TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/15 I422 2235902-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2020
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Entscheidungsdatum

15.10.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art130 Abs1 Z1
B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
StGB §127
StGB §128
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35 Abs1

Spruch

I422 2235902-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A. Herbert POCHIESER, Schottenfeldgasse 2-4, 1040 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2020, Zl. 1221865403/200407405 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Der Antrag auf Kostenersatz wird als unzulässig zurückgewiesen.

C)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgegenstand:

In Folge einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung erließ die belangte Behörde mit verfahrensgegenständlichem Bescheid über den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren (Spruchpunkt I.), erteilte ihm kein Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte sie einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot zugleich die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.).

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die belangte Behörde keine individuelle Interessenabwägung im Fall des Beschwerdeführers vorgenommen habe. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer einer regelmäßigen Beschäftigung nachging und dass er in einer Beziehung lebt, sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer hält sich seit 07.11.2018 durchgehend im Bundesgebiet auf. Er verfügt seit 07.03.2019 über eine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 Abs. 1 NAG.

Der Beschwerdeführer ist ledig, gesund und arbeitsfähig. Er führt im Bundesgebiet eine Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen. Mit ihr lebte er im Zeitraum vom 07.11.2018 bis zu seiner Inhaftierung in einem gemeinsamen Haushalt. Für einen in Deutschland lebenden Sohn ist der Beschwerdeführer unterhaltspflichtig und obsorgeberechtigt. Er hat einen aufrechten Kontakt zu seinem Sohn und verbringt dieser regelmäßig jedes zweite Wochenende sowie die Hälfte der Sommerferien beim Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis, darüber hinausgehende berücksichtigungswürdige Anknüpfungspunkte in privater oder sozialer Hinsicht liegen nicht vor.

In Deutschland neben seinem Sohn auch die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers.

Bis zu seiner Inhaftierung war der Beschwerdeführer im Bundesgebiet durchgehend sozialversicherungspflichtig beschäftigt und besteht auch für die Zeit nach der Entlassung aus der Strafhaft erneut ein unbefristeter Dienstvertrag mit einem Personalbereitstellungsunternehmen.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.08.2020, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer seinem Arbeitgeber 222 Fläschchen einer Krebsmedikation mit einem Gesamtwert von jedenfalls über EUR 300.000,-- mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern. Das Strafgericht stellte einen Tatzeitraum von 22.10.2019 bis 18.12.2019 fest. Erschwerend wertete es die einschlägigen Vorstrafen des Beschwerdeführers und die zwei Angriffe. Mildernd berücksichtigte es das Geständnis des Beschwerdeführers sowie die teilweise Schadensgutmachung. Zudem beschloss das Strafgericht unter Setzung einer zweijährigen Probezeit die vorläufige Einstellung eines weiteren anhängigen Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz.

Seit 17.05.2020 verbüßt der Beschwerdeführer seine Freiheitsstrafe in einer österreichischen Justizanstalt.

Zusätzlich ist der Beschwerdeführer in Deutschland viermalig vorbestraft:

Er wurde mit Urteil des Amtsgerichtes XXXX vom 09.11.2009, Az. XXXX wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 750,-- sowie einem einjährigen Entzug seiner Fahrerlaubnis rechtskräftig verurteilt.

Weiters wurde er mit Urteil des Amtsgerichtes XXXX vom 19.04.2010, Az. XXXX wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Amtsgerichtes XXXX vom 17.11.2014, Az. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Betruges zu einer Freiheitstrafe von drei Jahren und fünf Monaten rechtskräftig verurteilt.

Letztlich wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Amtsgerichtes XXXX vom 06.05.2015, Az. XXXX wegen vorsätzlich gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, unerlaubten Entfernens vom Unfallort, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 31.08.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung des bekämpften Bescheides und der Angaben des Beschwerdeführers im Beschwerdeschriftsatz sowie der Stellungnahme vom 05.06.2020. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Registers der Sozialversicherungsträger (AJ-Web) sowie des Strafregisters der Republik Österreich eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, insbesondere zu seiner Identität ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Durch eine dort einliegende Kopie seines deutschen Personalausweises ist seine Identität belegt.

Aus der Einsicht in das ZMR sowie in den Verwaltungsakt gründen sich die Feststellungen über den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet. Aus der Einsichtnahme in das IZR gründet die Feststellung zu der dem Beschwerdeführer erteilten Anmeldebescheinigung.

Die Feststellungen zu seiner familiären und privaten Situation - insbesondere, dass er bis zu seiner Inhaftierung mit seiner Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt gelebt hat sowie, dass er einem Sohn gegenüber sorgepflichtig ist, welcher in Deutschland lebt und zu welchem ein regelmäßiger Kontakt besteht - gründen aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Beschwerdeschriftsatz und in der schriftlichen Stellungnahme. Hinweise auf sonstige - über einen Freundes- und Bekanntenkreis hinausgehende - maßgebliche private oder soziale Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich haben sich im Verfahren nicht ergeben und wurde auch weder in der Stellungnahme noch im Beschwerdeschriftsatz ein diesbezügliches Vorbringen erstattet.

