TE Lvwg Erkenntnis 2021/1/18 VGW-123/077/14168/2020, VGW-123/077/15201/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.01.2021
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Entscheidungsdatum

18.01.2021

Index

97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2018 §106 Abs2 Z1
BVergG 2018 §106 Abs3
BVergG 2018 §109 Abs1
BVergG 2018 §109 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richter Dr.in Lettner als Vorsitzende, Dr. Oppel und Mag.a Mandl über die Anträge der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, auf Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlagen und auf Nichtigerklärung bestimmter Festlegungen in der 2. Fragebeantwortung vom 17.11.2020 und der 3. Fragebeantwortung vom 25.11.2020 betreffend das Vergabeverfahren "Lieferung von Matratzen- und Bettensysteme für Dekubitusprophylaxe und -therapie auf Mietbasis für die Einrichtungen des Wiener Gesundheitsverbunds sowie der KRAGES", der Stadt Wien - Wiener Gesundheitsverbund und der Burgenländische Krankenanstalten GmbH, beide vertreten durch Rechtsanwälte GmbH,

zu Recht e r k a n n t :

I.     Der Antrag der A. GmbH vom 06.11.2020 auf Nichtigerklärung der Ausschreibung sowie in eventu auf Teilnichtigerklärung der in den Eventualanträgen aufgelisteten Teile der Ausschreibung und der Antrag der A. GmbH vom 27.11.2020 auf Nichtigerklärung der Antwort zu Frage 15 in der 2. Fragebeantwortung vom 17.11.2020 und der Antwort zu Frage 17 in der 3. Fragebeantwortung vom 25.11.2020 werden abgewiesen.

II.    Die Antragsgegnerinnen haben der Antragstellerin 4.471,00 € an Pauschalgebühren binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der Rechtsvertreterin zu ersetzen.

III. Der Antragstellerin sind 1.550,00 Euro an zu viel entrichteter Pauschalgebühr rückzuerstatten.

IV.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Antragsgegnerinnen sind öffentliche Auftraggeberinnen und führen ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Lieferauftrages betreffend Matratzen- und Bettensysteme für Dekubitusprophylaxe und –therapie auf Mietbasis. Der Auftragsgegenstand ist in sieben Lose gegliedert. Die Ausschreibung wurde am 20.10.2020 EU-weit bekannt gemacht. Als Ende der Angebotsfrist war zunächst der 16.11.2020 vorgesehen.

Die Antragstellerin hat mit Antrag vom 6.11.2020 die Nichtigerklärung der Ausschreibung und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt. Die einstweilige Verfügung wurde mit Beschluss vom 13.11.2020, VGW-124/077/14170/2020-3, dahingehend erlassen, dass für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Angebotsfrist mit der Wirkung einer Fortlaufhemmung ausgesetzt und den Antragsgegnerinnen die Öffnung der Angebote untersagt wurde.

Inhaltlich wendet sich der Antrag auf Nichtigerklärung gegen folgende Festlegungen:

1. Hinsichtlich der CPR-Funktion („Cardiopulmonale Reanimation“) ist in den Losen 2, 3, 5 und 6 in der Leistungsbeschreibung (Beilage 13.01) festgelegt, dass diese Funktion gut sichtbar am Fußende auslösbar sein muss. Darüber hinaus ist die Verortung am Steuergerät oder an einem dem Steuergerät naheliegenden Teil des Hauptversorgungsschlauches vorzusehen. Der betreffenden Funktion kommt dann Bedeutung zu, wenn eine Wiederbelebung notwendig wird. Die Funktion zielt darauf ab, dass die Luft rasch aus der Matratze entweichen kann, damit sie eine flache Liegefläche für die Herz-Kreislauf-Massage bildet.

Die Antragstellerin macht als Rechtswidrigkeit geltend, es sei jeweils unsachlich und diskriminierend, zu verlangen, dass die Funktion zwingend am Fußende gut sichtbar ausgelöst werden können muss. Wo die CPR-Funktion verortet sei, ob am Steuergerät, im Hauptversorgungschlauch oder an einer anderen Stelle, sei für die Wirksamkeit der CPR-Funktion unerheblich. Es sei zwingend eine Einweisung in die Handhabung der Matratze erforderlich. Daher habe das Personal Kenntnis davon, wo sich bei der jeweiligen Matratze die CPR-Funktion befindet. Ein Großteil der am Markt befindlichen Systeme unterschiedlicher Hersteller habe die CPR-Funktion nicht wie in diesem Muss-Kriterium beschrieben, verfüge aber ebenso über die erforderliche Zulassung als Medizinprodukt.

In diesem Zusammenhang liege auch ein Widerspruch zu den Zuschlagskriterien vor. Im Zuschlagskriterium „Qualität der Produkte“ werden gemäß Pkt. 12b der BTB bei Erfüllung der im Funktionalitätenkatalog (Beilage 13.01.01.) festgelegten Anforderungen bestimmte Punkte vergeben. Als eine der Funktionen, für die Punkte vergeben werden, werde in den Losen 2 bis 7 „CPR-Funktion mit Schnellentlüftung“ angeführt.

Eine CPR-Funktion diene jedoch definitionsgemäß der Schnellentlüftung. Wie ausgeführt, würden Mindestanforderungen an die Verortung der CPR-Funktion festgelegt. Die Auftraggeberinnen würden damit das Vorhandensein einer solchen Funktion voraussetzen. Unter Heranziehung des objektiven Erklärungswertes sei für die Bieter unklar, in welchem Verhältnis diese Anforderung im Funktionalitätenkatalog zu den Mindestanforderungen stehe und diese zu verstehen sei.

2. In der Leistungsbeschreibung (Beilage 13.01) in den Losen 1 bis 3, 5 und 6 sind die „Matratzenabmessungen für ein Standard-Krankenhausbett“ mit 200 cm Länge, 90 cm Breite maximal 23 cm Höhe mit einer Toleranz bei den Längen- und Breitenmaßen von + 0 / - 5 cm festgelegt.

Als Rechtswidrigkeit macht die Antragstellerin geltend, es sei unsachlich und diskriminierend, bei der Matratzenlänge von 200 cm keine Toleranz nach oben vorzusehen. Die Länge von Standard-Betten in Krankenhäusern betrage 205 cm. Zudem würden derzeit in allen Einrichtungen (österreichweit) Matratzensysteme in den Längenmaßen zwischen 195 cm und 205 cm verwendet, was in aller Regel in Form eines Toleranzrahmens von +/- 5 cm zu den von den Auftraggeberinnen festgelegten Maßen vorgesehen werde. Für die in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Beschränkung der Toleranz auf „+0 cm“ gebe es keinen sachlichen Grund.

3. Als Mindestanforderung wird in der Leistungsbeschreibung (Beilage 13.01) in sämtlichen Losen festgelegt: „Brandverhalten - Matratzenkerne müssen die Prüfung nach ÖNORM EN 597 Teil 1 und Teil 2 bestehen.“

Die von den Auftraggeberinnen herangezogene Norm nehme insbesondere Luftmatratzen und damit Produkte, die mit Luftzirkulation funktionieren, aus ihrem Anwendungsbereich aus. Bei den ausgeschriebenen Matratzen- und Bettensystemen handle es sich jedoch um derartige Produkte, welche aus Luftzellen bestehen und damit eine Luftzirkulation verlangen. Die vorgegebene Norm sei daher für die ausgeschriebenen Produkte nicht einschlägig und keine geeignete bzw. sachliche Vorgabe, da diese luftgefüllten Matratzen- und Bettensysteme nicht mit üblichen gepolsterten Matratzen verglichen werden könnten. Bislang seien gleichwertige Normen anerkannt worden, welche sich auf die gleichen Testverfahren bezogen haben, da im globalen Umfeld der Hersteller eine unterschiedliche Nomenklatur dieser Verfahren gelte. Die festgelegte Anforderung habe daher keinen Bezug zum Auftragsgegenstand und sei insbesondere auch mangels Zulässigkeit von Produkten, welche alle einschlägigen Normen erfüllen, rechtswidrig.

