TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/27 G302 2232058-3

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Veröffentlicht am 27.10.2020
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Entscheidungsdatum

27.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

G302 2232058-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Nigeria, zu BFA-Zl. XXXX, zu Recht:

A)       Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde oder kurz: BFA) vom XXXX wurde über XXXX, geb. XXXX (im Folgenden: MO), gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. l AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am 23.10.2020 wurde vom BFA, XXXX, der Akt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem BVwG zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung der Abschiebung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Festgestellt wird, dass MO seit XXXX durchgängig in Schubhaft angehalten wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des MO in Schubhaft erwecken.

MO reiste am XXXX erstmals illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX unter Angabe einer Alias-Identität (Staatsangehörigkeit Sudan) einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Asylantrag wurde mit Bescheid vom XXXX als unbegründet abgewiesen. Am XXXX brachte MO ein Rechtsmittel ein. Ein eingeleitetes Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Sudan wurde mit der Mitteilung der sudanesischen Vertretungsbehörde vom 06.12.1999, dass MO kein Staatsbürger von Sudan ist, beendet. Konfrontiert mit diesem Ermittlungsergebnis beharrte MO auf die Richtigkeit seiner Angaben und verweigerte seine Unterschrift auf der Niederschrift am 04.01.2000. Das Asylverfahren in Österreich wurde am 25.01.2002 wegen des unbekannten Aufenthaltsorts des MO eingestellt. Mit Beschluss des Asylgerichtshofs vom 11.02.2010 wurde der Asylantrag des MO vom XXXX als unzulässig zurückgewiesen.

Am XXXX heiratete MO eine österreichische Staatsbürgerin und legte erstmals mit Antrag auf Erteilung Niederlassungsbewilligung vom XXXX seine wahre Identität offen. Die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin wurde im Jahr 2006 geschieden.

Mit Bescheid vom XXXX wurde aufgrund der Straffälligkeit des MO ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Im Rechtsmittelweg wurde die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit Entscheidung vom 13.01.2012 mit 10 Jahren begrenzt.

MO wurde mehrfach strafgerichtlich verurteilt, und zwar in Österreich, Deutschland und in Island. Zuletzt wurde er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX, XXXX, zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten wegen § 28a Abs. 1 5. Fall, 15 StGB (Suchtgifthandel) verurteilt.

Gegen MO wurde mit Bescheid des BFA vom 03.07.2020 eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Weiters wurde ein Einreiseverbot erlassen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Das diesbezügliche Beschwerdeverfahren ist im Entscheidungszeitpunkt beim Bundesverwaltungsgericht zur Zahl I419 1214146-2 laufend. Vom BVwG wurde keine aufschiebende Wirkung gewährt. Die Rückkehrentscheidung mit dem Einreiseverbot ist somit zwar nicht rechtskräftig aber durchsetzbar.

MO stellte am XXXX einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Es fanden diesbezüglich zwei Einvernahmen statt. Über diesen Antrag wurde bis dato vom BFA noch nicht entschieden. MO wurden der Aktenvermerk gemäß § 76 Abs. 6 FPG und die Mitteilung gemäß § 29 AsylG zugestellt. Es liegen keine Hinweise vor, dass eine rechtskräftige Beendigung des Asylverfahrens nicht zeitnah erfolgen würde.

Der Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde seitens der nigerianischen Botschaft am 04.06.2020 zugestimmt (Stellungnahme des Bundesamtes vom 18.06.2020 und Auszug aus Fremdenregister vom 23.10.2020). Die Zusage über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgte unbefristet. Eine Abschiebung war für XXXX in Aussicht genommen, fand aber nicht statt. Nunmehr sind Charterabschiebungen für November und Dezember 2020 geplant. MO verfügt über kein Reisedokument.

