TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/29 LVwG-AV-751/001-2020

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Veröffentlicht am 29.09.2020
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Entscheidungsdatum

29.09.2020

Norm

GewO 1994 §13 Abs1
GewO 1994 §26 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Mag. Marihart über die Beschwerde des Herrn A, wohnhaft in ***, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 18.06.2020, Zl. ***, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Schreiben vom 15.01.2020 bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (im Folgenden: belangte Behörde) beantragte Herr A (im Folgenden: Beschwerdeführer) die Erteilung einer Nachsicht gemäß § 26 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) vom Gewerbeausschluss für das Gewerbe „Gastgewerbe“ gemäß § 111 Abs. 1 Ziffer 2 GewO 1994, da im Strafregisterauszug des Beschwerdeführers nicht getilgte Verurteilungen aufscheinen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18.06.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers für das reglementierte Gewerbe abgewiesen.

Begründend dazu führte die belangte Behörde aufgrund des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer wegen insgesamt sieben gerichtlichen Verurteilungen, welche eine dreimonatige Haftstrafe übersteigen, verurteilt worden sei. Darüber hinaus weise die Abfrage der Strafregisterkartei weitere neun gerichtliche Vorverurteilungen auf. Eine rechtskräftige Verurteilung wegen der in § 13 Abs. 1 GewO 1994 genannten justizstrafrechtlichen Delikten führe unmittelbar zum Ausschluss der verurteilten Person von der Ausübung des Gewerbes.

Mit Urteil, jeweils des LG für Strafsachen ***, zu *** vom 27.09.1991, rechtskräftig am 30.09.1991 wurde der Beschwerdeführer wegen § 164 Abs. 1/2 Abs. 2 und 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten und zu *** vom 23.08.1996, rechtskräftig am 26.08.1996 wegen §§ 88 Abs. 1 und 4 sowie § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Mit Urteil, jeweils des BG ***, zu *** vom 27.07.2006, rechtskräftig am 01.08.2006 wurde der Beschwerdeführer wegen § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten und zu *** vom 22.02.2007, rechtskräftig am 27.02.2007 wegen § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, sowie zu *** vom 27.07.2010, rechtskräftig am 27.07.2011 wegen § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Mit Urteil, jeweils des LG ***, zu *** vom 19.12.2007, rechtskräftig am 25.12.2007 wurde der Beschwerdeführer wegen § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten sowie zu *** vom 27.09.2018, rechtskräftig am 02.10.2018 wegen §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Alle Urteile seien rechtskräftig, der Tilgungszeitraum sei nicht errechenbar.

Bei der Beurteilung einer Nachsicht nach § 26 Abs. 1 GewO 1994 sei auf den Umfang der erfolgten gerichtlichen Verurteilungen abzustellen. Im Hinblick auf eine mögliche Wandlung des Persönlichkeitsbildes sei der verstrichene Zeitraum seit Begehung des Deliktes zu berücksichtigen. Dieser Zeitraum sei zu kurz, um von einem Wohlverhalten ausgehen zu können. Darüber hinaus könne aufgrund der Vielzahl der unterschiedlichen strafbaren Handlungen im Zeitraum von 1984 bis 2018 nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer gleiche oder ähnliche Straftaten wieder begehen werde. Zudem bestehe gerade bei der Ausübung des Gastgewerbes enger Kundenkontakt, häufig auch mit betrunkenen Gästen, sohin herrsche erhöhte Konfliktgefahr. Demnach ergebe sich, dass sowohl nach der Persönlichkeit des Beschwerdeführers, als auch nach der Eigenart der strafbaren Handlungen die Begehung von gleichen oder ähnlichen Straftaten bei Ausübung des gegenständlichen Gewerbes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu befürchten sei.

Nach Einsichtnahme in die erwähnten Gerichtsakten, wies die Behörde den Antrag auf Nachsicht ab.