4. Weitere Rechtswidrigkeiten:

a. In Punkt 12 b der BTB (Beilage 13.03) ist unter anderem festgelegt: „Die ermittelten Preispunkte und Qualitätspunkte der Bieter werden anschließend je Los addiert. Bestbieter eines Loses ist derjenige Bieter, der die höchste Gesamtpunktzahl des Loses aufweist. Nur diese Gesamtpunkte werden am Ende des Vergabeverfahrens bei Mitteilung der Zuschlagsentscheidung als Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes und als Gründe für die Ablehnung des Angebotes bekannt gegeben.“

Diese Festlegung entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Demnach müsse der Auftraggeber insbesondere die Gründe für die Nichtberücksichtigung sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt geben. Der Bieter müsse durch die Begründung in die Lage versetzt werden, ohne Kenntnis zusätzlicher Begründungselemente einen begründeten Nachprüfungsantrag zu stellen. Es sei daher erforderlich, dass eine verbale Gegenüberstellung erfolge.

Da mit der getroffenen Festlegung die Bekanntgabepflicht auf die bloße Gesamtpunktzahl, ohne Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Zuschlagskriterien oder verbale Ausführungen, begrenzt werden solle, entspreche sie den gesetzlichen Anforderungen nicht. Ein Bieter könne gegen eine solche Zuschlagsentscheidung keinen begründeten Nachprüfungsantrag einbringen. Die angefochtene Ausschreibung sei daher auch in dieser Hinsicht rechtswidrig.

b. Für die Zuschlagskriterien differenziere Punkt 11 der Besonderen Teilnahmebestimmungen (Beilage 13.03 BTB) zwischen jenen für Los 1 und jenen für die Lose 2 bis 7. Diese Differenzierungen seien in sich widersprüchlich.

c. Gemäß Punkt 21 der BVB wird die Rahmenvereinbarung für 60 Monate abgeschlossen und behalten sich die Auftraggeberinnen das Recht zu einer einmaligen Verlängerung um erneut 60 Monate vor.

Diese Festlegung sei rechtswidrig, indem sie die gesetzliche Höchstlaufzeit von 4 Jahren signifikant überschreite, dies ohne entsprechende Rechtfertigung.

Die Antragsgegnerin hat auf diesen Nichtigerklärungsantrag mit Schriftsatz vom 24.11.2020 repliziert und im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

1. Zur CPR-Funktion: Diese Funktion diene dazu, die sich in der Matratze befindliche Luft möglichst rasch entweichen zu lassen, um den Patienten auf die darunterliegende Auflage absenken zu können, die hart und widerstandsfähig ist. Dies sei insbesondere bei einem Herzstillstand erforderlich, weil auf einer weichen Matratze eine Reanimation nicht durchgeführt werden könne. Vor diesem Hintergrund liege es auf der Hand, dass in einer CPR-Situation jede Sekunde zähle, weil umgehend mit der Reanimation begonnen werden müsse, um die Chancen auf das Überleben des Patienten zu erhöhen. Dabei sei entscheidend, dass das Pflegepersonal gesichert und ohne jegliche Probleme die CPR-Funktion bedienen könne. Jeglicher Zeitverlust, der sich allenfalls daraus ergibt, dass die CPR-Funktion aufgrund einer unübersichtlichen oder unüblichen Verortung nicht umgehend vom Pflegepersonal erreicht werden könne, müsse im Interesse der Patientensicherheit jedenfalls vermieden werden. Aus diesem Grunde strebten die Auftraggeberinnen auch die Umsetzung einer Vereinheitlichung aller energetisch betriebenen Mietmatratzensysteme in ihrem Verantwortungsbereich insofern an, als sich die CPR-Funktion jeweils am Fußende befindet.

Darüber hinaus hätten die Auftraggeberinnen aufgrund mehrerer Vergabeverfahren in den letzten Jahren beste Kenntnis über die am Markt verfügbaren Produkte. Auch die Antragstellerin würde über Produkte verfügen, die der in Rede stehenden Mindestanforderung entsprechen. Mit der in Rede stehenden Mindestanforderung sei ein breiter Wettbewerb gesichert. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerin diesen Punkt überhaupt anfechte. Offenbar beabsichtige die Antragstellerin, ältere Systeme anzubieten, die noch nicht über diese Anforderung verfügen.

Die in Rede stehende Anforderung sei im Projektteam der Auftraggeberinnen erörtert und die sachliche Rechtfertigung dokumentiert worden, wozu auf die Beilage./19 und insbesondere die darin enthaltenen Fotos verwiesen werde. Die Dokumentation lasse sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen:

a. Die Platzverhältnisse in den Patientenzimmern von Akutspitälern würden nicht immer einen schnellen Zugang zum kopfseitigen Matratzenende ermöglichen, weil sich dort zahlreiche andere Geräte der Beatmungs- und Kreislauffunktionen, Dialyse etc. befänden.

b. Auf normalen Pflegestationen sei der Zugang zur kopfseitigen Matratzenseite durch Nachtisch und Möbelverbauten sehr stark eingeschränkt. Von einer gut sichtbaren und leicht zugänglichen CPR-Funktion könne bei solchen Pflegestationen keine Rede sein, wenn sich diese CPR-Funktion nicht am Fußende befinden würde.

c. Ferner könne eine CPR-Funktion, die sich am Kopfende befinde, insbesondere aufgrund der seitlichen Bettgitter nur schwer erreicht und bedient werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn die CPR-Funktion auch noch durch Bettlaken oder Leintücher verdeckt werde, was in der täglichen Arbeit jedenfalls nicht zu vermeiden sei.

Vor diesem Hintergrund sei durch die vorliegende Mindestanforderung jedenfalls sichergestellt, dass die CPR-Funktion im Bereich des Steuergerätes am Fußende immer frei zugänglich sei. Am Fußende gebe es in der praktischen Anwendung keine Situationen, in denen die CPR-Funktion durch Geräte, Einrichtungsgegenstände, Bettlaken oder Leintücher verdeckt oder sonst schwer zugänglich gemacht werde. Durch den freien Zugang am Fußende sei auch sichergestellt, dass die CPR-Funktion einhändig bedient werden könne, und zwar sowohl mit der linken als auch mit der rechten Hand. Würde sich demgegenüber die CPR-Funktion am Kopfende im Matratzenbereich befinden, seien nahezu immer zwei Hände erforderlich. Mit der einen Hand müsse unter dem Leintuch die CPR-Funktion gesucht und mit der anderen Hand die CPR-Funktion ausgelöst werden. Dabei müsse das Pflegepersonal zwischen Harnsackerl und anderen Drainagen hantieren. Aus diesen Gründen sei die vorliegende Mindestanforderung sachlich jedenfalls gerechtfertigt.

Dem Hinweis der Antragstellerin die verpflichtende Einschulung des Pflegepersonals sei nicht ausreichend, sei entgegenzuhalten, dass eine umständliche und nicht zeiteffiziente Bedienung der CPR-Funktion in einer CPR-Situation zulasten der Patientensicherheit gehe.

Zu dem vorgebrachten Widerspruch zwischen der Mindestanforderung und dem Zuschlagskriterium brachten die Antragsgegnerinnen vor, die Mindestanforderung enthalte nach dem ausdrücklichen Wortlaut keinen Hinweis auf eine Schnellentlüftung. Eine solche Schnellentlüftung sei bei der vorliegenden Mindestanforderung auch tatsächlich nicht gefordert. Im Rahmen der Bestbieterermittlung werde die CPR-Funktion jedoch nur dann bewertet, wenn diese über eine Schnellentlüftung verfüge. Die Auftraggeberin hätten mittels Fragebeantwortung auch klargestellt, dass eine bewertungsrelevante Schnellentlüftung dann vorliege, wenn aus einer vollständig luftbefüllten Matratze in maximal binnen 15 Sekunden die Luft vollständig ausgetreten sei und daher mit der Reanimation eines Patienten begonnen werden könne. Diese klare Differenzierung zwischen einer Mindestanforderung einerseits und einer bewertungsrelevanten Anforderung andererseits sei vergaberechtlich völlig korrekt.

