Entscheidungsdatum
14.12.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W221 2237641-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 04.11.2020, Zl. 443552/15/ZD/1120, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 12c Abs. 2 ZDG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 04.11.2020 wurde der Beschwerdeführer vom 01.01.2021 bis 30.09.2021 dem Rettungs-, Krankentransport- und Katastrophenhilfsdienst des ÖRK Landesverband NÖ zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in welcher er ausführte, dass er vom 01.09.2016 bis 31.07.2017 ein freiwilliges soziales Jahr beim Österreichischen Roten Kreuz Niederösterreich absolviert habe. Er sei davon ausgegangen, dass die Trägerorganisation der Zivildienstserviceagentur die Bestätigung übermitteln würde und habe nicht gewusst, dass diese Meldung von ihm persönlich zu erfolgen habe.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 11.12.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer wurde am 27.01.2016 als tauglich befunden. Am 30.03.2016 hat er eine mängelfreie Zivildiensterklärung eingebracht, wodurch er nach § 1 Abs. 4 Zivildienstgesetz von der Wehrpflicht befreit und zivildienstpflichtig geworden ist.
Der Eintritt seiner Zivildienstpflicht wurde mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 06.04.2016 mit 30.03.2016 festgestellt.
Der Beschwerdeführer hat vom 01.09.2016 bis zum 31.07.2017 ein Freiwilliges Sozialjahr beim Österreichischen Roten Kreuz absolviert.
Der Beschwerdeführer hat es verabsäumt, die Vereinbarung über die Teilnahme an einem Freiwilligen Sozialjahr der Zivildienstserviceagentur vorzulegen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt und den darin befindlichen Unterlagen und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Da sich im vorliegenden Fall der unstrittige Sachverhalt aus den Akten ergibt und es sich auch um keine übermäßig komplexe Rechtsfrage handelt, kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu A)
1.1. Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG) lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 7. (1) Zum ordentlichen Zivildienst sind alle Zivildienstpflichtigen verpflichtet, die das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Zivildienstpflichtige, bei denen sich die Dauer des ordentlichen Zivildienstes vom Tag der Zuweisung an über die Vollendung des 35. Lebensjahres hinaus erstreckt, sind verpflichtet, diesen Zivildienst noch zur Gänze zu leisten.
(2) Zeiten des geleisteten Präsenzdienstes sind in den ordentlichen Zivildienst einzurechnen. Von Zivildienstpflichtigen, die bereits Präsenzdienst geleistet haben, ist jedoch ein ordentlicher Zivildienst in der Dauer von mindestens vier Monaten zu leisten, von Zivildienstpflichtigen, die den Grundwehrdienst bereits vollständig geleistet haben, ist ein ordentlicher Zivildienst zu leisten, der zwei Monate länger dauert, als sie noch Truppen- oder Kaderübungen zu leisten hätten; in diesen Fällen ist ordentlicher Zivildienst auch nach Vollendung des 35. Lebensjahres zu leisten.
[…]
(4) Der ordentliche Zivildienst ist, von den in §§ 13 Abs. 1, 16, 19 Abs. 3 und 19a Abs. 5 geregelten Ausnahmefällen abgesehen, ohne Unterbrechung zu leisten.
§ 8. (1) Der Zivildienstpflichtige ist von der Zivildienstserviceagentur einer gemäß § 4 anerkannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes durch Bescheid zuzuweisen. Hierbei ist die Zivildienstserviceagentur ermächtigt, soweit Erfordernisse im Bereich des Rettungswesens, der Sozial- und Behindertenhilfe und der Katastrophenhilfe dies notwendig machen, an Einrichtungen aus diesen Bereichen bevorzugt zuzuweisen.
(2) Zivildienstpflichtige, die zum ordentlichen Zivildienst zugewiesen werden sollen, haben einen Anspruch darauf, dass der Zuweisungsbescheid von der Zivildienstserviceagentur spätestens sechs Wochen vor dem Tag des vorgesehenen Dienstantrittes genehmigt wird, es sei denn, die Einhaltung dieser Frist wäre nicht mit dem Zweck des Einsatzes vereinbar. Der Bescheid ist unverzüglich mit Zustellnachweis zuzustellen. Die Genehmigung des Zuweisungsbescheides durch die Zivildienstserviceagentur ist bis zu drei Werktage vor dem Tag des vorgesehenen Dienstantritts zulässig, sofern der Zivildienstpflichtige zugestimmt hat und mit der Auszahlung der ihm für den ersten Monat der Dienstleistung gebührenden Pauschalvergütung an dem dem Dienstantritt folgenden Monatsersten einverstanden ist.
