TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 G307 2235775-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z3
FPG §76 Abs3
VwGVG §35 Abs3

Spruch

G307 2235775-1/9E

Schriftliche Ausfertigung des am 12.10.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

Im NAMEN der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , StA.: Türkei, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gemeinnützige Gesellschaft mbH – ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX .2020, 12:00 Uhr zu Recht erkannt:

A)       

I.       Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Anhaltung in Schubhaft vom XXXX .2020 bis XXXX .2020 (Ablehnung der rumänischen Fremdenbehörde, den BF zu übernehmen) rechtmäßig gewesen ist.

II.      Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als die Anhaltung in Schubhaft vom XXXX .2020 bis XXXX .2020 (Datum der XXXX ) rechtswidrig gewesen ist.

III.    Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG i.V.m. § 76 Abs. 3 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

IV.      Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

V.       Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)       

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

1. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom XXXX .2020 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Innsbruck (im Folgenden: BFA), gegen den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß Art 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung (gemeint wohl Dublin-III-VO) iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG und § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Überstellungsverfahrens an.

2. Mit Schriftsatz vom 07.10.2020 erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (RV) Beschwerde gegen diesen Bescheid sowie die andauernde Anhaltung in Schubhaft.

3. Am 12.10.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Graz (im Folgenden: BVwG) eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF, ein Bevollmächtigter seiner RV sowie eine Vertreterin der belangten Behörde teilnahmen und ein Dolmetsch für die Sprache Türkisch beigezogen wurde. Im Zuge dieser Verhandlung wurde das – nunmehr schriftlich ausgefertigte – Erkenntnis mündlich verkündet.

4. Mit Schreiben vom 19.10.2020, beim BVwG eingelangt am selben Tag, begehrte das Bundesamt eine schriftliche Ausfertigung dieser Entscheidung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebenen Identität (Name und Geburtsdatum), ist türkischer Staatsbürger, ledig und frei von Sorgepflichten. Er verfügt in Österreich über keine familiären, sprachlichen, beruflichen oder gesellschaftlichen Bindungen und kann auch nicht auf Barmittel zurückgreifen.

1.2. Der BF wurde am XXXX .2020 gegen 09:45 Uhr auf dem im Zuge der XXXX gelegenen Parkplatz der Autobahnpolizeiinspektion XXXX von Beamten des XXXX mit 6 weiteren Personen betreten. Wegen des Verdachts der Schlepperei durch einen anderen Insaßen des Fahrzeugs wurde der BF am selben Tag als Zeuge zu diesem Delikt befragt.

1.3. Der BF verließ die Türkei Anfang Juni 2020 und reiste auf dem Luftweg von XXXX nach XXXX . Nach einem etwa 10tätigen Aufenthalt in Serbien begab sich der BF schlepperuntertützt nach Rumänien, wo er nach einem Aufgriff durch die dortige Polizei am

13.08.2020 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes stellte. Dort verblieb er bis zum 24.08.2020, ehe er seine Reise Richtung Österreich fortsetzte. Das ursprüngliche Reiseziel des BF war Deutschland.

1.4. Der BF wurde am XXXX .2020 im Polizeianhaltezentrum XXXX (PAZ XXXX ) in Schubhaft genommen und stellte am 28.08.2020 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Ebenso am 26.08.2020 leitete das BFA ein Konsultationsverfahren mit Rumänien ein. Mit Schreiben vom XXXX .2020 teilte das rumänische Generalinspektorat für Migration dem Bundesamt mit, dass die dortigen Behörden gemäß Art 18 Abs. 1 lit b) der Dublin-III-VO bereit seien, den BF zurückzunehmen.

1.5. Der in Österreich gestellte Asylantrag wurde mit Bescheid des BFA vom 16.09.2020, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen, für die Prüfung dieses Antrages gemäß Art 18 Abs. 1 lit b) der Dublin-III-VO Rumänien für zuständig erklärt (Spruchpunkt I.), gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet und demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des BF nach Rumänien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

Hiezu gab der BF – nach Konsumation eines Rechtsberatungsgesprächs mit der ARGE Rechtsberatung – noch am selben Tag einen Rechtsmittelverzicht ab, sodass dieser Bescheid mit 17.09.2020 in Rechtskraft erwuchs.

