TE Vwgh Beschluss 2021/1/22 Ra 2020/21/0506

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Veröffentlicht am 22.01.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/01 Sicherheitsrecht
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
41/02 Staatsbürgerschaft
41/03 Personenstandsrecht
44 Zivildienst
62 Arbeitsmarktverwaltung
72/01 Hochschulorganisation
72/02 Studienrecht allgemein

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs4
BFA-VG 2014 §9 idF 2018/I/056
B-VG Art133 Abs4
FrÄG 2018
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des K K (auch: K), derzeit in Garsten, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Juli 2020, W192 2217208-1/12E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Serbiens, wurde im Jahr 1996 in Österreich geboren und verfügte während des anschließenden durchgehenden Aufenthalts über Aufenthaltstitel. Zuletzt war ihm - nach einer Rückstufung gemäß § 28 Abs. 1 NAG - eine bis 17. Mai 2019 gültige „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ erteilt worden; diesbezüglich stellte er fristgerecht einen Verlängerungsantrag.

2        Der Revisionswerber wurde bereits als Jugendlicher straffällig und deshalb im Juni 2014 wegen Körperverletzung, im September 2014 wegen schwerer Körperverletzung und Raufhandels, im November 2014 wegen gefährlicher Drohung und im Jänner 2015 wegen dauernder Sachentziehung und wegen Besitzes von Waffen trotz eines bestehenden Waffenverbotes zu jeweils bedingt nachgesehen Freiheitsstrafen von vier Wochen und vier Monaten (als Zusatzstrafe) sowie zu einer teilbedingten Geldstrafe und einer unbedingten Geldstrafe verurteilt.

3        Mit Urteil vom 10. November 2015 erfolgte sodann die erste Verurteilung des Revisionswerbers wegen eines Suchtmitteldeliktes, nämlich wegen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 3 SMG (Überlassen von Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge zur Verschaffung von Mitteln zum Erwerb von Suchtgift für den eigenen Gebrauch) und wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG (Erwerb und Besitz von Suchtgiften ausschließlich zum eigenen Gebrauch) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Dem Schuldspruch lag zugrunde, der Revisionswerber habe im Zeitraum Frühjahr 2014 bis Anfang Juni 2015 zumindest 200 Gramm Heroin an unbekannte Abnehmer gewinnbringend verkauft, wobei er selbst an Suchtmittel gewöhnt gewesen sei und die Taten vorwiegend zur Deckung des Eigenkonsums begangen habe. Überdies habe er im Zeitraum Sommer 2013 bis Ende Oktober 2015 Heroin und Marihuana ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Im Dezember 2016 wurde über den Revisionswerber wegen der Beteiligung an einem Diebstahl von Suchtmitteln noch eine ebenfalls bedingt nachgesehene Zusatz-Freiheitsstrafe von zwei Monaten verhängt.

4        Der Revisionswerber wurde noch während der Probezeiten rückfällig, bereits Anfang April 2017 in Untersuchungshaft genommen und in der Folge mit Urteil vom 21. März 2018 wegen des als Bestimmungstäter begangenen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG (Einfuhr und Ausfuhr von Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge), wegen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 3 SMG (Überlassen von Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge) und wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG (Erwerb und Besitz von Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt, die er bis zu seiner bedingten Entlassung am 4. Jänner 2019 verbüßte. Dem Revisionswerber wurde - so die unbekämpften Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis - im Wesentlichen zur Last gelegt, Ende 2016 bei unbekannten ausländischen Suchtgifthändlern eine Gesamtmenge von 25 Kilogramm Cannabiskraut geordert zu haben, die in der Folge von unbekannten Lieferanten aus Serbien aus- und nach Österreich eingeführt worden sei. Rund 10,5 Kilogramm Cannabiskraut habe der Revisionswerber in der Folge an verschiedene Abnehmer gewinnbringend verkauft, wobei ein Großteil dieser Menge aus der genannten Schmuggelware gestammt habe.