(3) Außer in den Fällen des § 4 Abs. 1 Z 2 dürfen Zivildienstpflichtige der Einrichtung in keiner größeren Anzahl zugewiesen werden, als der Rechtsträger durch Bedarfsanmeldung beantragt. Handelt es sich bei dem Rechtsträger um eine Gemeinde, so fällt die Antragstellung in deren eigenen Wirkungsbereich. Die Zivildienstserviceagentur hat den Rechtsträger aufzufordern, innerhalb eines Monats den gesamten Jahresbedarf für das nächstfolgende Jahr bekannt zu geben. Der Rechtsträger kann einen Wunsch auf Zuweisung bestimmter Zivildienstpflichtiger äußern. Dieser Wunsch ist nach Maßgabe der Erfordernisse des Zivildienstes zu berücksichtigen. Teilt ein Rechtsträger der Zivildienstserviceagentur mit, dass er bis auf weiteres während des gesamten Jahres mindestens zwei Drittel der vom Landeshauptmann zugelassenen Zivildienstplätze besetzt haben möchte, so hat die Zivildienstserviceagentur entsprechende Zuweisungen vorzunehmen, soweit nicht Erfordernisse des Zivildienstes entgegenstehen. Während der Geltungsdauer dieser Mitteilung bedarf es keiner weiteren Bedarfsanmeldung durch den Rechtsträger.
(4) – (6) […]
§ 9. (1) Die Verpflichtung ist zu einer Dienstleistung auszusprechen, die den Fähigkeiten des Zivildienstpflichtigen soweit wie möglich entspricht. Im Zweifelsfall hat die Bezirksverwaltungsbehörde über Ersuchen der Zivildienstserviceagentur ein Gutachten des Amtsarztes einzuholen und sich über die gesundheitliche Eignung zur Dienstleistung zu äußern. Zuständig ist jene Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel der Zivildienstpflichtige seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthalt hat; ist auch ein Aufenthalt im Inland nicht gegeben, so ist ein Gutachten eines Amtsarztes der Stadt Wien einzuholen.
(2) Der Zivildienstpflichtige darf keiner Einrichtung zugewiesen werden, bei der er im Zeitpunkt der Zuweisung erwerbstätig ist oder bei der er die Erwerbstätigkeit vor weniger als einem Jahr vor der Zuweisung beendet hat.
[…]
(4) [...]
§ 12. Von einer Zuweisung sind ausgeschlossen:
1. Zivildienstpflichtige, über die eine Freiheitsstrafe verhängt worden ist und die einen Strafaufschub oder eine Strafunterbrechung bewilligt erhielten, für die Dauer dieses Aufschubes oder dieser Unterbrechung, sowie Personen, die sich in Haft befinden oder sonst auf behördliche Anordnung angehalten werden, für die Dauer dieser Haft oder dieser Anhaltung,
2. Zivildienstpflichtige, die, erforderlichenfalls nach der Feststellung des gemäß § 19 Abs. 2 zuständigen Amtsarztes geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst dauernd oder vorübergehend unfähig sind und bei denen die Herstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, für die Dauer der Dienstunfähigkeit.
[…]
§ 12c (Verfassungsbestimmung) (1) Zivildienstpflichtige werden bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen, wenn sie der Zivildienstserviceagentur vor der Zuweisung zum ordentlichen Zivildienst
1. eine Vereinbarung mit einem nach dem Freiwilligengesetz, BGBl. I Nr. 17/2012, anerkannten Träger über die Teilnahme an einem durchgehend mindestens zehn Monate dauernden Freiwilligen Sozialjahr, Freiwilligen Umweltschutzjahr oder Gedenkdienst, Friedens- oder Sozialdienst im Ausland oder
2. […]
vorgelegt haben.
