Entscheidungsdatum
15.12.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W154 2193993-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2020 zur Zl. 234371202/201221296, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 05.12.2020 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft seit 05.12.2020 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.
IV. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm VwGAufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters den Verfahrensaufwand in Höhe von 736,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
V. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich am 05.12.2020 zugestellt. Die belangte Behörde stützte die Fluchtgefahr dabei auf § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG.
Am 09.12.2020 langte die Schubhaftbeschwerde des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde beantragt auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt sei und dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie der belangten Behörde die Kosten im gesetzlichen Ausmaß aufzuerlegen.
Die Beschwerde wurde im Wesentlichen damit begründet, dass eine Abschiebung des BF nicht zu realisieren sei, weil die Ausstellung eines Heimreisedokumentes aufgrund mehrfacher erfolgloser Versuche gegenwärtig nicht absehbar sei. Des Weiteren rügt die Beschwerde das Nichtvorliegen von Fluchtgefahr, die Unverhältnismäßigkeit der Haft sowie die Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels.
Auf Ersuchen der zuständigen Gerichtsabteilung wurden dem Bundesverwaltungsgericht in Folge vom BFA die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Stellungnahme erstattet.
Darin führte die belangte Behörde wie folgt aus:
„Der Beschwerdeführer (BF) hat in seiner am 09.12.2020 verfassten und am 10.12.2020 eingelangten
Beschwerde unter Punkt II eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung – Kurzdarstellung, übermittelt. Der chronologische Ablauf des Aufenthaltes des BF wird durch die Behörde nicht in Frage gestellt.
Aufgrund der Kurzdarstellung ist klar ersichtlich, dass sich der BF seit seiner Einreise im Jahr 1995 nicht an der Mitwirkung eines Heimreisezertifikates beteiligt hat. Der BF gibt aus eigenem bekannt, die Formulare zur Erlangung von Dokumenten nicht ausgefüllt zu haben. Der BF hat es sohin unterlassen an einer Änderung seines illegalen Zustandes im Bundesgebiet aktiv mitzuwirken. Der BF hat es jedoch vorgezogen, aktiv bei Festnahmeversuchen betreffend seine Person durch die Exekutive oder durch Hungerstreik während der Schubhaft sich den Maßnahmen der Behörde zu entziehen bzw. diese zu behindern oder vereiteln.
Am 22.09.2020 wurde der BF für den 01.10.2020 um 09:00 Uhr für eine Einvernahme hinsichtlich des
Aufenthaltes und der Ausreise, geladen.
Der Ladung kam der BF nicht nach. Jedoch rief der BF bei der Behörde am 28.09.2020 an und meinte, er habe einen Arzttermin. Weiters gab er an, da er keinen Ausweis hat, kann er die Ladungen nur schwer beheben.
Mit 23.11.2020 wurde das BFA darüber informiert, dass der BF zur Identifizierung als ukrainischer
Staatsangehöriger zu einem Interviewtermin vor der ukrainischen Botschaft erscheinen muss.
Mit 29.11.2020 wurde sohin vom BFA ein Festnahmeauftrag gem. § 34 Abs. 2 Z 2 BFA VG für den BF erlassen.
Aufgrund einer Schwerpunktaktion durch die LPD Wien wurde der BF am 04.12.2020 um 20:30 Uhr gem. § 34 iVm § 40 Abs. 1Z1 BFA-VG, festgenommen und in das PAZ HG gebracht.
Ein Interviewtermin zur Identifizierung des BF bei der ukrainischen Botschaft konnte für Mittwoch,
16.12.2020, um 10:00 Uhr, vereinbart werden.
Der BF hält sich nicht an die im Bundesgebiet geltenden Gesetze.
Der BF gibt aus eigenem an, seit Bestehen der Verpflichtung zur Ausreise davon zu wissen, aber dieser nicht nachgekommen zu sein.
Der BF wurde jedenfalls 10 Mal strafrechtlich rechtskräftig verurteilt.
Der BF geht keiner legalen Beschäftigung nach, kann seinen Lebensunterhalt sohin nicht finanzieren und ist des Weiteren nicht versichert.
Der BF zeigt durch sein bisheriges Verhalten und durch seine Kurzdarstellung in der Beschwerde deutlich, dass er die in Österreich geltenden Normen, Werte und Gesetze wissentlich ignoriert und kein Interesse an einer Ordnung und Sicherheit hat. Der BF stellt sohin eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.“
In der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde abschließend die Abweisung der Beschwerde, gegebenenfalls die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.