2. Zu den Festlegungen betreffend Längenmaße: Das Vorbringen der Antragstellerin sei im Ergebnis richtig. Es liege in diesem Zusammenhang ein Redaktionsversehen vor. Daher hätten die Auftraggeberinnen mit Beantwortung auf die Frage 10 mitgeteilt, dass auch für die Längenmaße ein Toleranzbereich von +/- 5 cm gelte.

3. Zu den Festlegungen betreffend Brandverhalten: Zum fehlenden Gleichwertigkeitsgrundsatz sei festzuhalten, dass die Auftraggeberinnen bei Vorbereitung des vorliegenden Vergabeverfahrens eine umfassende Recherche der allenfalls in Betracht kommenden Normen durchgeführt hätten. Dabei hätten sie festgestellt, dass tatsächlich nur diese eine ÖNORM für die relevante Prüfung in Betracht komme. Aus diesem Grund hätten die Auftraggeberinnen einen Gleichwertigkeitszusatz für nicht erforderlich erachtet. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil diese ÖNORM auf einer EN beruhe, die damit in der gesamten Europäischen Union harmonisiert sei. Daher seien die Auftraggeberinnen davon ausgegangen, dass die festgelegte Norm für den relevanten Bieterkreis kein Problem bedeuten könne.

Völlig unabhängig davon hätten die Auftraggeberinnen mit der Beantwortung auf Frage 15 klargestellt, dass selbstverständlich auch gleichwertige Normen zulässig seien, um die vorliegende Mindestanforderung zu erfüllen.

Der Anwendungsbereich der ÖNORM EN 597 (Punkt 1) laute: „Diese europäische Norm legt ein Prüfverfahren zur Beurteilung der Entzündbarkeit von Matratzen, gepolsterte Bettböden oder Matratzenauflagen fest, wenn diese einer glimmenden Zigarette als Zündquelle ausgesetzt sind. Luftmatratzen und Wasserbetten werden in dieser Norm nicht behandelt.“

Die ÖNORM nehme von ihrem Anwendungsbereich nur jene Luftmatratzen im herkömmlichen Sprachgebrauch aus, die im Freizeitbereich in Schwimmbädern oder ähnlichen Gelegenheiten verwendet werden. Die ausschreibungsgegenständlichen Produkte würden völlig zweifelsfrei keine Luftmatratzen im Sinne dieser Bestimmung umfassen. Das Vorbringen der Antragstellerin, die ausschreibungsgegenständlichen Produkte würden Luftmatratzen umfassen, sei geradezu absurd. Daran ändere sich auch nichts, wenn man berücksichtige, dass die ausschreibungsgegenständlichen Produkte zumindest teilweise eine Luftfüllung hätten.

4.a. Zu den Festlegungen betreffend Entscheidungsbegründung: Dieses Vorbringen sei unzutreffend. Bereits im Jahre 2017 habe die Antragstellerin eine Ausschreibung der Auftraggeberin mit dem im Wesentlichen gleichen Ausschreibungsgegenstand angefochten. Das Verwaltungsgericht Wien habe mit Erkenntnis vom 25.7.2017, …, auf Seite 40 zur gleichlautenden Festlegung, die auch nunmehr angefochten wird, ausgeführt, der VwGH habe in dem von der Antragstellerin angeführten Erkenntnis für den Fall einer mehrstimmigen Begründung durch die Bewertungskommission ausgesprochen, dass eine verbale Begründung entfallen könne. Aufgrund dieser Rechtsprechung stehe fest, dass die von der Antragstellerin angefochtenen Festlegung vergaberechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden sei.

4.b. Zu den Festlegungen betreffend Zuschlagskriterien: Die Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen seien mit einer geringfügigen Ausnahme völlig exakt, korrekt und nachvollziehbar. Lediglich auf Seite 6 der BTB seien an einer Stelle unzutreffend 4 Lose angeführt. Dieses Redaktionsversehen sei bereits mit der gegenüber allen Interessenten mitgeteilten Fragenbeantwortung (Fragen 6 und 7) ausgeräumt und eine klare Festlegung getroffen worden, welche Zuschlagskriterien für die einzelnen Lose gelten.

4.c. Zu den Festlegungen betreffend Verfahrensdauer: In § 154 Abs. 5 BVergG 2018 sei keine gesetzliche Höchstlaufzeit von Rahmenvereinbarungen von 4 Jahren vorgesehen. Vielmehr könne die Laufzeit einer Rahmenvereinbarung auch länger sein, sofern dies ausnahmsweise, insbesondere aufgrund des Gegenstandes der Rahmenvereinbarung, sachlich gerechtfertigt werden könne. Der vorliegende Ausschreibungsgegenstand umfasse sensible Produkte, die höchste Relevanz im Hinblick auf die Patientensicherheit hätten. Das Pflegepersonal müsse bei Anwendung der ausschreibungsgegenständlichen Produkte jeweils Sicherheit haben. Dies setze voraus, dass kein laufender und ständiger Produktwechsel stattfindet. Das Pflegepersonal müsse also eine entsprechende Routine entwickeln, um ein rasches Handeln und einen sicheren Einsatz im Interesse der Patientensicherheit gewährleisten zu können. Unter diesen Rahmenbedingungen wäre es im Interesse der Patientensicherheit keinesfalls vertretbar, wenn die einzusetzenden Produkte alle vier Jahre aufgrund einer neuen Ausschreibung gewechselt werden. Das Pflegepersonal wäre durch einen solchen Wechsel völlig überfordert, sodass dabei nicht korrekte Anwendungen nicht ausgeschlossen werden könnten. Die Auftraggeberinnen hätten die Verantwortung, solche Fehler möglichst zu vermeiden. Aus diesem Grund sei es für den vorliegenden Ausschreibungsgegenstand sachlich jedenfalls gerechtfertigt, dass die Auftraggeberinnen die Ausnahmeregel des § 154 Abs. 5 BVergG 2018 in Anspruch nehmen. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass die Auftraggeberinnen diese Begründung für eine entsprechend längere Laufzeit der Rahmenvereinbarung bereits im Vergabevermerk vor Einleitung des Vergabeverfahrens dokumentiert hätten.

Mit Schriftsatz vom 27.11.2020 brachte der Antragstellerin einen weiteren Antrag auf Nichtigerklärung ein.

Anfechtungsgegenstand ist die Festlegung (Antwort) zu Frage 15 in der 2. Fragebeantwortung vom 17.11.2020 sowie die Festlegung (Antwort) zu Frage 17 in der 3. Fragebeantwortung vom 25. 11.2020.

Mit der Festlegung (Antwort) zu Frage 15 in der 2. Fragebeantwortung sei eine nicht einschlägige Norm (ÖNORM EN Teil 1 und Teil 2) festgelegt worden. In dieser Fragenbeantwortung sei wiederholt die genannte ÖNORM als Mindestanforderung an das Brandverhalten festgelegt worden. Unter anderem sei in der Antwort zu dieser Fragebeantwortung auch ausgeführt: „Daher muss jede angebotene Matratze - egal mit welchem Aufbau oder mit welcher inneren Zusammensetzung - diese Mindestanforderung erfüllen.“ Die genannte ÖNORM regle „Möbel - Bewertung der Entflammbarkeit von Matratzen und gepolsterten Bettböden“. Nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm würden hingegen Luftmatratzen und Wasserbetten fallen. Die von den Antragsgegnerinnen herangezogene ÖNORM beziehe sich damit auf Produkte aus gepolstertem Material. Luftgefüllte wie auch wassergefüllte Matratzen/Bettensysteme hätten andere chemische bzw. physikalische Eigenschaften als mit Stoffen gepolsterte (haushaltsübliche) Matratzen/Systeme. Sie hätten damit aber auch ein anderes Brandverhalten.