(2) Zivildienstpflichtige, die bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres anhand des vom Träger ausgestellten Zertifikats nachweisen, dass sie eine Tätigkeit von der in Abs. 1 genannten Art und Mindestdauer ausgeübt haben, sind zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes nicht mehr heranzuziehen. Wird die Tätigkeit aus Gründen, die der Zivildienstpflichtige nicht zu vertreten hat, vorzeitig beendet, so ist die zurückgelegte Zeit, soweit sie zwei Monate übersteigt, auf den ordentlichen Zivildienst anzurechnen.“
1.2. Gemäß § 12c ZDG werden Zivildienstpflichtige bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen, wenn sie der Zivildienstserviceagentur vor der Zuweisung zum ordentlichen Zivildienst eine Vereinbarung mit einem nach dem Freiwilligengesetz anerkannten Träger über die Teilnahme an einem durchgehend mindestens zehn Monate dauernden Freiwilligen Sozialjahr vorgelegt haben.
Da der Beschwerdeführer es verabsäumt hat, der Zivildienstserviceagentur rechtzeitig die Vereinbarung über die Teilnahme an einem Freiwilligen Sozialjahr vorzulegen, war die Zivildienstserviceagentur grundsätzlich berechtigt, den Beschwerdeführer zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zuzuweisen.
Erst nach Zustellung dieses Zuweisungsbescheides und somit nach Erlassung dieses Bescheides übermittelte der Beschwerdeführer der Zivildienstserviceagentur mit seiner Bescheidbeschwerde die Vereinbarung und das Zertifikat über die Ableistung eines Freiwilligen Sozialjahres beim Österreichischen Roten Kreuz im Zeitraum vom 01.09.2016 bis zum 31.07.2017.
Gemäß § 8 Freiwilligengesetz sind gemeinnützige Träger der freien Wohlfahrtspflege oder andere gemeinnützige juristische Personen auf Antrag als Träger des Freiwilligen Sozialjahres anzuerkennen. Das Österreichische Rote Kreuz ist ein solcher anerkannter Träger.
Der Beschwerdeführer hat diesen Dienst – wie sich unstrittig aus dem vorgelegten Zertifikat ergibt – auch tatsächlich geleistet.
Zivildienstpflichtige werden zwar gemäß § 12c Abs. 1 ZDG (nur) dann nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen, wenn sie der Zivildienstserviceagentur vor der Zuweisung zum ordentlichen Zivildienst eine Vereinbarung mit einem nach dem Freiwilligengesetz anerkannten Träger über die Teilnahme an einem durchgehend mindestens zehn Monate dauernden Freiwilligen Sozialjahr vorlegen.
Gemäß § 12c Abs. 2 ZDG sind aber Zivildienstpflichtige, die bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres anhand des vom Träger ausgestellten Zertifikats nachweisen, dass sie eine Tätigkeit von der in Abs. 1 genannten Art und Mindestdauer ausgeübt haben, zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes nicht mehr heranzuziehen.
Die bescheidmäßige Zuweisung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes erfolgte zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde zu Recht, weil ihr das Zertifikat über die Ableistung des elfmonatigen Freiwilligen Sozialjahres vor der Erlassung des Zuweisungsbescheides nicht bekannt war.
Der Beschwerdeführer hat aber nach Erlassung des Bescheides der Behörde im Rahmen der Bescheidbeschwerde sowohl die Vereinbarung als auch das Zertifikat über die Ableistung des elfmonatigen Freiwilligen Sozialjahres vorgelegt. An der Echtheit hegt das Bundesverwaltungsgericht keinen Zweifel und auch die Zivildienstserviceagentur hat sich dazu im Zuge der Vorlage der Beschwerde und des Aktes nicht geäußert. Ein Neuerungsverbot besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.
Der Beschwerdeführer hat das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet und es ist ihm daher der Nachweis gemäß § 12c Abs. 2 ZDG gelungen.
Dem angefochtenen Bescheid haftet vor diesem Hintergrund – wenngleich der belangten Behörde aufgrund ihrer zum Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Informationen kein Vorwurf gemacht werden kann - eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Der Beschwerdeführer muss den Zivildienst am 04.01.2021 nicht antreten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Freiwilliges Sozialjahr Zivildienst Zivildiensterklärung Zivildienstserviceagentur ZuweisungsbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W221.2237641.1.00Im RIS seit
24.02.2021Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021