TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/21 G311 2236426-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G311 2236426-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER im Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Afghanistan, zu Recht:

A)             Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der betroffene Fremde (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.06.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 14.08.2017, Zl. XXXX , wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) diesen ersten Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte das Bundesamt dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Das Bundesamt stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters sprach das Bundesamt aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Der BF erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde. Diese Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.03.2020, Zl. W262 2169365-1/12E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2020 als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erwuchs am 05.03.2020 in Rechtskraft.

Der BF kam in der Folge seiner Ausreiseverpflichtung nach Afghanistan nicht nach und versuchte am 05.07.2020 nach Deutschland auszureisen, wobei ihm von den deutschen Behörden die Einreise verweigert wurde und er an die österreichische Polizei übergeben wurde.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom XXXX .07.2020, Zl. XXXX , wurde über den Antragsteller gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am 28.07.2020 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

Mit Aktenvermerk vom 28.07.2020 wurde die Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG angeordnet, da Grund zur Annahme bestehe, dass der am 28.07.2020 gestellte Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Der Aktenvermerk wurde vom BF am 28.07.2020 persönlich übernommen.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG 2005 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2020 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da das Bundesamt davon ausgehe, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege. Zudem sei beabsichtigt, den faktischen Abschiebeschutz durch mündlichen Bescheid aufzuheben.

Am 07.09.2020 wurde der BF in Anwesenheit eines Rechtsberaters erneut mittels Videoübertragung vor dem Bundesamt einvernommen. Der BF gab zu seinem Gesundheitszustand an, er habe Stress und könne nicht gut schlafen, manchmal habe er Kopfschmerzen. Sonst gehe es ihm gut. Er halte seine Angaben aus der ersten Einvernahme aufrecht.

Mit im Anschluss an diese Einvernahme mündlich verkündetem Bescheid vom 07.09.2020, Zl. XXXX , der im Protokoll beurkundet wurde, hob das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Antragstellers gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2020, Zahl W180 2169365-2/3E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG als rechtmäßig erklärt. Dazu wurde in der Begründung ausgeführt, dass eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts, insbesondere der persönlichen Situation des BF sowie der Ländersituation im Herkunftsstaat, seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht eingetreten ist. Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen und verfügt hier auch sonst über keine ausgeprägten sozialen Bindungen. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Er hält sich zumindest seit 11.06.2015 im Bundesgebiet auf, wobei er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens verfügte.

Mit Aktenvorlage vom 29.10.2020 legte das Bundesamt die gegenständliche Angelegenheit zur Prüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft und deren Verhältnismäßigkeit vor. Dazu wurde ausgeführt, dass der BF mit seiner Stellung eines weiteren Antrages auf internationalen Schutz 23 Tage nach seiner Inschubhaftnahme die behördliche Außerlandesbringung vereiteln wollte. Es habe bislang bedingt durch die Pandemie COVID-19 keine durch Beamte des öffentlichen Sicherheitsdienstes begleiteten Flugabschiebungen nach Afghanistan gegeben, der nächste Flug sei für 15.12.2020 terminisiert.

Den Verfahrensparteien wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit Schreiben vom 30.10.2020, per Fax versendet am 02.11.2020, die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben, das Bundesamt wurde aufgefordert bekannt zu geben, ob eine unbefristete Zusage der afghanischen Botschaft betreffend Ausstellung eines Heimreisezertifikates vorliegt. Das Bundesamt nahm dazu mit Schreiben vom 04.11.2020 wie folgt Stellung:

„Bezugnehmend auf das gewährte Parteiengehör ergänzend zur Aktenvorlage v. 29.10.2020 mit Vorlagetermin bis 04.11.2020 wird mitgeteilt, dass hinsichtlich des Schubhäftlings mit Schreiben v. 30.07.2020 ein EU – Laisser Passez nach Abschluss aller Verfahren möglich ist. Dies berechtigt zur Ausstellung eines HRZ in den Heimatstaat (siehe beiliegendes Mail) und wird vom Heimatstaat AFGHANISTAN so auch anerkannt und berechtigt zur ordnungsgemäßen Rückführung.

Weiters wird der Auszug aus dem IFA übermittelt, wonach die Verspeicherung d. zuständigen Stelle im HRZ Verfahren ersichtlich ist (siehe Beiliegendes Bild Dokument – gelbe Kennzeichnung)“.

Der BF gab keine Stellungnahme ab.

Substanzielle gesundheitliche Probleme des BF sind nicht aktenkundig.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen gründen auf dem in der Vorentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl W180 2169365-2/3E angeführten Verfahrensgang und den getroffenen Feststellungen und den Angaben des Bundesamtes in der Aktenvorlage und dem Schreiben vom 04.11.2020.

Das Bundesverwaltungsgericht holte weiters aktuelle, den Fremden betreffende, Auszüge aus dem Fremdenregister, dem Strafregister, der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltug und dem Zentralen Melderegister ein.

3.        Rechtliche Beurteilung

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 FPG lautet:

„(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG lautet:

„§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate

aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

„Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

In der Sache selbst ergibt sich rechtlich Folgendes:

Der BF ist nicht rückkehrwillig. Er stellte nach rechtskräftiger Abweisung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz und Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie kurze Zeit nach seiner Inschubhaftnahme am XXXX .07.2020, nämlich am 28.07.2020, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Das BF hat die Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG mit Aktenvermerk vom 28.07.2020 samt Übersetzung erklärt, der Aktenvermerk wurde vom BF am 28.07.2020 übernommen. Die Umstellung der Rechtsgrundlage ist damit erfolgt. Dieser Aktenvermerk verfügt auch über eine – zumindest grundsätzlich – nachvollziehbare Begründung. Darüber hinaus besteht für den Beschwerdeführer jederzeit die Möglichkeit, eine gesonderte Beschwerde gegen die fortgesetzte Schubhaft auf Grundlage des § 76 Abs. 6 FPG zu erheben und diese (inhaltlich) gerichtlich prüfen zu lassen.

Das Bundesverwaltungsgericht teilt die Auffassung des Bundesamtes, dass der Folgenantrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde, dies legen insbesondere der Zeitpunkt der Antragstellung und die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2020, Zahl W180 2169365-2/3E nahe, mit dem die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt wurde.

Der ist im Bundesgebiet sozial nicht verankert. Es ist Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 3, 5 und 9 FPG gegeben.

Der BF wurde am XXXX .07.2020 in Schubhaft genommen, der BF befindet sich damit seit vier Monaten in Schubhaft.

Der BF verfügt über kein Reisedokument, weshalb die Ausstellung eines HRZ beantragt wurde. Seitens der afghanischen Botschaft liegt die Zusage der Ausstellung eines Laissez-Passer vor.

Bedingt durch die Pandemie COVID-19 kommt es zu erheblichen Verzögerungen bei der Durchführung von Abschiebungen, dennoch ist vor dem Hintergrund der obigen Erwägungen, nämlich der vergleichsweise kurzen Anhaltedauer von vier Monaten, der Zusage der afghanischen Botschaft ein Laissez-Passer auszustellen und der derzeit für Mitte Dezember 2020 vorgesehenen Möglichkeit einer Charter-Abschiebung, davon auszugehen, dass im Entscheidungszeitpunkt die Aufrechterhaltung der Schubhaft auch verhältnismäßig ist.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da der Sachverhalt aufgrund der Vorentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes und den Angaben des Bundesamtes in der Aktenvorlage und der weiteren Stellungnahme geklärt ist. Dem BF wurde schriftlich Parteiengehör gewährt, er gab keine Stellungnahme ab.

Die Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG vorliegt.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:2236426.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten