Entscheidungsdatum
06.11.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G311 2207267-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Ungarn, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Andrea SCHMIDT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2018, Zahl XXXX , betreffend Ausweisung, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2018 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin seit 2013 in Österreich lebe, aber immer nur kurzfristig die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erfüllt habe. Bereits mehrmals sei ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, aufgrund von Beschäftigungsaufnahmen der Beschwerdeführerin aber wieder eingestellt worden. Auch habe die Beschwerdeführerin schon mehrmals bedarfsorientierte Mindestsicherung bezogen. Sie lebe mit einem österreichischen Staatsangehörigen seit August 2018 im gemeinsamen Haushalt. Die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht lägen nicht vor.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz ihrer bevollmächtigten Rechtsvertreterin vom 05.10.2018, am selben Tag beim Bundesamt einlangend, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge allenfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid aufheben; in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und das Verfahren an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesamt nicht berücksichtigt habe, dass die Beschwerdeführerin sich zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesamtes bereits mehr als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Gründe, weshalb die Beschäftigungen der Beschwerdeführer immer wieder geendet hätten, seien ebenso unberücksichtigt geblieben. Dass die Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesamtes Sozialhilfe (Mindestsicherung) bezogen habe, sei unrichtig. Es hätte auch von Amts wegen geprüft werden müssen, ob sich die Beschwerdeführerin auf Arbeitssuche befinde und begründete Aussicht auf eine Stelle habe. Die Beschwerdeführerin sei zwischenzeitlich schwer erkrankt gewesen und habe sich sogar auf der Intensivstation in Lebensgefahr befunden. Sie sei daher zwischenzeitig gar nicht arbeitsfähig gewesen. Seit Juli 2018 lebe sie mit ihrem Partner, einem österreichischen Staatsangehörigen, im gemeinsamen Haushalt. Sie habe immer wieder Beschäftigungen aufgenommen oder sich sogleich beim Arbeitsmarktservice als arbeitslos gemeldet. Auch der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin befinde sich in Österreich.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und langten am 09.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit am 24.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht einlangender Nachreichung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde die am 18.10.2018 ausgestellte Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechtes der Beschwerdeführerin gemäß § 53a Abs. 1 NAG vorgelegt.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.09.2020 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen eine Stellungnahme zu ihrer aktuellen persönlichen, familiären und beruflichen Situation in Österreich samt Nachweisen vorzulegen.
Mit Schriftsatz der Rechtsvertreterin vom 29.09.2020, am 06.10.2020 beim Bundesverwaltungsgericht einlangend, nahm die Beschwerdeführerin Stellung und verwies insbesondere auf den Umstand, dass ihr ein Daueraufenthaltsrecht nach § 53a Abs. 1 NAG zukomme, sie strafgerichtlich unbescholten sei und keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, sodass die Erlassung einer Ausweisung unzulässig sei. Darüber hinaus beziehe der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin in Österreich eine Pension und komme auch für den Unterhalt der Beschwerdeführerin auf, deren Lebensmittelpunkt nunmehr in Österreich liege.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Republik Ungarn (vgl. aktenkundige Kopie des ungarischen Personalausweises, AS 47 ff).
Am 18.10.2018 wurde ihr seitens der Bezirkshauptmannschaft XXXX die Bescheinigung über den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt gemäß § 53a Abs. 1 NAG ausgestellt (vgl. aktenkundige Bescheinigung; Fremdenregisterauszug vom 11.09.2020).
Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten (vgl. Strafregisterauszug vom 11.09.2020).
2. Beweiswürdigung:
Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum) und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Weiters ist eine Kopie ihres ungarischen Personalausweises aktenkundig, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.
Aktenkundig ist darüber hinaus die Bescheinigung des Erwerbs des unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts in Österreich gemäß § 53a Abs. 1 NAG.
Das Bundesverwaltungsgericht nahm zudem hinsichtlich der Beschwerdeführerin Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister, das Zentrale Melderegister sowie in die Sozialversicherungsdaten.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 66 Abs. 1 und 2 FPG lauten:
"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen."
Die Beschwerdeführerin hat unstrittig das Recht auf Daueraufenthalt in Österreich gemäß
§ 53a Abs. 1 NAG erworben. Gemäß § 66 Abs. 1 NAG wäre demnach ihre Ausweisung nur dann zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten. Auch sonst haben sich keine Hinweise auf eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das Verhalten der Beschwerdeführerin ergeben.
Eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG erweist sich zum Entscheidungszeitpunkt des erkennenden Gerichtes daher als unzulässig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ausweisung ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.
Schlagworte
Ausweisung Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Unbescholtenheit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2207267.1.00Im RIS seit
24.02.2021Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021