zur Identitätsfeststellung vor eine Delegation der nigerianischen Botschaft geladen; abermals wurde von seiner Rechtsvertreterin aufgrund einer Terminkollision um eine Verschiebung des Termins gebeten. Der Beschwerdeführer erschien zu diesem Termin, der allerdings von Seiten der Behörde verschoben werden musste.

Am 27.09.2018 langte eine schriftliche Antragsbegründung bei der belangten Behörde ein; ein gültiges Reisedokument des Beschwerdeführers bzw. eine gültige Geburtsurkunde wurden nicht vorgelegt.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Wien, vom 21.04.2020, wurde der Antrag des Beschwerdeführers „auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG“ gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 55 Abs. 4 FPG festgestellt, dass es keine Frist für die freiwillige Ausreise gibt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer keine Dokumente vorgelegt und auch keinen Antrag auf Mängelheilung nach der Asylgesetz-Durchführungsverordnung gestellt habe.

Mit Schriftsatz vom 08.05.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Darin wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den Bescheid zu beheben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen; in eventu dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel zu erteilen, die Rückkehrentscheidung zu beheben, die Abschiebung für unzulässig zu erklären, das Einreiseverbot zu beheben.

Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.06.2020 vom BFA vorgelegt. Mit Aktenvermerk des zu diesem Zeitpunkt zuständigen Richters vom 02.07.2020 wurde festgestellt, dass der Beschwerde nicht die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I403 per 01.10.2020 zur Entscheidung zugewiesen.

Die erkennende Richterin forderte die belangte Behörde auf, einen Nachweis für die Zustellung bzw. Übergabe eines im Akt befindlichen Verbesserungsauftrages, datiert mit 14.08.2020, vorzulegen. Mit Email vom 06.10.2020 wurde das Gericht informiert, dassdie Zustellung vom BFA nicht belegt werden könne, dass die zuständige Mitarbeiterin aber davon ausgehe, dass das vom Beschwerdeführer unterfertigte Exemplar versehentlich diesem mitgegeben worden sei. Eine Rückfrage bei der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers ergab, dass dieser der Verbesserungsauftrag nicht zugestellt worden war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig, Staatsbürger Nigerias und bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer kam im Mai 2011 in das Bundesgebiet und stellte am 15.05.2011 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.08.2011 nach Italien ausgewiesen und kehrte am 18.12.2012 nach Nigeria zurück. Im Mai 2013 reiste er wieder in der Europäischen Union ein und hielt sich in Norwegen auf, bis er am 18.06.2014 nach Österreich überstellt wurde, wo er zwei weitere unbegründete Asylanträge stellte. Am 14.08.2019 stellte er einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer legte der belangten Behörde weder einen Reisepass noch eine Geburtsurkunde vor. Er stellte auch keinen Antrag auf Mängelheilung nach § 4 AsylG-Durchführungsverordnung. Allerdings wurde der Beschwerdeführer nicht über die Rechtsfolgen belehrt.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren Krankheit, noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig.

Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich. Der Beschwerdeführer führt seit 2016 eine Beziehung zur österreichischen Staatsbürgerin L XXXX W XXXX . Vom 15.03.2017 bis 26.03.2018 bestand ein gemeinsamer Wohnsitz. L. W XXXX befindet sich seit 2005 regelmäßig in psychiatrischer Behandlung, da sie an einer wiederkehrenden Depression und wiederkehrenden Panikattacken bzw. einer Angststörung leidet. Zudem hat sie chronische Schmerzen im Wirbelsäulenbereich. Sie ist seit 27.03.2020 arbeitslos gemeldet. Der Beschwerdeführer unterstützt sie im Alltag.

Der Beschwerdeführer absolvierte eine Deutschprüfung im Niveau A2.

Der Beschwerdeführer ist seit Oktober 2017 ehrenamtlich für die Wiener Tafel tätig. Vom 24.05.2016 bis 04.08.2016 war er geringfügig bei einem Reinigungsunternehmen beschäftigt, ansonsten ging er in Österreich bislang keiner Erwerbstätigkeit nach. Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

Eine darüber hinaus bestehende tiefergehende sprachliche, soziale oder integrative Verfestigung des Beschwerdeführers in Österreich kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer legte gemeinsam mit seinem Antrag die Kopie einer mit Foto versehene Geburtsurkunde, ausgestellt am 16.01.2017, vor. Dass kein Original der Geburtsurkunde und auch kein Reisepass vorgelegt wurden, ergibt sich aus dem Akteninhalt und den diesbezüglich unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid.

