Entscheidungsdatum
16.12.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L510 2131619-2/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geb. am XXXX , StA. Irak, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 29.05.2020 (mündliche Verkündung) abgeschlossenen Verfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes, GZ XXXX (schriftliche Ausfertigung vom 17.08.2020, GZ XXXX ), zu Recht:
A)
Der Antrag wird gemäß § 32 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Einleitend wird auf das am 29.05.2020 mündlich verkündete Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zur GZ XXXX , welches am 17.08.2020 mit der GZ XXXX schriftlich ausgefertigt wurde, sowie auf die Inhalte jenes Verfahrens verwiesen.
2. Mit Schreiben vom 21.10.2020, Poststempel vom 27.10.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 29.10.2020, begehrt der nunmehrige Antragsteller die Wiederaufnahme des oben bezeichneten Verfahrens.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der Antragsteller stellte am 01.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der zunächst vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 05.07.2016 abgewiesen und gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Der Antragsteller erhob Beschwerde gegen jenen Bescheid. Im Rechtsmittelverfahren setzte das Bundesverwaltungsgericht für den 29.05.2020 eine mündliche Verhandlung an und lud den Antragsteller dazu im Wege seiner zum Zeitpunkt der Ladung aufrechten Vertretung. Eine zusätzliche persönliche Ladung des Antragstellers erfolgte nicht, da dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem ZMR keine aufrechte Meldeadresse des Antragstellers entnommen werden konnte (OZ 24, 25 [wenn ohne weitere Angabe, beziehen sich die Fundstellen auf den Akt zum Antrag auf internationalen Schutz]).
1.2. Mit Schreiben vom 12.5.2020 legte die damalige Vertretung des Antragstellers die Vertretungs- und Zustellvollmacht zurück (OZ 26).
1.3. Am 29.05.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht betreffend die Beschwerde des Antragstellers statt. Der Antragsteller erschien dazu unentschuldigt nicht, die belangte Behörde entschuldigte ihr Nichterscheinen im Vorfeld. Mit mündlicher Verkündung im Rahmen dieser Verhandlung wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (OZ 30).
1.3.1. Die Verhandlungsschrift wurde dem BFA per E-Mail vom 29.05.2020 übermittelt (OZ 30). Für den Antragsteller wurde die Zustellung der Verhandlungsschrift ohne vorherigen Zustellversuch am 29.05.2020 hinterlegt und dies am selben Tag auch beurkundet (OZ 30).
1.4. Eine gekürzte Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wurde am 17.08.2020 erstellt. Sie wurde dem BFA elektronisch übermittelt und von diesem am selben Tag angenommen. Für den Antragsteller wurde die Zustellung der gekürzten Ausfertigung durch Hinterlegung ohne vorherigen Zustellversuch angeordnet; das Dokument wurde am 17.08.2020 hinterlegt und diese Hinterlegung auch am 17.08.2020 beurkundet (OZ 31).
1.5. Der Antragsteller stellte einen neuen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am 13.10.2020 vom BFA einvernommen. Er begründete seinen neuen Antrag auf internationalen Schutz damit, dass er schon lange in Österreich lebe und auch hier bleiben wolle. Es habe sich hinsichtlich seiner Ausreisegründe, der Probleme die er im Irak gehabt habe und im ersten Verfahren angegeben habe, nichts geändert, es bleibe alles aufrecht. Von der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht habe er nichts gewusst, er habe keine Post bekommen. Es könne schon sein, dass er eine Ladung bekommen habe, bei der Verhandlung sei er aber nicht gewesen. Er habe eine negative Entscheidung schriftlich bekommen (OZ 1 zum Akt hinsichtlich des Antrages auf Wiederaufnahme).
1.6. Den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, den der Antragsteller am 27.10.2020 zur Post gab, begründete der Antragsteller damit, dass er keine Ladung zu seiner Gerichtsverhandlung erhalten habe und seine frühere Vertretung ihn auch nie wegen einer Verhandlung kontaktiert habe. Er sei acht Monate lang wegen Körperverletzung inhaftiert gewesen und nach seiner Freilassung sei er darüber informiert worden, dass seine Beschwerde abgewiesen worden sei. Da er noch immer nicht in den Irak zurückkehren könne, habe er erneut einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Als er bei seiner früheren Vertretung nachgefragt habe, weshalb man ihn nicht über die Verhandlung informiert habe, sei ihm gesagt worden, dass die Vertretung keine Kontaktadresse von ihm gehabt habe und im ZMR seit 2018 keine Adresse mehr aufscheinen würde. Die Vertretung würde keine Information darüber gehabt haben, dass er sich die ganze Zeit in Österreich aufgehalten habe, da für die Vertretung die Meldeadresse des Antragstellers in der Justizanstalt nicht einsehbar gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe ihm auch keine Ladung geschickt, weshalb der Antragsteller nichts von seinem Verhandlungstermin gewusst habe.