5        Hierauf erließ das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 4. März 2019 gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und verband damit ein auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gestütztes, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot. Unter einem stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei und gewährte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

6        In der dagegen am 3. April 2019 erhobenen Beschwerde wurde unter anderem vorgebracht, der Revisionswerber habe sich seit der letzten Verurteilung vom 21. März 2018 wohlverhalten und eine Arbeitsstelle gefunden. Die bisher erfolgten Verurteilungen könnten eine negative Zukunftsprognose noch nicht rechtfertigen. Besonders zu berücksichtigen sei, dass dem Revisionswerber in Bezug auf die letzte Verurteilung ab 28. Mai 2018 der elektronisch überwachte Hausarrest gewährt worden sei; eine solche Entscheidung werde aber ausnahmslos nur bei einer positiven Zukunftsprognose getroffen.

7        Entgegen diesen Ausführungen wurde der Revisionswerber einschlägig rückfällig. Zunächst wurde er mit Urteil vom 5. November 2019 wegen grob fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt. Vor allem musste aber über den Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil vom 21. Februar 2020 wegen des als Beteiligter begangenen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG (Überlassen von Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge), wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG (Erwerb und Besitz von Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch) sowie wegen Nötigung, versuchter Körperverletzung und gefährlicher Drohung eine unbedingte Zusatz-Freiheitsstrafe von 25 Monaten verhängt werden, die unter Anrechnung der Anhaltung seit 7. Oktober 2019 derzeit noch vollzogen wird. Diesem Schuldspruch lag im Wesentlichen zugrunde, der Revisionswerber habe im Zeitraum von Ende Mai 2018, somit schon während der Zeit des bewilligten elektronischen Hausarrestes, bis zu seiner Festnahme am 7. Oktober 2019 insgesamt 1.000 Gramm bis 1.400 Gramm Cannabiskraut, insgesamt 11 Gramm Heroin und insgesamt ca. 81,5 Gramm Cocain.HCI an unterschiedliche Abnehmer mit Gewinnaufschlag verkauft bzw. unentgeltlich überlassen. Im Zeitraum vom 5. Jänner 2019, somit beginnend unmittelbar nach der bedingten Entlassung aus der Strafhaft, bis 7. Oktober 2019 habe er gelegentlich Cannabiskraut und Levomethadon sowie regelmäßig Heroin ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen. Des Weiteren habe der Revisionswerber am 12. August 2019 eine Frau, die zum damaligen Zeitpunkt keinen Kontakt mit ihm hätte habe wollen, mit Gewalt, nämlich durch Festhalten, Versetzen eines Stoßes und Reißen an den Haaren dazu genötigt, dass sie bei ihm bleibe und ein Gespräch mit ihm führe. Außerdem wurde ihm wegen der beschriebenen Tathandlungen eine versuchte Körperverletzung zur Last gelegt. Schließlich habe der Revisionswerber noch eine weitere weibliche Person mit der Zufügung einer Körperverletzung gefährlich bedroht.

8        Vor diesem Hintergrund wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 4. März 2019 mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Juli 2020 als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - nach Ablehnung der Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde und ihrer Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof (VfGH 7.10.2020, E 2849/2020) - fristgerecht ausgeführte außerordentliche Revision, die sich als unzulässig erweist.

10       Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

12       In dieser Hinsicht wird in der Revision geltend gemacht, es bedürfe „klarstellender Ausführungen“ des Verwaltungsgerichtshofes, ob „gravierende fremdenpolizeiliche Maßnahmen“ ohne mündliche Verhandlung erlassen werden dürften. Mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung könne sich der Richter ein Bild von der Persönlichkeit und dem Charakter des Beschwerdeführers machen. Das sei aber unerlässlich, um die bei der Erlassung „eines Aufenthaltsverbotes“ durchzuführende Interessenabwägung, aber insbesondere auch die zu treffende Gefährdungsprognose „seriös und rechtsstaatlich einwandfrei“ erstellen zu können.

