Entscheidungsdatum
17.11.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G305 2232684-3/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung des XXXX , geb. XXXX , StA.: Marokko, in Schubhaft, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) vom XXXX .2020, Zl. XXXX RD XXXX , wurde über XXXX , geb. XXXX , StA.: Marokko (in der Folge: betroffener Fremder oder kurz: BF) gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Begründend führte die belangte Behörde im Kern aus, dass beim BF aus folgenden Gründen Fluchtgefahr bestehe, die die Verhängung der Schubhaft rechtfertige: Er habe kein tatsächliches Familienleben im Bundesgebiet. Es liege bei ihm weder eine soziale noch eine berufliche Integration vor. Er habe keinen ordentlichen Wohnsitz. Er habe seine Identität zur Verhinderung der Abschiebung verschleiert. Gegen ihn bestehe ein unbefristetes Einreiseverbot. Für eine Rückkehr in den Herkunftsstaat verfüge er über keine finanziellen Mittel. Ein Wille, in den Herkunftsstaat zurückzukehren fehle. Auch fehle jeglicher Wille, mit dem österreichischen Behörden zu kooperieren. Er sei bereits in einen Mitgliedsstaat des Schengenraums illegal weitergereist.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des BF wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.07.2020, GZ: L514 2232684-1/23E, als unbegründet ab und erklärte die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX .2020 für rechtmäßig (Spruchpunkt I.). Überdies wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen hätten und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig gewesen sei (Spruchpunkt II.). Überdies wurde ausgesprochen, dass der BF dem Bund gem. § 35 Abs. 3 VwGVG iVm. VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013 Aufwendungen in Höhe von EUR 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen habe (Spruchpunkt III.) und sein Antrag auf Kostenersatz gem. § 35 VwGVG als unzulässig abgewiesen werde (Spruchpunkt IV.).
3. Zuletzt stellte das Bundesverwaltungsgericht im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft nach einer am XXXX .2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung fest, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen hätten und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.
4. Am 13.11.2020 brachte das BFA den Akt zur Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage.
5. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 13.11.2020 wurde der BF vom Ergebnis der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und der Vorlagebericht des BFA zur Kenntnis gebracht; im Rahmen des Parteiengehörs wurde ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die ihm gegebene Gelegenheit zur Stellungnahme ließ er ungenützt verstreichen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF, ein (nach eigenen Angaben mutmaßlicher) Staatsangehöriger von Marokko, befindet sich seit dem XXXX .2020, 13:03 Uhr, durchgehend in Schubhaft, die gegenwärtig im Anhaltezentrum XXXX vollzogen wird. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig.
1.2. Die gegen den der laufenden Schubhaft zu Grunde liegenden Mandatsbescheid vom XXXX .2020, Zl. XXXX RD XXXX , vom BF erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2020, GZ: L514 2232684-1/23E, als unbegründet abgewiesen. Die für die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft maßgeblichen Umstände haben sich nicht geändert.
1.3. Zuletzt stellte das Bundesverwaltungsgericht in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft mit dem in der mündlichen Verhandlung vom XXXX .2020 mündlich verkündeten Erkenntnis fest, dass die im Entscheidungszeitpunkt für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.
1.4. Das BFA hat das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (im Folgenden kurz: HRZ) rechtzeitig eingeleitet und führt dieses auch zielgerichtet. Der BF versuchte bis laufend, sich der Abschiebung zu widersetzen, indem er seine wahre Identität zu verschleiern suchte.
Auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die für die Abschiebung erforderliche Identität des BF noch nicht letztgültig geklärt. Der belangten Behörde war es daher noch nicht möglich, ein Ersatzreisedokument für dessen Abschiebung in den Herkunftsstaat zu erlangen. Auf Grund seines unkooperativen Verhaltens in Bezug auf seine wahre Identität nahm die belangte Behörde neben dem mit der Botschaft von Marokko geführten Hauptverfahren zur Überprüfung der Identität und zur Ausstellung eines HRZ am 27.10.2020 ein HRZ-Verfahren mit der Botschaft von Tunesien auf, um die tatsächliche Identität des BF klären zu können (Vorlagebericht des BFA vom 13.11.2020, S. 4 oben). All diesen Bemühungen zum Trotz gelang es bislang nicht, die Staatsangehörigkeit des BF zu klären.
1.5. Der BF ist im Bundesgebiet weder beruflich noch sozial verankert.
Hier ist er zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen. Auch hat er keine eigene Familie im Bundesgebiet, noch lebt ein Mitglied seiner Kernfamilie im hier. Hier hat er auch kein schützenswertes Privatleben.
Er ist überdies mittellos und verfügt nicht über Vermögenswerte, die ihm allenfalls einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglichen könnten.
Im Bundesgebiet verfügt er über keine (legale) Unterkunft. Ebenso wenig verfügt er über eine Meldeadresse [Feststellungen im rk. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2020, GZ: G311 2232684-2/9Z, S. 7 unten].