1.2. Über den BF wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach die Schubhaft angeordnet, dies zuletzt mit Mandatsbescheid vom 24.04.2018 zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zur Sicherung der Abschiebung.
Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.05.2018, W112 2193993-1/20E (schriftlich ausgefertigt am 20.12.2018) stattgegeben.
Darin wurde wie folgt ausgeführt:
„1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer war nicht österreichischer Staatsbürger. Er verfügte über kein Aufenthaltsrecht in Österreich oder anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Identität des Beschwerdeführers stand nicht fest. Es konnte weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die RUSSISCHE Staatsangehörigkeit zurückgelegt, noch, dass er jemals um Dokumente zum Beleg seiner Identität oder zur Effektuierung seiner Ausreise angesucht hatte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer staatenlos war.
Er reiste 1995 in das Bundesgebiet ein und stellte am 19.07.1995 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.09.1995 abgewiesen wurde. Der dagegen erhobenen Berufung gab das Bundesministerium für Inneres mit Bescheid vom 04.03.1995 statt und erkannte dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zu. Am 18.06.1996 wurde ihm antragsgemäß ein Konventionsreisepass ausgestellt.
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen WIEN vom 31.01.1997 wegen qualifizierten Diebstahls und Wucher zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit verurteilt. Mit Urteil des Jugendgerichtshofes WIEN vom 05.10.1999 wurde der Beschwerdeführer wegen qualifizierten Diebstahles zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen WIEN vom 19.01.2000 wurde der Beschwerdeführer wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von SECHS Jahren verurteilt.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 08.11.2000 der Flüchtlingsstatus aberkannt und festgestellt, dass seine Abschiebung nach RUSSLAND zulässig war. Die dagegen erhobene Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 05.06.2002 als unbegründet ab.
Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion WIEN vom 13.07.2001 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die dagegen erhobene Berufung wies die Sicherheitsdirektion WIEN mit Bescheid vom 24.06.2002 ab.
Der Beschwerdeführer wurde am 21.04.2005 aus der Strafhaft entlassen und unter der Auflage, seinen Wohnsitz zu melden, nach Durchführung der Einvernahme aus der im Anschluss verhängten Schubhaft entlassen. Am selben Tag suchte die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer an.
Am 06.06.2005 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Abschiebeaufschubes. Am 15.12.2005 teilte die RUSSISCHE Botschaft mit, dass sie das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer nicht fortführen konnte, weil der Beschwerdeführer das Antragsformular nicht vollständig ausgefüllt hatte.
Der Beschwerdeführer stellte am 25.04.2005 schriftlich einen Asylfolgeantrag. Dieser wurde am 12.07.2005 als gegenstandslos abgelegt, weil der Beschwerdeführer der Aufforderung, diesen persönlich einzubringen, nicht nachkam.
Der Beschwerdeführer wurde am 25.08.2006 in Schubhaft genommen. Er weigerte sich, das Formular zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates auszufüllen. Österreich ersuchte am 08.09.2006 dennoch um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bei der RUSSISCHEN Botschaft. Der Beschwerdeführer wurde am 14.09.2006 wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen. Am 21.10.2006 teilte die RUSSISCHE Botschaft mit, dass ohne ausgefülltes Antragsformular das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht gestartet werden konnte.
Der Beschwerdeführer wurde am 08.12.2006 festgenommen. Er versuchte drei Mal sich der Festnahme durch Flucht zu entziehen. Er gab im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am selben Tag an, von seiner Verpflichtung zur Ausreise zu wissen, aber bisher nicht ausgereist zu sein. Der Beschwerdeführer wurde am 27.12.2016 aus der Schubhaft entlassen, nachdem er seine Haftunfähigkeit durch Hungerstreik herbeigeführt hatte.
Der Beschwerdeführer wurde am 12.04.2007 aus dem Stande der Untersuchungshaft von der Bundespolizeidirektion WIEN niederschriftlich einvernommen und die Schubhaft im Anschluss an die Strafhaft über den Beschwerdeführer verhängt. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen vom 06.06.2007 wegen qualifizierten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Am 19.08.2008 wurde erneut um ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer angesucht. Am 27.02.2009 wurde der Beschwerdeführer aufgrund der durch Hungerstreik herbei geführten Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen.