Für den Anwendungsbereich dieser Norm unerheblich sei es hingegen, welchem Zweck eine Matratze diene (Freizeitbereich oder Schlafzwecke). Es würden sehr wohl auch Luftmatratzen, welche nicht in den Anwendungsbereich der Norm fallen, gerade als Gästebetten oftmals auch zu Schlafzwecken verwendet. Entscheidend für die Geltung der Norm für ein Produkt sei vielmehr das Material und damit das Brandverhalten. Das ergebe sich eindeutig bereits aus der Definition von „Matratzen“ mit dem Begriff „Polsterzeugnis“. Eine Differenzierung nach diesen Eigenschaften sei auch die einzig sachlich nachvollziehbare Abgrenzung des Anwendungsbereiches.

Bei den ausgeschriebenen Matratzen/Bettensystemen handle es sich nicht um rein stofflich gepolsterte Matratzen, sondern um Produkte, die mit Luftzirkulation funktionieren. Diese Matratzen/Bettensysteme seien daher nichts anderes als luftgefüllte Matratzen und hinsichtlich des Brandverhaltens ähnlich zu diesen. Die ausgeschriebenen Matratzen/Bettensysteme würden daher nicht in den Anwendungsbereich dieser ÖNORM fallen und käme eine Zertifizierung der gesamten Matratzen/Bettensysteme nach dieser Norm nicht in Betracht. Die vorgegebene Norm sei daher für die ausgeschriebene Leistung nicht einschlägig und keine geeignete bzw. sachliche Vorgabe, da die ausgeschriebenen luftgefüllten Matratzen- und Bettensysteme nicht mit üblichen gepolsterten Matratzen verglichen werden könnten.

Mit der Festlegung (Antwort) zu Frage 17 in der 3. Fragebeantwortung vom 25.11.2020 erfolge eine unzulässige Beschränkung der Nachweismittel.

In der Antwort zu Frage 17. (3. Fragebeantwortung), worin um Bestätigung der Gleichwertigkeit der Norm BS 7175 ersucht wurde, sei von den Antragsgegnerinnen weiters folgendes festgelegt:

„(…) Die Feststellung der Gleichwertigkeit bzw. eine gewünschte Bestätigung kann von der Auftraggeberin zur Zeit nicht vorgenommen werden. Eine entsprechende Prüfung wurde jedoch veranlasst. Sofern hierzu zeitgerecht (während der Angebotsphase) ein Ergebnis vorliegt, wird es im Zuge einer Information über die E-Vergabeplattform bekannt gegeben werden. Falls jedoch die Gleichwertigkeit durch die Auftraggeberin nicht festgestellt werden kann, muss seitens der Bieterin bzw. des Bieters die Feststellung der Gleichwertigkeit durch ein unabhängiges Institut veranlasst werden.“

Bei der Auslegung von Festlegungen des Auftragsgebers sei nach ständiger Rechtsprechung der objektive Erklärungswert maßgeblich (VwGH 22.03.2019, Ra 2018/04/0176 mwN). Der Wortlaut der Festlegung lasse andere Nachweismittel als die Feststellung der Gleichwertigkeit durch ein unabhängiges Institut nicht zu.

Darin liege eine unzulässige Diskriminierung von Unternehmen, deren Matratzen/Bettsysteme nach BS 7175 zertifiziert werden, gegenüber anderen Unternehmern, deren Produkte nicht nach dieser Norm zertifiziert sind. Denn für letztere gebe es keine Beschränkung, auf welche Art sie die Gleichwertigkeit nachweisen können.

Selbst wenn die Antwort zu Frage 17 so auszulegen sei, dass diese Festlegung für alle Bieter gelte, die sich auf eine andere Norm als die ÖNORM EN 597 Teil 1 und Teil 2 stützen, sei dies rechtswidrig, weil eine unzulässige Beschränkung der Nachweismittel vorliege. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (EuGH 10.05.2012, C-368/10, Kommission/Niederlande, RNr 65) könne ein Unternehmer, dessen Produkt von den technischen Spezifikationen abweicht, die Gleichwertigkeit mit jedem geeigneten Mitteln nachweisen. Es „müssen die öffentlichen Auftraggeber nämlich jedes andere geeignete Beweismittel, wie technische Unterlagen des Herstellers oder Prüfberichte anerkannter Stellen, akzeptieren“ (RNr. 65 des obgenannten EuGH-Erkenntnisses). Diese Unterlagen müssen dem öffentlichen Auftraggeber eine sachgerechte Prüfung ermöglichen und dürfen nur im erforderlichen Ausmaß verlangt werden, damit die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindert werde (EuGH 12.07.2018, C-14/17, VARSrl RNr 34).

Im Übrigen stelle die in der 2. und 3. Fragebeantwortung festgelegte Übertragung der Nachweispflicht auf dem Bieter generell eine mittelbare Diskriminierung dar. Denn hiermit werde ausländischen Bietern bzw. international tätigen Unternehmen, wie der Antragstellerin, die zwar nicht nach österreichischen Normen zertifizieren, aber mitunter (nach) auf denselben europäischen Standards basierenden Normen anderer Staaten (zertifizieren), eine zusätzliche Hürde auferlegt. Es werde auf EuGH 18.10.2012, C-385/10, RNr 24, sowie auf Heid/Kurz in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht, 3. Auflage, RZ 1194, verwiesen.

Der Antragsgegnerinnen haben zu diesem zweiten Nichtigerklärungsantrag mit Schreiben vom 10.12.2020 repliziert.

Die Anfechtung der 2. Fragenbeantwortung (Frage 15) sei unberechtigt. Wie die Antragsgegnerinnen bereits in ihrer Stellungnahme vom 24.11.2020 (Punkt 2.3.3) ausgeführt hätten, sei der vorliegende Ausschreibungsgegenstand jedenfalls vom Anwendungsbereich der ÖNORM EN 597 erfasst. Von dieser ÖNORM seien lediglich echte Luftmatratze nicht umfasst; dabei handle es sich ausschließlich um jene Luftmatratzen, die im Freizeitbereich verwendet werden. Dies ergebe sich daraus, dass in Punkt 2.7 der ÖNORM der Begriff „Matratze“ wie folgt definiert sei: „Polstererzeugnis, um darauf zu schlafen“. Darüber hinaus sei in Punkt 2.6. der ÖNORM der Begriff „Matratzenauflage“ enthalten: „Polstererzeugnis, das in Verbindung mit oder als Ergänzung zu einer Matratze oder einem gepolsterten Bettboden verwendet wird“. Die ausschreibungsgegenständlichen Produkte seien zweifelsfrei unter diese beiden Begriffe der „Matratze“ und „Matratzenauflage“ zu subsumieren.

Sollte man aber dennoch zum Ergebnis kommen, die ausschreibungsgegenständlichen Produkte wären nicht vom Anwendungsbereich der ÖNORM EN 597 erfasst, so ändere dies nichts daran, dass die vorliegende Mindestanforderung vergaberechtlich zulässig sei. Dies ergebe sich ausdrücklich zunächst aus § 106 Abs. 1 BVergG 2018. Demnach müssen technische Spezifikationen „allen Bewerbern und Bietern den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewähren und dürfen den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern.“ Die Antragstellerin habe kein einziges Argument vorgebracht, warum oder inwiefern sie im konkreten Fall diskriminiert sei. Auf diese vermeintliche Diskriminierung fehle im Nachprüfungsantrag jeder Hinweis. Dies sei auch durchaus verständlich, weil es eine solche Diskriminierung aufgrund der geltenden Festlegungen im Rahmen der Fragenbeantwortung einfach nicht gebe.

