TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 G311 2209752-1

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Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G311 2209752-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Bundesrepublik Deutschland, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2018, Zahl XXXX , zu Recht:

A)       

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)       

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2018 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei, seit 16.03.2017 in Österreich gemeldet sei und bisher keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, sodass der Beschwerdeführer keine Anmeldebescheinigung ausgestellt werden könne. Mangels eigener Erwerbstätigkeit bzw. ausreichender finanzieller Mittel liege ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht der Beschwerdeführerin in Österreich nicht vor. Alle übrigen Familienangehörigen würden in Deutschland leben. Ihre Bindungen zu Deutschland wären größer als jene zu Österreich.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12.11.2018, beim Bundesamt am 14.11.2018 einlangend, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte sinngemäß, den gegenständlichen Bescheid aufzuheben. Begründend wurden einige Erkrankungen vorgebracht, die die Beschwerdeführerin bisher an einer nachhaltigen Erwerbstätigkeit gehindert hätten. Sie lebe von den Einkünften ihres Ehemannes bzw. von der Unterstützung seiner Familie.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und langten am 20.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.09.2020 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen eine Stellungnahme zu ihrer aktuellen persönlichen, familiären und beruflichen Situation in Österreich samt Nachweisen vorzulegen.

Die Stellungnahme der Beschwerdeführerin samt Urkundenvorlage langte am 16.10.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland (vgl. aktenkundige Kopie der deutschen Geburtsurkunde, AS 15; des deutschen Reisepasses, AS 29).

Sie hat am XXXX .2017 in Österreich den österreichischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , geheiratet und lebt mit diesem im gemeinsamen Haushalt in Österreich (vgl. aktenkundige Heiratsurkunde, AS 21; Staatsbürgerschaftsnachweis des Ehemannes, AS 23; Konvolut aktenkundige Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, zuletzt vom 11.09.2020).

Die Beschwerdeführerin verfügt über keine Anmeldebescheinigung und ging bisher nur im Zeitraum von 19.11.2018 bis 26.12.2018 als Arbeiterin einer sozialversicherten Erwerbstätigkeit nach. Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Ehemann in dessen Krankenversicherung mitversichert und lebt von seinem Arbeitseinkommen (vgl. Fremdenregisterauszug und Sozialversicherungsdatenauszug vom 11.09.2020; Stellungnahme vom 16.10.2020).

Der Ehemann der Beschwerdeführerin geht seit 29.07.2019 bis zum Entscheidungszeitpunkt durchgehend sozialversicherten Erwerbstätigkeiten als Arbeiter nach. Seit 02.01.2020 ist er aufrecht bei der XXXX GmbH beschäftigt und verdient dort monatlich brutto durchschnittlich rund EUR 2.500,00 (vgl. Sozialversicherungsdatenauszug des Ehemannes vom 20.10.2020).

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum) und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Weiters ist eine Kopie ihres deutschen Reisepasses sowie ihrer deutschen Geburtsurkunde aktenkundig, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Aktenkundig ist darüber hinaus die Heiratsurkunde und der österreichische Staatsbürgerschaftsnachweis des Ehemannes der Beschwerdeführerin

Das Bundesverwaltungsgericht nahm zudem hinsichtlich der Beschwerdeführerin Einsicht in das Fremdenregister, das Strafregister, das Zentrale Melderegister sowie in die Sozialversicherungsdaten und hinsichtlich ihres Ehemannes in die Sozialversicherungsdaten.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 66 Abs. 1 und 2 FPG lauten:

"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen."

Gemäß § 55 Abs. 3 NAG hat die Behörde für den Fall, dass das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht besteht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

§ 51 Abs. 1 NAG lautet:

"Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1.       in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen."

Die Beschwerdeführerin ist seit 2017 mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet, der seit 29.07.2019 bis zum Entscheidungszeitpunkt durchgehend sozialversicherten Erwerbstätigkeiten als Arbeiter nachgegangen ist und seit 02.01.2020 aufrecht als Arbeiter vollzeitbeschäftigt ist. Er erwirtschaftet aus dieser Erwerbstätigkeit ein monatliches Bruttoeinkommen von durchschnittlich rund EUR 2.500,00. Die Beschwerdeführerin ist beim Ehemann in der Krankenversicherung mitversichert.

Gegenständlich liegen daher zum Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen gemäß § 52 Abs. 1 Z 2 NAG bei der Beschwerdeführerin vor, da sie von der finanziellen Unterstützung ihres Ehemannes lebt, der über ein ausreichendes Einkommen verfügt, und mit diesem auch umfassend krankenversichert ist.

Damit ist die Beschwerdeführerin als EWR-Bürgerin, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhält und durch das Einkommen aus der Beschäftigung ihres Ehemannes sowohl über ausreichende Unterhaltsmittel als auch über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, gemäß § 51 Abs. 1 Z 2 NAG zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigt.

Sohin kann nicht davon gesprochen werden, der Beschwerdeführerin würde aus den Gründen des § 55 Abs. 1 NAG das Niederlassungsrecht fehlen (vgl VwGH 22.09.2009, 2008/22/0690). Die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 FPG lagen daher im Entscheidungszeitpunkt nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ausweisung ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ehe EWR-Bürger Unionsrecht Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2209752.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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