In der Folge wurde für den XXXX .2020 ein Flug nach Rumänien gebucht, um den BF dorthin zu überstellen.

1.6. Mit email vom XXXX .2020 teilte die Dublinabteilung Bukarest dem BFA mit, dass die Zustimmung zur Übernahme des BF als storniert gelte. Begründend wurde in diesem Schreiben angeführt, dass der dortige Asylantrag wegen der Flucht des BF als zurückgezogen gelte. Aus diesem Grund sei sein Fall „geschlossen“ worden. Demzufolge sei er nicht mehr jenen Kategorien zuzuordnen, welche in der Mitteilung vom 16.09.2020 Erwähnung gefunden hätten. Dort sei festgehalten worden, dass nur jene Fremde zurückgenommen würden, die entweder dem Regime des Art 18 Abs. 1 lit b) der Dublin-III-VO zufielen und im Zeitpunkt der Überstellung nach wie vor als Asylsuchende in Rumänien registriert seien oder jene Fremde, deren Rückübernahme aufgrund einer Anfrage akzeptiert worden sei und die Familienmitglieder eines rumänischen Staatsbürgers oder im Besitz eines rumänischen Daueraufenthaltstitels seien, welcher auch noch im Zeitpunkt der Überstellung Gültigkeit habe. Des Weiteren erbat die rumänische Fremdenbehörde darin, die Stornierung des für den XXXX .2020 in Aussicht genommenen Transfers zu bestätigen. Schließlich wurde in

diesem Schreiben hervorgehoben, die rumänischen Behörden würden sich mit den österreichischen in Verbindung setzen, wenn es seitens der dortigen Regierung eine neue Order gäbe. Bis zu diesem Zeitpunkt werde ersucht, die am 16.09.2020 übermittelten oder andere Informationen, die in diesem Fall ergingen, in Evidenz zu halten.

Die belangte Behörde stützte die Schubhaft trotz des Inhalts dieses Schreibens weiterhin (auch) auf Art 28 Abs. 1 und 2 der Dublin-III-VO.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund des vorliegenden Aktes durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Der Beginn der Schubhaft mit XXXX .2020, 12:00 Uhr ergibt sich aus der Referentenauskunft vom XXXX .2020, 07:29 Uhr.

Der BF konnte zwar kein Reisedokument vorlegen; aufgrund des EURODAC-Treffers in Rumänien und der eigenen Angaben des BF zu seiner Person ist davon auszguhen, dass seine Identitätsdaten der Wahrheit entsprechen.

Die Anhaltung des BF auf der XXXX , die Befragung als Zeuge zur Schlepperei und die anschließende Festnahme ist der Niederschrift der Grenzpolizei XXXX vom XXXX .2020, Zahl XXXX wie der email der Landespolizeidirektion XXXX (LPD XXXX ) vom XXXX .2020, 21:45 Uhr an die Fremden- und Grenzpolizeiliche Abteilung der LPD XXXX zu entnehmen.

Der in Rumänien am 13.08.2020 gestellte Asylantrag folgt dem Inhalt des Schreibens des rumänischen Generalinspektorats vom XXXX .2020, welches an das BFA gerichtet war. Dass dem BF dort nur die Fingerabdrücke genommen worden sein, widerspricht einerseits seinem mehrere Tage dauernden Aufenthalt in diesem Land, der seinerzeitigen Willensbekundung der rumänischen Behörden, den BF rückübernehmen zu wollen, dem EURODAC-Treffer vom 14.08.2020 sowie dem im Hinblick auf den Asyl-Zurückweisungsbescheid abgegebenen Rechtsmittelverzicht. Dass das Konsultationsverfahren am 26.08.2020 (und nicht wie auf Seite 2 des Bescheides, mit welchem der Asylantrag des BF zurückgewiesen wurde, mit 26.06.2020) eingeleitet wurde, erschließt sich einerseits aus der Logik, weil dieses erst nach Anhaltung des BF in Gang gebracht werden konnte und andererseits aus der zeitlichen Nähe zu seinem Aufgriff. Der Reiseweg des BF von der Türkei über Serbien und Rumänien nach Österreich, die Aufenthalte in Serbien und Rumänien, deren Dauer sowie die dortige Asylantragstellung sind dem erwähnten Schreiben vom XXXX .2020 und den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen.