Unabhängig davon seien die oben angegebenen gesetzlichen Vorgaben im vorliegenden Fall jedenfalls erfüllt. Durch die Beantwortung der Frage 18 sei ausdrücklich klargestellt worden, dass die vorliegende Mindestanforderung nicht nur mit der ÖNORM EN 597, sondern auch mit gleichwertigen Regelwerken nachgewiesen werden könne. Darüber hinaus sei zwischenzeitig durch die Beantwortung der Frage 19 zusätzlich klargestellt, dass die von der Antragstellerin ausdrücklich hinterfragte BS 7175 mit der in den Ausschreibungsunterlagen angewendeten ÖNORM EN 597 gleichwertig sei. Die Auftraggeberinnen hätten sich selbst um die Beischaffung der BS 7175 bemüht, obwohl gemäß § 109 BVergG 2018 diese Nachweispflicht den Bieter bzw. die Antragstellerin getroffen hätte. Daher habe auch eine inhaltliche Prüfung durchgeführt und mit Beantwortung der Frage 19 eine Gleichwertigkeitsbestätigung zugunsten der BS 7175 gegenüber den Interessenten bekannt gegeben werden können. Insofern sei durch diese Gleichwertigkeitsbestätigung klargestellt, dass insbesondere auch für die Antragstellerin der gleiche Zugang zum Vergabeverfahren gewährleistet und der Wettbewerb jedenfalls nicht in ungerechtfertigter Weise im Sinne des § 106 Abs. 1 BVergG 2018 beeinträchtigt werde.

Völlig unabhängig davon sei jedoch die Prüfung des Brandverhaltens der ausschreibungsgegenständlichen Produkte nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern vielmehr sachlich geboten. Eine zeitlich möglichst verzögerte Brandentwicklung der Matratzen sei eine ganz zentrale Anforderung für die ausschreibungsgegenständlichen Produkte.

Darüber hinaus sei die gesamte Argumentation der Antragstellerin inhaltlich völlig unschlüssig. Im ersten Nachprüfungsantrag habe die Antragstellerin noch argumentiert, sie wäre beschwert, weil die Auftraggeberin die Gleichwertigkeit mit der BS 7175 nicht bestätigt hätte. Die Antragstellerin sei also völlig zutreffend davon ausgegangen, dass die ÖNORM EN 597 eine sachliche Grundlage sei, um das Brandverhalten zu beurteilen. Zwischenzeitig habe die Auftraggeberin eine Prüfung der Gleichwertigkeit vorgenommen, obwohl dies während der Angebotsfrist vergaberechtlich eigentlich gar nicht vorgesehen sei, und habe auch diese Gleichwertigkeit mit der 4. Fragebeantwortung bestätigt. Der Antragstellerin sei daher das von ihr im 1. Nachprüfungsantrag behauptete Rechtsschutzinteresse vollständig erfüllt worden. Warum die Antragstellerin nunmehr die Ansicht vertrete, die ÖNORM EN 597 wäre sachlich nicht gerechtfertigt, erschließe sich nicht.

Letztlich widerspräche die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen der bisherigen Zusammenarbeit mit der Auftraggeberin. Die Auftraggeberin habe nämlich den vorliegenden Auftragsgegenstand auch schon im Jahr 2017 in 5 Losen europaweit ausgeschrieben. Die Antragstellerin habe sich an diesem seinerzeitigen Verfahren beteiligt und ein Angebot für alle 5 Lose abgegeben. Dabei sei für alle 5 Lose als Mindestanforderung das „Brandverhalten gemäß EN 597“ festgelegt worden. Die Antragstellerin habe zu jedem Los verbindlich angegeben, dass die von ihr jeweils angebotenen Produkte diese Mindestanforderung erfüllen. Unabhängig davon sei festzuhalten, dass es jedenfalls auch andere Produkte am Markt gebe, die über einen entsprechenden Nachweis nach ÖNORM EN 597 verfügen.

Auch die Anfechtung der 3. Fragenbeantwortung (Frage 17) sei unberechtigt. Entscheidend sei, dass Frage 17 ausschließlich den Nachweis von Referenzen behandle. Im gesamten Nachprüfungsantrag vom 27.11.2020 finde sich jedoch überhaupt kein Vorbringen, warum die Beantwortung der Frage 17 im Zusammenhang mit den Referenzen vergaberechtlich unzulässig sein soll. Das gesamte Vorbringen der Antragstellerin insbesondere in Punkt 4.2 des Nachprüfungsantrags beziehe sich ausschließlich auf die vermeintlich unzulässige Verwendung der ÖNORM EN 597. Aus diesem Grund sei der Nachprüfungsantrag im Hinblick auf die angefochtene Frage 17 als unzulässig zurückzuweisen. Gemäß § 20 Abs. 1 Ziffer 5 WVRG 2020 müsse ein Nachprüfungsantrag jedenfalls die Gründe enthalten, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt.

Sollte das Gericht die Bekämpfung der Frage 18 zulassen, sei festzuhalten, dass das Vorbringen der Antragstellerin, mit dem die Beantwortung der Frage bekämpft werde, vergaberechtlich unbegründet sei. Die Antragstellerin bringe nämlich im Wesentlichen vor, es läge eine unzulässige Diskriminierung von Unternehmen vor, deren Produkte nach BS 7175 zertifiziert sind. Dies gelte insbesondere auch deshalb, weil die Beantwortung der Frage 18 vollinhaltlichen den gesetzlichen Vorgaben in § 106 Abs. 3 BVergG 2018 entspreche. Nach diesen Vorschriften habe nämlich „der Bieter mit geeigneten Mitteln in seinem Angebot (nachzuweisen), dass die von ihm vorgeschlagene Lösung den Anforderungen der technischen Spezifikationen, auf die Bezug genommen wurde, gleichermaßen entspricht. Als geeignete Mittel gelten insbesondere die Nachweise gemäß § 109“. Nach dieser Vorschrift liege also ganz ausdrücklich die Nachweispflicht im Hinblick auf die Gleichwertigkeit beim Bieter. Darüber hinaus werde in dieser Vorschrift auf § 109 BVergG 2018 verwiesen. Nach dieser Vorschrift könne der öffentliche Auftraggeber vom Bieter die Vorlage eines Testberichtes einer Konformitätsbewertungsstelle oder einer von dieser ausgegebenen Zertifizierung als Nachweis für die Übereinstimmung mit den technischen Spezifikationen verlangen. Damit sei klargestellt, dass die Beantwortung der Frage 18 den gesetzlichen Vorgaben gemäß den §§ 106 und 109 BVergG 2018 vollinhaltlich entsprechen.

Letztlich sei festzuhalten, dass die Auftraggeberinnen mit Beantwortung der Frage 19 im Rahmen der 4. Fragebeantwortung die Gleichwertigkeit von BS 7175 und ÖNORM EN 95 bestätigt habe. Damit stehe ohnedies fest, dass das Vorbringen der Antragstellerin ins Leere gehe.

Die Antragstellerin hat darauf mit Schriftsatz vom 05.01.2021 repliziert.

In ihrer Replik führt der Antragstellerin insbesondere aus, die antragsgegenständlichen Festlegungen in der 2. und 3. Fragebeantwortung seien zwar rechtswidrig, die Antragstellerin sei jedoch durch die mittlerweile erfolgte Gleichstellung der Zertifizierung nach British Standard (BS) 7175 materiell klaglos gestellt.

Weiters übermittelte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 06.01.2021 zwei privat eingeholte Sachverständigengutachten zum Beweis dafür, dass die Anforderung, die CPR-Funktion des Matratzensystems müsse am Fußende auslösbar sein, sachlich nicht gerechtfertigt sei. Es handelt sich dabei einerseits um das intensivmedizinische Gutachten des Univ. Prof. Dr. B., LL.M, MA, PMM.E, vom 7.1.2021 (Beilage ./12 der Antragstellerin) und andererseits um das Sachverständigengutachten des Dr. C., MAS, MBA, vom 11.1.2021(Beilage ./13 der Antragstellerin). Der Erstgenannte ist unter anderem Facharzt für Anästesiologie und Intensivmedizin, der Zweitgenannte ist unter anderem allgemein beeideter gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Gesundheits- und Krankenpflege sowie Fachpfleger für Intensivmedizin und Anästesie.

Es wurde am 13.01.2021 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Verlauf und Inhalt der Verhandlung sind aus dem im Akt befindlichen Verhandlungsprotokoll einschließlich der Beilagen ./1 und ./2 ersichtlich.

Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt wurde festgestellt:

Die Auftraggeberinnen haben vor Einleitung des Vergabeverfahrens eine Schätzung des Auftragswertes durchgeführt und diese im Vergabeakt im „Vergabevermerk zur Durchführung eines Vergabeverfahrens“ dokumentiert. Der geschätzte Auftragswert übersteigt das vierzigfache des Schwellenwertes für Lieferaufträge für öffentliche Auftraggeber.

Der Vergabevermerk umfasst weiters eine Differenzierung, aus der hervorgeht, dass der bei weitem überwiegende Teil der Beschaffung für den Wiener Gesundheitsverbund und ein weitaus geringerer Teil für die Burgenländische Krankenanstalten GmbH erfolgt.

Die Ausschreibung ist in 7 Lose aufgeteilt.

Los 1 (ausschließlich Wiener Gesundheitsverbund) betrifft Antidekubitus-Matratze non-energetisch mit Gelfüllung.

Los 2 (Wiener Gesundheitsverbund) betrifft Antidekubitus-Matratze energetisch mit Schaumstoff- oder Luftunterbau (Standard).

Los 3 (Wiener Gesundheitsverbund) betrifft Antidekubitus-Matratze energetisch ohne Schaumstoffunterbau (Superieur).

Los 4 (Wiener Gesundheitsverbund) betrifft Intensivbettensystem energetisch.

Los 5 (KRAGES) betrifft Antidekubitus-Matratze energetisch mit Schaumstoff- oder Luftunterbau (Standard).

Los 6 (KRAGES) betrifft Antidekubitus-Matratze energetisch ohne Schaumstoffunterbau (Superieur).

Los 7 (KRAGES) betrifft Intensivbettensystem energetisch.

Die Ausschreibung betrifft den Abschluss einer Rahmenvereinbarung betreffend einen Lieferauftrag im Oberschwellenbereich für Matratzen- und Bettensysteme für die Dekubitusprophylaxe und –therapie auf Mietbasis. Die Laufzeit der Rahmenvereinbarung beträgt fünf Jahre mit einer einmaligen Verlängerungsoption für weitere fünf Jahre.

Zu den Losen 2, 3, 5 und 6 ist in der Leistungsbeschreibung (Beilage 13.01) unter Punkt 12 (Los 2) bzw. unter Punkt 13 (Lose 3 und 6) bzw. unter Punkt 21 (Los 5) festgelegt: „Die CPR-Funktion muss gut sichtbar am Fußende auslösbar sein. Die Verortung ist am Steuergerät oder dem Steuergerät naheliegenden Teil des Hauptversorgungschlauches vorzusehen.“

Der Funktionalitätenkatalog enthält jeweils Funktionalitäten für die Lose 2 und 5, für die Lose 3 und 6 und für die Lose 4 und 7, somit insgesamt für die Lose 2 bis 7. Über diese Funktionalitäten gibt es die Möglichkeit von zusätzlichen Punkten beim Zuschlagskriterium „Qualität der Produkte“. Für die Lose 2 und 5 ist das Qualitätskriterium „CPR-Funktion mit Schnellentlüftung“ in der 3. Zeile der Auflistung der Qualitätskriterien mit 5 erreichbaren Qualitätspunkten vorgesehen, wobei für alle Funktionalitäten insgesamt 100 Qualitätspunkte erzielt werden können. Für die Lose 3 und 6 befindet sich eine idente Funktionalität in der 4. Zeile mit 7 erreichbaren Qualitätspunkten. Für die Lose 4 und 7 befindet sich eine idente Funktionalität in der 3. Zeile mit 10 erreichbaren Qualitätspunkten.

In der Leistungsbeschreibung, Beilage 13.01, hat sich für die Lose 1 (Position 4), 2 und 5 (Position 5) sowie 3 und 6 (Position 6) jeweils eine Spezifikation für die Matratzenabmessungen befunden, die bei den Längen- und Breitenmaßen eine Toleranz von +0/ - 5 cm vorgesehen hat. Dazu haben die Antragsgegnerinnen mit Beantwortung der Anfrage 10 am 23.11.2020 klargestellt, dass „auch bei der Länge der Matratze eine Toleranz von +/- 5 cm gilt.“

In der Leistungsbeschreibung, Beilage 13.01, findet sich für Los 1 in Position 8 folgende Festlegung:

„Brandverhalten - Matratzenkerne müssen die Prüfung nach ÖNORM EN 597 Teil 1 und Teil 2 bestehen.“

Jeweils eine idente Festlegung befindet sich für die Lose 2 und 5 in Position 16, für die Lose 3 und 6 in der Position 17 und für die Lose 4 und 7 in der Position 25.

Die Besonderen Teilnahmebestimmungen (BTB) enthalten unter Punkt 12 Bewertung der Zuschlagskriterien im letzten Absatz folgende Festlegung:

„Zusammenfassung aller Zuschlagskriterien: die ermittelten Preispunkte und Qualitätspunkte je Bieter werden anschließend je Los addiert. Bestbieter eines Loses ist derjenige Bieter, der die höchste Gesamtpunktzahl des Loses aufweist. Nur diese Gesamtpunkte werden am Ende des Vergabeverfahrens bei Mitteilung der Zuschlagsentscheidung als Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes und als Gründe für die Ablehnung des Angebotes bekannt gegeben.“

Die Antragsgegnerinnen versandten am 27.10.2020 eine 1. Fragebeantwortung und am 17.11.2020 eine 2. Fragebeantwortung. In der vorgelegten Dokumentation des Vergabeaktes haben die Antragsgegnerinnen die Fragen und die erfolgten Antworten in einer durchgehenden Liste zusammengefasst und von 1 bis 15 durchnummeriert. Die Angaben betreffend die Nummerierung der Fragen folgt, soweit nicht ausdrücklich anderes angegeben ist, der Nummerierung durch die Antragsgegnerinnen im vorgelegten Vergabeakt.

Die Frage 15 lautet: „Los 1 Pos. 8; Los 2 & 5 Pos 16; Los 3 & 6 Pos. 17; Los 4 & 7 Pos 25. Für alle Lose gilt die Mindestanforderung „Matratzenkerne müssen die Prüfung nach ÖNORM EN 597 Teil 1 und Teil 2 bestehen“. Die Produkte der einzelnen Lose unterscheiden sich jedoch in ihrem Aufbau. Wir fragen daher an, ob die Anforderung dahingehend konkretisiert werden kann, dass mit Matratzenkernen nur die Schaumstoffteile eines Produktes gemeint sind und dass dafür die ÖNORM EN 597 Teil 1 und Teil 2 nachzuweisen ist.“

Mit der 2. Fragenbeantwortung vom 17.11.2020 wurde darauf folgende Antwort gegeben: „Zum Begriff „Matratzenkern“ wird hiermit klargestellt, dass damit der gesamte Matratzenaufbau gemeint ist und nicht nur einzelne Bestandteile der Matratze, wie beispielsweise die Schaumstoffteile. Daher muss jede angebotene Matratze - egal mit welchem Aufbau oder mit welcher inneren Zusammensetzung - diese Mindestanforderung erfüllen. Im Übrigen wird die Festlegung in der Leistungsbeschreibung hiermit durch einen Gleichwertigkeitszusatz ergänzt, sodass also andere Regelwerke, die mit der ÖNORM EN 597 Teil 1 und Teil 2 zumindest gleichwertig sind, ebenfalls für den Nachweis der Mindestanforderung zulässig sind. Darüber hinaus wird hiermit festgelegt, dass ein Bieter, der sich zum Nachweis der Mindestanforderung auf ein gleichwertiges Regelwerk stützt, gegenüber der Auftraggeberin auch die Gleichartigkeit nachzuweisen hat.“

Die Fragen 18 und 19 und deren jeweilige Beantwortung sind aus der Beilage der Antragsgegnerinnen zu ihrer Replik ersichtlich. In der Beantwortung der Frage 13 betreffend das Brandverhalten bestätigen die Antragsgegnerinnen die Gleichwertigkeit einer Zertifizierung nach der BS 7175 mit der ÖNORM EN 517 Teil 1 und Teil 2.