In seiner Stellungnahme, eingelangt am 03.06.2020, gab der Beschwerdeführer an, die Bezirkshauptmannschaft möge den Fall nochmals prüfen. Bezugnehmend auf die Verurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen *** wegen § 164 Abs. 1, 2 StGB führte er aus, er habe keine Hehlerei begangen, sondern einen Gegenstand als Pfand bloß verwahrt und ihn anschließend der Polizei ausgehändigt, als sich herausstellte, dass es sich um aus einer gerichtlich strafbaren Handlung erlangte Gegenstände handelte.

Hinsichtlich der Verurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen *** wegen §§ 88 Abs. 1 und 4 sowie 83 Abs. 1 StGB gab der Beschwerdeführer an, er habe seine damalige Freundin bloß gegen ihren Exmann verteidigt.

Betreffend die Verurteilungen des BG *** wegen § 198 Abs. 1 StGB erklärte der Beschwerdeführer, seinen Arbeitsplatz aufgrund des vielen Krankenstandes wegen der Diagnose „Kehlkopfkrebs“ verloren zu haben. Er habe von dem Krankengeld in der Höhe von monatlich Euro 500,- leben müssen und sich die Alimente nicht leisten können.

Zu den Verurteilungen des LG *** wegen § 105 StGB verantwortete sich der Beschwerdeführer zum einen dahingehend, seiner betrunkenen Lebensgefährtin den Autoschlüssel weggenommen zu haben, sodass sie nicht mehr mit dem Auto fahren konnte und er die Verurteilung bis heute nicht verstehe. Zum anderen beruhe die nachfolgende Verurteilung gemäß § 105 StGB auf ein intimes Verhältnis mit seiner Nachbarin, welches er beendet habe und sie dies nicht hatte einsehen wollen.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte hierzu aus, er habe bereits im Jahr 2006 Nachsicht vom Gewerbeausschluss für die Ausübung des Gastgewerbes, nämlich eines Tanzlokals erteilt bekommen und sei es in Folge nie zu einer Straftat im Zusammenhang mit der Gewerbsausübung gekommen. Er habe bereits umfangreiche Investitionen in die geplante Waldschenke gesteckt und übersehe die Behörde, dass seit dem Jahr 2008 lediglich eine Straftat begangen worden sei. Dieser Umstand sei in Hinsicht auf eine mögliche Wandlung des Persönlichkeitsbildes zu berücksichtigen. Auch sei der Beschwerdeführer seit 2008 jeder Zahlungsverpflichtung nachgekommen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 14.09.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer persönlich einvernommen wurde. Im Zuge dieser Verhandlung wurde Einsicht genommen in den von der Behörde übermittelten Verwaltungsakt zur ZI. *** sowie des Gerichtsaktes zur ZI. LVwG-AV-751-2020.

Auf Grund der durchgeführten mündlichen Verhandlung steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen *** zu *** vom 27.09.1991, rechtskräftig am 30.09.1991 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der gewerbsmäßigen Hehlerei gemäß § 164 Abs. 1/2 und Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt. Er hatte Sachen, unter anderem Musikkassetten, Autoradioapparate und eine Kleinbildkamera in einem insgesamt S 25.000,- übersteigenden Wert, die andere durch ein Verbrechen erlangten, gekauft oder sonst an sich gebracht.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen *** zu *** vom 23.08.1996, rechtskräftig am 26.08.1996 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung sowie der leichten vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 und 4 und § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt.

Der Beschwerdeführer wurde, jeweils mit Urteil des BG *** zu *** vom 27.07.2006, rechtskräftig am 01.08.2006 gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt, sowie zu *** vom 22.02.2007, rechtskräftig am 27.02.2007 gemäß § 198 Abs. 1 StGB ebenso zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt wegen des Vergehens der Verletzung seiner im Familienrecht begründete Unterhaltspflichten verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes *** zu *** vom 27.07.2010, rechtskräftig am 27.07.2011, Vollzugsdatum: 29.08.2012, wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Tat erfolgte durch keine oder unzureichende Unterhaltszahlungen an seine Töchter C, D und E und bewirkte der Beschwerdeführer hierdurch die Gefährdung des Unterhaltes oder der Erziehung der Berechtigten, indem er keiner zumutbaren Arbeit, zu der er fähig gewesen wäre, nachgegangen ist. Zugleich wurde der Beschluss gefasst, die gewährten bedingten Strafnachsichten zu den Urteilen des Bezirksgerichtes *** zu *** vom 27.07.2006 und zu *** vom 22.02.2007 sowie zu dem Urteil des Landesgerichtes *** zu *** vom 19.12.2007 zu widerrufen und die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

