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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch die in Folge der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof ergangene weitere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzstatus an eine Familie irakischer Staatsangehöriger; Verkennung der Bindungswirkung durch den Spruch, dass im ausgesprochenen "Umfang aufgehoben und die darin vertretene Rechtsansicht hergestellt" wird sowie mangelnde Auseinandersetzung mit der Situation im Herkunftsstaat und der Situation MinderjährigerRechtssatz
Das BVwG hat im fortgesetzten Verfahren (s die Aufhebung durch den VfGH mit E vom 08.06.2020, E883/2020 ua) ein Ermittlungsverfahren in den für das BVwG entscheidungswesentlichen Punkten unterlassen und damit Willkür geübt. Weder trifft es im Hinblick auf die minderjährigen Beschwerdeführerinnen Feststellungen zur Situation von Minderjährigen im Herkunftsstaat, insbesondere zur Lage in der Provinz Diyala, noch setzt es sich ermittelnd mit der in dieser Provinz bzw in der konkreten Herkunftsregion der Beschwerdeführer vorherrschenden Sicherheitslage auseinander oder setzt diese zur individuellen Situation der Beschwerdeführer in Beziehung. Das angefochtene Erkenntnis ist willkürlich, weil begründungslos ergangen. Den Enunziationen des BVwG, die dieses unter der Rubrik "Rechtliche Beurteilung" tätigt, kommt in Bezug auf die vom BVwG zu entscheidende Sache kein Begründungswert zu.
Das BVwG wäre §87 Abs2 VfGG verpflichtet gewesen, mit den zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VfGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen und die für die Beantwortung der zunächst maßgeblichen Rechtsfrage, ob die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in eine existenz- oder lebensbedrohliche Lage im Sinne der Art2 und Art3 EMRK geraten würden, erforderlichen Ermittlungen insbesondere zur Sicherheitslage in der Provinz Diyala bzw in der konkreten Herkunftsregion der Beschwerdeführer im Allgemeinen und zur Sicherheits- und Versorgungssituation von Minderjährigen in dieser Provinz im Besonderen anzustellen und in der Folge rechtlich begründet über die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten zu entscheiden.
Mit der insoweit getroffenen Entscheidung kommt das BVwG dieser aus §87 Abs2 VfGG folgenden gesetzlichen Verpflichtung in keiner Weise nach. Mit dem Ausspruch, dass die vor dem BVwG angefochtenen Bescheide in dem vom VfGH "aufgezeigten Umfang aufgehoben und die darin vertretene Rechtsansicht hergestellt" wird, bleibt völlig offen, ob das BVwG die Bescheide ersatzlos beheben oder gemäß §28 Abs3 VwGVG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen oder ob es den Anträgen auf internationalen Schutz stattgeben oder diese abweisen wollte. Es bleibt auf Grund der Entscheidung des BVwG gänzlich unklar, welche Rechtsposition den Beschwerdeführern zukommen soll.
Das BVwG verkennt damit seine rechtliche Verpflichtung aus §87 Abs2 VfGG in jeder Hinsicht, verstößt gegen diese Bestimmung und verletzt somit die Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren neuerlich in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.
Schließlich ist festzuhalten, dass das BVwG mit der getroffenen Entscheidung auch die Anforderungen des §59 Abs1 AVG iVm §17 VwGVG (dazu, dass der Spruch eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter deutlicher Fassung zu erledigen und dabei dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit zu entsprechen hat) und diejenigen des §28 Abs2 VwGVG (wonach das BVwG grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat) gröblich verkannt und auch insoweit sein Erkenntnis mit Willkür belastet hat. Das angefochtene Erkenntnis ist somit offensichtlich nicht einmal ansatzweise darauf ausgerichtet, eine rechtskonforme Erledigung der Sache herbeizuführen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Ersatzentscheidung, Bindung (der Verwaltungsgerichte an VfGH), Asylrecht / Vulnerabilität, Ermittlungsverfahren, Kinder, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2020:E2912.2020Zuletzt aktualisiert am
24.02.2021