Der BF gab vor der Polizei am 25.08.2020 an, sein ursprüngliches Reiseziel sei Deutschland gewesen. Das in Österreich geführte Asylverfahren, dessen Ausgang sowie der vom BF abgegebene Rechtsmittelverzicht ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Bescheid des BFA vom 16.09.2020 sowie dem unterfertigten Rechtsmittelverzicht. Dass der BF – wie in der mündlichen Verhandlung – nicht gewusst habe, was er „bekommen“ habe, widerspricht dem Akteninhalt, wonach sogar die ARGE Rechtsberatung vor Abgabe des Rechtsmittelverzichtes (siehe dort) zu Rate gezogen wurde.

Der BF hat in seinen Einvernahmen vord er Polizei und der mündlichen Verhandlung den Bestand von – wie auch immer gearteten – Beziehungen zu Österreich wie das Vorhandensein von Barmitteln verneint.

Der Ablauf des Konsulationsvefahrens und dessen Ausgang ergeben sich aus dem Schriftverkehr mit den rumänischen Behörden am 26.08.2020, XXXX .2020 und 01.10.2020. Aus letzterem Schreiben geht – auch wenn es in Englisch abgefasst ist – eindeutig hervor, dass die rumänischen Behörden nicht weiter bereit sind, den BF rückzuübernehmen, das Verfahren aus deren Sicht als geschlossen anzusehen ist und um Stornierung des für XXXX .2020 in Aussicht genommenen Fluges ersuchen, dessen ursrprüngliche Buchung auf die Zustimmung der rumänischen Behörde vom XXXX .2020 zurückging. Die Flugbuchung selbst ist aus dem email-Verkehr zwischen dem XXXX und der XXXX am 23.09.2020, 10:28 Uhr ersichtlich.

In Ermangelung einer Abänderung des Schubhaftgrundes ab dem XXXX .2020 oder eines dahingehenden Bescheides ist davon auszugehen, dass das BFA die Schubhaft weiterhin auf Art 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO gestüzt hat.

Der umfassende Anfechtungsgegenstand der Beschwerde (Bescheid und Anhaltung) folgt ihrer ersten Seite.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Beschwerdegegenstand und Prüfungsumfang:

Mit der gegenständlichen Beschwerde wurden die Anhaltung des BF in Schubhaft seit XXXX .2020, 12:00 Uhr sowie der Schubhaftbescheid angefochten.

3.2. (Teil)Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt A.I.):

Auf Grund des in der mündlichen Verhandlung festgestellten Sachverhaltes hat sich die seit XXXX .2020 andauernde Anhaltung in Schubhaft bis zum XXXX .2020 als rechtmäßig erwiesen:

Die belangte Behörde hat die Anordnung der Schubhaft gegen den unrechtmäßig im Bundesge,biet aufhältigen BF und die anschließende Anhaltung in Schubhaft ab XXXX .2020, 12:00 Uhr auf Art 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 3 (iVm. § 57 Abs. 1 AVG) gestützt. Sie ging dabei auf Grund der von ihr festgestellten Umstände vom Vorliegen eines Sicherungsbedarfs wegen Fluchtgefahr aus. Der BF wurde am XXXX .2020 gegen 09:45 Uhr auf der XXXX im Bereich eines Parkplatzes der XXXX mit weiteren 6 Personen angetroffen, als er seine Fahrt in Richtung Deutschland fortsetzen wollte. Er war zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz eines Reisedokumentes. Am 28.08.2020 stellte er einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes, der mit Bescheid des BFA am 16.09.2020 wegen Zuständigkeit Rumäniens zurückgewiesen wurde und – wegen des am selben Tag seitens des BF abgegebenen Rechtsmittelverzichts – am 17.09.2020 in Rechtskraft erwuchs.