Weitere rechtliche oder faktische Hindernisse hinsichtlich der Effektuierung der Rückkehrentscheidung sind nicht zu erkennen. MO hätte aber auch die Möglichkeit, aus dem Stande der Schubhaft freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Auf Grund der Ankündigung der Regierung, die Beschränkungen auf Grund COVID 19 neuerlich zu lockern, ist auch eine baldige Wiederaufnahme der Flüge abzusehen. Sobald es wieder Flüge nach Nigeria gibt, wird umgehend nach der HRZ Erlangung eine Abschiebung organisiert werden.

Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 6 FPG sind erfüllt, zumal aus dem Zeitpunkt der neuerlichen Antragstellung auf internationalen Schutz (mehr als 20 Jahre nach der ersten Antragstellung, sowie Antragstellung nach mehr als 2 Monaten in Schubhaft) davon auszugehen ist, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung der fremdenpolizeilichen Maßnahmen gestellt wurde.

Am 23.09.2020 erfolgte gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG eine Aktenvorlage an das Bundesverwaltungsgericht und bestätigte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des MO in Schubhaft.

MO hält sich seit seiner illegalen Einreise überwiegend illegal in Österreich auf und verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung. Seinen nicht vorhandenen Rückkehrwillen brachte er durch entsprechende Angaben deutlich zum Ausdruck.

MO ist nigerianischer Staatsbürger, verfügt in Österreich über keine familiären, gesellschaftlichen, beruflichen oder sonstigen Bindungen und keinen gesicherten Wohnsitz im Bundesgebiet. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Sobald die Situation mit COVID-19 zu Ende ist, kann er nach Erhalt eines HRZ im Wege eines Charterfluges in seinen Heimatstaat abgeschoben werden, einer Abschiebung innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer aus aktueller Sicht steht somit kein Hindernis entgegen.

Aus der Sicht des erkennenden Gerichtes liegen die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft noch immer vor.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass MO untertaucht, bevor ein Heimreisezertifikat ausgestellt und er anschließend abgeschoben wird, als schlüssig anzusehen ist und von massiver Fluchtgefahr auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung:

Den Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des MO ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts. Hinsichtlich Verfahrensgang und Sachverhalt wird ebenso auf die Entscheidung des BVwG W283 2232058-1 verwiesen.

Aufgrund der eigenen Angaben des MO sowie des Akteninhalts steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte, nicht gewillt ist, sich der Rechtsordnung entsprechend zu verhalten. Dies ist bereits aufgrund seiner Verurteilungen festzustellen. Feststellungen zur Verurteilung des MO ergeben sich aus einer Strafregisterauskunft.

Die obigen Feststellungen ergeben sich insbesondere aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG vom 30.09.2020. Seither hat sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht verändert. Ferner hat MO dem BFA seinen tatsächlichen Aufenthaltsort jedenfalls seit November 2019 verschwiegen und sich im Verborgenen aufgehalten, indem er ohne behördliche Meldung bei einem Freund Unterkunft genommen hat.

Die Behörde ist zutreffend von einer hohen Fluchtgefahr des MO ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Dies ergibt sich insbesondere durch seinen Versuch seine Abschiebung durch sein Untertauchen zu verhindern. Auch die persönliche Einschätzung seiner Bewährungshelferin, wonach diese den MO im Betreuungsbericht vom XXXX als kooperativ beschreibt, vermochte die getroffenen Feststellung nicht zu entkräften, zumal sich die Einschätzung der Bewährungshelferin auf die Kooperationsbereitschaft des MO im Zusammenhang mit den gerichtlichen Auflagen beschränkt.

Die Feststellungen zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats und zur mangelnden sozialen Verankerung in Österreich ergeben sich aus dem vorliegenden Behördenakt und den Angaben des MO vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen vorangegangen Schubhaftüberprüfungen.

Die Anhaltung ist weiterhin verhältnismäßig, da MO haftfähig ist und das Verfahren vom BFA effizient geführt wird. Insbesondere besteht gegen MO eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Die Ausstellung eines HRZ sowie die auch zeitnah durchführbare Rückführung des MO in seinen Herkunftsstaat nach Vorliegen des HRZ gelten weiterhin als sehr wahrscheinlich und auch tatsächlich möglich, insbesondere sind Charterabschiebungen für November und Dezember 2020 geplant.