Der Beschwerdeführer wurde am 05.10.2009 im Stande der Untersuchungshaft von der Bundespolizeidirektion WIEN niederschriftlich einvernommen. Mit Urteil vom 30.10.2009 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde am 24.03.2010 der Delegation der RUSSISCHEN Botschaft zum Interview vorgeführt, wobei die Identität nicht festgestellt werden konnte. Aus diesem Grund wurde die Identitätsfeststellung in der RUSSISCHEN Föderation eingeleitet. Mit Bescheid vom 21.04.2010 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft im Anschluss an die Strafhaft verhängt. Er wurde am 10.05.2010 aus der Schubhaft entlassen, nachdem er seine Haftunfähigkeit durch Hungerstreik herbeigeführt hatte.
Der RUSSISCHE Migrationsdienst teilte am 01.06.2010 mit, dass auf Grund des durchgeführten Interviews nicht bestätigt werden konnte, dass der Beschwerdeführer RUSSISCHER Staatsbürger war, weshalb die RUSSISCHE Föderation seiner Wiederaufnahme nicht zustimmen konnte. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen WIEN vom 03.02.2011 wurde der Beschwerdeführer wegen qualifizierten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Von der Verhängung der Schubhaft im Anschluss an die Strafhaft wurde abgesehen, da mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer nicht zu rechnen war. Am 04.10.2011 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung einer Karte für Geduldete. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 23.12.2011 abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde von der Sicherheitsdirektion OBERÖSTERREICH mit Bescheid vom 28.03.2012 als unbegründet abgewiesen. Darin stellte die Sicherheitsdirektion fest, dass es die vom Beschwerdeführer verwendeten Identität erwiesenermaßen falsch und die Unmöglichkeit der Abschiebung vom Beschwerdeführer zu vertreten war.
Österreich suchte am 10.01.2012 um ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer durch die UKRAINE an. Die UKRAINE teilte am 13.01.2012 mit, dass für die Überprüfung das Ausfüllen eines Formulars durch den Beschwerdeführer notwendig war. Der Beschwerdeführer wurde am 07.06.2012 festgenommen und am 16.06.2012 im Stande der Untersuchungshaft niederschriftlich einvernommen. Am 27.07.2012 verweigerte er das Ausfüllen des Heimreisezertifikatsantragsformulars und die Beantwortung des Fragebogens für die UKRAINE. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen WIEN vom 01.10.2012 wurde der Beschwerdeführer wegen qualifizierten Diebstahls und Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer Freiheitsstrafe von DREI Jahren verurteilt, da er den verfälschten POLNISCHEN Personalausweis lautend auf Dariusz Benedykt GUTKOWSKY im Rechtsverkehr zum Nachweis einer falschen Identität gegenüber Exekutivbeamten verwendet hatte. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) ersuchte am 15.12.2014 den Sozialdienst der Justizanstalt um die Beantwortung der für die Ausstellung des Heimreisezertifikates durch die Russische Föderation nötigen Fragen mit dem Beschwerdeführer. Das ausgefüllte Formular wurde am 17.12.2014 an das Bundesamt rückübermittelt. Von der Verhängung der Schubhaft im Anschluss an die Strafhaft wurde abgesehen, da die Erlangung eines Heimreisezertifikates aussichtslos erschien.
Am 03.05.2015 teilte die Russische Föderation mit, dass nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger der Russische Föderation war, weil eine Person mit den von ihm angegebenen Daten im Melderegister der Russischen Föderation in der TEILREPUBLIK TSCHETSCHENIEN nicht verzeichnet war und auf diese Angaben kein Inlandsreisepass ausgestellt wurde. Der Beschwerdeführer wurde am 23.05.2015 festgenommen und niederschriftlich vor dem Bundesamt einvernommen. Von der Inschubhaftnahme wurde mangels Erlangung eines Heimreisezertifikates Abstand genommen.
Versuche zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gab es – auch während der Strafhaften des Beschwerdeführers – seit 03.05.2015 nicht mehr. Das Verfahren zur Abklärung der Identität des Beschwerdeführers in der UKRAINE war seit 2012 von der belangten Behörde und ihrer Rechtsvorgängerin nicht mehr betrieben worden.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen WIEN vom 16.11.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen qualifizierten Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von ZWEI Jahren verurteilt. Mit Urteil des Bezirksgerichtes LEOPOLDSTADT vom 27.01.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchten Diebstahls verurteil. Mit Urteil des Bezirksgerichtes INNERE STADT WIEN vom 06.03.2017 wurde er wegen versuchten Diebstahls zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Beschwerdeführer wurde am 02.03.2018 aus der Strafhaft entlassen.