Aus der Einsichtnahme in das AJ-Web Auskunftsverfahren gründet die Feststellung über die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich. Dass er für die Zeit nach der Haftentlassung bereits über einen unbefristeten Dienstvertrag verfügt, ist durch die Vorlage desselben belegt.

Die rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers sowohl durch ein deutsches als auch ein österreichisches Strafgericht gründen einerseits aus der aktuellen Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie andererseits aus dem sich im Verwaltungsakt befindlichen Urteil des Landesgerichtes XXXX . Zusätzlich wurde in den im Akt einliegenden Auszug aus dem europäischen Strafregister-Informationssystem (ECRIS) Einsicht genommen.

Dass sich der Beschwerdeführer derzeit in Strafhaft befindet, ist aus dem Zentralen Melderegister sowie der im Akt einliegenden Strafkarte ersichtlich.

Der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 31.08.2020, Zl. 1221865403/200407405 liegt im Verwaltungsakt ein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Aufgrund seines seit 07.11.2018 durchgehenden und somit weniger als zehn Jahre andauernden Aufenthaltes in Österreich, kommt nicht der erhöhte, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S 2 FPG, wonach für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine aktuelle, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefordert wird, zur Anwendung.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra 2019/21/0367).

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet eine strafgerichtliche Verurteilung auf. Dabei wurde er wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls zu einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Rahmen derselben Hauptverhandlung beschloss das Strafgericht, das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz vorläufig einzustellen.

Zudem weist der Beschwerdeführer in Deutschland vier rechtskräftige Verurteilungen wegen verschiedener Eigentums- und Suchmitteldelikte sowie Delikten gegen die körperliche Integrität auf. Dabei wurde er zu Freiheitsstrafen in einer Gesamtdauer von sieben Jahren und fünf Monaten verurteilt.

Das strafrechtlich relevante Verhalten des Beschwerdeführers stellt jedenfalls ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewalt- und Eigentumskriminalität besteht (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 ua.).

Bereits die belangte Behörde hat das ausgesprochene Aufenthaltsverbot nicht (bloß) auf die Tatsache seiner Verurteilungen und der daraus resultierenden Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist, (vgl. VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0116) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet und in Deutschland gezeigten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Dabei hob sie besonders hervor, dass der Beschwerdeführer einen mittleren sechsstelligen Schaden verursachte und durch die Begehung zum Nachteil seines damaligen Arbeitgebers ein besonderes Vertrauensverhältnis missbraucht worden sei.

Zunächst schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen der belangten Behörde vollinhaltlich an und kommt es aufgrund der Verurteilungen des Beschwerdeführers und des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose ebenso zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer permanent eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen vermag.

Wie bereits die belangte Behörde vollkommen zutreffend ausführte, konnten die rechtskräftigen Verurteilungen in Deutschland zu teils mehrjährigen Haftstrafen den Beschwerdeführer augenscheinlich nicht davon abhalten, sich in Österreich niederzulassen und nur rund ein Jahr nach seiner Einreise (erneut) massiv straffällig zu werden. Sein Verhalten weist eindeutig auf seine mangelnde Rechtstreue gegenüber der österreichischen Rechtsordnung hin und bringt er dadurch seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich (und in Deutschland) rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass sich der Beschwerdeführer trotz des bereits mehrmalig verspürten Haftübels offenbar gezielt dazu entschlossen hat, hochwertige Medikamente zu stehlen, um einen größtmöglichen Profit zu erwirtschaften. Sein Gesamtverhalten weist nicht auf eine Einsicht oder Verhaltensänderung, sondern vielmehr auf eine beharrliche Missachtung der Bestimmungen über den Schutz fremden Eigentums hin.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0060). Durch den derzeitigen Haftaufenthalt ist die Zeit jedenfalls noch zu wenig weit fortgeschritten, um dem Beschwerdeführer einen allenfalls gegebenen - im Verfahren aber nicht einmal ansatzweise dokumentierten - positiven Gesinnungswandel zu attestieren (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276).

Der Beschwerdeführer führt im Bundesgebiet eine Beziehung mit einer deutschen Staatsangehörigen, lebt mit dieser im gemeinsamen Haushalt und beabsichtigt, mit ihr die Ehe zu schließen, sodass vom Vorhandensein eines Familienlebens auszugehen ist. Sohin ist zu prüfen, ob der Eingriff durch das Aufenthaltsverbot im Sinne des Art 8 EMRK gerechtfertigt ist.