Mit Urteil des Landesgerichtes *** zu *** vom 19.12.2007, rechtskräftig am 25.12.2007 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes *** zu *** vom 27.09.2018, rechtskräftig am 02.10.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchter Nötigung durch gefährliche Drohung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt. Die Verurteilung resultierte aus dem Versuch des Beschwerdeführers, seine Nachbarin durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der weiteren Kontaktaufnahme, zu nötigen, indem er die Veröffentlichung eines Videos, das sie bei der Vornahme von Oralverkehr zeigte, androhte. Zudem wurde ihm mit Beschluss des Landesgerichtes *** zu *** die Weisung erteilt, sich einer Männerberatung zu unterziehen.

Alle Urteile sind rechtskräftig, der Tilgungszeitraum ist derzeit nicht errechenbar.

Der Beschwerdeführer, A, ist am *** geboren und wohnhaft in ***, ***. Er ist seit ca. vier Jahren beim AMS arbeitslos gemeldet und bezieht Notstandshilfe in der Höhe von ca. EUR 900,- netto. Zuletzt ging der Beschwerdeführer einer Beschäftigung in den Jahren 2009 bis 2015 als Angestellter des F nach. Danach fungierte er in den Jahren 2016 und 2017 als Leiharbeiter für die Dauer von insgesamt fünf Wochen in einem *** Betrieb in ***.

Der Beschwerdeführer lebt in einer aufrechten Partnerschaft und hat vier Kinder. Seine Tochter C lebt in Tirol; zu seinen anderen beiden Töchtern D und E pflegt er, trotz mehrmalig vorhergehenden Verurteilungen wegen Verletzung seiner Unterhaltspflichten, wöchentlichen Kontakt. Darüber hinaus konnte betreffend seine Straftaten keine Wiedergutmachung festgestellt werden.

Zuletzt wurde der Beschwerdeführer im Jahr 2018 wegen versuchter Nötigung verurteilt, im Zuge dessen er die Weisung des Landesgerichtes *** befolgte und sich einer einmaligen Männerberatung unterzog. Die verurteilte Tat resultierte aus einem intimen Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Nachbarin, welches der Beschwerdeführer beendete. Anlässlich der Beendigung des Verhältnisses drohte der Beschwerdeführer seiner Nachbarin mit der Verletzung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches, und zwar durch Androhung der Veröffentlichung eines Videos in dem Lokal „***“, das sie bei der Vornahme von Oralverkehr an den Beschwerdeführer zeigte. Infolge einer Entschuldigung seitens des Beschwerdeführers hatte sich der Konflikt gelöst und sich das Verhältnis normalisiert. Darüber hinaus besuchte der Beschwerdeführer keine Therapien, weder zur Bewältigung seines rechtsuntreuen Verhaltens, noch zur Aufarbeitung des Geschehenen. Die Probezeit der jüngsten Verurteilung vom 27.09.2018 ist gegenwärtig noch nicht abgelaufen.

Mit 15.01.2020 beantrage der Beschwerdeführer die Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung, um eine Waldschenke betreiben zu können. Er hatte bereits alle Ersparnisse aufgebracht und Investitionen in Höhe von ca. EUR 7.000,- getätigt. Der Beschwerdeführer möchte eine Jausenstation für vorbeikommende Wanderer führen und neben Jausenbrote auch antialkoholische Getränke sowie Bier und Wein servieren. Die Waldschenke soll täglich von 10:00 Uhr vormittags bis 22:00 Uhr abends in den Sommermonaten und bis 20:00 Uhr abends in den Wintermonaten geöffnet sein. Dienstag und Mittwoch soll die Waldschenke geschlossen bleiben.