Es treffe den Antragsteller kein Verschulden daran, dass im ZMR keine Meldeadresse von ihm auffindbar gewesen sei und daher weder die frühere Vertretung noch das Bundesverwaltungsgericht ihn über die Verhandlung informieren habe können. Er sei davon ausgegangen, dass die Information, dass er sich in einer Justizanstalt befinde, der Vertretung als auch dem Bundesverwaltungsgericht zugänglich sei. Seine Aussage im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht würde jedenfalls zu einem anderslautenden Ergebnis des Asylverfahrens führen können. Die Frist zur Stellung des Wiederaufnahmeantrages sei gewahrt, da er bei der Einvernahme vor dem BFA am 13.10.2020 erstmals vom Wiederaufnahmegrund erfahren habe (OZ 1 zum Akt hinsichtlich des Antrages auf Wiederaufnahme).
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar und ohne weitere Interpretation aus den jeweils zitierten Aktenteilen, wobei auf die in den Feststellungen jeweils angegebenen Fundstellen verwiesen wird.
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
Eine Verhandlung konnte gem. § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen. Im gegenständlichen Fall ergab sich auch klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war.
4. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
4.1. Gemäß § 32 Abs 1 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn
1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder
4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 32 Abs 2 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
4.2. Zunächst ist festzuhalten, dass das Verfahren zum Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig abgeschlossen ist, da beide Parteien zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen wurden und das im Rahmen der mündlichen Verhandlung verkündete Erkenntnis somit dem Rechtsbestand angehört, es gilt als erlassen. Ausgehend von den Angaben des Antragstellers, wonach er am 13.10.2020 im Rahmen einer Einvernahme vor dem BFA davon erfahren habe, dass es eine Verhandlung betreffend seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz gegeben habe, ist von der Rechtzeitigkeit des Antrages auf Wiederaufnahme auszugehen, zumal er den gegenständlichen Antrag am 27.10.2020 und somit binnen zwei Wochen ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes zur Post gab.
4.3. Der Wiederaufnahmewerber hat den Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, in seinem Antrag aus eigenem Antrieb konkretisiert und schlüssig darzulegen. Sein Antrag kann nur dann zur Wiederaufnahme führen, wenn er Tatsachen vorbringt, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einem anderen Bescheid geführt hätten (VwGH 04.03.2020, Ra 2020/18/0069 mwN).
Die Wiederaufnahme des Verfahrens setzt u.a. die Eignung der neuen Tatsachen oder Beweismittel voraus, dass diese allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Ergebnis herbeigeführt hätten. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH vom 19. April 2007, 2004/09/0159). Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0510).
4.4. Zur Begründung seines Antrages brachte der Antragsteller zusammengefasst vor, dass er von der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nichts gewusst habe, dies nicht auf seinem Verschulden beruht habe und dass seine Aussage im Rahmen einer mündlichen Verhandlung jedenfalls ein anderslautendes Ergebnis im Asylverfahren hervorgebracht hätte. Um welche Aussageinhalte es sich dabei gehandelt hätte sind dem Antrag nicht zu entnehmen.
Mit der Begründung des Antrages auf Wiederaufnahme erfüllt der Antragsteller nicht die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen. Er bringt damit nämlich gerade keine Tatsachen vor, die abstrakt dazu geeignet sein könnten, im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einem anderen Ergebnis zu führen. Der Antragsteller bringt gar keine Tatsachen vor, die auf deren Eignung geprüft werden könnten, am Ergebnis oder der Beweiswürdigung des wiederaufzunehmenden Verfahrens Zweifel aufkommen zu lassen. Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht dazu befugt, dem Antragsteller aufzutragen, relevante Gesichtspunkte nachzureichen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 70 (Stand 01.01.2020, rdb.at), Rz 73).
4.5. Zumal der Antragsteller gar keinen Wiederaufnahmegrund geltend gemacht hat, war der Antrag auf Wiederaufnahme als unzulässig zurückzuweisen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 70 (Stand 01.01.2020, rdb.at), Rz 73 e contrario).
Zu B)
Revision
Da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist die ordentliche Revision nicht zulässig.
Schlagworte
Wiederaufnahme Wiederaufnahmegrund ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L510.2131619.2.00Im RIS seit
24.02.2021Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021