Der Beschwerdeführer hatte das Bundesgebiet seit der Asylaberkennung nicht verlassen. Er verfügte seit der Asylaberkennung im Bundesgebiet weder über einen festen Wohnsitz noch über einen Arbeitsplatz oder familiäre Bezugspunkte.
Der Beschwerdeführer wurde am 22.04.2018 aufgrund eines am selben Tag erlassenen Festnahmeauftrages in HOLLABRUNN festgenommen. Der Beschwerdeführer war haftfähig und befand sich seit 24.04.2018 in Schubhaft, die im Polizeianhaltezentrum ROSSAUER LÄNDE vollzogen wurde. Ein neuer Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die Russische Botschaft wurde erst am 27.04.2018 gestellt. Im Vergleich zu den vergangenen Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates verwendeten die russischen Behörden nun neue Technologien bei der Identifizierung von Antragstellern, auf Grund welcher mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer zu rechnen war.
Der Beschwerdeführer war im Hungerstreik, aber haftfähig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergaben sich aus der hg. mündlichen Verhandlung, den beigeschafften Verwaltungsakten des Asyl- und des Schubhaftverfahrens, Auskünften aus dem ZMR, IZR, Strafregister und der Anhaltedatei sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere der Mitteilung des Amtsarztes vom 04.05.2018.
Dass es die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner in Österreich geführten Identität nicht zutrafen, ergab sich zum einen aus dem Bescheid der Sicherheitsdirektion OBERÖSTERREICH vom 28.03.2012, zum anderen aus der Mitteilung des RUSSISCHEN Föderalen Migrationsdienstes vom 03.05.2015.
Dass der Beschwerdeführer nicht staatenlos war, ergab sich aus dem Umstand, dass die Zurücklegung der RUSSISCHEN Staatsangehörigkeit die Verleihung einer anderen Staatsangehörigkeit voraussetzt (Art 20 lit. c russ. Gesetz über die Staatsangehörigkeit v. 31.05.2002) und der Beschwerdeführer auch nie behauptete, eine andere Staatsangehörigkeit angenommen zu haben; dies konnte auch von amtswegen nicht festgestellt werden oder Doppelstaatsangehöriger gewesen zu sein. Sein Vorbringen zur Zurücklegung der russischen Staatsangehörigkeit war mangels Zusicherungsbescheides und der russ. Rechtslage nicht glaubhaft.
Die Angaben zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer gründeten sich auf die vorliegenden Akten und die Stellungnahme der Direktion des Bundesamtes vom 03.05.2018.“
Rechtlich wurde ausgeführt:
„Der Beschwerdeführer wurde zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft angehalten (§76 Abs. 1, 2 Z 1 FPG).
Die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1, 2 Z 1 FPG lagen vor: Der volljährige Beschwerdeführer war Drittstaatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 05.06.2002 wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 24.06.2002, dem Beschwerdeführer zugestellt am 02.07.2002, wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Der Beschwerdeführer hat das Bundesgebiet seither nicht verlassen. Mit Bescheid vom 28.03.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Duldungskarte abgewiesen.
Das Bundesamt ging zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG vorlag: Er vereitelt seine Abschiebung durch Nichtvorlage von Dokumenten, Angabe der falschen Identität und mehrere Male durch die Weigerung, ein Formular zur Beantragung eines Heimreisezertifikates auszufüllen oder zu unterschreiben und presste sich mehrfach durch Hungerstreik aus der Schubhaft frei (§ 76 Abs. 3 Z 1 FPG). Er verfügt weder über einen festen Wohnsitz, noch über einen Arbeitsplatz oder Familie im Bundesgebiet (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG). Es lag sohin erheblicher Sicherungsbedarf vor.
Die Verhängung der Schubhaft war aber nicht verhältnismäßig: Die belangte Behörde traf die Verpflichtung darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauerte, bzw. ihre Vorgangsweise so einzurichten, dass die Schubhaft überhaupt unterbleiben konnte. Dieser Verpflichtung entsprach die belangte Behörde nicht: Der Beschwerdeführer wurde am 25.04.2018 zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und am 26.04.2018 zur Erlangung eines Heimreisezertifikates einvernommen. Versuche zur Erlangung eines Heimreisezertifikates gab es aber – auch während der Strafhaften des Beschwerdeführers – seit 03.05.2015 nicht mehr. Das Verfahren zur Abklärung der Identität des Beschwerdeführers in der UKRAINE wurde seit 2012 von der belangten Behörde und Ihrer Rechtsvorgängerin nicht mehr betrieben.