Die Antragsgegnerinnen haben mit der als Nummer 12 ausgewiesenen Frage und deren Beantwortung die Festlegung „Nur diese Gesamtpunkte werden am Ende des Vergabeverfahrens bei Mitteilung der Zuschlagsentscheidung als Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes und als Gründe für die Ablehnung des Angebotes bekannt gegeben“ gestrichen.

Weitergehende Details zum festgestellten Sachverhalt werden wegen des jeweils engen inhaltlichen Zusammenhanges mit der rechtlichen Begründung in den nachfolgenden Erwägungen des Verwaltungsgerichtes getroffen.

Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

Die Antragsgegnerinnen sind öffentliche Auftraggeberinnen gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018. Sie führen ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer mit dem Leistungsgegenstand der Lieferung von Matratzen- und Bettensystemen für Dekubitusprophylaxe und –therapie auf Mietbasis für die Einrichtungen des Wiener Gesundheitsverbundes und der Burgenländischen Krankenanstalten GmbH. Die Antragstellerin hat gegen die Ausschreibung sowie gegen die zweite und dritte Fragenbeantwortung jeweils rechtzeitig einen Antrag auf Nichtigerklärung eingebracht.

Gemäß § 1 WVRG 2020 in Verbindung mit Artikel 14b Abs. 2 Ziffer 2 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Wien gegeben, weil die Beschaffung zum überwiegenden Teil für den Wiener Gesundheitsverbund erfolgt und der Anteil der Burgenländische Krankenanstalten GmbH am Beschaffungsvolumen untergeordnet ist.

Zu den einzelnen von der Antragstellerin geltend gemachten Vergaberechtswidrigkeiten ist Folgendes auszuführen:

Die Antragstellerin hat mit ihrem Vorbringen, die Festlegung der Bekanntgabe lediglich der Gesamtpunktzahl als Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes und als Gründe für die Ablehnung des Angebotes sei unzulässig, eine Vergaberechtswidrigkeit aufgezeigt, wurde aber diesbezüglich von den Antragsgegnerinnen durch die Streichung dieser Festlegung klaglos gestellt.

Damit der Bieter eines abgelehnten Angebotes im Bestbieterprinzip gezielt einen Nachprüfungsantrag gegen eine Zuschlagsentscheidung (bzw. gegen die Entscheidung, mit welchem Bieter der Abschluss der Rahmenvereinbarung in Aussicht genommen wird) einbringen kann, ist es über die Bekanntgabe der jeweiligen Gesamtpunktzahl des eigenen Angebotes und des für den Zuschlag (bzw. für den Abschluss der Rahmenvereinbarung) in Aussicht genommenen Angebotes auch erforderlich, die jeweils erzielten Punktezahlen in den Zuschlagskriterien Preis und Qualität sowie in den Subkriterien Qualität mitzuteilen. Die antragsgegenständliche Festlegung hätte für den Fall, dass diese als einer Bestandsfestigkeit zugänglich erachten werden sollte, dazu geführt, dass die Möglichkeiten der Bieter auf Vergaberechtsschutz wesentlich eingeschränkt würden, weil ihnen mit der Zuschlagsentscheidung (bzw. mit der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll) die für die Einbringung eines begründeten Nachprüfungsantrages erforderliche Aufgliederung der Bewertungen ihres Angebotes und des für den Zuschlag in Aussicht genommenen Angebotes in den einzelnen Zuschlagskriterien und Kriterien nicht mitgeteilt würden. Doch auch dann, wenn die in Rede stehende Festlegung als einer Bestandsfestigkeit nicht zugänglich erachten werden sollte, wäre für die Antragsgegnerinnen nichts gewonnen. Im letztgenannten Fall wäre die erforderliche Transparenz nicht gegeben, da der objektive Erklärungswert der Festlegung, auch wenn sie gegebenenfalls unangewendet zu bleiben hätte, von den vergaberechtlichen Anforderungen abweichen würde und damit für die Bieter und allenfalls auch für die Antragsgegnerinnen nicht ausreichend klar wäre, ob das Bewertungsergebnisses im Umfang der Festlegungen in den Ausschreibungsunterlagen oder darüber hinausgehend in dem aus Gründen des Vergaberechtsschutzes erforderlichen Umfang zu erfolgen hätte.

Die Antragsgegnerinnen haben die Antragstellerin in diesem Punkt klaglos gestellt. Auf die Frage, ob die Antragstellerin in diesem Punkt eine Vergaberechtswidrigkeit aufgezeigt hat, war daher nur mehr für die Frage der Tragung der Pauschalgebühren von Relevanz. Im Hinblick auf die Frage des Ersatzes der Pauschalgebühren war jedoch festzuhalten, dass die Antragstellerin in diesem Punkt eine Vergaberechtswidrigkeit aufgezeigt hat, welche von den Antragsgegnerinnen zeitgerecht vor Entscheidung über den Nachprüfungsantrag mittels Klaglosstellung behoben worden ist.

Betreffend die bedungene Prüfung nach der ÖNORM EN 597 Teil 1 und Teil 2 ist zunächst auszuführen, dass gemäß § 106 Abs. 2 Ziffer 1 letzter Halbsatz BVergG 2018 jede Bezugnahme auf Normen im Zusammenhang mit technischen Spezifikationen mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen ist. Die Antragsgegnerinnen haben den Zusatz „oder gleichwertig“ zunächst unterlassen. Der Hinweis der Antragsgegnerinnen, dass es sich um eine „EN-Norm“ handle, die von allen mitgliedschaftlichen Normungsorganisationen inhaltlich zu übernehmen ist, geht insoweit ins Leere, als etwaige Normen aus anderen Mitgliedstaaten, welche diese EN-Norm ebenfalls umsetzen, keine Ö-Normen sind. Das Vorbringen der Antragstellerin, dass damit Unternehmer diskriminiert würden, welche ihre Produkte nicht in Österreich, sondern in einem anderen EU-Mitgliedstaat zertifizieren lassen, ist daher insoweit berechtigt.

Die Antragsgegnerinnen haben allerdings mit Fragebeantwortung 17 ihrer dritten Fragenbeantwortung (Nummerierung nach der von der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag übermittelten Fragenbeantwortung Dokument 90610-01) festgelegt, dass sich Bieter zum Nachweis diese Mindestanforderung auch auf ein gleichwertiges Regelwerk stützen können, in diesem Fall aber die Gleichwertigkeit nachzuweisen haben. Die von der Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag durch die angeschlossenen Beilagen nachvollziehbar belegte Frage 17 samt Fragenbeantwortung 17 der dritten Fragenbeantwortung ist nicht zu verwechseln mit der von den Antragsgegnerinnen in der Beilage zum Schriftsatz vom 10.12.2020 ausgewiesenen Frage 17 samt deren Beantwortung, zumal sich die von den Antragsgegnerinnen angesprochene Frage 17 samt Beantwortung auf Referenzen bezieht. Die Divergenz ergibt sich daraus, dass die Antragsgegnerinnen die Fragen im vorgelegten Vergabeakt teilweise anders nummeriert haben, als dies aus der Dokumentation der Bereitstellung der anonymisierten Fragen samt Fragenbeantwortung auf der e-Vergabeplattform des Auftragnehmerkatasters Österreich entspricht. Auf Grund des jeweiligen Inhaltes von Frage und Fragenbeantwortung war aber unbeschadet der Nummerierungsfrage jeweils präzisiert, um welche Frage und welche Fragenbeantwortung es inhaltlich geht. Der zweite Nichtigerklärungsantrag bezog sich auf die unmittelbar vor Einbringung dieses Antrags erfolgte Beantwortung der Frage 17 (der dritten Fragenbeantwortung), wohingegen die Antragsgegnerinnen die Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz irrtümlich auf die erst nach Einbringung des betreffenden Nachprüfungsantrags erfolgte Beantwortung der von den Antragsgegnerinnen in ihrer Vergabedokumentation ebenfalls mit „17“ nummerierten Frage der vierten Fragenbeantwortung bezogen haben.