1.6. Am XXXX .2015 ist er illegal ins Bundesgebiet eingereist und stellte er hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Den „Fluchtgrund“ stützte er darauf, dass ihn in Marokko niemand mehr wollte. Seine Eltern seien geschieden und er auf sich allein gestellt. Er wolle in Österreich leben, arbeiten und sich hier eine Zukunft aufbauen.
Mit Bescheid vom XXXX .2016, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den auf die Zuerkennung von internationalem Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichteten Antrag gem. § 3 AsylG und den Antrag auf Zuerkennung des Asylberechtigten gerichteten Antrag auf subsidiären Schutz in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko gemäß § 8 AsylG als unbegründet ab (Spruchpunkte I. und II.) und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus schutzwürdigen Gründen gem. §§ 55 und 57 AsylG nicht erteilt werde und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen werde und stellte gem. § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Herkunftsstaat Marokko gem. § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und bestimmte, dass die freiwillige Ausreise binnen zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zu erfolgen habe (Spruchpunkt IV.).
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit am 17.09.2018 in Rechtskraft erwachsenem Erkenntnis vom 17.09.2018, GZ: I415 2126307-2/3E, als unbegründet ab.
1.7. In der kurzen Zeit seiner Anwesenheit im Bundesgebiet wurde er bereits mehrfach wegen strafgerichtlich zu verfolgender Vergehen rechtskräftig verurteilt, so insbesondere mit
01) Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , ZI. XXXX (RK XXXX ) wegen § 15 StGB §§ 127, 129 Abs. l Ziffer l StGB; § 15 StGB § 105 Abs. l StGB; § 83 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten, Probezeit drei Jahre (auf fünf Jahre verlängert) und
02) Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , ZI. XXXX , (RK XXXX ) wegen §§ 127, 129 Abs. l Z l StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten, Probezeit drei Jahre.
1.8. Nach seiner Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe durch das Landesgericht XXXX ist der BF untergetaucht, wurde im Bundesgebiet erneut straffällig und reiste am XXXX .2017 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland aus. Nachdem er dort von den Sicherheitsbehörden aufgegriffen wurde, trug Deutschland am 28.12.2017 das auf die Dublin VO gestützte Begehren an Österreich heran, den BF wieder zurück zu nehmen. Am 29.12.2017 stimmte Österreich der Übernahme zu [Mandatsbescheid vom XXXX .2020, S. 3 unten].
1.9. Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Juli 2018 stellte er erneut einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Neue Fluchtgründe brachte er dagegen nicht vor.
Mit Bescheid vom XXXX .2018, Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf Gewährung internationalen Schutzes gem. § 3 AsylG und den Antrag auf Gewährung subsudiären Schutzes gem. § 8 AsylG zurück, erließ ein Einreiseverbot gem. § 53 FPG und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht erteilt werde und erklärte die Abschiebung nach Marokko gem. § 46 FPG für zulässig.
Gegen diesen Bescheid erhob er erneut Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und tauchte unter.
Mit Erkenntnis vom 17.09.2018, GZ: I415 2126307-2/3E, wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid vom XXXX .2018 erhobene Beschwerde des BF als unbegründet ab.
1.10. In der Folge wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX .2018, Zl. XXXX RD XXXX , eine Wohnsitzauflage über den BF verhängt und der Auftrag erteilt, bis zu seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet durchgehend im XXXX Unterkunft zu nehmen.
Dieser Verpflichtung kam er nicht nach.
Aus diesem Grunde wurde mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom XXXX .2019, Zl. XXXX , die Schubhaft über den BF verhängt.
Am XXXX .2019 wurde er aus der Schubhaft entlassen und ihm mit Mandatsbescheid vom XXXX .2019, Zl. XXXX RD XXXX , erneut aufgetragen, durchgehend im Rückkehrberatungszentrum Unterkunft zu nehmen, dies bis zu seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet.
Auch diesmal hielt er sich nicht an die ihm erteilte Wohnsitzauflage.
1.10. Am XXXX .2020, um 16:10 Uhr, wurde er im Zug der XXXX von der Polizei einer Personenkontrolle unterzogen und war nicht in der Lage, sich auszuweisen. Auf Grund einer Abfrage mit seinen Personendaten stellten die Sicherheitsbehörden das Bestehen einer Rückkehrentscheidung und eines gegen ihn erlassenen Einreiseverbotes fest. In der Folge verfügte der Journaldienst der belangten Behörde die Festnahme und Einlieferung des BF ins Polizeianhaltezentrum (PAZ) XXXX .
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den relevanten Teilen des Verfahrensaktes des BFA. Da der BF den in den Bezug habenden Akten dargestellten Fakten nicht entgegengetreten ist, waren die entsprechenden Konstatierungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt A:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lauten:
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(…)
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(…)
§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.
(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.
(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,
kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.