Die Verhängung von Schubhaft und Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft war daher ungeachtet des erheblichen Sicherungsbedarfs vor dem Hintergrund der langjährigen Untätigkeit der belangten Behörde, obwohl der Beschwerdeführer in Strafhaft für sie greifbar war und der voraussichtlichen Dauer des Verfahrens zur Erlangung des Heimreisezertifikates entsprechend der Mitteilung des RUSSISCHEN Föderalen Migrationsdienstes vom 03.05.2015 und auch des Umstandes, dass die belangte Behörde die Abklärung der Identität des Beschwerdeführers mit der UKRAINE seit 2012 nicht weiter betrieben hat, im Entscheidungszeitpunkt unverhältnismäßig. Es hätte mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden müssen.
Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 24.04.2018 war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben. Gleichzeitung war die Anhaltung in Schubhaft von 24.04.2018 bis 04.05.2018 für rechtswidrig zu erklären.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Feststellungen des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2018, W112 2193993-1/20E (schriftlich ausgefertigt am 20.12.2018) werden zu Feststellungen im gegenständlichen Erkenntnis erhoben.
Der BF verfügt über kein Reisedokument.
Die belangte Behörde hat zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF lediglich unzureichende Schritte gesetzt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und der vorliegenden oben genannten Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes den BF betreffend.
Hinsichtlich der Identität und der Staatsangehörigkeit des BF haben sich seit dem og. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2018 (schriftlich ausgefertigt am 20.12.2018) laut vorgelegter Verwaltungsakten keine Änderungen ergeben, solche sind auch nicht aus der gegenständlichen Beschwerde erkennbar geworden. Diesbezüglich wird auf die Beweiswürdigung im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2018 (schriftlich ausgefertigt am 20.12.2018) verwiesen.
Hinsichtlich strafgerichtlicher Verurteilungen des BF haben sich seit dem genannten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls keine Änderungen ergeben, dies ergibt sich aus dem im Akt einliegenden rezenten Auszug aus dem Strafregister.
Hinsichtlich der Feststellung eines festen Wohnsitzes sowie familiärer, beruflicher und sozialer Anknüpfungspunkte für den BF in Österreich haben sich laut Aktenlage ebenfalls keine Änderungen seit 04.05.2018 ergeben, weshalb diesbezüglich ebenfalls auf die Beweiswürdigung im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2018 (schriftlich ausgefertigt am 20.12.2018) verwiesen wird.
Die Feststellung, dass der BF (nach wie vor) über kein Reisedokument verfügt, ergibt sich zum einen bereits aus den Ausführungen in der Beschwerde sowie aus den vorgelegten Verwaltungsakten.
Dass das BFA seit der Anhaltung des BF in Schubhaft von 24.04.2018 bis 04.05.2018 lediglich unzureichende Schritte zur Erlangung eines HRZ gesetzt hat, ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt. Wie aus dem Verfahrensakt sowie auch aus der Stellungnahme des BFA vom 10.12.2020 hervorgeht, hat die Behörde innerhalb von 2 ½ Jahren keine Schritte gesetzt, um für den BF ein Heimreisezertifikat, sei es für die Russische Föderation noch für die Ukraine, zu erwirken, dies obwohl die Behörde mit dem BF sehr wohl in Kontakt treten konnte (s. dazu die Ausführungen der belangten Behörde in der Stellungnahme vom 10.12.2020 betreffend die Ladung zu einem Einvernahmetermin, die dem BF offensichtlich ordnungsgemäß zugestellt werden konnte. Sie hat die Zeit bis zur verfahrensgegenständlichen Inschubhaftnahme des BF ohne jegliches Bemühen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes verstreichen lassen.
