TE Bvwg Beschluss 2020/12/1 W108 2221256-1

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Veröffentlicht am 01.12.2020
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Entscheidungsdatum

01.12.2020

Norm

AVG §38
B-VG Art133 Abs4
GEG §6
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W108 2221256-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. BRAUCHART im Verfahren über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes St. Pölten vom 19.02.2019, Zl Jv 4616/17g-33, betreffend Aussetzung eines Verfahrens wegen Einbringung von Gerichtsgebühren den Beschluss:

A)

Das Verfahren wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang/Sachverhalt:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer wurde mit Mandatsbescheid (Zahlungsauftrag) vom 09.10.2017, Zl. XXXX , aufgefordert, die in diesem Verfahren angefallene Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG in Höhe von EUR 3.056,90 sowie die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG in Höhe von EUR 8,00, sohin einen Betrag von gesamt EUR 3.064,90, binnen 14 Tagen auf ein näher genanntes Konto zur Einzahlung zu bringen.

2. Gegen den oben genannten Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Vorstellung und ersuchte gleichzeitig um Nachlass des vorgeschriebenen Betrages wegen seines geringen Einkommens im Sinne des § 9 Abs. 2 GEG.

3. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid sprach der Präsident des Landesgerichtes St. Pölten (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) aus, dass der unter Punkt I. genannte Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) gemäß § 7 Abs. 2 GEG außer Kraft getreten sei, sowie, dass das Verfahren über die Einbringung der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das beim Bezirksgericht XXXX zur Zahl XXXX anhängige Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters für den Beschwerdeführer ausgesetzt werde.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde gemäß § 38 AVG berechtigt sei, bei im Ermittlungsverfahren auftauchenden Vorfragen das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahren beim zuständigen Gericht bilde. Im gegenständlichen Fall sei die Vorfrage der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers insofern ungeklärt, als beim Bezirksgericht XXXX zur dortigen Zahl XXXX ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters für den Beschwerdeführer anhängig sei.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in welcher er ausführte, dass der angefochtene Bescheid ihn in seinem Recht auf Sachentscheidung, über seinen Nachlassantrag verletzen würde. Die Bestimmung des § 38 AVG finde auf den gegenständlichen Sachverhalt aufgrund der überlangen Verfahrensdauer keine Anwendung, die Frage der prozessualen Geschäftsfähigkeit sei für den Nachlassantrag, welcher im Rahmen des Justizverwaltungsverfahrens zu überprüfen sei, unmaßgeblich. Die Verknüpfung des Justizverwaltungsverfahrens mit einem Erwachsenenschutzverfahren sei kompetenzwidrig, ein Verfahrensende des Erwachsenenschutzverfahrens sei nicht in Sicht. Zudem handle es sich bei ihm um einen Sozialfall, der sein Fortkommen von einer Mindestpension, welche unter dem Existenzminimum liege, bestreiten müsse.

5. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch, legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und wies darauf hin, dass das den Beschwerdeführer betreffende Erwachsenenschutzverfahren mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 25.04.2019, Zahl XXXX , eingestellt worden sei. Dagegen erhobene Anträge/Rechtsmittel seien abgewiesen worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von dem oben unter Punkt I. dargelegten Verfahrensgang/Sachverhalt ausgegangen.

Damit steht insbesondere fest, dass das Erwachsenenschutzverfahren, bis zu dessen rechtskräftigen Erledigung die gegenständliche Verfahrensaussetzung ausgesprochen wurde, nach Bescheiderlassung und Beschwerdeerhebung rechtskräftig (mit Einstellung) abgeschlossen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und aus dem Gerichtsakt. Die rechtskräftige Beendigung des den Beschwerdeführer betreffenden Erwachsenenschutzverfahrens vor dem Bezirksgericht XXXX zur Zahl XXXX nach Verfahrensaussetzung und Beschwerdeerhebung ergibt sich aus der Mitteilung der Behörde bei der Beschwerdevorlage sowie aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Beschluss des genannten Gerichtes vom 25.04.2019, Zahl XXXX , mit welchem das Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für den Beschwerdeführer eingestellt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen, eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage der Handlungs- bzw. Prozessfähigkeit von der Behörde als Vorfrage iSd § 38 AVG zu beurteilen. Einen Mangel der Prozessfähigkeit hat die Behörde in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Mangelt es einem Adressaten einer Verfahrenshandlung (insbesondere auch eines Bescheides) in Bezug auf den Verfahrensgegenstand an der Prozessfähigkeit, so geht die Verfahrenshandlung insofern ins Leere, als sie diesem Adressaten gegenüber keinerlei Rechtswirkungen entfaltet. Die Behörde kann diesfalls Verfahrenshandlungen rechtswirksam nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter setzen (vgl. etwa VwGH 25.02.2016, Ra 2016/19/0007; 12.09.2017, Ra 2017/16/0078).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verliert ein Aussetzungsbescheid seine Rechtswirksamkeit jedenfalls mit dem Eintritt des Zeitpunktes, bis zu welchem die Aussetzung verfügt worden ist (vgl. z.B. VwGH 22.04.2015, Ro 2014/12/0038; 18.12.2014, 2013/12/0162; 10.10.2012, 2008/18/0286).

Die (verfahrensbeendende) Einstellung (mit Beschluss gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG; vgl. dazu etwa VwGH 13.07.2015, Fr 2015/20/0004) steht am Ende jener Verfahren, in denen der Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde oder des „Untergangs“ des Beschwerdeführers kommt analog zu § 33 VwGG eine Einstellung des Verfahrens auch bei (formeller oder materieller) Klaglosstellung des Beschwerdeführers (bei Wegfall der Beschwer oder des Rechtsschutzinteresses) in Betracht (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren² [2018], § 28 VwGVG, Anm. 5, und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

3.2. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes:

Jenes Verfahren zur Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters, bis zu dessen rechtskräftigen Erledigung die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Aussetzung erfolgte, wurde nach Erlassung des angefochtenen Bescheides und Einbringung der Beschwerde rechtskräftig abgeschlossen.

Obgleich die Entscheidung der belangten Behörde, das Verfahren wegen Einbringung von Gerichtsgebühren vom Beschwerdeführer als zahlungspflichtige Partei zur Beurteilung der entscheidenden Vorfrage der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers gemäß § 38 AVG auszusetzen, in Anbetracht des in diesem Zeitpunkt anhängigen Erwachsenenschutzverfahrens betreffend den Beschwerdeführer nicht als rechtswidrig erkannt werden kann, ist festzuhalten, dass mit dem rechtskräftigen Abschluss dieses Erwachsenenschutzverfahrens dem hier angefochtenen Aussetzungsbescheid keine Rechtswirkung mehr zukommt, da mit der Rechtskraft der Entscheidung im Erwachsenenschutzverfahren der Zeitpunkt, bis zu dem die Aussetzung verfügt wurde, eingetreten ist (vgl. VwGH 22.04.2015, Ro 2014/12/0038). Ab diesem – hier nach Bescheiderlassung und Einbringung der Beschwerde liegenden - Zeitpunkt ist daher eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr gegeben (vgl. VwGH 28.02.2006, 2005/21/0086).

Einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über den hier angefochtenen Aussetzungsbescheid käme daher nur mehr theoretische Bedeutung zu, weshalb ein weiteres Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers nicht mehr gegeben und das Verfahren mit Einstellung zu beenden ist.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Es war daher auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Schlagworte

Aussetzung Erwachsenenschutzverfahren Gegenstandslosigkeit Rechtsschutzinteresse Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W108.2221256.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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