TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/21 G311 2235225-2

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Veröffentlicht am 21.10.2020
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Entscheidungsdatum

21.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G311 2235225-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER im Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Bangladesch, zu Recht:

A)             Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der betroffene Fremde (BF), ein Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch, reiste über den Iran, die Türkei, Griechenland und Nordmazedonien Anfang Juni 2020 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 02.06.2020 betraten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den BF im Bundesgebiet.

Am 02.06.2020 vernahmen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den BF ein. Der BF gab an, nach Österreich gereist zu sein, um arbeiten zu können. Er habe wirtschaftliche Probleme in seinem Heimatland und wolle in Österreich arbeiten und seine Familie unterstützen. Er habe keine Probleme mit Behörden im Heimatland zu befürchten; es gebe keine Hinweise, dass ihm bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würde.

Mit Bescheid vom 02.06.2020 verhängte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angeordnet. Laut Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres vom 20.10.2020 ist die Schubhaft seit XXXX .06.2020 aufrecht.

Mit Bescheid vom XXXX .06.2020 erteilte die Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I), erließ gestützt auf § 10 Abs 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG und § 52 Abs 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II) sowie gemäß § 53 Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV) und sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch aus (Spruchpunkt III). Es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI erkannte die Behörde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (§ 18 Abs 2 Z 3 BFA-VG). Dieser Bescheid ist am 02.07.2020 in Rechtskraft erwachsen (siehe Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister vom 20.10.2020).

Am 18.06.2020 – während der Schubhaft – stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung am darauffolgenden Tag gab der BF als Fluchtgrund bzw. als Befürchtungen für den Fall der Rückkehr in seine Heimat an, dass er und seine Familie Angehörige der Bangladesh Nationalist Party (BNP) seien. Es gebe noch eine andere Partei, die Awami League (AL). Diese habe ihnen mit dem Umbringen gedroht und eine Falschanzeige eingebracht. Wenn er nach Bangladesch zurückkehre, könne es sein, dass sie ihn umbringen werden. Sein Vater sei untergetaucht, weil dieser Angst habe, umgebracht zu werden.

Mit dem Bescheid vom 16.07.2020 wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III) und erkannte der Beschwerde gestützt auf § 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.08.2020, Zahl L527 2233487-1/18E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der BF hat weder in Österreich noch in anderen EU-Staaten Verwandte und führt weder hier noch dort eine Lebensgemeinschaft. Ebenso wenig unterhält der Beschwerdeführer in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat ausgeprägte oder enge freundschaftliche Beziehungen; es bestehen auch keine finanziellen Abhängigkeitsverhältnisse. In Österreich lebt lediglich eine Bekannte des Beschwerdeführers. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Mit Aktenvorlage vom 21.09.2020 wurde dem Bundesverwaltungsgericht erstmals die gegenständliche Angelegenheit zur Prüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft und deren Verhältnismäßigkeit vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 23.09.2020, Zahl G304 2235225-1 festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. In der Verhandlung gab der BF an, er wolle nicht freiwillig nach Bangladesch zurückkehren, er habe dort Probleme. Die Vertreterin des Bundesamtes gab an, dass von den griechischen Behörden die Daten des Reisepasses des BF übermittelt wurden, weshalb mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates gerechnet werden könne. Für November sei ein Charterflug nach Bangladesch geplant.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen seines Erkenntnisses vom 23.09.2020, Zahl G304 2235225-1, wie folgt ausgeführt:

„Festgehalten wird, dass der betroffene Fremde (im Folgenden BF) sich bislang geweigert hat, das Bundesgebiet zu verlassen und am gegenständlichen Verfahren mitzuwirken. Sein Asylverfahren wurde am 12.08.2020 rechtskräftig abgeschlossen. Der BF möchte jedoch in Österreich bleiben und wiederholt dies in der Verhandlung mehrfach.

Er hat im Inland keinen Wohnsitz und auch keine Unterkunftsmöglichkeit. Der BF verfügt über keine privaten oder gesellschaftlichen Bindungen in Österreich, geht keiner Beschäftigung nach und ist auch sonst in Österreich nicht integriert.

Derzeit sind die HRZ Verfahren noch nicht abgeschlossen, allerdings liegen bereits die Daten des Reisepasses vor. Somit ist eine Ausstellung eines HRZ zeitnah zu erwarten.