Gemäß der Beantwortung der Frage 17 der dritten Fragebeantwortung ist der Nachweis der Gleichwertigkeit über die Feststellung durch ein unabhängiges Institut zu erbringen. Die Antragstellerin hat dazu in ihrem 2. Nachprüfungsantrag releviert, dass nach wie vor eine Vergaberechtswidrigkeit vorliege, weil in unzulässiger Weise die Möglichkeiten des Nachweises der Gleichwertigkeit durch den Bieter eingeschränkt würden.

Mit diesem Vorbringen ist die Antragstellerin im Recht. Gemäß § 106 Abs. 3 BVergG 2018 darf ein Auftraggeber ein Angebot nicht mit der Begründung ablehnen, dass eine technische Spezifikation nicht erfüllt werde, wenn der Bieter den Nachweis der Erfüllung der technischen Spezifikation zwar nicht auf die festgelegte Weise, aber durch gleichwertige Nachweise bringt. Als geeignete Mittel gelten dabei insbesondere Nachweise gemäß § 109 BVergG 2018. § 109 Abs. 1 BVergG 2018 sieht zwar die Möglichkeit vor, dass der Auftraggeber als Nachweis unter anderem einen Testbericht einer Konformitätsbewertungsstelle verlangen darf, § 109 Abs. 2 BVergG 2018 eröffnet aber auch hier dem Bieter die Möglichkeit, unter den in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen den Nachweis der Gleichwertigkeit auf andere Weise als durch einen solchen Testbericht zu erbringen.

In der Sache ging es der Antragstellerin um die Gleichwertigkeit der Norm British Standards (BS) 7175 mit der ÖNORM EN 597 Teil 1 und Teil 2. Die Antragsgegnerinnen haben diese Gleichwertigkeit im Zuge des Nachprüfungsverfahrens ausdrücklich bestätigt. Diese Bestätigung der Gleichwertigkeit erfolgte nach Einbringung des zweiten Nachprüfungsantrags in der vierten Fragenbeantwortung vom 3.12.2020 (Frage 19 sowie Fragenbeantwortung 19 in der von den Antragsgegnerinnen mit Schriftsatz vom 10.12.2020 vorgelegten Beilage).

Die Antragstellerin ist daher auch in diesem Punkt nach Einbringung ihrer Nachprüfungsanträge, nämlich mit der vierten Fragenbeantwortung vom 3.12.2020, klaglos gestellt worden. Da die Antragsgegnerinnen die zulässigen Nachweise der Gleichwertigkeit in der in Rede stehenden Fragenbeantwortung jedoch auf das Erfordernis einer Feststellung der Gleichwertigkeit durch ein unabhängiges Institut eingeschränkt und damit die gemäß § 109 Abs. 2 BVergG 2018 zulässigen Alternativen ausgeschlossen haben, hat die Antragstellerin auch in ihrem zweiten Nachprüfungsantrag insoweit eine Vergaberechtswidrigkeit aufgezeigt. Diese Vergaberechtswidrigkeit lag bei Einbringung des ersten Nachprüfungsantrages in größerem Umfang vor, weil in diesem Stadium des Vergabeverfahrens die gemäß § 106 Abs. 2 Ziffer 1 letzter Halbsatz BVergG 2018 gebotene Möglichkeit der Zulassung auch gleichwertiger Nachweise noch nicht vorgesehen war und erst in einem späteren Stadium des Vergabeverfahrens mit der zitierten Fragenbeantwortung eingefügt wurde.

Wenn die Antragstellerin hingegen vorbringt, die ÖNORM EN 597 sei auf die in Rede stehenden Matratzensysteme nicht anwendbar, so genügt es, festzuhalten, dass sich die Anwendbarkeit einer ÖNORM gegebenenfalls aus der Festlegung einer Ausschreibung ergibt, wie dies gegenständlich der Fall ist. Ob die ÖNORM aus sich selbst heraus auf einen Sachverhalt „anwendbar“ ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus der betreffenden ÖNORM selbst. Im Rahmen der Anforderungen an die Sachlichkeit kann eine ÖNORM daher auch dann für anwendbar erklärt werden, wenn sich ihre Anwendbarkeit aus der Formulierung des Anwendungsbereiches der ÖNORM nicht oder nicht in eindeutiger Weise ergibt. Die Argumentation der Antragstellerin, der Anwendungsbereich der ÖNORM EN 597 decke deren Anwendung auf die gegenständlichen Matratzensysteme nicht ab, zeigt bereits deswegen keine Vergaberechtswidrigkeit auf.

Betreffend die Festlegung der Matratzenlänge kann dahingestellt bleiben, ob die ursprüngliche Einschränkung auf +0 cm Toleranz in der Länge vergaberechtskonform war. Die Antragsgegnerinnen haben die Antragstellerin diesbezüglich jedenfalls klaglos gestellt, indem sie diese Festlegung mittels Fragenbeantwortung auf +5 cm Toleranz abgeändert haben.

Betreffend das Zuschlagskriterium CPR-Funktion mit Schnellentlüftung haben die Antragsgegnerinnen überzeugend dargelegt, dass dieses Zuschlagskriterium über die festgelegte Mindestanforderung des Vorhandenseins einer CPR-Funktion hinausgeht. Die Mindestanforderung der CPR-Funktion verlangt lediglich eine Entlüftung der Matratzensysteme, wohingegen das in Rede stehende Zuschlagskriterium eine näher spezifizierte Schnellentlüftung verlangt. Die von der Antragstellerin behauptete Vergaberechtswidrigkeit, wonach die Erfüllung einer Mindestanforderung ein weiteres Mal als Zuschlagskriterium berücksichtigt werde, liegt daher nicht vor.

Die Frage der Sachlichkeit der in Rede stehenden Mindestanforderung ist von den beiden Nachprüfungsanträgen nicht umfasst. Wenn daher die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung beanstandet hat, dass das Fehlen einer maximalen Entlüftungsdauer für die CPR-Funktion unsachlich sei, weil die Entlüftung damit auch unvertretbar lang dauern dürfe, ist entgegenzuhalten, dass die Sachlichkeit dieser Mindestanforderung nicht Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist. Es ist nicht die Aufgabe des Verwaltungsgerichtes, über die im Nachprüfungsantrag relevierten Punkte hinausgehend im weiteren Nachprüfungsverfahren erstmals relevierte mögliche Vergaberechtswidrigkeiten aufzugreifen und zu prüfen.

Betreffend die Festlegung, dass sich die CPR-Funktion der Matratzensysteme am Fußende zu befinden hat, hat das Verwaltungsrecht folgendes erwogen:

Die Antragsgegnerinnen sind zu dem Erfordernis, dass die CPR-Funktion der Matratzensysteme am Fußende sein soll, auf die Weise gekommen, dass sie eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben, die durchgehend mit diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegern und diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerinnen besetzt war. Die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe haben langjährige Erfahrungen in der Gesundheits- und Krankenpflege mitgebracht, wobei die jeweiligen Häuser und Regionen sowie unterschiedliche Funktionen (darunter auch Pflegeberater, Langzeit-Pflegekräfte und Mitglieder der Zentralen) vertreten waren. Ärzte waren in dieser Arbeitsgruppe nicht vertreten.

Die Arbeitsgruppe ist aus den nachfolgenden Überlegungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die CPR-Funktion der Matratzensysteme am Fußende auslösbar sein soll:

Ein wichtiger Aspekt für diese Festlegung bestand darin, dass nach dem Kenntnisstand der Arbeitsgruppe überwiegend Eigenbetten zum Einsatz kommen, bei denen die CPR-Funktion des Bettes mit der CPR-Steuerung am Fußende des Bettes angebracht ist. Die CPR-Funktion des Bettes und die CPR-Funktion der Matratz

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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