(…)“
Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH vom 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH vom 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH vom 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ro 2016/21/0021).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH vom 11.05.2017, Ro2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH vom 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).
Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH vom 05.07.2011, Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH vom 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).
Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (VwGH vom 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542 und vom 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH vom 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX .2020, 13:03 Uhr, andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.
Der BF verfügt über kein Reisedokument. Er hat sich bisher fortgesetzt unwillig gezeigt, an der Aufklärung seiner wahren Identität, die letztlich für die Erlangung eines HRZ für die Rückschiebung in den Herkunftsstaat notwendig ist, mitzuwirken. Der BF ist auch mehrfach untergetaucht und hat in der Vergangenheit versucht, die behördlichen Ermittlungen und seine Abschiebung in den Herkunftsstaat durch eine illegale Ausreise nach Deutschland zu erschweren bzw. zu verunmöglichen.
Bei der am XXXX .2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung zum Zweck der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft hatte er angegeben, nicht mehr in den Herkunftsstaat zurückkehren zu wollen, da er dort niemanden mehr hätte. Er sei seit 13 Jahren in Europa und habe im Alter von achtzehn Jahren den Herkunftsstaat verlassen [BF in Verhandlungsniederschrift vom XXXX .2020 zu GZ: G311 2232684-2/9Z, S. 4 oben]. Damit brachte der BF seinen Rückkehrunwillen zum Ausdruck.
Anlassbezogen kommt hinzu, dass er sich dem Zugriff durch die Fremdenbehörde durch eine illegale Ausreise nach Deutschland entziehen wollte.
Seine mangelnde Bereitschaft, mit den Behörden beim Vollzug des Fremdenrechts zu kooperieren, hat der BF überdies durch seine beharrliche Weigerung, sich ins XXXX zu begeben und dort bis zu seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet dauerhaft Unterkunft zu nehmen, zum Ausdruck gebracht. Seine mangelnde Bereitschaft, sich an die österreichischen Gesetze zu halten, zeigt sich auch an seinen strafgerichtlichen Verurteilungen, aus denen sich ein Bestreben des BF erkennen lässt, sich den Aufenthalt im Bundesgebiet durch die fortgesetzte Begehung von Straftaten zu finanzieren.
Angesichts dessen hat sich an der Ausgangslage, angesichts der bereits festgestellt wurde, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist, in Bezug auf die gegenständliche Entscheidung nichts geändert.
Gegen den BF liegt eine Rückkehrentscheidung und ein unbefristetes Einreiseverbot vor. Sowohl die Rückkehrentscheidung als auch das Einreiseverbot sind rechtskräftig und damit faktisch durchsetzbar. In Anbetracht seines bisher gezeigten Verhaltens ist bei einer Entlassung aus der Schubhaft zu befürchten, dass er sich durch ein Absetzen ins Ausland erneut dem Zugriff der österreichischen Fremdenbehörden entziehen wird.
In Hinblick darauf und die mehrfache Delinquenz des Beschwerdeführers ist bei ihm eine erhebliche Fluchtgefahr iSd § 76 Abs. 3 FPG anzunehmen, weshalb das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des BF überwiegt.
Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, insbesondere der mangelnden Vertrauenswürdigkeit sowie seiner fehlenden sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet. Der BF hat bislang keine Bereitschaft gezeigt hat, trotz aufrechter Ausreiseverpflichtung aus Österreich auszureisen und in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.
Das Verfahren zur Abklärung der Identität des BF und zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) durch die zuständige Auslandsvertretungsbehörde ist im Laufen und sehr wahrscheinlich.
Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft ist, dass nach wie vor die Aussicht besteht, dass für ihn ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).
Das Verfahren hinsichtlich einer HRZ-Ausstellung für den BF wird seitens des BFA effizient und nachhaltig geführt. Es haben sich keine Umstände ergeben, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer nicht möglich wäre, somit ist die Verhältnismäßigkeit der gegenständlichen Anhaltung zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vor gegeben.
Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von verstärkter Fluchtgefahr, nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen. Schon in der Vergangenheit hat sich der BF den mehrfach verhängten Auflagen widersetzt, sich ins XXXX zu begeben und dort bis zu seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet dauerhaft Unterkunft zu nehmen.
Die in § 80 Abs. 4 Z 1 und Z 2 FPG vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von 18 Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt nicht überschritten, zumal anlassbezogen zu berücksichtigen ist, dass sich der BF erst seit dem XXXX .2020 in Schubhaft befindet.
Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt, dass das öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Die Schubhaft ist trotz der aktuellen Einschränkungen des internationalen Reiseverkehrs und der Aussetzung von Einzelrückführungen derzeit noch verhältnismäßig.
Der erkennende Richter geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer auch erfolgen könnte.
Die hier zu prüfende Schubhaft stellt nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.
Die andauernde Schubhaft kann daher - auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung - fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014,
Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012,
Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Die gegenständliche Entscheidung konnte daher auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen). Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G305.2232684.3.00Im RIS seit
24.02.2021Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021