Entscheidungsdatum
30.10.2020Norm
AsylG 2005 §55Spruch
I403 1413571-3/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA. Kamerun, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne SINGER, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.01.2017, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Kameruns, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 16.07.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.05.2010 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kamerun ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.10.2010, A5 413.571-1/2010, wurde in Erledigung der Beschwerde der bekämpfte Bescheid des Bundesasylamtes behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Das Bundesasylamt setzte in weiter Folge das Verfahren fort. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.08.2011, zugestellt am 24.08.2011, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Kamerun ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 06.09.2011 beim Bundesasylamt einlangte. Die Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesasylamt vorgelegt und langten am 09.11.2011 beim Asylgerichtshof ein.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.12.2015, Zl. W221 1413571-2/29E die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurde das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Das Erkenntnis erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Die Beschwerdeführerin wurde am 02.06.2016 und am 28.11.2016 niederschriftlich von der belangten Behörde einvernommen.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.01.2017 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Kamerun zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und diese dem Bundesverwaltungsgericht am 21.02.2017 vorgelegt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin am 01.10.2020 zur Entscheidung zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Kameruns. Sie reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 16.07.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerdeführerin befindet sich seit dieser Antragsstellung aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz durchgängig rechtmäßig im Bundesgebiet. Sie hat keine Verwandten in Österreich, führt aber eine Beziehung mit einem österreichischen Staatsbürger. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.12.2015, Zl. W221 1413571-2/29E wurde das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 nicht abgesprochen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, der Grundversorgung (GVS) und dem Zentralen Melderegister (ZMR) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zur Behebung des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 58 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 leg. cit. von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Dies ist im Fall der Beschwerdeführerin erfolgt.
Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nach § 57 AsylG 2005 gegeben sind, hat der allfälligen Erlassung einer Rückkehrentscheidung voranzugehen; ist nämlich ein Titel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen, so erweist sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung als unzulässig. Wird nach der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurückverwiesen, so ist auch in diesem Verfahren zunächst die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 zu prüfen (VwGH, Erkenntnis vom 12. November 2015, Ra 2015/21/0023 bis 0024).
Gegenständlich unterließ es das BFA entgegen der gesetzlichen Anordnung, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen und darüber abzusprechen. Es finden sich zwar allgemeine Erwägungen zu § 57 AsylG in der rechtlichen Würdigung und ist wohl davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nicht vorliegen und die belangte Behörde auch keinen solchen erteilen wollte, doch steht fest, dass im Spruch nicht darüber abgesprochen wurde, sondern sich nur ein (im Übrigen nicht notwendiger) Verweis auf § 55 AsylG findet.
Nachdem ein Abspruch über § 57 AsylG aber Voraussetzung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben, um den Weg für die Erlassung eines neuen, der Gesetzeslage entsprechenden Bescheides freizumachen.
„Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des (bescheidmäßigen) Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist die „Sache“ des bekämpften Bescheides. Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist, im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes und die Entscheidung ist im diesbezüglichen Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. VwGH, 28.08.2019, Ra 2019/14/0299 und VwGH, 31.01.2019, Ra 2018/22/0086, mwN). Es ist dem BVwG daher untersagt, erstmalig über die Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG abzusprechen.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde bei einer neuerlichen Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung zu berücksichtigen haben wird, dass sich die unbescholtene Beschwerdeführerin seit über zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an seinem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (siehe aus jüngerer Zeit etwa VwGH, 26.06.2019, Ra 2019/21/0092 bis 0094, Rn. 10 oder VwGH, 07.03.2019, Ra 2018/21/0253, Rn. 11, oder VwGH, 25.04.2019, Ra 2018/22/0251 bis 0256, Rn. 12, je mwN).
Im Übrigen wird auch darauf verwiesen, dass die Bestimmung des § 52 Abs. 4 FPG im gegenständlichen Fall als Grundlage für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ungeeignet erscheint.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2). Da der Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Abschiebung Aufenthalt im Bundesgebiet aufenthaltsbeendende Maßnahme Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltsdauer Aufenthaltstitel Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe freiwillige Ausreise Frist Interessenabwägung Kassation öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung UnzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.1413571.3.00Im RIS seit
24.02.2021Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021