Im Hinblick auf die Zustimmung der unbefristeten Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der nigerianischen Botschaft vom 04.06.2020 ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Die belangte Behörde hat das Verfahren zeitgerecht eingeleitet und wird nach Beendigung der aktuellen Corona-Virus-Situation eine Abschiebung am Flugwege erfolgen können.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A):

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(…)

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(…)

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(…)“

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit der Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH vom 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH vom 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH vom 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ro 2016/21/0021).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH vom 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).

Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH vom 05.07.2011, Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH vom 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (VwGH vom 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542 und vom 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH vom 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX andauernden Schubhaft wegen des Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als notwendig und die Anhaltung in Schubhaft wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf seine persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Zunächst ist festzuhalten, dass den vom BVwG im Erkenntnis GZ: G311 2232058-2/35Z vom 30.09.2020 dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zukommt.

Das BFA hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus den Angaben des MO, der sowohl erklärtermaßen als auch durch Handlungen untermauert nicht mehr in den Herkunftsstaat zurückwill, mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern bzw. zu behindern beabsichtigt. Zudem hat er durch sein Verhalten mangelnde Bereitschaft gezeigt, mit der Behörde zusammenarbeiten zu wollen. Im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet hat das BFA zu Recht das Bestehen einer erheblichen Fluchtgefahr sowie einen akuten Sicherungsbedarf angenommen.

Zudem wurde MO rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Dieses massive strafrechtliche Fehlverhalten ist gemäß § 76 Abs. 2a FPG im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblich zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der oben näher ausgeführten Kriminalität des MO überwiegt das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz seiner persönlichen Freiheit.

MO hat im bisherigen Verfahren keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig.

Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, es besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde nach abgeschlossenem negativen Asylverfahren, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen.

In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird. Im Hinblick auf die Zustimmung der unbefristeten Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der nigerianischen Botschaft vom 04.06.2020 ist zeitnah mit einer Abschiebung auf dem Flugweg nach Ende der Corona-Virus-Situation zu rechnen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere, in der Person des MO gelegene Umstände vorliegen würden, die der Schubhaft entgegenstehen, ist anlassbezogen nicht hervorgekommen.

MO verfügt über kein Reisedokument. Gegen MO wurde eine nunmehr durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen. MO hat im Bundesgebiet weder familiäre, noch soziale, noch berufliche, noch sprachliche noch sonstige Bindungen geltend gemacht. Angesichts seines Gesamtverhaltens kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass er (in Freiheit) an seiner Abschiebung mitwirken wird und muss jedenfalls von einer erheblichen Ausreiseunwilligkeit und der Bereitschaft unterzutauchen ausgegangen werden, wobei er bereits ausdrücklich erklärte, nicht in seinen Heimatstaat zurück zu wollen.

Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft ist, dass nach wie vor die Aussicht besteht, dass für ihn ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ra 2016/21/0144).

Es haben sich keine Umstände ergeben, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer nicht möglich wäre, somit ist die Verhältnismäßigkeit der gegenständlichen Anhaltung zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vorgegeben.

Ein gelinderes Mittel gemäß § 77 FPG, etwa in Gestalt einer periodischen Meldeverpflichtung bei einer Polizeidienststelle, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr, der gravierenden Straffälligkeit und des Umstandes, dass sich MO bereits durch seinen unangemeldeten Aufenthalt im Bundesgebiet dem Zugriff der Behörden entzogen hatte, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.

Die in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von sechs Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt, dass das öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Die Schubhaft ist trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs und der Aussetzung von Einzelrückführungen derzeit noch verhältnismäßig.

Der erkennende Richter geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des MO nach heutigem Wissensstand innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer auch erfolgen könnte.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des MO zu gewährleisten.

Die andauernde Schubhaft kann daher – auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung – fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G302.2232058.3.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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