Soweit in der Beschwerde behauptet wird, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG am 03.09.2019 und nicht am 14.08.2019 gestellt wurde, ist dies aktenwidrig, liegt dem Akt doch das Original des am 14.08.2019 mit dem Eingangsstempel der belangten Behörde versehenen „Erstantrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK“ bei, welcher auch von der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers (die im Übrigen auch die Beschwerde einbrachte) unterschrieben ist.

In der Beschwerde wurde auch vorgebracht, dass der Beschwerdeführer nicht darüber belehrt worden sei, dass er einen Mängelheilungsantrag nach § 4 Abs. 1 AsylG-DV stellen könne. Im Akt findet sich ein Verbesserungsauftrag der belangten Behörde vom 14.08.2019, mit welchem der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, die folgenden Dokumente innerhalb von vier Wochen vorzulegen: Lichtbild, schriftliche Antragsbegründung, gültiges Reisedokument (Original und Kopie sowie Übersetzung), Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument (Original und Kopie sowie Übersetzung), Nachweis der A2-Deutschprüfung in Kopie. Dem Schreiben ist weiters zu entnehmen: „Im Falle der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise kann ein begründeter Antrag auf Heilung nach § 4 Abs 1 Z 3 AsylG-DV eingebracht werden. Es ist jedoch nachzuweisen, dass die Beschaffung nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Gemäß § 58 Abs. 11 AsylG sind Sie verpflichtet am anhängigen Verfahren mitzuwirken. Sollten Sie dem Verbesserungsauftrag nicht nachkommen, wäre Ihr Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG mangels Mitwirkung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückzuweisen.“ Bei Übergabe dieses Dokuments an die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers wäre von einer Belehrung auszugehen. Diese wird von der Rechtsvertreterin aber bestritten, erklärte sie doch auf entsprechende Nachfrage der erkennenden Richterin mit Schriftsatz vom 08.10.2020, dass keine Zustellung des Verbesserungsauftrages erfolgt sei und ergibt sich dies zudem aus dem Beschwerdevorbringen, wonach keine Belehrung erfolgt sei. Der im Akt befindliche Verbesserungsauftrag (AS 59) enthält eine Zeile, welche bei Übergabe vom Übernehmenden zu unterschreiben ist; die Zeile ist leer. Eine Rückfrage beim BFA ergab, dass die Zustellung nicht belegt werden könne, dass man aber davon ausgehe, dass man den Verbesserungsauftrag übergeben habe und der Beschwerdeführer versehentlich das unterschriebene Exemplar mitgenommen habe. Der Hinweis auf diese Möglichkeit reicht, angesichts der Behauptung der Rechtsvertretung, dass keine Zustellung erfolgt sei, nicht aus, um von einer erfolgten Belehrung ausgehen zu können.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf der schriftlichen Antragsbegründung und den vorgelegten Dokumenten:

?        Arbeitsrechtlicher Vorvertrag für die Tätigkeit als Reinigungskraft vom 16.04.2019 für den Fall der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung

?        Bestätigung über die ehrenamtliche Tätigkeit bei der Wiener Tafel vom 15.12.2017 und vom 12.08.2019

Die Feststellung zu seinen Deutschkenntnissen ergibt sich aus dem ÖSD-Zertifikat A2 vom 03.10.2017.

Dass der Beschwerdeführer eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin führt, ergibt sich bereits aus dem Vorverfahren (vgl. etwa niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA am 30.10.2017) und einer Stellungnahme seiner Lebensgefährtin, zudem aus einem vom Beschwerdeführer vorgelegten „Vertrag zur Regelung einer Lebensgemeinschaft“. Die gesundheitliche Situation der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem im Verwaltungsakt einliegenden, vom Beschwerdeführer eingebrachten „neuropsychiatrischen Befundbericht“ einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 09.05.2019. Dass nur kurzfristig ein gemeinsamer Wohnsitz bestand, ergibt sich aus dem ZMR.