Mit Bescheid vom 21.03.2006 wurde dem Beschwerdeführer erstmals die Nachsicht vom Ausschluss für die Ausübung des Gastgewerbes, befristet mit 31.12.2007, wegen nicht getilgter Vorstrafen gewährt.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu dem Ausmaß der ausschlussbegründenden Verurteilungen sowie den zugrundeliegenden Umständen ergeben sich aus dem Strafregister sowie aus den dem Verwaltungsakt inne liegenden oben festgestellten, unbedenklichen, herbeigeschafften Urteilsausfertigungen.

Die Feststellungen betreffend die Verantwortung des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Vorstrafen liegen dem Antrag des Beschwerdeführers auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss vom 15.01.2020, seiner Stellungnahme vom 03.06.2020 sowie der Einvernahme vor Gericht zugrunde.

Hinsichtlich der Reue des Beschwerdeführers konnte das Gericht den sehr knappen Ausführungen nur teilweise Glauben schenken, zumal das Gericht in seiner Einvernahme vehement nachfragen musste, ob und inwiefern der Beschwerdeführer Schadenswiedergutmachung gleistet hat. Viel eher schien der Beschwerdeführer die bereits verurteilten Taten zu bagatellisieren, was sowohl in seiner Einvernahme, als auch in seiner Stellungnahme zum Ausdruck kam. In Ergänzung des Antrages auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss gab der Beschwerdeführer an, kein Verbrecher zu sein. Die Verurteilungen entstanden lediglich aus einem Nachbarschaftsstreit sowie Alimentationsschulden. Ferner wurde dem Gericht hinsichtlich der Verurteilung des Straflandesgerichtes *** zu *** vom 23.08.1996 das Gefühl des fehlenden Unrechtsbewusstseins dadurch vermittelt, dass der Beschwerdeführer die Tathandlung der Körperverletzung als Notwehr abtat, indem er sich wie folgt äußerte: „Ich habe mich und meine Lebensgefährtin lediglich verteidigt.“

Die Feststellungen betreffend die aktuelle familiäre Situation des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen glaubhaften Aussagen. Auch diesbezüglich war dem Gericht der Wille einer Wiedergutmachung nicht erkennbar, wiewohl laut eigenen Angaben regelmäßiger Kontakt zu zweier seiner vier Kinder besteht.

Im Übrigen vermittelte der Beschwerdeführer dem erkennenden Gericht nicht den Eindruck, die verurteilten Taten reflektiert zu haben, sondern hatte dieser die Geschehnisse laut eigener Angabe bloß verdrängt.

Die Feststellungen zu dem Bescheid der Nachsicht vom Ausschluss für die Ausübung des Gastgewerbes vom 21.03.2006 ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Rechtslage:

Folgende rechtliche Bestimmungen kommen im gegenständlichen Fall zur Anwendung:

§ 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.“

§ 28 Abs. 2 VwGVG lautet:

„(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO) lauten auszugsweise:

§ 13 Abs. 1 GewO 1994 lautet:

„(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1.   von einem Gericht verurteilt worden sind

a.   wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerische Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

b.   wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2.   die Verurteilung nicht getilgt ist. […]“

§ 26 Abs. 1 GewO 1994 lautet:

„(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.“

Erwägungen:

Die Beurteilung der Nachsicht nach § 26 Abs. 1 GewO 1994 stellt auf den Umfang der erfolgten gerichtlichen Verurteilung ab. Aus der Straftat, die der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegt, ergibt sich das Persönlichkeitsbild des Nachsichtswerbers, das zur Befürchtung Anlass gibt, er werde, sollte er neuerlich in eine vergleichbare Situation geraten, wiederum eine ähnliche Straftat begehen (siehe dazu Kreisl, § 26, E/R/W GewO, 2015 Rz 8). Die Ursachen für die zur Verurteilung führenden Straftat sind für die Gewerbebehörde nicht maßgeblich (siehe dazu Erkenntnis des VwGH vom 17.09.2010, 2008/04/0144). Ferner ist im Sinne des § 13 Abs. 1 GewO 1994 ohne rechtliche Relevanz, ob eine Straftat im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes steht (siehe dazu Werinos, § 13, E/R/W GewO, 2015 Rz 5).