Im Übrigen ist hinsichtlich der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF auf die Feststellungen im og. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2018 (schriftlich ausgefertigt am 20.12.2018) zu verweisen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
3.1.1. Gesetzliche Grundlage:
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Zur Judikatur:
3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
In seiner Judikatur zu § 77 FPG 2005 ging der Verwaltungsgerichtshof bisher davon aus, dass der UVS als Beschwerdeinstanz im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach der Bejahung eines Sicherungsbedarfs bei seiner Entscheidung zwar die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005 an Stelle der Schubhaft im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen hat, diesem allerdings keine Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, welches der im § 77 Abs. 3 FPG 2005 demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre, zukommt. Deren Auswahl blieb vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2010/21/0140; VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die einer Übertragung dieser Judikatur hinsichtlich des mit Ausnahme der neuen Absätze 8 und 9 weitgehend unveränderten § 77 FPG auf das seit 01.01.2014 anstelle des UVS zuständige Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entgegenstehen würden.
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
3.1.3. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts nach wie vor Sicherungsbedarf in Hinblick auf den im § 76 Abs. 3 FPG enthaltenden Kriterienkatalog gegeben. Das Bundesamt ging, wie bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2018 (schriftlich ausgefertigt am 20.12.2018) ausgeführt, zutreffend davon aus, dass im Falle des BF Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG vorliegt: Der BF vereitelt seine Abschiebung durch Nichtvorlage von Dokumenten, Angabe der falschen Identität und mehrere Male durch die Weigerung, ein Formular zur Beantragung eines Heimreisezertifikates auszufüllen oder zu unterschreiben und presste sich mehrfach durch Hungerstreik aus der Schubhaft frei (§ 76 Abs. 3 Z 1 FPG). Er verfügt weder über einen festen Wohnsitz, noch über einen Arbeitsplatz oder Familie im Bundesgebiet (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG). Es liegt sohin erheblicher Sicherungsbedarf vor.
3.1.4. Die Verhängung der Schubhaft ist aber nicht verhältnismäßig: Die belangte Behörde trifft die Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, bzw. hat sie ihre Vorgangsweise so einzurichten, dass die Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Dieser Verpflichtung entsprach die belangte Behörde nicht: Wie aus dem Verfahrensakt, insbesondere aus der Stellungnahme des BFA vom 10.12.2020, hervorgeht, hat die Behörde innerhalb der letzten 2 ½ Jahren keine weiteren Schritte gesetzt, um für den BF ein Heimreisezertifikat, sei es für die Russische Föderation sei es für die Ukraine, zu erwirken, dies obwohl die Behörde mit dem BF sehr wohl in Kontakt treten konnte (s. dazu die Ausführungen der belangten Behörde in der Stellungnahme vom 10.12.2020 betreffend die Ladung zu einem Einvernahmetermin, die dem BF offensichtlich ordnungsgemäß zugestellt werden konnte. Sie hat die Zeit bis zur verfahrensgegenständlichen Inschubhaftnahme des BF ohne jegliches Bemühen zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes verstreichen lassen.
Die Verhängung von Schubhaft und Anhaltung des BF in Schubhaft ist daher ungeachtet des erheblichen Sicherungsbedarfs vor dem Hintergrund der langjährigen Untätigkeit der belangten Behörde im Entscheidungszeitpunkt unverhältnismäßig. Es hätte mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden müssen.
Aufgrund der fehlenden Notwendigkeit des Freiheitsentzuges war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
3.1.5. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 05.12.2020 für rechtswidrig zu erklären.
3.1.6. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten abschließend ermittelt werden. Eine Einvernahme des BF konnte daher unterbleiben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. – Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft
Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Die Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft in Folge der Untätigkeit der Behörde bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates auch zum absehbaren Ende einer Strafhaft hin muss auch auf den Fortsetzungsausspruch durchschlagen. Eine sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebende andere Sicht wäre nachvollziehbar zu begründen (VwGH 15.10.2015, Ro 2015/21/0026; 19.05.2015, Ro 2015/21/0008; 25.04.2014, 2013/21/0209). Dafür ergaben sich im Verfahren aber keine Anhaltspunkte.
Aufgrund obiger Erwägungen - des Nichtvorliegens ihrer Notwendigkeit - war die Schubhaft auch nicht fortzusetzen.
Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
3.3. Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren
1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.
§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwands des BF als obsiegende Partei mit € 737,60.
Die belangte Behörde hat daher dem BF Kosten iHv € 737,60 zu ersetzten.
3.4. Zu Spruchpunkt V. - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Fluchtgefahr gelinderes Mittel Heimreisezertifikat Kostenersatz Obsiegen private Interessen Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf strafrechtliche Verurteilung Untätigkeit VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2193993.2.00Im RIS seit
24.02.2021Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021