Entscheidungsdatum
13.01.2021Norm
FPG §67 Abs1Spruch
G314 2216740-1/18E
GEKÜRZTE AUSFERTIGUNG DES AM 17.12.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des slowakischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .02.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Gegen den Beschwerdeführer (BF) als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Der BF hält sich seit 2008 - und damit seit mehr als zehn Jahren - im Bundesgebiet auf. Die Kontinuität seines Aufenthalts wurde durch die kurzfristige Strafhaft nicht unterbrochen, weil diese nicht zum Abreißen der hier geknüpften Integrationsbande geführt hat. Für die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist im vorliegenden Fall daher der verschärfte Gefährdungsmaßstab nach § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG maßgeblich. Mit dieser Bestimmung soll Art 28 Abs 3 lit a der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden, wozu der EuGH bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollten; es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne (EuGH 23.11.2010, Tsakouridis, C-145/09, insbesondere Rn. 40, 41 und 49 ff; siehe daran anknüpfend auch EuGH 22.5.2012, P.I., C-348/09, Rn. 19 und 20 sowie Rn. 28, wo überdies - im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, der zu einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe geführt hatte - darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegende(r) Merkmale" bedarf; siehe VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0248).
Hier kann nicht von "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der vom BF begangenen Straftaten gesprochen werden, obwohl er bereits drei Mal strafgerichtlich verurteilt wurde, zumal überwiegend mit der Verhängung bedingter Freiheitsstrafen das Auslangen gefunden werden konnte. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn kommt auf Basis des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG entgegen der Ansicht des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl nicht in Betracht, sodass der auf dieser Annahme fußende Bescheid in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben ist.
Dazu kommt, dass ein Aufenthaltsverbot unverhältnismäßig in das Privat- und Familienleben des BF eingreift, dessen Lebensverhältnisse sich mittlerweile stabilisiert haben. Er hat seine Schulzeit in Österreich verbracht, hat eine Ausbildung und einen Arbeitsplatz in Aussicht, lebt mit seiner Mutter und seinen Schwestern in einem gemeinsamen Haushalt und hat eine österreichische Freundin, die das gemeinsame Kind erwartet.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, bei der sich das Bundesverwaltungsgericht an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.
Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 17.12.2020 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs 5 VwGVG, weil innerhalb der zweiwöchigen Frist kein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs 4 VwGVG gestellt wurde.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot gekürzte AusfertigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2216740.1.00Im RIS seit
24.02.2021Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021