Seine Unbescholtenheit ergibt sich aus einem Strafregisterauszug; dass er nur kurzfristig einer Erwerbstätigkeit nachging, ergibt sich aus einem Auszug aus der Sozialversicherungsdatenbank.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005:

In der Beschwerde war zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides lautet: „Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 Abs. 1 AsylG wird gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.“, dass der Beschwerdeführer aber keinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005, sondern nach § 55 leg. cit, gestellt hatte. Dabei handelt es sich allerdings um eine der Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG zugängliche Unrichtigkeit.

Die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Die Berichtigung ist auf jene Fälle der Fehlerhaftigkeit eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, wobei es allerdings ausreichend ist, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides hätten erkennen können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können. Bei der Beurteilung einer Unrichtigkeit als offenkundig im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG kommt es letztlich auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile (z.B. Begründung) bzw. auf den Akteninhalt an (vgl. VwGH, 28.01.2019, Ra 2018/01/0428).

Handelt es sich um offenbar auf Versehen beruhende Unrichtigkeiten, die nach § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätten berichtigt werden können, ist die Entscheidung auch vor einer Berichtigung bereits in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen (vgl. zu § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG etwa VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092, mwN).

Die belangte Behörde wollte gegenständlich offensichtlich den Antrag des Beschwerdeführers auf einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 behandeln. So kommt aus dem Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides klar hervor, dass es um den Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 geht; insbesondere ergibt sich eindeutig aus der rechtlichen Würdigung („Wie oben zu Spruchpunkt I. dargelegt, liegen in Ihrem Fall die Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG nicht vor…“), dass es sich um einen Flüchtigkeitsfehler im Spruch des Bescheides handelt.

Die belangte Behörde wollte offensichtlich den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 11 AsylG zurückweisen, weil der Beschwerdeführer nicht die erforderlichen Dokumente vorgelegt hatte.

§ 58 Abs. 11 AsylG 2005 lautet:

Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1.         das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2.         der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8 Abs. 1 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 sind folgende Urkunden und Nachweise im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels anzuschließen:
1.         gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);
2.         Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;
3.         Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;
4.         erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

Der rechtsfreundliche vertretene Beschwerdeführer legte die erforderlichen Dokumente nicht vor und stellte auch keinen Antrag auf Mängelheilung; dies wäre nach § 4 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 möglich. Der Beschwerdeführer wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl allerdings nicht über die Rechtsfolge des § 58 Abs. 11 Z. 2 AsylG 2005 belehrt, obwohl dies laut Gesetz vorgeschrieben ist.

Nach höchstgerichtlicher Judikatur (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 2016, Zl. Ra 2016/21/0206 bzw. Ra 2016/21/0187 sowie vom 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0039 und vom 14. April 2016, Ra 2016/21/0077) rechtfertigt die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments bei Unterbleiben eine Antragstellung nach § 4 Abs. 1 Z 3 und § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG-DV grundsätzlich eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte zurückweisende Entscheidung.

Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer aber nicht, wie in § 58 Abs. 11 letzter Satz AsylG 2005 vorgeschrieben, darüber belehrt wurde, dass bei Nichtvorlage der Dokumente eine Zurückweisung des Antrages erfolgen könne, hätte der Antrag nicht zurückgewiesen werden dürfen und war daher Spruchpunkt I. zu beheben.

Nachdem die sonstigen Spruchpunkten auf Spruchpunkt I. aufbauen, waren auch diese zu beheben und wird die belangte Behörde neu über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zu entscheiden haben.

Der Vollständigkeit halber weist die erkennende Richterin darauf hin, dass zum Entscheidungszeitpunkt aus ihrer Sicht nicht von einem Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers auszugehen wäre und eine Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellen würde. Aufgrund des Umstandes, dass von der belangten Behörde eine Zurückweisungsentscheidung ausgesprochen wurde, ist es dem Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall aber verwehrt, selbst in der Sache zu entscheiden, also zu befinden, ob dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist oder nicht.

Der Bescheid war daher zu beheben.

Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.2. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Abschiebung Antragstellung Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben ersatzlose Behebung freiwillige Ausreise Frist Kassation Mängelheilung Manuduktionspflicht Mittellosigkeit Mitwirkungspflicht Nachweismangel rechtswirksame Zustellung Rückkehrentscheidung unzulässiger Antrag Verbesserungsauftrag Vorlagepflicht Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.1420329.4.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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