Wie in den Feststellungen ausgeführt, hat der Beschwerdeführer die festgestellten strafbaren Handlungen im Zeitraum 1991 bis 2018 begangen und kann der Tilgungszeitpunkt derzeit nicht errechnet werden. Die letzte Verurteilung erfolgte am 27.09.2018, rechtskräftig am 02.10.2018 wegen versuchter Nötigung. Der Beschwerdeführer wurde vom Landesgericht *** zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt. Sohin befindet sich der Beschwerdeführer gegenwärtig in der Probezeit.

Wie weiters festgestellt ging der Beschwerdeführer zuletzt im Jahr 2015 einer regelmäßigen Tätigkeit nach. Er hat vier erwachsene Kinder und pflegt regelmäßigen Kontakt mit seinen beiden Töchtern D und E. Zudem befindet sich der Beschwerdeführer in einer aufrechten Partnerschaft. Der regelmäßige Kontakt zu zweien seiner bereits vier erwachsenen Kinder lässt den Schluss auf ein geordnetes Verhältnis zu, führt jedoch nicht automatisch zu einer positiven Persönlichkeitswandlung.

Als wesentliche Kriterien für ihre Prognoseentscheidung hat die Behörde – nach Maßgabe der expliziten Anordnung in § 26 Abs. 1 GewO 1994 – auf die Eigenart der strafbaren Handlung und die Persönlichkeit des Verurteilten Bedacht zu nehmen. Die genannten Kriterien sind in einem beweglichen System anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Hierbei kommt der Persönlichkeitsentwicklung in hohem Maße Bedeutung zu. Die Abwägung der Schwere und Eigenart der begangenen Straftaten einerseits und dem Lebenswandel andererseits, soll eine sichere Prognose gewährleisten, welche es ermöglicht, das Risiko der Begehung weiterer strafbarer Handlungen bei Ausübung des Gewerbes durch den Beschwerdeführer einzuschätzen (vgl. Kreisl, § 26, E/R/W GewO, 2015, Rz 9ff).

Hinsichtlich der Erstellung einer Zukunftsprognose ist der vom Gericht gewonnene persönliche Eindruck maßgeblich, welches sich dieses im Rahmen der mündlichen Verhandlung verschaffen konnte. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 18.02.2015, 2014/04/0034). Diesbezüglich sei auf die Ausführungen der Beweiswürdigung zu verweisen, wo umfassend dargestellt wird, dass sich der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme weder reflektiert, noch reumütig zeigte, hingegen ausdrücklich angab, sich nicht weiter mit den begangenen Straftaten auseinandergesetzt, diese stattdessen bloß verdrängt habe.

Kumulativ zu dieser positiven Prognose muss hinzutreten, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung eine Befürchtung der Tatbegehung im Sinne des § 26 Abs. 1 GewO 1994 nicht besteht. Es ist auf die Eigenart der strafbaren Handlung und auf das beeinträchtigte Rechtsgut abzustellen. Die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten müssen mit guten Gründen in weiterer Folge ausgeschlossen werden können. Jedenfalls unzureichend ist eine bloße überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. Kreisl, § 26, E/R/W GewO, 2015 Rz 11).

An dieser Stelle sei auf die verurteilten Straftaten nach § 198 StGB zu verweisen. Immanenter Faktor der Gewerbsausübung ist sowohl Fähigkeit als auch die Bereitschaft den Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Die Befürchtungen einer gleichartigen Tatbegehung seitens des Beschwerdeführers hinsichtlich diverser aus der Gewerbsausübung resultierender Zahlungsverpflichtungen lassen sich nicht aus guten Gründen negieren. Der Beschwerdeführer kam bereits seinen sich aus dem Familienrecht ergebenen Zahlungsverpflichtung nicht nach, was zu mehreren Verurteilungen wegen Verletzung der Unterhaltsverpflichtungen führte, nicht zuletzt aufgrund der Ausübungsverweigerung einer zumutbaren Arbeit (siehe dazu Urteil des BG *** vom 27.07.2010 zu ***).