Schließlich wird hervorgehoben, dass derzeit Abschiebung nach Bangladesch durchgeführt werden und sind diese durch die Covid-19-Pandemie nicht betroffen.“

Mit Aktenvorlage vom 20.10.2020 legte das Bundesamt wiederum die gegenständliche Angelegenheit zur Prüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft und deren Verhältnismäßigkeit vor. Dazu wurde ausgeführt, dass aufgrund der Vorlage eines Reisepasses in Griechenland von der Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Behörden von Bangladesch ausgegangen werde. Es komme derzeit COVID-19-bedingt zu Verfahrensverzögerungen, nach Beendigung der COVID-19-Maßnahmen sei die Ausstellung eines Heimreisezertifikates und die Außerlandesbringen absehbar.

II.      Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen gründen auf den Feststellungen der gegenständlich ergangenen Vorentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl L527 2233487-1/18E vom 12.08.2020 sowie zur Zahl G304 2235225-1 vom 23.09.2020.

Das Bundesverwaltungsgericht holte weiters aktuelle, den Fremden betreffende, Auszüge aus dem Fremdenregister, dem Strafregister, der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltug und dem Zentralen Melderegister ein.

III.     Rechtliche Beurteilung

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 FPG lautet:

„(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet:

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate

aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

„Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

Die erste Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft gemäß §22a Abs. 4 FPG durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgte zur Zahl G304 2235225-1, das diesbezügliche Erkenntnis wurde am 23.09.2020 verkündet und damit erlassen.

Danach hat die Überprüfung gemäß § 22a Abs. 4 FPG alle vier Wochen zu erfolgen. Der Termin für die zweite Haftprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht ist daher der 21.10.2020.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes räumt § 22a Abs. 4 BFA-VG zweiter Satz dem Bundesverwaltungsgericht insoweit einen Spielraum ein, als es auch in einem Zeitraum von einer Woche vor den jeweiligen Haftprüfungsterminen entscheiden darf. Die Vorlage der Verwaltungsakten durch das Bundesamt hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Bundesverwaltungsgericht genügend Zeit bleibt, um seine Entscheidungen in diesem Zeitraum - in der letzten Woche bis zum Haftprüfungstermin - zu treffen (VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0099 mwN).

Die Aktenvorlage durch das Bundesamt erfolgte jedoch erst am 20.10.2020.

In der Sache selbst ergibt sich rechtlich Folgendes:

Der BF ist nicht rückkehrwillig.

Gegen den BF liegt eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor, er ist im Bundesgebiet sozial nicht verankert. Es ist daher Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 und 9 FPG gegeben.

Der BF wurde am XXXX .06.2020 in Schubhaft genommen, der BF befindet sich damit seit knapp fünf Monaten in Schubhaft.

Der BF verfügt über kein Reisedokument, eine Bewilligung für die Einreise nach Bangladesch liegt noch nicht vor, weshalb im Gegenstand gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG eine Aufrechterhaltung der Schubhaft in einer Dauer von 18 Monaten möglich wäre. Wie die Behördenvertreterin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.09.2020 angegeben hat, wurde von den griechischen Behörden die Daten des Reisepasses des BF bekannt gegeben, weshalb die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Behörden des Herkunftsstaates des BF realisierbar erscheint.

Das Bundesamt hat in seiner Aktenvorlage zwar eingeräumt, dass es bedingt durch COVID-19 zu Verfahrensverzögerungen kommt, vor dem Hintergrund der obigen Erwägungen, nämlich der vergleichsweise kurzen Anhaltedauer von knapp fünf Monaten bei einer zulässigen maximalen Anhaltedauer von 18 Monaten und dem Vorliegen der Reisepassdaten des BF, was die Ausstellung eines Heimreisezertifikats durch die Behörden des Herkunftsstaat erheblich erleichtern wird, ist davon auszugehen, dass im Entscheidungszeitpunkt die Aufrechterhaltung der Schubhaft auch verhältnismäßig ist.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da der Sachverhalt aufgrund der Vorentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes geklärt ist und das Bundesverwaltungsgericht im Zuge der ersten Überprüfung gemäß §22a Abs. 4 BFA-VG am 23.09.2020 eine Verhandlung durchführte.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2235225.2.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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