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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AsylG 2005 §55Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des H K in A, vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hafferlstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Juni 2020, W274 2142167-2/3E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein im Juli 1984 geborener iranischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise in Österreich am 12. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 14. November 2016 hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl und subsidiärem Schutz ab. Unter einem erließ es - unter Einräumung einer Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab deren Rechtskraft - eine Rückkehrentscheidung und es stellte die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers in den Iran fest.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 27. Juni 2019 als unbegründet ab. Die Behandlung der dagegen gerichteten Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit dem Beschluss VfGH 24.9.2019, E 2842/2019, ab. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde nicht erhoben.
4 Der Revisionswerber stellte sodann am 8. November 2019 beim BFA nach § 55 AsylG 2005 einen Antrag auf Erteilung eines „Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK“.
5 Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 22. November 2019 - ohne Erlassung einer Rückkehrentscheidung - gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurück, weil entsprechend der genannten Bestimmung gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen worden sei und aus dem Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich gemacht hätte, nicht hervorgehe.
6 Diese Einschätzung bestätigte das BVwG mit näherer Begründung und gab daher der dagegen erhobenen Beschwerde mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 24. Juni 2020 keine Folge. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung der Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde (VfGH 21.9.2020, E 2635/2020-14) und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 30.10.2020, E 2635/2020-16) - fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision, die sich als unzulässig erweist.
8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 In der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG in der Revision vorgetragenen Begründung zu ihrer Zulässigkeit meint der Revisionswerber zunächst, „mit Blick auf den vorliegenden Fall“ fehle es bislang an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob die in Art. 133 Abs. 4 B-VG normierten Zulässigkeitsgründe als taxative oder demonstrative Aufzählung anzusehen seien. So ließe sich etwa die vom Verwaltungsgerichtshof beabsichtigte Änderung oder Modifikation seiner bisherigen Judikatur nicht unter die in der genannten Bestimmung aufgezählten Fälle subsumieren, was „konsequenterweise“ für eine bloß demonstrative Aufzählung spreche. Der Frage, ob es sich bei der in Art. 133 Abs. 4 B-VG vorgenommenen Normierung um ein „geschlossenes oder offenes System“ handle, komme aber über den Einzelfall hinausgehende grundlegende Bedeutung zu.
11 Darauf ist schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil den Revisionsausführungen nicht zu entnehmen ist, dass die Beantwortung dieser Frage für den vorliegenden Fall entscheidungswesentlich sein könnte. Die Behandlung fallbezogen nicht relevanter, sich bloß abstrakt stellender Rechtsfragen ist aber nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes (siehe etwa VwGH 19.11.2019, Ra 2019/14/0515, Rn. 11, mwN; vgl. auch VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0235, 0236, Rn. 6, mwN).
12 Des Weiteren verweist der Revisionswerber auf das vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Beschluss VwGH 18.12.2019, EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtete Vorabentscheidungsersuchen, dessen Ergebnis vom BVwG seiner Ansicht nach abzuwarten gewesen wäre.
13 Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass sich das genannte Vorabentscheidungsersuchen auf die Auslegung von Art. 40 Abs. 2 und 3 der Verfahrens-RL (Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes [Neufassung]) im Zusammenhang mit der Zurückweisung von Asylfolgeanträgen wegen entschiedener Sache bezieht. Der genannten Bestimmung der Verfahrens-RL kommt aber für die auf § 58 Abs. 10 AsylG 2005 gestützte Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 keine Bedeutung zu, sodass die in dem erwähnten Vorabentscheidungsersuchen aufgeworfenen Fragen für den vorliegenden Fall nicht präjudiziell sind. Darauf musste daher das BVwG - entgegen der Meinung in der Revision - in keiner Weise Bedacht nehmen.
14 Schließlich macht der Revisionswerber noch unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision geltend, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 BFA-VG abgewichen, indem es unter Bezugnahme auf § 24 VwGVG ohne Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen zu Unrecht die in der Beschwerde beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen habe.
15 Entgegen dieser Auffassung war das Absehen von der Verhandlung aber von § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG gedeckt, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen war. Die Revision legt auch nicht dar, aufgrund welcher Umstände die Durchführung einer Verhandlung trotz Erfüllung des Tatbestandes des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens des BVwG geboten gewesen wäre (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0341, 0342, Rn. 19, mwN, und darauf Bezug nehmend etwa VwGH 4.3.2020, Ra 2020/21/0051, Rn. 12). Soweit dazu nämlich in der Revision auf neues Vorbringen in der Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid des BFA vom 22. November 2019 und auf ein im Beschwerdeverfahren erstmals vorgelegtes iranisches Urteil verwiesen wird, bleibt einerseits unberücksichtigt, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vom BFA unter dem Gesichtspunkt „entschiedene Sache“ vorgenommenen Antragszurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 jener der Erlassung des behördlichen Bescheides war (vgl. etwa VwGH 26.6.2020, Ra 2017/22/0183, Punkt 6.2. der Entscheidungsgründe, mwN, wonach für diese Prüfung jene Umstände maßgeblich sind, die bis zum erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid eingetreten sind). Andererseits ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 58 Abs. 10 AsylG 2005, dass für das BFA maßgebliche Beurteilungsgrundlage nur das „Antragsvorbringen“ ist und dass das BVwG bloß die Richtigkeit der vom BFA - auf dieser Basis - ausgesprochenen Zurückweisung zu prüfen hat (vgl. erneut VwGH 26.6.2020, Ra 2017/22/0183, nunmehr Punkt 6.4. der Entscheidungsgründe; siehe auch VwGH 29.5.2013, 2011/22/0102, zur Vorgängerregelung des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG, wonach „Sache“ des Berufungsverfahrens nur die Frage ist, ob die Zurückweisung des Antrages durch die erstinstanzliche Behörde zu Recht erfolgte).
16 Im Übrigen ist die Beurteilung des BVwG, seit dem Erkenntnis des BVwG vom 27. Juni 2019 bis zur Erlassung des Bescheides des BFA vom 22. November 2019 hätten sich - schon wegen des seither verstrichenen kurzen Zeitraums von knapp fünf Monaten und wegen der Unsicherheit dieses Aufenthalts im Sinne der Z 8 des § 9 Abs. 2 BFA-VG - die für die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG maßgeblichen Verhältnisse nicht entscheidend geändert und damit sei der Zurückweisungsgrund nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 gegeben gewesen, jedenfalls vertretbar (siehe zu diesem für das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auch bei einer Beurteilung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 maßgeblichen Kalkül VwGH 4.4.2019, Ro 2019/21/0003, Rn. 9, und darauf verweisend VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0182, Rn. 13). Im Übrigen hat der Revisionswerber die Deutschprüfung auf dem Niveau B1 entgegen seinem Vorbringen nicht in diesem Zeitraum abgelegt; die diesbezüglichen, mit dem Antrag vorgelegten Bestätigungen datieren vielmehr vom 11. Oktober 2018 und vom 26. Jänner 2019. Außerdem ist die weitere (wiederholte) Revisionsbehauptung, mit der Beschwerde seien „zahlreiche Empfehlungsschreiben von maßgeblichen Unterstützern“ zum Nachweis der bisherigen Integration vorgelegt worden, durch die Aktenlage nicht gedeckt.
17 Der Revision gelingt es somit nicht, fallbezogen relevante Rechtsfragen aufzuzeigen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 22. Jänner 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210520.L00Im RIS seit
01.03.2021Zuletzt aktualisiert am
01.03.2021