Es wird nicht verkannt, dass das Familienleben ein besonders schützenswertes Gut darstellt, es ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieses im gegenständlichen Fall bereits seit der Inhaftierung des Beschwerdeführers am 17.05.2020 wesentlich eingeschränkt ist. Auch erfährt die Bewertung des Familienlebens des Beschwerdeführers dadurch eine gewichtige Minderung, dass er dieses selbst durch seine Begehung von Straftaten und die deshalb drohenden fremdenrechtlichen Sanktionen aufs Spiel gesetzt und eine etwaige Trennung von seiner Lebensgefährtin damit bewusst in Kauf genommen hat. Auch erfährt die Gewichtung des Familienlebens dadurch eine Minderung, dass auch die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers (mit ihm gemeinsam) wegen Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz angeklagt war. Zudem ist der belangten Behörde dahingehend beizutreten, dass es der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers durch ihre deutsche Staatsbürgerschaft jedenfalls möglich sein wird, die Beziehung in Deutschland fortzusetzen. Dem Beschwerdeeinwand, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aufgrund der in Österreich aufhältigen Lebensgefährtin des Beschwerdeführers nicht zulässig sei, ist entgegen zu halten, dass allfällige Konsequenzen des Aufenthaltsverbotes - wie mögliche zeitweilige Trennung von seinen Angehörigen - im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Eigentumsdelikten in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0054). Auch der Beschwerdeeinwand, wonach der Beschwerdeführer eine enge Bindung zu seinem Sohn habe, geht aufgrund des Umstandes, dass der Sohn des Beschwerdeführers in Deutschland lebt, ins Leere. Bei einer Abwägung der Bindungen des Beschwerdeführers an Deutschland bzw. an Österreich überwiegen zweifelsohne jene an seinen Herkunftsstaat, in welchem die Mutter, der Bruder und der Sohn des Beschwerdeführers leben und wo er den weit überwiegenden Teil seines Lebens verbracht hat. In Österreich hält sich der Beschwerdeführer erst seit rund zwei Jahren auf und bestehen, abgesehen von seiner Lebensgefährtin, welche ebenfalls deutsche Staatsangehörige ist, keine nennenswerten Bindungen.

Angesichts des zuvor aufgezeigten und in seiner Gesamtheit derart gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig und zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer) dringend geboten ist.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl. VwGH 06.12.2019, Ra 2019/18/0437).

Was die Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, erscheint diese angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers keineswegs als zu lang. Insbesondere wird berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem nunmehrigen Anlassfall bereits vier (zum Teil einschlägige) Vorverurteilungen zu teils mehrjährigen Freiheitsstrafen aufwies. Dies zeigt offensichtlich, dass der Beschwerdeführer aus seinem Fehlverhalten nichts gelernt hat, ihm die österreichische (und die deutsche) Rechtsordnung offenbar gleichgültig ist und ihn die Verurteilungen offensichtlich nicht von der Begehung weiterer Straftaten im österreichischen Bundesgebiet abgehalten haben. Auch wenn mit dem von der belangten Behörde verhängte Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren das höchstzulässige Maß ausgeschöpft wird, erweist sich dieses als nicht ungerechtfertigt, insbesondere da im Falle des Beschwerdeführers aufgrund des gezeigten Gesamtverhaltens eine neuerliche Begehung gleichgelagerter Straftaten durchaus als nicht unwahrscheinlich anzusehen ist. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz ausführt, dass bei einer Rückkehr nach Deutschland durchaus wieder die Möglichkeit bestünde, auf die „falsche Bahn“ (Beschwerde S 14) zu geraten, zeugt nicht von einer Denkunmöglichkeit der erneuten Begehung gleichgelagerter Straftaten durch den Beschwerdeführer. Aufgrund dieser Überlegungen war die Dauer des Aufenthaltsverbotes von zehn Jahren nicht zu beanstanden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die umseitigen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus und hat er anhand seines Gesamtfehlverhaltens unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Es ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Auch unter Berücksichtigung der vom VwGH immer wieder postulierten Wichtigkeit der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, stellt sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als eindeutiger Fall dar, in dem bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten wäre, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschaffen würde (vgl. VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052).

Zudem wurden in der Beschwerde auch keine diesem Verständnis entgegenstehenden Beweisanträge gestellt und vielmehr das Vorbringen des Beschwerdeführers der gegenständlichen Entscheidung vollumfänglich zugrunde gelegt.

Da für das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall die diesbezüglichen Voraussetzungen gegeben sind und sich insbesondere aus den Ausführungen der Beschwerde kein Hinweis auf die Notwendigkeit ergab, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern, wurde von einer Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu B) Zurückweisung des Antrages auf Kostenersatz:

Der Beschwerdeführer beantragte im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes, den Rechtsträger der belangten Behörde zum Ersatz der entstandenen Verfahrenskosten zu verpflichten, wobei diese Kosten nicht beziffert wurden.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Im gegenständlichen Verfahren handelt es sich um eine Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG und nicht um eine Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG). Da Kostenersatz nur im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt vorgesehen ist, war der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz demensprechend als unzulässig zurückzuweisen.

Zu C) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 04.04.2019, Ra 2019/21/0060; 06.12.2019, Ra 2019/18/0437; 27.04.2020, Ra 2019/21/0367; 25.05.2020, Ra 2019/19/0116; ua.) auseinander.

Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2235902.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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