13       Demzufolge wird in der Revision zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Verhandlungspflicht des BVwG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen behauptet. Dabei wird außer Acht gelassen, dass es zu dieser Frage ohnehin bereits umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor dem Hintergrund des § 21 Abs. 7 BFA-VG, auf den auch das BVwG die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung stützte, gibt (siehe dazu des Näheren VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316, Rn. 7, unter Bezugnahme v.a. auf VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, Rn. 15 iVm Rn. 12, mwN). Insoweit bedarf es daher keiner „klarstellenden Ausführungen“ mehr (vgl. zu einem ähnlichen Vorbringen des auch hier einschreitenden Rechtsvertreters bereits VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0275, Rn. 12, und zu den Voraussetzungen gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf Vorjudikatur des Näheren Rn. 13).

14       Im vorliegenden Fall ist aber maßgeblich, dass in der vom rechtsanwaltlichen Vertreter des Revisionswerbers eingebrachten Beschwerde kein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder ein in diesem Sinn zu verstehender Beweisantrag gestellt wurde. Allerdings hat das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auch ohne Antrag, und zwar selbst bei anwaltlich Vertretenen, von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn es dies für erforderlich hält. Dabei steht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts (siehe zuletzt etwa VwGH 16.7.2020, Ra 2019/21/0329, Rn. 20, mwN; vgl. in diesem Sinn etwa auch VwGH 5.9.2018, Ra 2017/12/0121, Rn. 14/15, mwN). In diesen Fällen ist eine Verhandlung etwa dann geboten, wenn ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird, dessen Prüfung eine mündliche Erörterung oder Zeugenvernehmung erfordert (vgl. neuerlich VwGH 16.7.2020, Ra 2019/21/0329, Rn. 20, mit dem Hinweis auf VwGH 15.3.2018, Ra 2017/21/0147, Rn. 12, und VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0160, Rn. 8, jeweils mwN).

15       Am Maßstab dieser Judikatur war das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall aber jedenfalls vertretbar, und zwar angesichts der vom Revisionswerber begangenen, besonders gravierenden Straftaten sowohl betreffend die Gefährdungsprognose als auch betreffend die Interessenabwägung.

16       In Bezug auf die Bewertung des strafrechtlichen Fehlverhaltens des Revisionswerbers verwies das BVwG zunächst auf die Ausführungen in dem gegen den Revisionswerber zuletzt ergangenen Strafurteil vom 21. Februar 2020, wonach die mit der Intention der Lukrierung finanzieller Einnahmequellen zur Bestreitung oder Ergänzung des Lebensunterhaltes verübte Suchtmitteldelinquenz ein „besonders hohes Schuldmaß“ beim Revisionswerber aufzeige. Er habe sich vom bereits verspürten Haftübel gänzlich unbeeindruckt gezeigt und sein Verhalten dokumentiere die Wirkungslosigkeit bisheriger strafrechtlicher Sanktionen. Die Tatbegehung während elektronisch überwachten Hausarrests sowie während offener Probezeit stehe der Annahme künftigen Wohlverhaltens entgegen. Diesen Überlegungen des Strafgerichtes schloss sich das BVwG in seiner Entscheidung an und folgerte, aufgrund des bisherigen Verhaltens des Revisionswerbers sei zu prognostizieren, dass er in der Zukunft neuerlich Straftaten insbesondere im Bereich der Suchtgiftkriminalität begehen werde. Weder offene Probezeiten und die Beistellung von Bewährungshilfe noch zahlreiche Vorverurteilungen sowie die im März 2018 verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren und deren teilweiser Vollzug hätten den Revisionswerber davon abzuhalten vermocht, jeweils sehr rasch rückfällig zu werden, sodass eine positive Zukunftsprognose - im Einklang mit den Erwägungen des Strafgerichtes im Urteil vom 21. Februar 2020 - nicht getroffen werden könne. Dem Revisionswerber sei zuletzt auch bewusst gewesen, dass gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen worden und ein diesbezügliches Beschwerdeverfahren anhängig sei, doch habe auch die drohende Aufenthaltsbeendigung keine Änderung seiner Einstellung bewirken können. Vielmehr habe er noch während der Zeit des elektronisch überwachten Hausarrestes bis zu seiner Festnahme im Oktober 2019 weiterhin regelmäßig Suchtgiftdelikte begangen. Es sei daher die Annahme gerechtfertigt, der Revisionswerber stelle bei einem weiteren Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar, zumal sein Persönlichkeitsbild durch Gleichgültigkeit gegenüber der Rechtsordnung geprägt sei.