Der BF verfügt über keinerlei gesellschaftliche, familiäre, berufliche oder sonstige Beziehungen im Bundesgebiet. Er bekundete von Beginn des Verfahrens an den Willen, nicht nach Rumänien zurückkehren zu wollen (siehe etwa Punkt 12.7. auf Seite 6 der polizeilichen Erstbefragung zum Asylantrag). Dies bestätigte er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht. Gerade diese Antragstellung des BF am 28.08.2020 (und nicht schon am 25.08.2020) deutet auf seinen Willen hin, sich der ursprünglich beabsichtigten Überstellung nach Rumänien entziehen zu wollen. Im Zusammenhalt mit dem eigentlichen Reiseziel, nämlich Deutschland, und den fehlenden Bindungen zu Österreich konnte das Bundesamt vom Vorliegen der im Gesetz geforderten Voraussetzung der (erheblichen) Fluchtgefahr bis zum XXXX .2020 ausgehen.

3.3. Wegfall der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft seit XXXX .2020 (Spruchpunkt A.II.):

Den oben unter Punkt 3.2. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kam jedoch ab dem XXXX .2020 keine Geltung mehr zu.

So teilte das rumänische Generalinspektorat in seiner email vom XXXX .2020 dem Wortlaut nach unmissverständlich mit, der BF werde nicht zurückgenommen, weil der Antrag aufgrund seiner Flucht als zurückgezogen und damit der Fall als geschlossen gelte. Damit einhergehend werde um Flugstornierung ersucht, welcher Bitte die belangte Behörde auch nachgekommen ist. Seit diesem Zeitpunkt gab es keine weiteren Informationen seitens der rumänischen Behörden, dass von dieser Ansicht abgewichen werde. Demgemäß fiel jener Rechtsgrund im Bescheid, auf den die Schubhaft ursprünglich gestützt wurde, nämlich die Überstellung nach Rumänien, weg. Dass das BFA ab dem XXXX .2020 neuerlich einen Schubhaftbescheid erlassen hätte, in dem die weitere Anhaltung auf die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat gestützt worden wäre oder ein HRZ-Verfahren mit der Türkei eingeleitet hätte, ist nicht aktenkundig.

Die von der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung ins Treffen geführten Argumente, die rumänischen Behörden würden sich melden, wenn neue Informationen vorlägen und wäre eine Überstellung innerhalb der 6-Wochen-Frist problemlos möglich, vermögen an dem seit XXXX .2020 fehlenden Willen Rumäniens, den BF zurückzunehmen, nichts zu ändern. Die vom BFA getätigte Interpretation, dem zitierten Schreiben der rumänischen Dublin-Behörde sei eine weitere, zeitnahe Kontaktaufnahme zwecks Überstellung des BF zu entnehmen, hält angesichts seines eindeutigen Inhalts nicht stand.

Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ab dem XXXX .2020 erwies sich daher als nicht rechtens, weshalb die Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als rechtswidrig zu erklären war.

3.4. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.III. und A.IV.):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Als Aufwendungen gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da die Beschwerde in Bezug auf die ursprüngliche Erlassung des Bescheides und die Anhaltung bis zum XXXX .2020 als unbegründet abgewiesen, ihr für die Zeit nach jedoch stattgegeben wurde, gab es keine Partei, die zur Gänze obsiegte. Dies wiederum wäre Voraussetzung für einen (vollen) Kostenzuspruch gewesen. Daher waren weder dem BFA noch dem BF (vor dem Hintergrund der jeweiligen Kostenanträge, die sich auf Bescheid und Anhaltung bis zum Zeitpunkt der Verhandlung stützten), Kosten zuzusprechen, zumal es zu einer „Kostenaufhebung“ kam.

3.5. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen) und der Zulässigkeit eines Kostenzuspruchs und eines „Kostenrisikos“ nach § 35 VwGVG. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Interessenabwägung Kostenersatz öffentliche Interessen Rechtswidrigkeit Schubhaft Schubhaftbeschwerde Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2235775.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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