Zudem birgt das Gastgewerbe durch dauerhaften Kundenkontakt erhöhtes Konfliktpotential, insbesondere durch Ausschank alkoholischer Getränke, welche die Zurechnungsfähigkeit der Besucher offenkundig beeinträchtigen und sich die Gewaltbereitschaft nach der allgemeinen Lebenserfahrung deutlich erhöht. Diesbezüglich sei auf die wiederkehrend begangenen Delikte gegen Leib und Leben, insbesondere der jüngst verurteilten Straftat der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu verweisen. Nach der Rsp. des VwGH soll Nachsicht nur gewährt werden, wenn die Befürchtung einer Tatbegehung iSd § 26 Abs. 1 GewO 1994 gar nicht besteht (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 17.09.2010, 2010/04/0026). Im gegenständlichen Fall weist der Beschwerdeführer einschlägige Vorverurteilungen wegen Delikte gegen Leib und Leben auf, weshalb das erkennende Gericht nicht ausschließen kann, dass es zu gleichen oder ähnlichen Straftaten kommen könnte.

Im Hinblick auf eine mögliche Wandlung des Persönlichkeitsbildes ist insb. der seit Begehung eines Delikts verstrichene Zeitraum zu berücksichtigen. Nach Rsp. des VwGH können jedenfalls Rückschlüsse aus den seit der Begehung eines Delikts verstrichenen Zeitraum auf den möglichen Persönlichkeitswandel gezogen werden. Im Hinblick auf die Länge des Deliktszeitraumes erkannte der VwGH einen Zeitraum von sechseinhalb Jahren, in denen eineinhalb Jahre in Auslieferungs- und Strafhaft verbracht wurden, als insgesamt zu kurz, um auf einen Wandel der Persönlichkeit schließen zu lassen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 05.09.2001, 2001/04/0116). Gleichwohl führt das bloße Verstreichen eines längeren Zeitraums seit Begehung eines Delikts nicht unmittelbar automatisch zu einer positiven Prognoseentscheidung. So konstatierte der VwGH in seiner Entscheidung vom 28.04.2004 zu 2003/03/0017, dass der bloße Hinweis auf den seit der Verurteilung verstrichene Zeitraum von 11 Jahren, in dem sich der Beschwerdeführer wohlverhalten habe, unzureichend ist. Dies veranschaulicht umso mehr, dass die genannten Kriterien nicht losgelöst von einander zu prüfen, sondern vielmehr – an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls – mit einander in Beziehung zu setzen sind (vgl. Kreisl, § 26, E/R/W GewO, 2015, Rz 10). Im Hinblick des verstrichenen Zeitraumes ist auszuführen, dass die letzte Verurteilung im Jahr 2018 stattfand, sohin noch nicht einmal die Probezeit von drei Jahren gegenwärtig verstrichen ist.

Gleichermaßen blieb hinsichtlich einer Schadenswiedergutmachung festzustellen, dass der Beschwerdeführer sich nicht ausreichend mit seiner kriminellen Vergangenheit auseinandersetzte und kam es nie zu einer Aufarbeitung der Geschehnisse, was nicht zuletzt durch seine Rückfälligkeit zum Ausdruck kam. Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer bereits im Jahr 2006 Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung gewährt, weshalb davon auszugehen war, dass es dem Beschwerdeführer durchaus bewusst war, dass rechtsuntreues Verhalten zum Ausschluss von der Gewerbeausübung führt, was ihm jedoch nicht daran hinderte, erneut straffällig zu werden.

Sohin kam das erkennende Gericht zu dem Schluss, dass keine Wandlung der Persönlichkeit festzustellen ist und kann diesbezüglich keine positive Prognose abgegeben werden.

Nach Abwägung sämtlicher Umstände war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Gastgewerbe; Gewerbeausübung; Ausschluss; Nachsicht; Persönlichkeit; Prognose;

Anmerkung

VwGH 04.02.2021, Ra 2020/04/0169-6, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.751.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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