17       Diesen Ausführungen ist beizupflichten und es ist nicht zu sehen, dass das BVwG in dieser Konstellation bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Bezug auf die Gefährdungsprognose (auch am Boden des § 52 Abs. 5 FPG) zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Soweit in der Revision dazu ins Treffen geführt wird, sämtliche Straftaten seien auf jugendlichen Leichtsinn und Unreife zurückzuführen, wird das von vornherein den beschriebenen Delikten des Revisionswerbers nicht gerecht. Abgesehen davon war der Revisionswerber bereits bei Begehung der dem Urteil vom 21. März 2018 zugrunde liegenden Straftaten schon über zwanzig Jahre alt. Dass der Revisionswerber „aus seinen Fehlern“ gelernt habe, wie in der Revision diesbezüglich noch behauptet wird, ist aber schon aufgrund des zuletzt gezeigten einschlägigen Rückfalls noch während der Verbüßung der Freiheitsstrafe und der Fortsetzung der offenbar mit seinem eigenen Suchtgiftkonsum und seiner Mittellosigkeit im Zusammenhang stehenden Delikte nach dem SMG sofort nach der bedingten Entlassung eindrucksvoll widerlegt. Ein „nunmehr positiver Lebenswandel“ hätte sich aber entgegen der Meinung in der Revision auch deshalb in einer Verhandlung nicht ergeben können, weil es jedenfalls bei Delikten der in Rede stehenden Art für den Wegfall der Gefährdung erst eines ausreichend langen Wohlverhaltens nach Verbüßung der - beim Revisionswerber aktuell noch in Vollzug befindlichen - Freiheitsstrafe bedarf. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. etwa VwGH 4.3.2020, Ra 2020/21/0035, Rn. 11, mwN); hier ist aber von großer Gefährlichkeit auszugehen.

18       Entgegen der Meinung in der Revision berücksichtigte das BVwG bei der an Hand der Kriterien des § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung ausreichend, dass die Eltern und drei Geschwister des Revisionswerbers in Österreich leben und er hier aufgewachsen ist. Dass aber nunmehr Einreiseverbote auch gegen in Österreich geborene Drittstaatsangehörige erlassen werden können, ist eine Konsequenz der durch den Gesetzgeber mit dem FrÄG 2018 mit Wirksamkeit seit 1. September 2018 vorgenommenen Aufhebung der ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände nach § 9 Abs. 4 BFA-VG. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zwar trotzdem die in diesen Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Wertungen im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG weiter beachtlich. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber allerdings bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum zur Erlassung eines Einreiseverbotes einräumen (vgl. des Näheren unter Bezugnahme auf Vorjudikatur VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238, Rn. 12, und daran anschließend etwa VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0276, Rn. 7).

19       Eine hierfür erforderliche „gravierende Straffälligkeit“ durfte aber hier in Bezug auf den (als Bestimmungstäter begangenen) grenzüberschreitenden Schmuggel von Suchtgift in großem Ausmaß und auf den durch einschlägige Rückfälle gekennzeichneten Verkauf von Suchtgift in beträchtlicher Menge vertretbar angenommen werden. Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, dass das BVwG bei seiner Abwägung dem Interesse des Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich kein höheres Gewicht beimaß als dem öffentlichen Interesse (insbesondere) an der Verhinderung von Suchtmitteldelikten der genannten Art und dass es die Auffassung vertrat, der Revisionswerber habe deshalb die Trennung von seinen Angehörigen und Schwierigkeiten bei der Existenzgründung in Serbien im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Maßgebliche konkrete Umstände, aufgrund derer das BVwG bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung diesbezüglich zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, werden in der Revision nicht aufgezeigt. Den Bindungen des Revisionswerbers in Österreich wurde im Übrigen bei der mit fünf Jahren festgesetzten Dauer des Einreiseverbotes ausreichend Rechnung getragen. Auch insoweit ist die Revision mit ihrem gegenteiligen Standpunkt nicht im Recht.

20       Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 22. Jänner 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210506.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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